Leitsatz (amtlich)
1. Haben mehrere Leiden, unter denen sich eine Unfallfolge (Berufskrankheit) befindet, den Tod eines Versicherten naturwissenschaftlich gemeinsam verursacht, so ist die Berufsgenossenschaft leistungsverpflichtet, wenn festgestellt werden kann, daß der Versicherte bei Fehlen der Unfallfolge (Berufskrankheit) noch mindestens ein Jahr länger gelebt hätte.
Gleichgültig ist hierbei, ob der Tod durch ein von den Unfallfolgen (der Berufskrankheit) unabhängiges, durch jene jedoch verschlimmertes Leiden oder ob er durch gemeinsame Einwirkung mehrerer Leiden, unter denen sich eine Unfallfolge (Berufskrankheit) befindet, eingetreten ist.
2. Wäre der Versicherte auch ohne Hinzutreten der Unfallfolgen (der Berufskrankheit) an unfallunabhängigen Erkrankungen bereits innerhalb eines Jahres gestorben, so ist die Berufsgenossenschaft gleichwohl leistungsverpflichtet, wenn er auch an den Unfallfolgen (der Berufskrankheit) allein spätestens innerhalb eines Jahres gestorben wäre (Fortentwicklung BSG 1960-12-01 5 RKn 66/59 = BSGE 13, 175).
Normenkette
RVO § 542 Fassung: 1942-03-09
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Januar 1960 aufgehoben und die Sache an das Landessozialgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Der am 2. Mai 1951 verstorbene Ehemann der Klägerin war seit 1917 als Bergmann, davon seit 1919 als Lehrhauer und Hauer im Steinkohlenbergbau tätig. Seit dem 3. Oktober 1949 bezog er die Knappschaftsvollrente wegen Siliko-Tuberkulose eben mittleren Grades und wegen schlechten Allgemeinzustandes. Die Beklagte hatte die Gewährung einer Entschädigung nach der Berufskrankheitenverordnung (BKVO) mehrmals abgelehnt. Zuletzt wurde der Ehemann der Klägerin deshalb am 5. April 1951 auf Veranlassung der Beklagten von Dr. G untersucht, der zu dem Ergebnis kam, es handele sich um Staublungenveränderungen II. Grades mit Beteiligung von Tuberkulose, besonders in der linken Spitze; besondere auf die Silikose zurückzuführende klinische Ausfallserscheinungen seien nicht hervorgetreten; eine Aktivität der Lungentuberkulose sei zwar wahrscheinlich, doch lasse sich bei einem Vergleich mit früheren Röntgenaufnahmen ein Fortschreiten der Erkrankung wesentlicher Art nicht erkennen.
Die Beklagte ließ durch Dr. C und Prof. Dr. ... B eine Leichenöffnung vornehmen; in seinem Gutachten vom 6. Mai 1952 kam Prof. Dr. ... B zu dem Ergebnis, daß eine Tuberkulose nicht vorgelegen habe, wohl aber eine Silikose, die als mindestens mittelgradig zu bezeichnen sei. Man könne die silikotischen Veränderungen für geeignet halten, Störungen der Atmung und vielleicht auch des Kreislaufs herbeigeführt zu haben, so daß wohl eine Berufskrankheit nach Nr. 17 a der Anlage zur 3. bzw. 4. Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten (3./4. BKVO) vorgelegen habe. Die Beurteilung des Zusammenhangs des Todes mit der Silikose sei schwierig. Nach dem Gutachten des Dr. G seien wenige Wochen vor dem Tode des Versicherten noch keine auf die Silikose zurückzuführenden Ausfallserscheinungen festgestellt worden. Außerdem habe die Leichenöffnung ergeben, daß neben der Silikose ein chronisches Magengeschwür vorgelegen habe, das durch das Zwerchfell auf den Herzbeutel und das Herz übergegriffen und zu Herzbeutelverwachsungen und Herzmuskelschwielen an der linken Herzkammer geführt habe. Auch diese Verwachsungen seien geeignet gewesen, Kreislaufveränderungen hervorzurufen. Er halte sie für erheblich bedeutungsvoller als die silikotischen Veränderungen. Der Versicherte sei an einem plötzlichen Herzversagen gestorben, das in erster Linie auf die Folgen des chronischen Magengeschwürs mit den ausgedehnten flächenhaften Herzbeutelverwachsungen und ausgedehnten Herzmuskelschwielen an der Wand der linken Kammer zurückzuführen sei. Den silikotischen Veränderungen könne daneben nicht mit Wahrscheinlichkeit eine wesentliche Rolle zugeschrieben werden.
Die Beklagte hat den Anspruch auf Hinterbliebenenrente mit Bescheid vom 1. Juli 1952 abgelehnt, nachdem sich der staatliche Gewerbearzt am 6. Juni 1952 dem Gutachten von Prof. Dr. ... B angeschlossen hatte.
Mit ihrer Berufung an das Knappschafts-Oberversicherungsamt Dortmund, die später als Klage auf das Sozialgericht (SG) Dortmund überging, hatte die Klägerin Erfolg.
Von den in jenem Verfahren gehörten Gutachtern kommt Prof. Dr. S zu dem Ergebnis, der Ehemann der Klägerin sei ohne Zweifel an einem akuten Versagen des rechten Herzens gestorben. Man müsse daher bei der Frage nach der unmittelbaren Todesursache das Schwergewicht auf Faktoren legen, die zu einem Versagen des rechten Herzens führen könnten. Zu den Staublungenveränderungen habe sich eine nicht sehr ausgedehnte Herdpneumonie im unteren Bereich des linken Oberlappens hinzugesellt. Diese beiden Veränderungen zusammen müßten nach dem Bilde der Obduktion als Hauptursache für das Rechtsversagen des Herzens verantwortlich gemacht werden. Wenn aber bereits relativ geringe pneumonische Veränderungen ausreichend gewesen seien, um das rechte Herz zum Versagen zu bringen, so müsse man den Staublungenveränderungen eine wesentliche Mitwirkung zuerkennen. Dann müsse man aber auch annehmen, daß die Staublungenveränderungen schon vor dem Tode zu einer leistungsmindernden Beeinträchtigung des Herz- und Kreislaufsystems geführt hätten. Die Staublungenerkrankung habe den Tod wesentlich mitverursacht. Ob der Versicherte ohne die Staublungenerkrankung an den Folgen des Magengeschwürs innerhalb eines Jahres gestorben wäre, sei medizinisch nicht entscheidbar. Es sei durchaus möglich, daß er mit diesem Leiden noch länger als ein Jahr hätte leben können. Ebenso sei es aber auch möglich, daß er auch ohne die Staublungenerkrankung innerhalb eines Jahres gestorben wäre.
Demgegenüber vertrat Prof. Dr. ... B am 28. Juli 1953 weiterhin die Auffassung, in erster Linie hätten die schweren Herzbeutelverwachsungen und die Herzmuskelschwielen in der Wand der linken Herzkammer zum plötzlichen Versagen des Herzens geführt. Es sei nicht nötig, anzunehmen, daß ein primäres Versagen der rechten Herzkammer zum Tode geführt habe; wenn das letztere allerdings zutreffe, sei mit Prof. S der mindestens mittelgradigen Silikose ein wesentlicher Anteil an dem Tod zuzuschreiben.
Der weiter gehörte Prof. Dr. C schloß sich Prof. Dr. ... B dahin an, daß nicht ein akutes Versagen des rechten Herzens, sondern eine in erster Linie durch die Erkrankung der linken Kammer bedingte Herz- und Kreislaufinsuffizienz zum Tode geführt habe. Der Tod sei nicht in erster Linie durch die Silikose verursacht und auch durch sie nicht um mindestens ein Jahr beschleunigt worden.
Schließlich wurde auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) noch von Dr. H ein Gutachten vom 16. November 1954 eingeholt. Nach diesem Gutachten hat die mit Lungenerweiterung kombinierte Silikose Zerfallserscheinungen in einer Lungenspitzenschwiele und in den Lungenlymphdrüsen gezeigt; dieser Zerfall habe zu einer Schwächung des Organismus und auch des Herzens geführt. Das chronische Magengeschwür und die dadurch bedingte Verschwielung der linken Herzkammer habe ebenfalls eine schwere Belastung für die Tätigkeit des Herzens bedeutet. Der Anteil der einzelnen Gesundheitsstörungen an der Belastung des Herzens lasse sich am besten durch Prozentzahlen verdeutlichen. Der Anteil der reichlich mittelgradigen Silikose habe etwa 40 v. H. und der Anteil der Schwielenbildung etwa 60 v. H. betragen. Wenn auch der Tod in der Hauptsache Folge der Herzmuskelverschwielung gewesen sei, so sei doch die Staublunge eine ganz wesentliche Teilursache für den Tod. Man könne nicht sagen, daß die eine oder andere Erkrankung allein zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Tode geführt hätte oder die eine Krankheit den tödlichen Ausgang der anderen vorverlegt hätte. Der plötzliche Tod sei vielmehr dem Zusammenwirken beider Krankheiten zuzuschreiben.
Prof. Dr. ... B vertrat demgegenüber in einer erneuten Stellungnahme vom 24. Januar 1955 die Ansicht, der Anteil der silikoseunabhängigen Herzveränderungen sei höher, d. h. mit 70 v. H. zu bewerten. Der Tod des Versicherten sei in erster Linie auf ein Versagen der schwer geschädigten linken Herzkammer zurückzuführen.
Das SG schloß sich in seinem Urteil den Gutachten von Prof. Dr. S und Dr. H an, daß der Versicherte zu seinen Lebzeiten an einer Berufskrankheit nach Nr. 17 a der Anlage zur 3./4. BKVO gelitten habe, die auch wesentlich zu seinem Tode beigetragen habe.
Mit ihrer Berufung gegen dieses Urteil hatte die Beklagte keinen Erfolg.
Im Berufungsverfahren reichte die Beklagte noch eine gutachtliche Stellungnahme von Prof. Dr. M und Dozent Dr. L von dem Pathologischen Institut der Medizinischen Akademie in Düsseldorf vom 14. September 1957 ein, nach der nicht die Silikose, sondern die unabhängig von der Silikose bestehenden Herzmuskelveränderungen als sehr wesentlich für den Eintritt des tödlichen Kammerflimmerns anzusehen seien.
Der vom Berufungsgericht noch als Sachverständiger gehörte Facharzt für innere Krankheiten Dr. M hat sich im wesentlichen dem Gutachten von Dr. H angeschlossen. Bei dem erhobenen Befund müsse angenommen werden, daß zu Lebzeiten des Versicherten silikosebedingte Ausfallserscheinungen vorgelegen hätten. Der plötzliche Herztod spreche für ein Versagen beider Herzkammern. Das silikosebedingte Versagen des rechten Herzens habe den Tod wesentlich mitverursacht.
Das Landessozialgericht (LSG) begründete sein Urteil vom 7. Januar 1961 im wesentlichen folgendermaßen:
Der zu Lebzeiten des Ehemannes der Klägerin geäußerte Verdacht auf eine aktive Lungentuberkulose sei durch den Leichenöffnungsbefund nicht bestätigt worden. Die Leichenöffnung habe aber andererseits ergeben, daß die silikotischen Veränderungen recht erheblich und mindestens mittelgradig gewesen seien. Schon Prof. Dr. ... B habe sie in seinem Obduktionsgutachten vom 6. Mai 1952 nach dem makroskopischen und mikroskopischen Obduktionsbefund für geeignet gehalten, solche Störungen von Atmung und Kreislauf zu verursachen, daß eine Berufskrankheit nach Nr. 17 a der Anlage zur 3./4. BKVO angenommen werden könne. Mit Dr. H und Dr. Muck sei anzunehmen, daß die silikotischen Einlagerungen bei dem Ehemann der Klägerin zu erheblichen Ausfallserscheinungen geführt hätten. Zwar habe Dr. G noch wenige Wochen vor dem Tode des Versicherten festgestellt, daß besondere, auf die Silikose zurückzuführende Ausfallserscheinungen sich nicht gezeigt hätten. Dieses Gutachten vermöge jedoch insoweit nicht zu überzeugen. Zunächst lasse es die Angabe vermissen, ob überhaupt Ausfallserscheinungen festgestellt wurden. Die Formulierung lasse erkennen, daß nur solche Ausfallserscheinungen ausgeschlossen werden sollten, die mit der Silikose ursächlich verknüpft gewesen seien. Daß Dr. G Ausfallserscheinungen schlechthin habe in Abrede stellen wollen, erscheine sowohl bei dem von ihm erhobenen als auch bei dem durch die Leichenöffnung festgestellten Befund unwahrscheinlich, zumal Prof. Dr. ... B in seinem Obduktionsgutachten seiner Verwunderung über das Fehlen von Ausfallserscheinungen Ausdruck gegeben habe. Wenn Dr. G aber nur silikosebedingte Ausfallserscheinungen habe ausschließen wollen, so fehle in seinem Gutachten die Begründung dafür, daß die vorhandenen Ausfallserscheinungen nicht auf der Silikose, sondern auf anderen Ursachen beruhten. Es sei möglich, daß Dr. G die erkannten, aber nicht beschriebenen Ausfallserscheinungen auf die irrtümlich vermutete aktive Lungentuberkulose zurückgeführt habe. Das Obduktionsgutachten von Prof. Dr. ... B lasse erkennen, daß dieser Sachverständige hinsichtlich der Ausfallserscheinungen möglicherweise zu einer anderen Beurteilung gekommen wäre, wenn er sich nicht an das Gutachten von Dr. G gehalten hätte. Dieses könne aber nicht als geeignet angesehen werden, die Grundlage für eine solche Beurteilung zu sein. Unter diesen Umständen gewinne das Gutachten des Klinikers Dr. M an Bedeutung, der überzeugend und in Übereinstimmung mit Dr. H dargetan habe, daß eine Silikose in der festgestellten Ausdehnung in Verbindung mit einem Emphysem und Schwielenzerfall einen ungünstigen Einfluß auf den Organismus und auf das rechte Herz gehabt haben müsse. Für die Annahme, daß die Silikose zu Ausfallserscheinungen geführt habe, spreche auch, daß sie einen gewissen - wenn auch im Ausmaß umstrittenen - Anteil am Tode des Versicherten gehabt habe, wie noch zu zeigen sein werde. Wenn die Silikose aber zum Tode des Versicherten beigetragen habe, so sei es äußerst unwahrscheinlich, daß Herz- und Kreislauffunktion durch sie nicht beeinträchtigt worden seien. Danach müsse angenommen werden, daß die recht ausgedehnten silikotischen Veränderungen zu einer solchen Verminderung der Atemkapazität und Rückwirkung auf den Kreislauf geführt hätten, daß eine erhebliche Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit bestanden haben müsse.
An dieser Berufskrankheit sei der Ehemann der Klägerin auch gestorben. Zwar sei sie nicht die alleinige Todesursache gewesen, jedoch sei sie an dem Tode wesentlich beteiligt gewesen. Als überwiegende Todesursache seien zwar die silikoseunabhängigen Herzveränderungen anzusehen. Daß die Silikose aber in naturwissenschaftlichem Sinne zum Tode beigetragen und ihn mitverursacht habe, sei nicht nur von Prof. Dr. S, Dr. H und Dr. M, sondern auch von Prof. Dr. ... B angenommen worden, denn sonst hätte dieser Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 24. Januar 1955 nicht zu dem Ergebnis kommen können, der Tod des Versicherten sei zu 70 v. H. auf die silikoseunabhängigen Gesundheitsstörungen zurückzuführen. Dem Gutachten von Prof. Dr. C sei nicht zu entnehmen, daß die Silikose auf den Tod überhaupt keinen Einfluß gehabt habe, sondern nur, daß die silikoseunabhängige Herzveränderung den Tod "in erster Linie", also überwiegend, herbeigeführt hätte. Prof. Dr. M hat zur Frage der Mitverursachung im naturwissenschaftlichen Sinne nicht ausdrücklich Stellung genommen. Aus dem Umstand, daß er - ebenso wie Dr. H - die Silikose nicht für geeignet halte, den plötzlichen Herztod zu erklären, könne aber nicht geschlossen werden, daß er jegliche Mitverursachung habe ausschließen wollen. Aus dem Umstand, daß er den silikoseunabhängigen Herzveränderungen eine wesentliche Bedeutung beigemessen habe, sei zu entnehmen, daß die Silikose auch nach seiner Meinung - wenn auch nur unwesentlich - am Tode beteiligt gewesen sei.
Lägen aber mehrere Ursachen für einen Erfolg vor, so seien sie rechtlich nur dann nebeneinanderstehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig seien. Komme einem der Umstände gegenüber dem anderen dagegen eine überragende Bedeutung zu, so sei der betreffende Umstand allein Ursache im Rechtssinne (BSG 1, 150, 156). Wenn auch die silikoseunabhängigen Herzveränderungen nach den insoweit übereinstimmenden Gutachten die überwiegende Ursache des Todes gewesen seien, so könne doch nicht gefolgert werden, daß sie allein den Tod wesentlich verursacht hätten, denn der Begriff der wesentlichen Verursachung sei nicht mit der überwiegenden Verursachung identisch. Die Silikose scheide als wesentliche Ursache nur dann aus, wenn den anderen Ursachen eine "überragende" Bedeutung zukomme, so daß die Silikose und ihre Folgeerscheinungen demgegenüber derart in den Hintergrund träten, daß sie als unwesentlich angesehen werden müßten.
Aus dem Gutachten von Dr. H gehe deutlich hervor, daß der Anteil der Silikose und ihrer Folgeerscheinungen am Tode des Ehemanns der Klägerin recht erheblich gewesen sei. Wäre das rechte Herz nicht durch die Silikose geschädigt gewesen, so hätte es ein Versagen des linken Herzens kompensieren und so den Tod verhindern können. Daher müsse angenommen werden, daß die silikosebedingte Schädigung der rechten Herzkammer und des rechten Vorhofes nicht sehr viel geringer an dem Tod beteiligt gewesen sei als die Schädigung des linken Herzens, dessen Versagen die überwiegende und primäre Ursache gewesen sein möge.
Sei danach die Silikose als annähernd gleichwertige Mitursache und damit als wesentliche Teilursache für den Tod anzusehen, so sei es nicht mehr auf die Frage angekommen, ob der Tod des Ehemanns der Klägerin durch die Silikose um ein Jahr vorverlegt worden sei.
Gegen das ihr am 3. Mai 1960 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 27. Mai 1960 - beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 28. Mai 1960 - unter Antragstellung Revision eingelegt und, nachdem die Revisionsbegründungsfrist bis zum 3. August 1960 verlängert worden war, diese mit Schriftsatz vom 1. Juli 1960, beim BSG eingegangen am 11. Juli 1960, begründet.
Die beklagte Bergbau-Berufsgenossenschaft rügt, das LSG habe verfahrensrechtliche Vorschriften und das Gesetz in der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs verletzt.
Das LSG habe gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§§ 117, 118 Abs. 1 SGG) dadurch verstoßen, daß es den Gutachter Dr. G nicht persönlich gehört habe, obwohl es von dessen Gutachten vom 5. April 1951 abgewichen sei. Denn Dr. G habe Ausfallserscheinungen von Atmung und Kreislauf nicht festgestellt, während das LSG bei dem am 2. Mai 1951 verstorbenen Versicherten derartige Ausfallserscheinungen unterstellt habe. Eine Vernehmung des Sachverständigen Dr. G hätte ergeben, daß eine Silikose unter erschwerten Umständen (Ziff. 17 a der Anlage zur 3./4. BKVO) nicht vorgelegen habe.
Das LSG habe ferner gegen das Recht der freien Beweiswürdigung verstoßen, weil es den vollständigen Akteninhalt nicht beachtet habe; es hätte sonst erkennen müssen, daß eine Silikose mit Ausfallserscheinungen in Atmung und Kreislauf nicht vorgelegen habe. Bei der Beweiswürdigung habe es außerdem gegen Logik und die Denkgesetze verstoßen. Dr. H, der Direktor des Pathologischen Instituts der Ruhrknappschaft, der die Ausfallserscheinungen bestätigt habe, hätte als Pathologe nicht über die Art der Silikose urteilen dürfen, weil ihm hierzu die spezielle Sachkunde mangele. Auf diese Ansicht hätte sich also das LSG nicht stützen dürfen (Beweis: Gutachten des Prof. Dr. ... B vom 24. Januar 1955). Der Internist Dr. M habe deshalb auch im Gutachten vom 2. Januar 1960 Bedenken angemeldet. Die Frage der Kompensation dieser Gesundheitsstörungen durch das Herz sei in den Gutachten, denen das LSG gefolgt ist, gar nicht berührt worden. Das Vorliegen der Berufskrankheit sei nur vermutet, aber in keiner Weise exakt begründet worden. Auch der Obduktionsbefund und die pathologischen Befunde bieten keine zwingenden Anhaltspunkte für das Vorliegen von Ausfallserscheinungen zu Lebzeiten des Versicherten. Die Erweiterung der rechten Herzkammer habe sich noch innerhalb der Grenzen der Norm gehalten, wobei die Ursache dieser Erweiterung noch nicht klargestellt sei. Um diese Frage zu klären, reiche das Gutachten des Internisten Dr. M nicht aus. Die Meinungen von Prof. Dr. H und Dr. M seien nur wissenschaftliche Hypothesen, weil sie durchaus subjektiv sind und sich nicht mit hinreichender Sicherheit objektivieren lassen. Das LSG habe sich bei Auslegung des Gutachtens des Dr. G vom 5. April 1951 und bei der Bejahung des Vorliegens einer Berufskrankheit widersprochen, denn es habe aus dem Tod gefolgert, daß es wahrscheinlich ist, daß Herz und Kreislauf durch die Silikose beeinträchtigt worden seien.
Schließlich greift die Revision zwei Feststellungen an, die sich gegenseitig ausschlössen. Die beiden Feststellungen des angefochtenen Urteils lauten: "Überwiegende Todesursache waren die silikoseunabhängigen Herzveränderungen. Darüber sind sich alle gehörten Sachverständigen einig." - "Ist danach die Silikose als annähernd gleichwertige Mitursache und damit als wesentliche Teilursache für den Tod anzusehen, so ..."
Logisch wäre es unter diesen Umständen gewesen, die Silikose als nicht wesentliche, rechtlich irrelevante Mitursache in medizinischer Hinsicht am Tode anzusehen.
Das LSG habe den Kausalzusammenhangsbegriff, der ein reiner Rechtsbegriff sei, nur naturwissenschaftlich betrachtet. Es habe damit den Begriff des ursächlichen Zusammenhangs in der Sozialversicherung verkannt. Wesentlich im Sinne der rechtswissenschaftlichen Kausallehre sei nur ein Kausalfaktor, der für die rechtliche Beurteilung der Kausalitätsfrage nicht nur rechtserheblich, sondern auch materiell entscheidend ist. Die als rechtsunerheblich angesehenen Kausalfaktoren bleiben für den Bereich der Rechtsordnung außer Betracht (BSG 1, 157 Nr. 27). Für die Beurteilung der Wesentlichkeit als rechtserhebliche Teilursache komme es aber darauf an, ob der Tod um mindestens ein Jahr beschleunigt worden sei.
Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des Urteils des LSG Nordrhein-Westfalen vom 7. Januar 1960 und des Urteils des SG in Dortmund vom 7. April 1955 die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 7. Januar 1960 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Sie hält das angefochtene Urteil für fehlerfrei.
II.
Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Da die Revision vom LSG nicht zugelassen ist, ist sie nur statthaft, wenn eine der nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGG erhobenen Rügen durchgreift.
A. Die von der Beklagten beanstandeten Verfahrensmängel liegen nicht vor:
Zu 1): Über die Frage, ob der Versicherte, der von 1917 bis 1945 als Hauer für Kohle und Gestein bergmännisch unter Tage beschäftigt war, von einer Silikose mit Ausfallserscheinungen betroffen war, ist das LSG dem Gutachten Dr. G vom 5. April 1951 insoweit gefolgt, als dieses Gutachten Staublungenveränderungen zweiten Grades erhoben hat. Das LSG ist dagegen diesem Gutachten nicht dahin gefolgt, daß "auf Silikose zurückzuführende Ausfallserscheinungen" nicht bestanden haben. Das Gericht ließ sich vielmehr von Prof. Dr. ... B, der eine Obduktion der Leiche vornahm und die Befunde anläßlich der Leichenöffnung begutachtete, davon überzeugen, daß Störungen von Atmung und Kreislauf nach dem makro- und mikroskopischen Obduktionsbefund angenommen werden können und daher eine Berufskrankheit zutreffe. Das LSG hat damit der Beweiskraft der Obduktionsbefunde gegenüber dem Untersuchungsgutachten des Dr. G vom 5. April 1951 den Vorzug gegeben. Den Widerspruch zwischen dem Gutachten des Dr. G und dem Gutachten des Prof. Dr. ... B konnte das LSG auf Grund der Obduktionsbefunde als ausgeräumt ansehen, so daß es nicht veranlaßt war, Dr. G nochmals über die Ausfallserscheinungen der Silikose zu hören. Das LSG brauchte diesen Sachverständigen auch deshalb nicht zur Aufklärung des Widerspruchs heranzuziehen, weil der Versicherte am 2. Mai 1951 verstorben ist, so daß dem Gutachter ein weiteres Untersuchungsgutachten über Störungen an der Lunge, an Herz und Kreislauf nicht mehr möglich gewesen wäre. Schließlich war der Obduktionsbefund von einer Reihe weiterer, im folgenden Gerichtsverfahren gehörter Sachverständiger medizinisch beurteilt worden, so daß das LSG ohne Verstoß gegen seine Sachaufklärungspflicht sich mit dem Gutachten des Prof. Dr. ... B vom 2. Mai 1951 zufrieden geben konnte. In dieser Beschränkung der Sachaufklärung liegt kein Verstoß gegen die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 117 SGG); denn das LSG hat nicht eine widerspruchsvolle Tatsache ohne weiteres als festgestellt angesehen, sondern erst auf Grund weiterer ärztlicher Gutachten (Prof. Dr. ... B vom 6. Mai 1952, Prof. Dr. S vom 8. Juni 1953, Direktor Dr. H vom 16. November 1954 und Internist Dr. M vom 8. Januar 1957/2. Januar 1960) als geklärt angesehen. Im übrigen ist die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme im sozialgerichtlichen Verfahren durch § 106 Abs. 3 Nr. 3 SGG eingeschränkt; es genügt ein mittelbares Beweismittel, also auch ein ärztliches Gutachten, wenn es nur ein geeignetes Mittel zur Erforschung des Sachverhalts darstellt. Dies kann bei einem ärztlichen Gutachten nicht bezweifelt werden (SozR SGG § 117 Bl. Da 1 Nr. 2, § 128 Bl. Da 24 Nr. 59 und BSG 4, 60). Das LSG konnte in dem Befund der Obduktion ein geeigneteres Beweismittel für seine Überzeugung finden als in einem Untersuchungsgutachten, bei dem Obduktionsbefunde nicht zur Verfügung stehen. Das LSG konnte auch einem neuen Gutachten gerade des Arztes mißtrauen, der wenige Wochen vor dem Tod des Versicherten keine Belastungen von Lunge und Herz durch Silikose erheben konnte. Das LSG hat mithin in der von der Revision gerügten Richtung das Beweiswürdigungsrecht (§§ 117, 118 SGG) nicht verletzt.
Zu 2): Entgegen der Ansicht der Revision hat das LSG auch sonst nicht gegen das Beweiswürdigungsrecht (§ 128 SGG) verstoßen. Es hat sich vielmehr mit allen im Verwaltungsverfahren und gerichtlichen Verfahren erhobenen Befunden befaßt. Es hat sich auch mit den Ärzten, denen es nicht gefolgt ist, auseinandergesetzt. Einem Pathologen, der noch dazu der Ruhrknappschaft angehört, konnte das LSG auch die Fähigkeit zutrauen, über eine Silikose und die daraus sich ergebenden Nachteile für Herz und Lunge zu urteilen. Es trifft auch nicht zu, daß die Gutachten, denen das LSG gefolgt ist, die Frage der Kompensation durch das Herz nicht berührt hätten; denn Prof. Dr. di Biasi hat im Gutachten vom 6. Mai 1952 festgestellt, daß das Herz "eine Erweiterung der rechten Kammer und des rechten Vorhofes, eine leichte Erweiterung der linken Kammer" ergeben habe. Der Gutachter führt weiter aus, daß zwar eine Hypertrophie der rechten Herzkammer nicht gefunden worden sei, wohl aber eine Erweiterung. In dieser Erweiterung des Herzens konnte das LSG eine erhöhte Herztätigkeit sehen, welche die gesundheitlichen Störungen des Versicherten zu kompensieren versucht hat. Der Internist Dr. M (Gutachten vom 2. Januar 1960) hat außerdem ausgeführt, daß eine gewisse Kompensation häufig eintritt, daß aber hier akuter Herztod durch Versagen beider Herzkammern eingetreten sei. Die Kritik der Revision in der Richtung, daß die Frage der Kompensation durch das Herz nicht berührt worden sei, trifft mithin nicht zu. Schließlich muß sich das Gericht auch nicht mit jedem einzelnen Teil der Gutachten auseinandersetzen. Es genügt, daß das Gericht alle für seine Entscheidung maßgebenden Umstände sachentsprechend gewürdigt hat (SozR SGG § 128 Bl. Da 1 Nr. 1).
Für die Annahme des LSG, bei Lebzeiten des Verstorbenen habe dieser an einer Berufskrankheit gelitten, genügte es, daß das Gericht den Gutachten Dr. M und Dr. H folgen durfte und gefolgt ist. Im Gegensatz zu dem vom erkennenden Senat in SozR 5. BKVO Anl. 27 Bl. Aa 1 Nr. 1 und SozR SGG § 128 Bl. Da 7 Nr. 18 veröffentlichten Fall, wo der Gutachter silikotische Erscheinungen nur als durchaus möglich bezeichnet hatte, haben hier die Gutachter Dr. H und Dr. M die Staublunge als wesentliche Teilursache des Todes (in Übereinstimmung auch mit Prof. Dr. S) und damit als Folge der Berufskrankheit angesehen. Das LSG, das sich mit den abweichenden Gutachten sachentsprechend auseinandergesetzt hat, brauchte nicht der Auffassung der der Beklagten zustimmenden Gutachter über die Entstehungsursache der zum Tod führenden Leiden zu folgen (SozR SGG § 128 Bl. Da 11 Nr. 33); denn eine Beweiswürdigung ist nicht schon deshalb fehlerhaft, weil sie nicht im einzelnen zu dem Meinungsstreit in der medizinischen Wissenschaft Stellung genommen hat, der für die medizinische Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs von Bedeutung ist. Das Gericht hält sich im Rahmen seines Beweiswürdigungsrechts, wenn es im Falle eines Auseinandergehens medizinischer Meinungen über die Ursachen des Todes einer nicht nur vereinzelt vertretenen medizinischen Auffassung folgt, mögen auch andere ernsthafte Wissenschaftler eine andere Meinung vertreten. Das LSG mußte sich daher nicht den Ärzten Dr. G und Prof. Dr. C (Gutachten vom 20. April 1954) anschließen. Es genügt, daß es sich mit den von diesen Ärzten geäußerten Bedenken sachgemäß auseinandergesetzt hat, ohne sich zu widersprechen.
Zu 3): Zu Unrecht sieht die Revision in der Feststellung des LSG über die Todesursache einen Widerspruch. Das LSG hat in der Silikose mit ihren Auswirkungen auf Herz und Lunge eine annähernd gleichwertige Ursache und damit eine wesentliche Teilursache für den Tod des Versicherten gesehen. Es brauchte deshalb noch nicht in dieser Berufskrankheit die überwiegende Ursache zu sehen; denn der letztere Begriff ist weitergehend. Mit dem ersten Begriff wird die Silikose in ihrer Bedeutung für den Tod in Zusammenhang mit dem Magengeschwürsleiden beurteilt, während im zweiten Begriff die in Prozentsätzen (40 % : 60 %) bezeichnete zahlenmäßige Relation ausgedrückt wird. Im übrigen muß auch ein Danebengreifen des LSG im Ausdruck bei schwierigen medizinischen Fragen und Begriffen noch nicht einen wesentlichen Verfahrensmangel ergeben.
Konnte das LSG seine Feststellungen auf die Gutachten stützen, denen es gefolgt ist, so brauchte es sich nicht gedrängt zu fühlen, noch ein weiteres Gutachten einzuholen (SozR SGG § 103 Bl. Da 2 Nr. 7).
Damit erweisen sich die Verfahrensrügen der Beklagten nicht als geeignet, die Revision statthaft zu machen (§ 162 Ab. 1 Nr. 2 SGG).
B. Demgegenüber ergibt sich die Statthaftigkeit der Revision jedoch aus § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG, da bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Silikose und dem Tod des Ehemanns der Klägerin das Gesetz verletzt ist.
Da mehrere Ursachen für den Tod, nämlich die Berufskrankheit und unfallunabhängige Leiden in Betracht kamen, mußte sich das LSG mit diesen zum Tode führenden Faktoren auseinandersetzen und die wesentlichen Bedingungen für den Tod im Sinne der in der Sozialversicherung geltenden Kausalitätsnorm in abwägenden Erörterungen ermitteln. Dies hat das LSG zwar getan; es hat sich jedoch damit begnügt, auf Grund der ärztlichen Gutachten anzunehmen, daß die Silikose neben dem Magenleiden als annähernd gleichwertige Mitursache und damit als "wesentliche Teilursache" für den Tod anzusehen sei.
Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 1. Dezember 1960 (BSG 13, 175) ausgeführt hat, erscheint es in Fällen, in denen ein unfallabhängiges und ein unfallunabhängiges Leiden schließlich gemeinsam den Tod des Versicherten herbeigeführt haben, nicht zulässig, die Wertigkeit der einzelnen Ursachen gefühls- oder schätzungsmäßig miteinander abzuwägen und sodann bei der Annahme "annähernder Gleichwertigkeit" beide Leiden als wesentliche Teilursachen zu behandeln. Eine derartige Handhabung kann niemals eine einigermaßen gleichmäßige Beurteilung entsprechender Fälle gewährleisten, weil die bloße Schätzung "annähernder Gleichwertigkeit" jeden objektiven Maßstab vermissen läßt. Sie bürdet im übrigen die Entscheidung, ob eine "wesentliche Teilursache" im rechtlichen Sinn gegeben ist, weitgehend den Sachverständigen auf, ohne ihnen eine ausreichende rechtliche Begriffsbestimmung an die Hand zu geben. Daraus ergibt sich dann zwangsläufig eine Unsicherheit in dem Begriff, der häufig wieder zu einer hier ganz unangebrachten Schätzung in (wie zahlreiche Beispiele bezeugen, recht unterschiedlichen) Prozentzahlen führt.
Darüber hinaus besteht die Gefahr, daß der Begriff "annähernd gleichwertig" in diesem Zusammenhang auch weiter zu Mißverständnissen führt. So leichthin nämlich auf der einen Seite gesagt werden kann, daß eine Ursache, der gegenüber den übrigen Ursachen eine überragende Bedeutung zukommt, im Rechtssinne allein die wesentliche Ursache darstellt, der gegenüber alle anderen übrigen Umstände als rechtlich nicht in die Kausalität eingreifende Gelegenheitsvorkommnisse anzusehen sind, so wenig ist der Begriff der "wesentlichen Mitursache" durch den Hinweis auf die "annähernde Gleichwertigkeit für den Eintritt des Erfolges" bereits eindeutig umrissen. Es läßt sich z. B. sehr wohl denken, daß eine - rein naturwissenschaftlich betrachtet - nicht gleichwertige (prozentual also verhältnismäßig niedrig zu wertende) Ursache eben doch rechtlich als "wesentliche Mitursache" anzusehen ist, weil gerade und nur durch ihr Hinzutreten zu der anderen wesentlichen Mitursache der Erfolg eintreten konnte, - wenn letztere Ursache also im Verhältnis zu ersterer keine überragende Bedeutung hatte.
Der Senat hält aus diesen und den früher dargelegten Gründen demnach für den Fall des Zusammentreffens unfallbedingter und unfallunabhängiger Leiden mit einer Todesfolge an folgenden Grundsätzen fest:
Wenn der Tod eines Versicherten naturwissenschaftlich durch mehrere Leiden verursacht ist, so ist eine daran beteiligte Unfallfolge (Berufskrankheit) dann als wesentliche Bedingung des Todes im Sinne der Kausalitätslehre der Sozialversicherung anzusehen und infolgedessen von der zuständigen Berufsgenossenschaft zu entschädigen, wenn der Versicherte
entweder bei Fehlen der Unfallfolgen (bzw. der Berufskrankheit) noch mindestens ein Jahr länger gelebt hätte oder
wenn er auch an den Unfallfolgen (bzw. der Berufskrankheit) allein spätestens innerhalb eines Jahres gestorben wäre.
Der erste Fall gilt gleichermaßen, wenn der Tod durch ein vom Unfall unabhängiges, durch die Unfallfolgen (bzw. die Berufskrankheit) jedoch verschlimmertes Leiden, wie wenn er durch gemeinsame Einwirkung mehrerer Leiden, von denen mindestens eins eine Unfallfolge (bzw. Berufskrankheit) war, eingetreten ist.
Der zweite Fall hat praktische Bedeutung nur dann, wenn das unfallunabhängige Leiden bereits so schwer war, daß es den Tod auch für sich allein innerhalb eines Jahres herbeigeführt haben würde. Es erschien dem Senat sinnvoll, auch für diesen Fall zur Abgrenzung der rechtlich wesentlichen Teilursache von der "Gelegenheitsursache" den gleichen Zeitraum von einem Jahr zu verwenden, der sich für Fälle der ersteren Art im Laufe längerer Zeit als Grundlage durchgesetzt hat (vgl. BSG 12, 247, 253).
Läßt sich somit nicht feststellen, daß die Mitbeteiligung der Unfallfolgen (bzw. der Berufskrankheit) an dem Tode des Versicherten den angegebenen zeitlichen Einfluß hatte oder hätte haben können, so muß die unfallunabhängige Todesursache als die allein wesentliche Ursache angesehen werden.
An dieser Betrachtung ändert sich auch nichts dadurch, daß an Stelle der Folgen eines Unfalls (bzw. einer Berufskrankheit) die Folgen mehrerer Unfälle treten.
Der Senat verkennt nicht, daß die Frage, wie der Krankheitsverlauf beim Außerachtlassen einer der fraglichen Komponenten gewesen wäre, für die Gutachter häufig nicht leicht zu beantworten sein wird. Die bisherigen Erfahrungen bei der Begutachtung des mutmaßlichen Verlaufs einer unfallunabhängigen Krankheit während des kommenden Jahres bei Unterstellung des Fehlens der Unfallfolgen zeigen jedoch, daß in aller Regel mit dieser Fragestellung brauchbare Ergebnisse erreicht wurden. Es ist nicht einzusehen, weshalb für den umgekehrten Fall (Begutachtung des mutmaßlichen Verlaufs der Unfallfolgen bzw. der Berufskrankheit während des kommenden Jahres bei Unterstellung des Fehlens der unfallunabhängigen Krankheit) grundsätzlich größere Schwierigkeiten auftreten sollten.
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß es immerhin zweifelhaft sein kann, ob naturwissenschaftlich stets eindeutig eine Trennung zwischen den beiden Fällen der Verschlimmerung eines unfallunabhängigen Leidens durch Unfallfolgen (bzw. eine Berufskrankheit) und der gemeinsamen Verursachung durch beide Leiden vorgenommen werden kann; auch dies spricht für die vom Senat gefundene Lösung, die bei beiden Fällen die gleichen Gesichtspunkte maßgeblich sein läßt.
Da das LSG keine eindeutigen Feststellungen getroffen hat, ob das Leben des Versicherten ohne das unfallunabhängige Leiden noch etwa ein Jahr länger erhalten geblieben wäre oder mit der Berufskrankheit allein auch innerhalb eines Jahres beendet worden wäre, vielmehr ohne derartige Feststellungen die Silikose als "wesentliche Teilursache" angesehen hat, hat es die in der gesetzlichen Unfallversicherung geltende Kausalitätsnorm verletzt. Da das angefochtene Urteil auf dieser Verletzung beruhen kann, war die Revision auch begründet; das vorinstanzliche Urteil mußte daher aufgehoben werden. Mangels der erwähnten Feststellungen konnte der Senat den ursächlichen Zusammenhang nicht abschließend beurteilen. Die Sache war daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen