Entscheidungsstichwort (Thema)

Erteilung der Arbeitserlaubnis. türkischer Arbeitnehmer. Ermessen der Bundesanstalt für Arbeit. Recht auf Arbeit. Sozialstaatsprinzip

 

Leitsatz (redaktionell)

Enthält die ausländerrechtliche Duldung die Auflage "Erwerbstätigkeit jeder Art nicht gestattet", steht die Auflage der Erteilung einer Arbeitserlaubnis gemäß § 19 AFG entgegen.

 

Orientierungssatz

1. Der Bundesanstalt für Arbeit steht kein Ermessen zu, ob nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Vermittlungsfalles eine Arbeitserlaubnis erteilt werden soll.

Lediglich hinsichtlich der Befristung und der Beschränkung der Arbeitserlaubnis auf bestimmte Betriebe, Berufsgruppen, Wirtschaftsgruppen und Bezirke ist der Bundesanstalt für Arbeit ein Ermessen eingeräumt (Festhaltung BSG 1982-06-23 7 RAr 106/81 = SozR 4100 § 19 Nr 16).

2. Ein Grundrecht auf Arbeit gibt es nicht. Das Grundgesetz kennt lediglich das Grundrecht der Berufsfreiheit in Art 12 Abs 1 GG, aus dem sich ein Recht auf Ausübung einer bestimmten Tätigkeit herleiten kann. Dieses Grundrecht ist lediglich Deutschen vorbehalten.

3. Das Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG gebietet nicht, Ausländern, die sich bereits längere Zeit im Inland befinden, entgegen der Bestimmung des § 19 Abs 2 AFG eine Arbeitserlaubnis zu erteilen. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Ausländer unerlaubt in das Gebiet der Bundesrepublik gelangt ist.

4. Auch für das unveränderte Begehren auf alsbaldige Erteilung einer unbeschränkten Arbeitserlaubnis bleibt das Vorverfahrenserfordernis gewahrt, wenn die Zeit, für die die Arbeitserlaubnis ursprünglich beantragt war, während des Gerichtsverfahrens abgelaufen ist (vgl BSG 1981-10-08 7 RAr 23/80 = SozR 4210 § 2 Nr 10).

 

Normenkette

AFG § 19 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1981-08-03, Abs. 2 Fassung: 1981-08-03; ArbErlaubV § 1; GG Art. 12 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 20 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; AuslG § 7 Abs. 3, § 17; SGG § 78

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 30.04.1981; Aktenzeichen L 1 Ar 1130/80)

SG Kassel (Entscheidung vom 05.08.1980; Aktenzeichen S 5 Ar 271/79)

 

Tatbestand

Der 1931 geborene Kläger, der türkischer Staatsangehöriger ist, begehrt eine Arbeitserlaubnis (AE) für eine Beschäftigung als Zahntechniker bei dem Zahnarzt Dr. Derman   (Dr. D.) in Zwesten.

Der Kläger war in der ersten Hälfte des Jahres 1976 in die Bundesrepublik eingereist und bekam eine bis zum 31. Dezember 1976 geltende Aufenthaltserlaubnis, die die Auflage enthielt: "Berechtigt nicht zur Arbeitsaufnahme oder Gewerbeausübung". Am 4. August 1976 verließ er die Bundesrepublik und reiste am 28. Dezember 1976 wieder ein, und zwar ohne Sichtvermerk. Seine Anträge vom November 1976 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Zeit nach dem 31. Dezember 1976 und die Aufhebung der Auflage über die Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit blieben erfolglos. Gegen den ablehnenden Bescheid der Ausländerbehörde hat der Kläger Widerspruch eingelegt, über den im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) noch nicht entschieden war. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluß vom 17. März 1981 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet. Am 10. April 1981 erteilte die Ausländerbehörde dem Kläger eine bis zum 17. September 1981 geltende Duldung, die ua die Auflage enthielt: "Erwerbstätigkeiten jeder Art nicht gestattet".

Am 11. September 1979 hatte der Kläger bei der Beklagten die Erteilung einer AE für eine Beschäftigung als Zahntechniker bei Dr. D. beantragt. Dieser hatte sich bereits mit Vermittlungsauftrag vom 5. November 1976 ohne Erfolg an das Arbeitsamt wegen der Vermittlung eines Zahntechnikers gewandt. Seit dem 1. September 1979 beschäftigt er einen anderen Ausländer als Zahntechniker, will aber weiterhin auch den Kläger einstellen.

Mit Bescheid vom 17. September 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 1979 wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, nach den bindenden Weisungen des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung könne ausländischen Arbeitnehmern, die beabsichtigten, erstmals im Bundesgebiet eine Beschäftigung auszuüben, keine AE erteilt werden. Die Versagung der AE begründe für den Kläger keine besondere Härte. Er sei als Tourist in die Bundesrepublik eingereist und habe daher nicht darauf vertrauen können, daß ihm eine solche Erlaubnis erteilt würde.

Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 5. August 1980 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die begehrte AE zu erteilen. Aufgrund dieses Urteils hat die Beklagte dem Kläger eine vorläufige, bis spätestens zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens geltende AE erteilt. Seit dem 1. September 1980 ist der Kläger als Zahntechniker bei Dr. D. angestellt.

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 30. April 1981). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Kläger habe in dem Zeitpunkt, der für die rechtliche Beurteilung maßgebend sei, nämlich der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG, keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten AE. Seinem Begehren stehe entgegen, daß diese Erlaubnis gemäß § 5 Abs 1 der Arbeitserlaubnis-Verordnung (AEVO) vom 12. September 1980 (BGBl I 1755) nicht erteilt werden dürfe, soweit die Beschäftigung durch eine ausländerrechtliche Auflage ausgeschlossen sei. Diese Regelung habe ihre Grundlage in § 19 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Eine Erwerbstätigkeit des Klägers werde derzeit jedenfalls durch die mit der Duldung vom 10. April 1981 verbundene Auflage "Erwerbstätigkeiten jeder Art nicht gestattet" ausgeschlossen. Diese Auflage, die ihre Rechtsgrundlage in § 17 Abs 1 Satz 2 iVm § 7 Abs 3 Ausländergesetz (AuslG) habe, beruhe auch auf aufenthaltsrechtlichen Grundsätzen. Dies folge aus dem Schreiben der Ausländerbehörde vom 14. April 1981 an das Gericht. Danach stehe fest, daß die Ausländerbehörde hinsichtlich der Ausübung einer Erwerbstätigkeit durch den Kläger auch bei Erteilung der Duldung an der in dem Bescheid vom 1. Oktober 1980 ausführlich dargelegten Auffassung unverändert festgehalten habe. Diese Auffassung bestehe darin, daß Belange der Bundesrepublik nicht nur dem Aufenthalt des Klägers, sondern auch der Ausübung einer Erwerbstätigkeit durch ihn entgegenstünden und arbeitsmarktpolitische Bedürfnisse demgegenüber zurückzutreten hätten. Diese Begründung sei im Sinne einer Tatbestandswirkung hinzunehmen. Insoweit müsse der Kläger gegebenenfalls den Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten suchen. Unter diesen Umständen könne dahinstehen, ob und wie weit die sogenannte Stichtagsregelung, auf die sich die Beklagte ebenfalls berufe, wirksam sei und ob gegebenenfalls die Arbeitsmarktlage die Erteilung einer AE zulasse.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 19 Abs 3 AFG durch das LSG. Er ist der Auffassung, § 5 AEVO könne keine Anwendung finden. Für diese Regelung bilde § 19 Abs 3 AFG keine ausreichende Rechtsgrundlage. Hiernach könnten durch Verordnung lediglich Art, Umfang, Geltung und Aufhebung der Erlaubnis geregelt werden. Daraus folge, daß im Verordnungswege grundsätzlich keine neuen Voraussetzungen für die Erteilung einer AE geschaffen werden könnten. Die Möglichkeit zu arbeiten gehöre zu den zentralen Faktoren der Persönlichkeitsentfaltung und falle unter den Schutz der Art 1 und 2 Grundgesetz (GG). Ein solches Recht könne niemals durch eine einfache Verordnung eingeschränkt werden. Es bedeute aber eine Einschränkung des Rechts auf Arbeit, wenn die AE an neue, im Gesetz nicht verankerte Voraussetzungen geknüpft werde. Darüber hinaus gehöre es nicht zur Kompetenz der Ausländerbehörde, über Arbeitserlaubnisse zu entscheiden. Es fehle dieser Behörde dazu an allen sachlichen Voraussetzungen. Der Anspruch auf eine AE richte sich nach den Bestimmungen des AFG. Die Durchführung dieses Gesetzes sei den dort benannten Behörden vorbehalten. Das Recht auf Arbeit würde bei der Doppelgleisigkeit eines solchen Verfahrens in seinem Grundgehalt beschränkt. Zu Unrecht fühle sich das LSG an die Auflage der Ausländerbehörde im Duldungsbescheid vom 10. April 1981 gebunden. Eine solche Bindungswirkung könne nur dann entstehen, wenn eine Auflage dieser Art von der Ausländerbehörde ausgesprochen werden könne. Der § 7 Abs 3 AuslG lasse aber nur Auflagen ausländerrechtlichen Inhalts zu. Abgesehen davon sei gegen die Duldungsverfügung Widerspruch insoweit eingelegt worden, als sie die beanstandete Auflage enthalte. Dieser Widerspruch habe aufschiebende Wirkung. Die Auflage bestehe daher im Augenblick nicht. Selbst wenn man der Auffassung des angefochtenen Urteils folge, hätte das Berufungsgericht eingehend überprüfen müssen, ob die Auflage hinsichtlich der Erwerbstätigkeit zulässig gewesen sei. Das sei nicht der Fall. Die Ausländerbehörde wolle die Einreise des Klägers nicht mit Mitteln des Ausländerrechts regeln, sie bediene sich vielmehr der Hilfe des AFG, wozu sie nicht befugt sei.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30. April 1981 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 5. August 1980 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten, ihm eine AE als Zahntechniker bei Dr. D. zu erteilen. Er beansprucht also eine AE für eine bestimmte berufliche Tätigkeit in einem bestimmten Betrieb (§ 1 Abs 1 Nr 1 AEVO idF der Bekanntmachung vom 12. September 1980, BGBl I 1754, geändert durch die  6. Verordnung zur Änderung der AEVO vom 24. September 1981, BGBl I 1042). Dieses Prozeßbegehren, das nicht auf eine AE für eine inzwischen abgelaufene Zeit beschränkt war, sondern ersichtlich auf eine AE gerichtet ist, die dem Kläger alsbald nach Rechtskraft des erstrebten Urteils die Aufnahme der Beschäftigung ermöglicht, hat sich nicht erledigt. Die AE, die die Beklagte dem Kläger aufgrund des sozialgerichtlichen Urteils erteilt hat, ist unter dem Vorbehalt erteilt worden, daß es bei der Verurteilung der Beklagten verbleibt.

Das nach § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche Vorverfahren ist eingehalten. Wie der Senat entschieden hat, bleibt für das unveränderte Begehren auf alsbaldige Erteilung einer unbeschränkten AE das Vorverfahrenserfordernis gewahrt, wenn die Zeit, für die die AE ursprünglich beantragt war, während des Gerichtsverfahrens abgelaufen ist (Urteil vom 8. Oktober 1981, SozR 4210 § 2 Nr 10). Die in diesem Urteil genannten prozeßökonomischen Erwägungen greifen auch Platz, wenn der Kläger unverändert die alsbaldige Erteilung einer AE für eine bestimmte berufliche Tätigkeit in einem bestimmten Betrieb erstrebt. Es ist daher unbeachtlich, ob eine AE, wenn sie antragsgemäß 1979 erteilt worden wäre, inzwischen abgelaufen wäre.

Der Kläger benötigt eine AE, um in der Bundesrepublik abhängig tätig zu sein. Nach § 19 Abs 1 Satz 1 AFG benötigen alle Arbeitnehmer, die nicht Deutsche iS des Art 116 GG sind, eine AE, soweit in zwischenstaatlichen Vereinbarungen nichts anderes bestimmt ist. Solche Vereinbarungen sehen zugunsten türkischer Arbeitnehmer keine Ausnahme vor. Der Kläger kann sich auch nicht auf Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften, die nach § 19 Abs 3 AFG unberührt bleiben, berufen. Die aufgrund des Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 12. September 1963 (BGBl II 1964, 509) und des Zusatzprotokolls zu diesem Abkommen vom 23. November 1970 (BGBl II 1972, 385) ergangenen Beschlüsse des Assoziationsrates vom 20. Dezember 1976 (ANBA 1977, 1090) und Nr 1/80 (ANBA 1981, 4) haben daran nichts geändert. Sie sehen gegenüber den deutschen Vorschriften lediglich gewisse Erleichterungen bei der Erteilung der AE für türkische Arbeitnehmer vor (BSG SozR 4100 § 19 Nr 5 und 9; SozR 4210 § 2 Nr 9 und 10). Insbesondere kann die Revision nicht darauf gestützt werden, daß nach Art 6 Abs 1 des Beschlusses Nr 1/80 ein türkischer Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner AE bei dem gleichen Arbeitgeber hat, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt. Wie der Senat bereits in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 23. Juni 1982 (7 RAr 106/81) entschieden hat, ist im Sinne dieser Vorschrift nur eine bestandskräftig erlaubte Beschäftigung ordnungsgemäß, nicht aber eine Beschäftigung, die dem türkischen Arbeitnehmer aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung vorläufig erlaubt worden ist. Erst die einjährige Beschäftigung aufgrund einer Erlaubnis, mit deren Bestand der Arbeitnehmer rechnen durfte, begründet im Zusammenhang mit dem vorhandenen Arbeitsplatz den Vertrauenstatbestand, der den Anspruch auf Erneuerung der AE bei demselben Arbeitgeber rechtfertigt. Ob überhaupt ein Anspruch auf eine AE unmittelbar aus dem Beschluß herzuleiten ist (vgl dazu Art 6, 22 des Assoziierungsabkommens, Art 36, 38 des Zusatzprotokolls und Art 6 Abs 3 des Beschlusses 1/80), kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben.

Da andere zwischenstaatliche Vereinbarungen und Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften für türkische Staatsangehörige nichts anderes bestimmen, kann dem Kläger eine AE nur nach § 19 AFG und den Bestimmungen der AEVO zustehen. Anzuwenden ist § 19 AFG idF des 6. AFG-Änderungsgesetzes (Wartezeitgesetz) und die AEVO idF der 6. Verordnung zur Änderung der AEVO vom 24. September 1981 (BGBl I 1042). Für ihren Anwendungsbereich ist für laufende Verfahren eine abweichende Übergangsregelung nicht getroffen worden.

Nach § 19 Abs 1 Satz 2 AFG wird die AE nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles erteilt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hat die Beklagte, sofern nicht andere Bedenken - zB solche aufenthaltsrechtlicher Art - entgegenstehen (vgl das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des Senats vom 18. Februar 1982 - 7 RAr 39/81 -), die AE zu erteilen, wenn Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalles die angestrebte Beschäftigung auf dem deutschen Arbeitsmarkt erlauben. Lediglich hinsichtlich der Befristung und der Beschränkung der AE auf bestimmte Betriebe, Berufsgruppen, Wirtschaftsgruppen und Bezirke ist der Beklagten nach der Rechtsprechung ein Ermessen eingeräumt (vgl BSGE 43, 153, 155 = SozR 4100 § 19 Nr 2; BSGE 44, 82, 87 = SozR 4100, § 19 Nr 3; SozR 4100 § 19 Nr 9; SozR 4210 § 2 Nr 9). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat, wie er ausführlich noch einmal in seinem Urteil vom 23. Juni 1982 dargelegt hat, fest.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten AE. Dem steht § 19 Abs 2 AFG in der Fassung des Wartezeitgesetzes entgegen. Hiernach darf die Erlaubnis nicht erteilt werden, soweit die Beschäftigung durch eine ausländerrechtliche Auflage ausgeschlossen ist. Diese Bestimmung dient der Klarstellung und entspricht der vor ihrem Erlaß geltenden Rechtslage (vgl BT- Drucks 9/409 S. 4, Begründung zu § 19 Abs 2 AFG und das Urteil des Senats vom 18. Februar 1982). Den Einwendungen des Klägers gegen die hiermit in Einklang stehende Rechtsauffassung des LSG ist damit die Grundlage entzogen. Somit darf die Beklagte wegen der in der Duldung vom 10. April 1981 enthaltenen Auflage "Erwerbstätigkeiten jeder Art nicht gestattet" dem Kläger eine AE nicht erteilen. Die angefochtenen Bescheide sind aus diesem Grunde nicht rechtswidrig. Maßgebend sind bei einer Verpflichtungsklage die Verhältnisse, wie sie im Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung bestehen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die von der Ausländerbehörde verfügte Auflage dann nicht zu beachten ist, wenn hierfür nicht ausländerrechtliche, sondern arbeitsmarktpolitische Gründe maßgebend waren, für deren Überprüfung gemäß § 19 Abs 1 AFG die Beklagte zuständig ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die der Senat gemäß § 163 SGG gebunden ist, da in bezug auf sie zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht worden sind, beruhte die Auflage auf aufenthaltsrechtlichen Gesichtspunkten. Sie war deshalb erlassen, weil Belange der Bundesrepublik Deutschland nicht nur dem Aufenthalt, sondern auch der Ausübung einer Erwerbstätigkeit des Klägers entgegenstehen und arbeitsmarktpolitische Bedürfnisse demgegenüber zurücktreten müssen.

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß unter diesen Umständen der Auflage Tatbestandswirkung zukommt und ihre Rechtmäßigkeit in dem anhängigen Verfahren nicht nachgeprüft werden kann. Das folgt aus § 19 Abs 2 AFG idF des Wartezeitgesetzes. Eine Überprüfung ist insoweit gemäß § 40 Verwaltungsgerichtsordnung nur auf dem Verwaltungsgerichtsweg möglich.

Zu Unrecht meint der Kläger, der Umstand, daß er in diesem Falle Rechtsschutz vor verschiedenen Gerichten suchen müsse, verstoße gegen das Grundrecht des effektiven Rechtsschutzes. Die Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 GG, die auch für Ausländer gilt (BVerfGE 35, 382, 401), gewährt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 31, 364, 368) nicht ein Verfahren, das dem Charakter der beanstandeten Maßnahme angepaßt ist. Vielmehr wird dem einzelnen Bürger durch dieses Grundrecht lediglich gewährleistet, daß ihn beeinträchtigende hoheitliche Maßnahmen in einem gerichtlichen Verfahren überprüft werden. Abgesehen davon hätte der Kläger die von ihm beanstandete Zweigleisigkeit des Verfahrens vermeiden können, wenn er die Aufenthaltserlaubnis, wie es § 5 Abs 1 Nr 1 DV AuslG vorschreibt, vor der Einreise in Form eines Sichtvermerkes eingeholt hätte.

Ob eine Aussetzung des Verfahrens durch das LSG, bis eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts vorlag, in Betracht kam, mag hier dahingestellt bleiben. Der Kläger hat eine Verletzung des § 114 SGG nicht gerügt.

Ein Grundrecht auf Arbeit, auf das sich der Kläger bezieht, gibt es nicht. Das Grundgesetz kennt lediglich das Grundrecht der Berufsfreiheit in Art 12 Abs 1 GG, aus dem sich ein Recht auf Ausübung einer bestimmten Tätigkeit herleiten kann. Indes ist dieses Grundrecht lediglich Deutschen vorbehalten, so daß diese Bestimmung hier nicht relevant ist.

Auch das Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG gebietet nicht, Ausländern, die sich bereits längere Zeit im Inland befinden, entgegen der Bestimmung des § 19 Abs 2 AFG eine Arbeitserlaubnis zu erteilen. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen, wie hier, der Ausländer unerlaubt in das Gebiet der Bundesrepublik gelangt ist.

Der Umstand, daß der Kläger nach seiner Behauptung Widerspruch gegen die Auflage in der Duldung eingelegt hat, kann im Revisionsverfahren gemäß § 163 SGG nicht berücksichtigt werden. Es handelt sich insoweit um das Vorbringen neuer Tatsachen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG entstanden sind. Der Senat sieht sich auch nicht in der Lage, diesen Vortrag ausnahmsweise aus prozeßökonomischen Gründen zu berücksichtigen. Der Kläger macht geltend, die Einlegung seines Widerspruchs habe gemäß § 80 VwGO aufschiebende Wirkung. Ob dies zutrifft, vermag der Senat ohne tatsächliche Feststellungen, die zu treffen ihm insoweit verwehrt sind, nicht zu entscheiden.

Die Revision muß deshalb zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1658310

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