Leitsatz (amtlich)
Das Nachschieben von neuen Tatsachen für eine anderweitige rechtliche Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes ist im sozialgerichtlichen Verfahren dann nicht zulässig, wenn der neue Sachverhalt im Widerspruch zu demjenigen steht, der dem angefochtenen Verwaltungsakt bei seinem Erlaß zugrunde gelegt worden ist (Fortsetzung BSG 1962-10-24 10 RV 383/60 = Breith 1963, 339 ) .
Leitsatz (redaktionell)
Der Umstand allein, daß dem Gericht verschiedene Gutachten mit unterschiedlichen Auffassungen und Ergebnissen vorliegen, verpflichtet es noch nicht, von Amts wegen nach SGG § 103 weitere Beweise durch Vernehmung anderer Sachverständiger zu erheben. Vielmehr kann das Gericht in einem solchen Fall in den Grenzen des SGG § 128 im Rahmen seiner richterlichen Beweiswürdigung die vorhandenen Gutachten würdigen und zu einem bestimmten Ergebnis gelangen.
Normenkette
SGG § 103 Fassung: 1953-09-03, § 128 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. September 1962 und das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 20. Februar 1962 sowie der Bescheid des Beklagten vom 6. Juli 1960 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 1960 insoweit aufgehoben, als darin die Anerkennung der Herzmuskelschädigung widerrufen und die Rente mit Ende August 1960 entzogen worden ist.
Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Kläger war vom 7. Februar 1941 an Soldat. Er erkrankte u. a. an Malaria, Gelbsucht und Gelenkrheumatismus und wurde auf Grund eines truppenärztlichen Zeugnisses vom 17. August 1943 wegen eines Herzklappenfehlers mit schwerer Muskelschädigung sowie wegen einer inaktiven Lungentuberkulose links am 14. Oktober 1943 als dienstunfähig entlassen. Mit Bescheid vom 4. November 1943 gewährte ihm das Versorgungsamt (VersorgA) H wegen Herzklappenfehlers mit Muskelschädigung Versorgungsbezüge nach der Versehrtenstufe II. Wegen derselben Gesundheitsstörungen erhielt der Kläger mit Bescheid vom 20. Februar 1948 Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H. gem. den Vorschriften der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27. Auf Grund einer Nachuntersuchung setzte das VersorgA mit Bescheid vom 19. November 1950 die Rente ab 1. Januar 1951 auf 30 v. H. herab, weil sich der Herzklappenfehler in einem völlig ausgeglichenen Zustand befinde. Während des Verfahrens über den vom Kläger gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch erließ die Versorgungsbehörde den Umanerkennungsbescheid nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 25. April 1952, in dem sie "Herzklappenfehler mit Muskelschädigung" im Sinne der Entstehung mit einer MdE um 30 v. H. anerkannte und den Bescheid vom 19. November 1950 aufhob. Der Beschwerdeausschuß hob mit Bescheid vom 25. September 1952 den Bescheid nach der SVD Nr. 27 vom 19. November 1950 nochmals auf und wies den Einspruch gegen den Umanerkennungsbescheid nach dem BVG zurück, weil der Herzklappenfehler völlig ausgeglichen und ein Herzmuskelschaden nicht mehr vorhanden sei. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 10. Februar 1956 ab. Dieses Urteil ist rechtskräftig.
Bei einer späteren Nachuntersuchung (Gutachten vom 3. Februar 1960) waren die Sachverständigen der Auffassung, daß die Diagnose eines Herzklappenfehlers im Jahre 1943 falsch gewesen sei, wenn auch diese Beurteilung unter dem Eindruck eines akuten Gelenkrheumatismus und der vom Kläger angegebenen Herzbeschwerden nahegelegen habe. Die Herzbeschwerden seien nervöser Natur. Die Versorgungsbehörde erließ daraufhin mit Zustimmung des Landesversorgungsamtes (LVersorgA) den Berichtigungsbescheid nach § 41 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) vom 6. Juli 1960 mit der Begründung, daß die Anerkennung des "Herzklappenfehlers mit Muskelschädigung" zweifellos unrichtig gewesen sei und auf einer fehlerhaften Diagnose im truppenärztlichen Zeugnis vom 17. August 1943 beruht habe. Sie hob die Bescheide vom 4. November 1943, 20. Februar 1948, 19. November 1950 und 25. April 1952 auf und stellte fest, daß Folgen einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG beim Kläger nicht vorhanden seien. Sie entzog die Versorgungsbezüge mit Ablauf des Monats August 1960. Der Widerspruch hiergegen war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 1960).
In dem vom SG eingeholten Gutachten führten Prof. Dr. B und Oberarzt Dr. St (Gutachten vom 12. Dezember 1961) aus, es könne nicht mit absoluter Sicherheit festgestellt werden, daß die Anerkennung eines Herzklappenfehlers mit Muskelschädigung ohne jeden Zweifel zu Unrecht erfolgt sei. Da jedoch in den Jahren 1955 und 1960 ein organischer Herzklappenfehler nicht mehr nachweisbar gewesen sei, sei eine Besserung des Herzklappenfehlers bis zum September 1955 eingetreten. Der vom SG in der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 1962 gehörte Sachverständige hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Der Beklagte hat daraufhin erklärt, er stütze den angefochtenen Bescheid auch auf eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 BVG. Das SG hat mit Urteil vom 20. Februar 1962 die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat noch von Dr. R vom Allgemeinen Krankenhaus in C das Gutachten vom 22. September 1962 eingeholt. Dieser Sachverständige hat ausgeführt, daß die Anerkennung eines Herzklappenfehlers in den voraufgegangenen Bescheiden ohne jeden Zweifel falsch gewesen sei. Demgegenüber sei bei den vom Kläger als Soldat durchgemachten Erkrankungen nicht auszuschließen, daß die Anerkennung einer Herzmuskelschädigung richtig gewesen ist. Diese Herzmuskelschädigung sei jedoch seit 1954 abgeklungen. Das LSG hat mit Urteil vom 27. September 1962 auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG Hannover vom 20. Februar 1962 abgeändert, die Bescheide des Beklagten vom 6. Juli und 18. Oktober 1960 insoweit aufgehoben, als die Anerkennung einer Herzmuskelschädigung und die Feststellung einer MdE um 50 v. H. bzw. 30 v. H. in den Bescheiden vom 4. November 1943, 20. Februar 1948, 19. November 1950 und 25. April 1952 für die Vergangenheit zurückgenommen worden sind. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. In den Urteilsgründen hat es ausgeführt, auf Grund der überzeugenden Gutachten von Dr. R vom 22. September 1962 sei anzunehmen, daß die Anerkennung einer Muskelschädigung nicht zweifelsfrei unrichtig gewesen ist. Nach den Unterlagen aus dem Lazarett und der Heeresentlassungsstelle sowie den späteren versorgungsärztlichen Befunden sei durch einen während des Wehrdienstes erlittenen Gelenkrheumatismus eine Herzmuskelentzündung mit nachfolgender Herzmuskelschädigung entstanden. Da dieser Herzmuskelschaden mit Wahrscheinlichkeit als Schädigungsfolge anzusehen sei, habe seine Anerkennung in den früheren Bescheiden durch den angefochtenen Bescheid gem. § 41 VerwVG nicht widerrufen werden dürfen. Dagegen sei die in den früheren Bescheiden erfolgte Anerkennung eines Herzklappenfehlers tatsächlich und rechtlich unrichtig gewesen, so daß insoweit der Berichtigungsbescheid rechtmäßig sei. Nach der übereinstimmenden Auffassung aller Sachverständigen habe niemals ein Herzklappenfehler bestanden, so daß die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 41 VerwVG vorlägen. Sei aber, wie anfangs ausgeführt, die Rücknahme der Anerkennung einer Herzmuskelschädigung nach § 41 VerwVG nicht gerechtfertigt, so habe auch die Festsetzung einer MdE um 50 bzw. 30 v. H. rückwirkend jedenfalls nicht beseitigt werden können. Diese Herzmuskelschädigung habe die Erwerbsfähigkeit des Klägers nach den früher erhobenen Befunden um 50 bzw. 30 v. H. herabgesetzt. Jedoch sei der Berichtigungsbescheid insoweit gem. § 62 Abs. 1 BVG noch aufrechtzuerhalten, als die Zahlung der Versorgungsbezüge mit Ende August 1960 eingestellt worden sei. Der Beklagte habe sich ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung vor dem SG zur Rechtfertigung des angefochtenen Bescheides auf § 62 BVG berufen. Das sei zulässig gewesen, denn dadurch sei der Bescheid weder in seinem Wesensgehalt geändert noch die Rechtsverteidigung des Klägers in unzulässiger Weise erschwert worden. Die Voraussetzungen des § 62 BVG seien im vorliegenden Fall gegeben. Dies ergebe sich aus der Gegenüberstellung der Gutachten aus dem Jahre 1950 und Oktober 1954. Der Herzmuskelschaden sei nach den insoweit nachzuweisenden Befundänderungen ausgeheilt; eine MdE bestehe durch die Schädigungsfolge nicht mehr. Damit sei die Entziehung der Rente ab Ende August 1960 als Neufeststellung im Sinne des § 62 BVG rechtmäßig. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses ihm am 2. November 1962 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 23. November, beim Bundessozialgericht (BSG) am 24. November 1962 eingegangen, Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 2. Februar 1963 mit einem am 22. Dezember 1962 beim BSG eingegangenen Schriftsatz vom 20. Dezember 1962 begründet. Er beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des LSG Niedersachsen vom 27. September 1962 nach dem Berufungsantrag zu erkennen,
hilfsweise,
die Sache unter Aufhebung des Urteils des LSG Niedersachsen vom 27. September 1962 zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen und die Kostenentscheidung insoweit dem Endurteil vorzubehalten.
Der Kläger rügt die unrichtige Anwendung des § 41 VerwVG und des § 62 BVG durch das LSG. Er trägt dazu u. a. vor, daß das Nachschieben des § 62 BVG als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid im vorliegenden Fall nicht möglich sei. Wenn die voraufgegangenen Bescheide durch den Berichtigungsbescheid als im Zeitpunkt ihres Erlasses unrichtig, d. h. als fehlerhaft angesehen würden, sei die Anwendung des § 62 BVG nicht gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift sei die Versorgungsverwaltung nur ermächtigt, solche Bescheide zurückzunehmen, die ursprünglich richtig gewesen und die nach ihrem Erlaß fehlerhaft geworden sind. Bei Bescheiden, die im Zeitpunkt ihres Erlasses unrichtig waren, sei für eine Berichtigung der § 41 VerwVG allein maßgebend. Es erscheine im übrigen nicht überzeugend, wenn nach 20 Jahren die bis jetzt als eine Einheit anerkannte Gesundheitsstörung in zwei verschiedene Gesundheitsstörungen, nämlich den Herzklappenfehler und die Muskelschädigung, aufgegliedert werde, zumal wenn Dr. R die Anerkennung des Herzklappenfehlers als zweifellos unrichtig ansehe, aber die Herzmuskelschädigung als im Jahre 1943 vorhanden bezeichne. Das LSG hätte insoweit ein Obergutachten einholen müssen.
Im übrigen wird auf die Revisionsbegründung verwiesen.
Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Die durch Zulassung nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Die sonach zulässige Revision ist jedoch nur teilweise begründet.
Die Beteiligten haben über die Rechtmäßigkeit des von dem Beklagten auf § 41 VerwVG gestützten Bescheides vom 6. Juli 1960 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 1960 gestritten, mit dem der Beklagte die seit 1943 erlassenen Bescheide der Versorgungsbehörden rückwirkend aufgehoben hat, weil die Anerkennung des Herzklappenfehlers mit Muskelschädigung im Zeitpunkt der Anerkennung tatsächlich und rechtlich zweifelsfrei unrichtig gewesen sei. Die Revision betrifft jedoch nur den Streit darüber, ob der Beklagte mit dem angefochtenen Berichtigungsbescheid die frühere Anerkennung des "Herzklappenfehlers" in vollem Umfange und vom Ablauf des Monats August 1960 an die Anerkennung der Herzmuskelschädigung widerrufen und die Rente nach einer MdE um 30 v. H. entziehen durfte. Da das LSG ausgesprochen hat, daß die Berichtigung der Gesundheitsstörung "Herzmuskelschädigung" und die Aberkennung der dem Kläger früher gewährten Rente nach einer MdE um 50 v. H. bzw. 30 v. H. bis Ende August 1960 durch den angefochtenen Bescheid nicht rechtmäßig ist und der Beklagte hiergegen insoweit keine Revision eingelegt hat, ist das angefochtene Urteil in diesem Umfange rechtskräftig (§ 141 SGG).
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß der Berichtigungsbescheid vom 6. Juli 1960 hinsichtlich der Rücknahme der in den Bescheiden vom 4. November 1943, 20. Februar 1948, 19. November 1950 und 25. April 1952 anerkannten Gesundheitsstörung "Herzklappenfehler" nach § 41 VerwVG rechtmäßig ist. Soweit sich der Kläger dagegen wendet, ist seine Revision unbegründet. Nach § 41 VerwVG können Bescheide über Rechtsansprüche zuungunsten des Versorgungsberechtigten von der zuständigen Verwaltungsbehörde durch neuen Bescheid geändert oder aufgehoben werden, wenn ihre tatsächliche und rechtliche Unrichtigkeit im Zeitpunkt ihres Erlasses außer Zweifel steht. Die Verwaltungsbehörde bedarf zum Erlaß dieses Bescheides der Zustimmung des LVersorgA (§ 41 Abs. 2 VerwVG). Wie das BSG in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, ist die Berichtigung im Sinne des § 41 VerwVG nur möglich, wenn sowohl die tatsächliche als auch die rechtliche Unrichtigkeit des zu berichtigenden Bescheides im Zeitpunkt seines Erlasses außer Zweifel steht (BSG 8, 198; BSG in SozR VerwVG § 41 Nr. 6). Das bedeutet, daß der Entscheidende von der tatsächlichen und rechtlichen Unrichtigkeit des zu berichtigenden Bescheides soweit überzeugt sein muß, daß er jede aus dem festgestellten Sachverhalt sich ergebende, wenn auch fernliegende Möglichkeit, es könne anders sein, als ausgeschlossen ansieht (BSG 6, 106 = BSG in SozR VerwVG § 41 Nr. 1). Das LSG hat festgestellt, daß die Anerkennung der Gesundheitsstörung "Herzklappenfehler" auf Grund einer Fehldiagnose zweifelsfrei tatsächlich unrichtig war und daraus die rechtliche Unrichtigkeit dieser Anerkennung gefolgert. Der Kläger meint, da in den dem Berichtigungsbescheid voraufgegangenen Bescheiden als Schädigungsfolge ein Herzklappenfehler "mit" Muskelschädigung anerkannt gewesen sei und es sich somit um die Anerkennung einer einzigen als Ganzes anzusehenden Gesundheitsstörung gehandelt habe, sei es unzulässig, diese Einheit in zwei Gesundheitsstörungen, nämlich einen Herzklappenfehler "und" eine Herzmuskelschädigung aufzuteilen und jede einzelne dieser Gesundheitsstörungen daraufhin zu prüfen, ob ihre frühere Anerkennung im Sinne des § 41 VerwVG zu Unrecht erfolgt sei. Insoweit hätte das LSG nicht dem Gutachten des Dr. R vom 22. September 1962 folgen dürfen, sondern wäre verpflichtet gewesen, ein weiteres Gutachten einzuholen. Diese Angriffe gehen fehl. Aus der früheren Anerkennung eines Herzklappenfehlers "mit" Herzmuskelschädigung kann noch nicht der Schluß gezogen werden, daß die anerkannten Gesundheitsstörungen nur einheitlich anerkannt werden sollten. Die in dieser Beziehung vorgebrachten Bedenken mußte das LSG im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der vorhandenen medizinischen Unterlagen klären. Wenn es dabei der Auffassung von Dr. R in seinem Gutachten vom 22. September 1962 gefolgt ist und angenommen hat, daß es sich tatsächlich um zwei besondere Leiden gehandelt hat und daß sowohl der Herzklappenfehler als auch die Herzmuskelschädigung zu Unrecht anerkannt worden waren, so kann darin, entgegen der Auffassung des Klägers, keine Verletzung des Rechts der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 SGG) gesehen werden. Jedenfalls hat der Kläger keine Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG bezeichnet, aus denen sich ergibt, daß das LSG auf Grund der Ausführungen von Dr. R nicht zu der erwähnten Überzeugung hätte kommen dürfen.
Ebenso geht die Rüge des Klägers fehl, das LSG hätte sich wegen der dem Gutachten von Dr. R entgegenstehenden Auffassung der Sachverständigen Prof. Dr. B und Dr. K (Gutachten vom 12.12.1961 und 20.2.1962) gedrängt fühlen müssen, ein weiteres Gutachten einzuholen (§ 103 SGG). Der Umstand allein, daß dem Gericht verschiedene Gutachten mit unterschiedlichen Auffassungen und Ergebnissen vorliegen, verpflichtet es noch nicht, von Amts wegen gem. § 103 SGG weitere Beweise durch Vernehmung anderer Sachverständiger zu erheben. Vielmehr kann das LSG in einem solchen Fall in den Grenzen des § 128 SGG im Rahmen seiner richterlichen Beweiswürdigung die vorhandenen Gutachten würdigen und zu einem bestimmten Ergebnis gelangen. Daß das LSG bei der Beurteilung der Frage, ob die Gesundheitsstörung "Herzklappenfehler" tatsächlich zu Unrecht im Sinne des § 41 VerwVG anerkannt war, zwingend zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen, hat der Kläger weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG). Somit ist die Feststellung, daß der Herzklappenfehler beim Kläger im Zeitpunkt der Anerkennung zweifelsfrei tatsächlich zu Unrecht anerkannt worden ist, weil er nie vorgelegen hat sondern nur fälschlich diagnostiziert worden ist, wirksam nicht angegriffen und daher gem. § 163 SGG für den Senat bindend. Daraus ergibt sich, daß seine Anerkennung als Versorgungsschaden bzw. Schädigungsfolge auch rechtlich zweifelsfrei unrichtig war. Der Berichtigungsbescheid vom 6. Juli 1960 ist, soweit durch ihn die frühere Anerkennung des Herzklappenfehlers aufgehoben worden ist, nicht etwa deshalb unwirksam, weil mit ihm Bescheide aufgehoben werden, die vor Inkrafttreten des VerwVG am 1. April 1955 erlassen sind. Wenngleich in dem Bescheid ausdrücklich nur der Fortfall der Rentenbezüge mit Ende August 1960 erwähnt ist, so muß gleiches auch hinsichtlich der Wirkungen der früheren Anerkennung gelten, die ebenfalls erst für die Zeit ab 1. September 1960, also für eine Zeit nach dem 1. April 1955, fortfallen sollten (siehe dazu BSG 7, 8 und SozR VerwVG § 41 Nr. 9). Hieraus folgt, daß die Revision des Klägers insoweit unbegründet ist, als sie sich gegen den Widerruf der Anerkennung des Herzklappenfehlers richtet.
Begründet ist die Revision des Klägers aber insoweit, als sie sich dagegen richtet, daß das LSG die Aberkennung der Gesundheitsstörung "Herzmuskelschädigung" und die Entziehung der Rente nach einer MdE um 30 v. H. mit Ablauf des Monats August 1960 als rechtmäßig angesehen hat. Das LSG hat festgestellt - und diese Feststellung ist unangegriffen geblieben und daher für den Senat bindend -, daß die in den Bescheiden der Jahre 1943, 1948, 1950 und 1952 erfolgte Anerkennung einer Herzmuskelschädigung nicht außer Zweifel tatsächlich unrichtig gewesen ist. Die Berichtigung dieser Bescheide kann somit nicht auf § 41 VerwVG gestützt werden. Das hat auch das LSG nicht verkannt. Seiner Auffassung, daß der Beklagte jedoch befugt war, den Bescheid nachträglich auf § 62 BVG zu stützen, kann nicht gefolgt werden. Entgegen der Behauptung des Klägers, der Beklagte habe sich überhaupt nicht auf § 62 BVG berufen, geht aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 20. Februar 1962 (Bl. 36 SG-Akte) hervor, daß der Beklagte, nachdem sich der vom SG gehörte Sitzungsarzt Dr. K der Auffassung von Prof. Dr. B angeschlossen hatte, die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 6. Juli 1960 nunmehr auf § 62 BVG zu stützen versucht hat. Damit konnte er aber keinen Erfolg haben. Zwar ist es der Verwaltung grundsätzlich nicht verwehrt, rechtliche Begründungen für einen angefochtenen Verwaltungsakt noch im Laufe des Rechtsstreits nachzuschieben. Das ist jedoch - wie es das LSG an sich auch richtig erkannt hat - nur statthaft, wenn der Verwaltungsakt dadurch in seinem Wesen, insbesondere in seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Wirkung nicht verändert und die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht beeinträchtigt wird (BSG 3, 209, 216; 7, 8, 12, 14; 11, 236; BVerwG 1, 311 (vgl. auch BSG 7, 122 sowie BSG vom 4. September 1956 - 10 RV 395/55 -). Ob dies der Fall ist, muß stets, wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 24. Oktober 1962 (10 RV 383/60 in Breithaupt 1963, 339 ff) dargelegt hat, an Hand der Verhältnisse des Einzelfalles geprüft werden. Diesem Urteil liegt der Fall zugrunde, daß die Versorgungsbehörde bei einem auf § 62 BVG gestützten Bescheid als weitere Begründung den § 41 VerwVG im Laufe des Rechtsstreits nachgeschoben hatte. Der Senat hat zu diesem Fall ausgesprochen, daß ein Nachschieben von Gründen für einen angefochtenen Verwaltungsakt dann nicht möglich ist, wenn zur Anwendung der Vorschrift, die zur Begründung nachgeschoben wird, Tatsachen unterstellt werden müssen, die denjenigen widersprechen, welche dem angefochtenen Verwaltungsakt bei seinem Erlaß zugrunde gelegt worden sind. Dieser Grundsatz muß auch für den vorliegenden umgekehrten Fall gelten, in dem ein seinem Inhalt nach auf § 41 VerwVG gestützter Bescheid nachträglich auf § 62 BVG gestützt werden soll. Im vorliegenden Fall würde nämlich der angefochtene Verwaltungsakt, in dem in tatsächlicher Hinsicht festgestellt war, daß die Herzmuskelschädigung nie bestanden und ihre Anerkennung seit dem Jahre 1943 von Anfang an fehlerhaft gewesen ist, in seinem Wesen geändert werden, wenn er nunmehr auf § 62 BVG gestützt würde. Tatsächlich schiebt der Beklagte nämlich dem angefochtenen Bescheid nicht nur eine andere Rechtsnorm, d. h. eine andere rechtliche Begründung nach, sondern er unterlegt dem angefochtenen Bescheid auch einen völlig anderen Sachverhalt, als er ursprünglich dem Verwaltungsakt unterstellt worden ist. Der ursprünglich unterstellte Sachverhalt widerspricht somit dem nachgeschobenen, worauf die Revision mit Recht hinweist. Während bei Erlaß des angefochtenen Bescheides davon ausgegangen worden ist, daß die anerkannten Gesundheitsstörungen von Anfang an nicht bestanden haben und somit die ursprüngliche Anerkennung zweifelsfrei tatsächlich und rechtlich unrichtig gewesen ist, müßte nunmehr, damit § 62 BVG Anwendung finden könnte, im Gegensatz dazu angenommen werden, daß die Anerkennung der Gesundheitsstörung "Herzmuskelschädigung" von Anfang an richtig gewesen ist und dieses Leiden des Klägers erst später im Laufe der Zeit völlig ausgeheilt ist. Das Wesen eines Bescheides ist aber grundlegend geändert, wenn ein dem Bescheid unterstellter und aus seiner Begründung hervorgehender Sachverhalt durch einen anderen widersprechenden und überhaupt erst später geltend gemachten Sachverhalt ersetzt wird. Ebenso wie bei Urteilen muß auch bei Verwaltungsakten ein Sachverhalt festgelegt sein, von dem aus die Rechtsfolgen beurteilt sind. Der zugrunde gelegte Sachverhalt gibt dem Ausspruch der Rechtsfolge erst die Grundlage, er macht ihr Wesen aus und nach ihm kann überhaupt nur beurteilt werden, ob die ausgesprochene Rechtsfolge richtig oder falsch ist. Die Festlegung des Sachverhalts muß schon im Interesse der Rechtssicherheit gefordert werden, die nicht die Unterstellung unterschiedlicher oder widersprechender Tatsachen duldet, sofern davon unterschiedliche Rechtsfolgen abhängen. Bei der Unterstellung unterschiedlicher Sachverhalte aber wäre, sofern ein Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist, gar nicht zu beurteilen, zu welchem Sachverhalt die Rechtsfolge überhaupt ausgesprochen und verbindlich geworden ist. Ist somit im vorliegenden Fall der angefochtene Bescheid in seinem Wesen durch das Nachschieben eines anderen widersprechenden Sachverhalts und einer anderen rechtlichen Begründung (§ 62 BVG) geändert worden und damit das Nachschieben als unzulässig anzusehen, so kann dahinstehen, ob - wie das LSG angenommen hat - im vorliegenden Fall nicht die Wirkung des angefochtenen Bescheides, also der Entzug der Rente mit Ablauf des Monats August 1960, durch das Nachschieben tatsächlicher und rechtlicher Gründe im Sinne des § 62 BVG geändert wird. Es braucht daher nicht erörtert zu werden, ob Bescheide nach § 41 VerwVG und § 62 BVG nicht zumindest unterschiedliche Wirkungen hinsichtlich der möglicherweise geltend zu machenden Erstattungsforderungen haben, die nach Voraussetzung und Umfang im § 47 VerwVG danach unterschiedlich geregelt sind, ob Grundlage der Erstattung ein Bescheid nach § 41 VerwVG oder nach § 62 BVG ist.
Danach ist also im vorliegenden Fall der Beklagte nicht berechtigt gewesen, seinem auf § 41 VerwVG gestützten Bescheid vom 6. Juli 1960 einen neuen Sachverhalt des Inhalts nachzuschieben, daß der Herzmuskelschaden im Widerspruch zur früheren Annahme zwar tatsächlich und rechtlich richtig anerkannt worden ist, dieser Leidenszustand sich aber gebessert hat, und daraufhin auch eine andere rechtliche Begründung für den Bescheid nachzuschieben, nämlich den § 62 BVG. Insoweit hat das LSG die allgemeinen Verwaltungsgrundsätze über das Nachschieben von Gründen zur Stützung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes verkannt. Die Revision ist daher begründet, soweit die Entscheidung des LSG über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides auf das erwähnte Nachschieben des neuen Sachverhalts und des § 62 BVG gestützt ist. Das angefochtene Urteil und die voraufgegangenen Entscheidungen waren daher aufzuheben, soweit darin der Widerruf der Anerkennung der "Herzmuskelschädigung" für die Zeit nach Ende August 1960 ausgesprochen ist. Aus den gleichen Erwägungen war auch das Urteil des LSG und die voraufgegangenen Entscheidungen insoweit aufzuheben, als darin die Entziehung der Rente (nach einer MdE um 30 v. H.) für die Zeit nach dem Monat August 1960 ausgesprochen ist. Das LSG hat festgestellt, daß die Herzmuskelschädigung "die Erwerbsfähigkeit des Klägers den damals erhobenen Befunden zufolge auf (gemeint ist offenbar "um") 50 oder 30 % herabgesetzt hat". Diese Feststellung ist für den Senat, da sie mit begründeten Revisionsgründen nicht angegriffen ist, nach § 163 SGG bindend. Ist aber die zuletzt festgesetzte MdE von 30 v. H. für die anerkannte Herzmuskelschädigung nicht unrichtig gewesen, so konnte diese Rente mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. Juli 1960 nicht entzogen werden, da dieser Bescheid auf den darin angezogenen § 41 VerwVG nicht gestützt werden kann, und zu seiner Stützung der anderweitige Sachverhalt und die Begründung mit § 62 BVG nicht nachgeschoben werden darf. Es war daher in der Sache, wie geschehen, zu erkennen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG. Der Senat hielt es für angemessen, den Beklagten zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu verurteilen, da der Kläger mit seinem Begehren, die Entziehung der Rente zu beseitigen, vollen Erfolg gehabt hat und demgegenüber der Mißerfolg des Klägers, soweit er die Aufhebung der Aberkennung des Herzklappenfehlers in dem angefochtenen Bescheid begehrt hatte, nicht ins Gewicht fällt.
Fundstellen