Leitsatz (amtlich)
Zu den Ansprüchen, die der Natur der Sache nach AKG § 29 vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit geltend zu machen sind, gehört auch ein nicht erfüllter Anspruch auf Witwengeld nach dem WFVG.
Normenkette
SGG § 51 Fassung: 1953-09-03; AKG § 29; WFVG
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 26. Juni 1962 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 13. Januar 1959 aufgehoben und die Klage als unbegründet abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der erste Ehemann der Klägerin, Unteroffizier H Sch, ist am 2. August 1943 gefallen. Durch Bescheid des Wehrmachtfürsorge- und -versorgungsamts H vom 6. September 1943 wurde daraufhin der Klägerin Witwengeld nach dem Wehrmachtfürsorge- und -versorgungsgesetz (WFVG) bewilligt. Am 11. November 1944 heiratete sie den Unteroffizier K St. Auf ihren Antrag vom 6. Dezember 1944 bewilligte das Wehrmachtfürsorge- und -versorgungsamt H mit Bescheid vom 22. März 1945 der Klägerin eine Witwenabfindung in Höhe von 5928 RM, von der ein Betrag von 99 RM, den die Klägerin noch für die Zeit nach dem November 1944 als Witwenrente erhalten hatte, abgezogen wurde, so daß noch 5829 RM zu zahlen waren. In dem Bescheid wurde ihr in Aussicht gestellt, daß dieser Betrag bis zum 31. Mai 1945 überwiesen werde. Die Zahlung von 5829 RM ist jedoch nicht mehr erfolgt.
Im März 1952 stellte die Klägerin einen Antrag an das Versorgungsamt auf Auszahlung des Abfindungsbetrages in Höhe von 5829 RM. Das Versorgungsamt II H lehnte durch Bescheid vom 26. November 1952 diesen Antrag mit der Begründung ab, daß die Zahlung von Witwenabfindungen auf Grund einer Anordnung der Britischen Militärregierung schon am 22. Mai 1945 verboten worden sei. Auch nach den Sozialversicherungsdirektiven Nr. 11 und 27 habe die Klägerin keinen Anspruch auf die Zahlung der früher festgestellten Witwenabfindung. Der Widerspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts Niedersachsen vom 18. März 1954). Die Klage hat das Sozialgericht (SG) Lüneburg durch Urteil vom 3. Mai 1955 als verspätet abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache an das SG zurückverwiesen mit der Begründung, daß die Klage nicht verspätet erhoben worden sei (Urteil des LSG vom 13. Oktober 1955). Da die Klägerin gebeten hat, im Hinblick auf die bevorstehende Verabschiedung des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG) von der Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung abzusehen (Schriftsatz vom 26. Juni 1956), ist über diese Klage vom SG Lüneburg noch nicht entschieden worden.
Im Januar 1958 stellte die Klägerin bei der Oberfinanzdirektion (OFD) H den Antrag, über ihren Witwenabfindungsanspruch, der unter § 5 Abs. 1 Nr. 2 AKG falle, zu entscheiden. Die OFD lehnte mit Schreiben vom 29. April 1958 diesen Antrag ab, da der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch nach § 1 AKG erloschen sei. Die Heiratsabfindung habe zwar ein Vielfaches der vor der Wiederverheiratung gezahlten Versorgungsrente betragen, dies stelle jedoch lediglich einen Berechnungsmodus für die Abfindung dar, sei aber nicht als Kapitalisierung der Versorgungsrente i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AKG anzusehen.
Mit Schriftsatz vom 30. September 1958, eingegangen beim SG Lüneburg am 2. Oktober 1958, hat die Klägerin gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die OFD Hannover, Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, 592,80 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. April 1955 zu zahlen. Das SG hat mit Beschluß vom 20. November 1958 das Land Niedersachsen beigeladen, weil seine rechtlichen Interessen durch die Entscheidung in diesem Verfahren berührt werden. Mit Urteil vom 13. Januar 1959 hat das SG unter Aufhebung des Bescheides der OFD H vom 29. April 1958 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 582,90 DM zu zahlen; es hat im übrigen die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das SG hat sich nach § 29 AKG für die Entscheidung über den von der Klägerin nach dem AKG geltend gemachten Anspruch für zuständig gehalten, weil es sich hierbei der Natur des Anspruchs nach um eine Versorgungsangelegenheit handle, für die nach § 51 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Zuständigkeit der Sozialgerichte gegeben sei. Das Schreiben der OFD Hannover stelle einen anfechtbaren Verwaltungsakt dar, der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AKG nicht rechtmäßig sei.
Die Beklagte hat Berufung eingelegt, auf die das LSG Niedersachsen das Urteil des SG Lüneburg vom 13. Januar 1959 aufgehoben und die Klage abgewiesen hat (Urteil vom 26. Juni 1962). Es ist der Auffassung, daß die Klägerin im vorliegenden Verfahren nicht einen Anspruch geltend mache, der im WFVG, d. h. in einem Kriegsopferversorgungsgesetz, seine Rechtsgrundlage hatte und dem damit ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zugrunde lag. Einen solchen Anspruch habe die Klägerin zwar auch erhoben, er sei aber nicht Gegenstand dieses Verfahrens, sondern Gegenstand des noch beim SG Lüneburg anhängigen Verfahrens S 6 Ko 203/56. Der Auffassung des SG in dem Urteil vom 13. Januar 1959, daß die Mitteilung der Beklagten vom 29. April 1958 ein Verwaltungsakt sei, könne nicht zugestimmt werden, weil es sich hierbei um eine rein fiskalische Maßnahme gehandelt habe. Fiskalakte seien aber keine Verwaltungsakte, weil ihnen das Hoheitsmoment fehle. Bei dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch, den sie auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AKG stütze, handle es sich der rechtlichen Qualität nach um einen schuldrechtlichen Anspruch. In § 25 AKG sei der Bund als Schuldner positiv bestimmt. Die in § 26 AKG vorgeschriebene Anmeldung des Anspruchs habe nicht die Bedeutung eines verfahrensrechtlichen Antrags, der ein bestimmtes Verwaltungsverfahren in Gang setze, sondern stelle lediglich eine Erklärung gegenüber dem Anspruchsschuldner dar. Bei den Anmeldestellen des § 27 AKG handle es sich ausschließlich um Dienststellen der Anspruchsschuldner - sogenannte Schuldnerdienststellen - und nicht um Stellen, vor denen ein besonderes amtliches Verwaltungsverfahren wegen der zu erfüllenden Ansprüche durchgeführt werde. Die von diesen Schuldnerdienststellen abgegebenen Erklärungen seien reine Schuldnererklärungen und keine Verwaltungsakte. Wenn aber die Mitteilung der Beklagten kein Verwaltungsakt sei, sondern lediglich eine fiskalische Maßnahme, dann könne diese mit der Anfechtungsklage nicht angegriffen werden; vielmehr sei der Rechtsweg in einem solchen Falle nicht vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben, sondern gemäß § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) der Zivilrechtsweg. Da das SG die Zulässigkeit des Rechtsweges zu Unrecht bejaht habe, sei die Berufung begründet. Das Urteil des SG habe daher aufgehoben und die Klage als unzulässig abgewiesen werden müssen. Eine Verweisung nach § 52 Abs. 3 SGG entfalle, weil die Klägerin ausdrücklich erklärt habe, daß kein Verweisungsantrag gestellt werde.
Das LSG hat die Revision gegen dieses Urteil zugelassen.
Gegen das am 11. Juli 1962 zugestellte Urteil des LSG hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 16. Juli 1962, eingegangen beim Bundessozialgericht am 20. Juli 1962, Revision eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Sie beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Lüneburg vom 13. Januar 1959 zurückzuweisen,
hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen,
ferner hilfsweise, unter Aufhebung der Urteile des SG Lüneburg vom 13. Januar 1959 und des LSG Niedersachsen vom 26. Juni 1962 den Rechtsstreit an das Landgericht in Lüneburg zu verweisen.
Die Klägerin rügt eine Verletzung des § 51 SGG und der §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 25 und 27 AKG. Zur Begründung der Revision trägt sie vor, die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit hänge nicht davon ab, ob die Verfügung vom 29. April 1958 ein Verwaltungsakt oder ein Fiskalakt ist. Auch im letzteren Falle richte sich die Zuständigkeit nach der Rechtsnatur des Anspruchs, "dessen Erfüllung" verlangt werde. Dieser Anspruch sei entgegen der Auffassung des LSG nicht zivilrechtlicher Natur, sondern ein Anspruch aus dem WFVG, über den die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu entscheiden hätten. Durch die Anordnung der Erfüllung derartiger Ansprüche im AKG werde keine zivilprozessuale Zuständigkeit begründet. Im übrigen komme dem Fiskalakt keine andere Bedeutung als die einer Prozeßvoraussetzung zu. So sei nach dem Beamtenrechtsrahmengesetz die Leistungsklage gegen den Fiskus davon abhängig, daß er zur Zahlung aufgefordert worden sei. Auch nach dem Besatzungsschädengesetz von 1955 sei der Bescheid der Verwaltungsbehörde mit der Klage vor dem Verwaltungsgericht anzufechten. Ähnlich verhalte es sich bei Art. 8 des Finanzvertrages, der die Zivilrechtsklage an einen Vorbescheid der Ämter für Verteidigungslasten binde.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision; sie nimmt auf ihr bisheriges Vorbringen, insbesondere auf die Berufungsbegründung Bezug.
Die durch Zulassung nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Die Revision ist daher zulässig; sie ist auch insofern begründet, als sich die Klägerin dagegen wendet, daß das LSG die Zulässigkeit des Sozialrechtsweges verneint hat.
Die Klägerin rügt eine Verletzung des § 51 SGG und der §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 25, 27 AKG mit der Begründung, das LSG habe zu Unrecht die Sozialgerichtsbarkeit für unzuständig gehalten. Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, daß der Sozialrechtsweg im vorliegenden Falle nicht gegeben sei, damit begründet, daß die Mitteilung der Beklagten vom 29. April 1958 über die Ablehnung des von der Klägerin im Rahmen des § 5 AKG geltend gemachten Anspruchs keinen Verwaltungsakt, sondern eine fiskalische Maßnahme darstelle, die nicht mit der Anfechtungsklage angegriffen werden könne. Es meint, daß schon damit nicht der Sozialrechtsweg, sondern nach § 13 GVG der Zivilrechtsweg gegeben sei. Der Rechtsauffassung des LSG kann jedoch nur insoweit zugestimmt werden, als es die Mitteilung der Beklagten vom 29. April 1958 nicht als Verwaltungsakt angesehen hat. Anmeldestellen für die nach dem AKG zu erfüllenden Ansprüche sind die in § 27 AKG aufgeführten Dienststellen, bei denen es sich um sogenannte Schuldnerdienststellen und nicht um Stellen handelt, vor denen ein besonderes amtliches Verwaltungsverfahren wegen der auf die Vorschriften des AKG gestützten Ansprüche durchgeführt wird. Die von den Anmeldestellen abgegebenen Erklärungen, daß der nach dem AKG geltend gemachte Anspruch anerkannt oder abgelehnt wird, sind reine Schuldnererklärungen und keine öffentlich-rechtlichen Verfahrensbescheide oder Verwaltungsverfügungen (vgl. Féaux de la Croix, Die Kriegsfolgenschlußgesetzgebung, Anm. 1 zu § 27 AKG; ferner Döll, AKG, Anm. 10 zu § 26). Daraus ergibt sich jedoch nur, daß die Mitteilung der Beklagten vom 29. April 1958 kein Verwaltungsakt ist und daher auch nicht mit der Anfechtungsklage im Verwaltungsstreitverfahren angefochten werden kann. Damit ist aber noch nicht die Frage der Zulässigkeit des Sozialrechtswegs geklärt, wie das LSG offenbar meint; es muß vielmehr noch geprüft werden, ob der Sozialrechtsweg nach § 51 SGG i. V. m. der Sondervorschrift des § 29 AKG gegeben ist. Nach § 29 AKG kann ein nach § 26 AKG angemeldeter Anspruch, den eine Anmeldestelle (§ 27 AKG) abgelehnt hat, nur innerhalb von 6 Monaten und nur vor dem Gericht geltend gemacht werden, das "nach der Natur des Anspruchs" zuständig ist. Diese Vorschrift ist in dem von der Bundesregierung dem Bundestag vorgelegten Entwurf des AKG - zunächst als § 24 b - durch den 22. Bundestagsausschuß eingefügt worden. In dem schriftlichen Bericht dieses Ausschusses (BT-Drucks. Nr. 3529, 2. Wahlperiode 1953) ist hierzu lediglich ausgeführt, daß diese Vorschrift die gerichtliche Geltendmachung an die Einhaltung einer Klagefrist von 6 Monaten nach der Ablehnung knüpft; zu dem Begriff "nach der Natur des Anspruchs" sind keine Ausführungen gemacht worden. Desgleichen ist hierzu in der Beratung durch den Bundestag nichts gesagt worden. Bei der durch § 29 AKG getroffenen Zuständigkeitsregelung kann sich die Natur des geltend gemachten Anspruchs nur nach dem Rechtsgebiet richten, dem der Anspruch entspringt. Der Anspruch der Klägerin, den sie im Rahmen des § 5 AKG geltend macht, ist auf die Auszahlung der ihr mit Bescheid des Wehrmachtfürsorge- und -versorgungsamts H vom 22. März 1945 bewilligten Witwenabfindung nach dem WFVG gerichtet. "Der Natur des Anspruchs nach" handelt es sich daher insoweit um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung, für deren Entscheidung nach § 51 Abs. 1 SGG die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig sind (vgl. Féaux de la Croix, aaO Anm. 3 zu § 29 AKG; Döll, aaO Anm. 4 zu § 29 AKG). Das LSG hat somit den Sozialrechtsweg zu Unrecht nicht als gegeben angesehen. Dem steht auch nicht entgegen, daß die Mitteilung der Beklagten vom 29. April 1958 keinen anfechtbaren Verwaltungsakt darstellt. Sofern der Sozialrechtsweg gegeben ist, kann nach § 54 Abs. 5 SGG mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt - wie im vorliegenden Falle - nicht zu ergehen hatte. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben.
Bei der nunmehr zu treffenden Entscheidung war zunächst die Zulässigkeit der Berufung der Beklagten zu prüfen. Das SG Lüneburg hat in seinem Urteil vom 13. Januar 1959 die Berufung zugelassen; es ist somit davon ausgegangen, daß die Berufung im vorliegenden Falle nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG - der Anspruch auf Heiratsabfindung ist eine einmalige Leistung i. S. dieser Vorschrift - an sich ausgeschlossen ist. Es könnte allerdings fraglich sein, ob die Ausschließungsgründe der §§ 144 ff SGG auch dann Anwendung finden können, wenn die Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auf der Sondervorschrift des § 29 AKG beruht, die insoweit keine Einschränkung der Berufungsmöglichkeit vorsieht. Diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben. Sollte die Berufung im Hinblick auf die angeführte Erwägung zulässig sein, weil die Ausschlußgründe der §§ 144 ff SGG nicht eingreifen, dann wäre der Ausspruch über die ausdrückliche Zulassung der Berufung überflüssig gewesen; ist aber die Berufung im vorliegenden Falle nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, dann ist sie infolge ausdrücklicher Zulassung nach § 150 Nr. 1 SGG ebenfalls zulässig.
Einer Entscheidung steht, wie das SG Lüneburg in seinem Urteil vom 13. Januar 1959 zutreffend ausgeführt hat, auch nicht § 94 Abs. 2 SGG im Hinblick darauf entgegen, daß bei dem SG Lüneburg noch das Verfahren S 6 Ko 203/56 anhängig ist, in dem die Klägerin den Anspruch auf Auszahlung der mit Bescheid vom 22. März 1945 bewilligten Heiratsabfindung unmittelbar auf Kriegsopferversorgungsgesetze stützt. Nach § 94 Abs. 2 SGG ist eine neue Klage während der Rechtshängigkeit unzulässig, wenn die Streitsache schon bei einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit rechtshängig ist. Rechtshängigkeit i. S. dieser Vorschrift setzt die Gleichheit des Streitgegenstandes und der Beteiligten in beiden Verfahren voraus (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur SGb, Anm. 3 zu § 94 SGG). In dem noch vor dem SG Lüneburg anhängigen Verfahren S 6 Ko 203/56 ist das Land Niedersachsen Beklagter, während im vorliegenden Verfahren die Bundesrepublik Deutschland Beklagte ist. Außerdem handelt es sich in jenem Verfahren um einen Anspruch, der unmittelbar auf Versorgungsgesetze gestützt wird, während hier die Klägerin ihren Anspruch auf Erfüllung der nicht ausgezahlten Heiratsabfindung auf § 5 AKG stützt. Der Senat hatte somit in der Sache selbst zu entscheiden.
Im Revisionsverfahren hat die Beklagte erstmals geltend gemacht, daß sie in dieser Streitsache nicht passiv legitimiert sei, weil es sich um einen Anspruch i. S. des § 25 Abs. 2 Nr. 2 AKG handle, der im Rahmen von Verwaltungsaufgaben entstanden sei, die auf einen anderen öffentlichen Rechtsträger (das Land Niedersachsen) übergegangen seien.
Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorschrift im vorliegenden Falle Anwendung finden könnte; denn die Beklagte ist auf jeden Fall nach § 25 Abs. 3 AKG passiv legitimiert. Nach dieser Vorschrift kann in den Fällen des Absatzes 2 auch vom Bund Erfüllung des Anspruchs verlangt werden, sofern dieser nicht das Vorliegen der in Absatz 2 bezeichneten Voraussetzungen nachweist. Aus der Stellung im Gesetz und insbesondere aus der amtlichen Begründung zu § 25 Abs. 3 - im Gesetzentwurf § 23 Abs. 3 - (vgl. BT-Drucks. Nr. 1659, 2. Wahlperiode, S. 61) ergibt sich eindeutig, daß diese Vorschrift bezweckt, dem Gläubiger die oft schwierige Ermittlung des Anspruchsschuldners abzunehmen. Nach der amtlichen Begründung berechtigt § 25 Abs. 3 AKG den Gläubiger, "die Erfüllung seines Anspruchs in jedem Falle vom Bund zu verlangen, es sei denn, daß der Bund ihm nachweist, daß ein anderer Rechtsträger haftet (vgl. auch Döll, aaO Anm. 7 zu § 25; Féaux de la Croix, aaO Anm. B 2 d zu § 25). Wird somit ein Anspruch nach dem AKG bei einer der in § 27 Abs. 1 AKG aufgeführten Anmeldestellen des Bundes angemeldet, muß dem Antragsteller schon von der Anmeldestelle nachgewiesen werden, daß ein anderer Rechtsträger haftet. Geschieht dies nicht, so kann der Gläubiger in jedem Falle die Erfüllung des Anspruchs vom Bund verlangen. Da die OFD der Klägerin nicht einen anderen, für den von ihr geltend gemachten Anspruch haftenden Rechtsträger nachgewiesen hat, ist die Beklagte nach § 25 Abs. 3 AKG im vorliegenden Rechtsstreit passiv legitimiert.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Lüneburg vom 13. Januar 1959 ist begründet, weil der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch nicht auf § 5 Abs. 1 AKG gestützt werden kann. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AKG sind Ansprüche auf Zahlung von Renten, die der Versorgung der Berechtigten dienen oder auf einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, sowie Ansprüche aus der Kapitalisierung derartiger Renten zu erfüllen, soweit Leistungen aus diesen Ansprüchen für die Zeit nach dem 31. März 1950 geschuldet werden. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch kann auf diese Vorschrift schon deswegen nicht gestützt werden, weil die mit Bescheid vom 22. März 1945 bewilligte Witwenabfindung nach dem WFVG nicht für die Zeit nach dem 31. März 1950 geschuldet wird. Ganz abgesehen davon handelt es sich bei der Heiratsabfindung auch nicht um die Kapitalisierung einer Rente, die der Versorgung des Berechtigten dient. Allerdings erhält die Witwe im Falle der Wiederverheiratung nach § 44 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) an stelle des Anspruchs auf Rente eine Abfindung. Diese Abfindung ist jedoch schon begrifflich keine Kapitalisierung, weil der Anspruch auf Witwenrente mit der Wiederverheiratung endet und daher künftige Rentenbeträge nicht kapitalisiert werden können (vgl. zur Kapitalabfindung §§ 72 ff BVG, insbesondere § 78 a). Im übrigen ist nach § 44 Abs. 1 Satz 2 BVG idF des 1. Neuordnungsgesetzes die Abfindung auch dann zu zahlen, wenn im Zeitpunkt der Wiederverheiratung kein Anspruch auf Rente bestand. Hiernach liegt bei der Heiratsabfindung keine Kapitalisierung einer Rente i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AKG vor (vgl. auch BSG 21, 72, 73).
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch kann auch nicht auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AKG gestützt werden. Danach sind Ansprüche zu erfüllen, die auf einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen und nicht auf Zahlung von Renten gerichtet sind, jedoch nicht über den Betrag der Leistungen hinaus, die das Bundesentschädigungsgesetz für Schäden dieser Art vorsieht. Zwar hätte die Klägerin keinen Anspruch auf die Zahlung einer Versorgungswitwenrente gehabt, wenn ihr erster Ehemann nicht im Kriege gefallen wäre. Daß ihr eine Heiratsabfindung durch den Bescheid des Wehrmachtfürsorge- und -versorgungsamts H vom 22. März 1945 bewilligt worden ist, beruht aber nicht unmittelbar auf einer Verletzung des Lebens ihres ersten Ehemannes. Vielmehr erhält die Witwe in einem solchen Falle die Heiratsabfindung deswegen, weil sie sich wiederverheiratet hat. Der Anspruch auf Heiratsabfindung beruht somit auf der Tatsache der Wiederverheiratung und fällt daher nicht unter § 5 Abs. 1 Nr. 2 AKG.
Auf die Revision der Klägerin mußte daher das angefochtene Urteil aufgehoben werden, weil das LSG zu Unrecht den Sozialrechtsweg verneint hat. Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des SG Lüneburg vom 13. Januar 1959 ebenfalls aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen, weil die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 AKG hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs nicht gegeben sind. Eine reformatio in peius liegt im Hinblick darauf, daß das LSG unter Aufhebung des Urteils des SG die Klage wegen Unzulässigkeit des Sozialrechtswegs abgewiesen hat, nicht vor, weil in einem solchen Falle die Parteien durch das Urteil des LSG keinen Besitzstand erlangt haben, der durch das Verbot der reformatio in peius geschützt werden könnte (vgl. Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl., Anm. I 2 b zu § 138 und Anm. III 2 zu § 143).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen