Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Revisionszulassung. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Übernahmefähigkeit der Kosten für eine Haushaltshilfe. Anwendbarkeit sozialhilferechtlicher Vorschriften
Leitsatz (redaktionell)
1. An eine nachträglich durch Beschluss und fehlerhafterweise ohne die Beteiligung der ehrenamtlichen Richter zugelassene Sprungrevision ist das BSG dennoch nach Vorlage der schriftlichen Zustimmung des anderen Beteiligten zur Einlegung der Revision gebunden.
2. Wenn ein Kläger nach dem SGB II anspruchsberechtigt ist, bieten die Regelungen des SGB XII mit den Vorschriften über die Pflegeleistungen bzw. die Weiterführung des Haushalts nur bei erweiternder Auslegung die Möglichkeit, die notwendigen Kosten für einzelne Haushaltshilfeleistungen zu übernehmen. Insbesondere ermöglichen sie in der Regel nicht die Erstattung von Entgelt, das im Rahmen von Nachbarschaftshilfe gezahlt wird.
Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem BSG-Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R, das vollständig dokumentiert ist.
Normenkette
SGG § 161; SGB II § 5 Abs. 2; SGB XII § 31 S. 1, § 27 Abs. 3, § 28 Abs. 1 S. 2, § 63 S. 2, § 65 Abs. 1 S. 1, §§ 70, 61 Abs. 1, 5 Nr. 4, § 73; BSHG § 11 Abs. 3; SGB XI § 14 Abs. 1, § 15
Verfahrensgang
Tatbestand
Im Streit sind Leistungen zur Übernahme von Kosten für eine Haushaltshilfe ab 1. Januar 2005.
Der 1950 geborene, behinderte Kläger, bezog bis Ende 2004 vom Beklagten Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG); inbegriffen waren monatlich 120 Euro für eine Haushaltshilfe. Für die Zeit ab 1. Januar 2005 bewilligte der Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II ≪Alg II≫) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Zeitraum bis 30. Juni 2005 in Höhe von zunächst 670,38 Euro (Bescheid vom 17. Dezember 2004). Diesen Bescheid bestätigte der Beklagte auf einen Widerspruch des Klägers vom 27. Januar 2005 zunächst für die Zeit ab März 2005 ("Änderungsbescheid" vom 24. Januar 2005), änderte ihn dann aber ab 1. März 2005 dahin, dass dem Kläger monatliche Leistungen in Höhe von 685,46 Euro zuständen (Bescheid vom 18. Februar 2005). Gegen die Bewilligung der Leistungen ab März 2005 erhob der Kläger am 4. Mai 2005 Widerspruch.
Schließlich bewilligte der Beklagte für die Folgezeit vom 1. Juli bis 31. Oktober 2005 Alg II zunächst in Höhe von monatlich 522,25 Euro (Bescheid vom 17. Juni 2005 und ab 1. August 2005 in Höhe von monatlich 685,46 Euro (Bescheid vom 22. Juli 2005). Nachdem der Kläger am 28. Juni 2005 Widerspruch eingelegt hatte, wurden seine Widersprüche gegen alle Bescheide als unbegründet zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 10. November 2005), soweit sie die Ablehnung von Haushaltshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) betrafen, weil § 5 Abs 2 SGB II die Gewährung dieser Leistung neben dem Alg II ausschließe; durch die das Alg II betreffenden Bewilligungsbescheide sei zugleich die Ablehnung der Übernahme der Kosten einer Haushaltshilfe auf der Grundlage des SGB XII ausgesprochen worden.
Zuvor hatte der Kläger bereits im August 2005 Klage mit dem Ziel der Gewährung von Leistungen zur Haushaltshilfe ab 1. Januar 2005 erhoben, die er jedoch auf Hinweis des Gerichts wegen des noch nicht durchgeführten Widerspruchsverfahrens zurücknahm. Das Sozialgericht (SG) Köln hat den Beklagten auf eine erneute Klage nach Erlass des Widerspruchsbescheids "unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 17.02.2004", (gemeint ist 17.12.2004) "21.01.2005" (gemeint ist 24.01.2005) "und 17.06.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Oberbergischen Kreises vom 10.11.2005 verurteilt, ab dem 01.01.2005 die Kosten zu übernehmen, die dem Kläger durch die Beschäftigung einer Haushaltshilfe für drei Stunden wöchentlich entstanden sind bzw. entstehen werden" (Urteil vom 24. August 2006). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Beklagte sei gemäß § 61 Abs 1 Satz 2 SGB XII zur Übernahme der Kosten für eine Haushaltshilfe verpflichtet, weil die Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII von den Ausschlusstatbeständen in § 21 Satz 1 SGB XII und § 5 Abs 2 SGB II nicht erfasst sei. Zwischen den Beteiligten sei "unstreitig", dass der Kläger wegen seines Rückenleidens bestimmte Tätigkeiten im Haushalt nicht verrichten könne und daher der Hilfe bedürfe. Dies genüge dem eigenständigen sozialhilferechtlichen Begriff der Pflegebedürftigkeit.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte einen Verstoß gegen §§ 61 ff SGB XII. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Haushaltshilfe nach §§ 61, 70, 73 SGB XII. Die früher einschlägige Regelung des § 11 Abs 3 BSHG für Leistungen bei notwendiger Hilfe im Rahmen einzelner hauswirtschaftlicher Tätigkeiten finde sich nunmehr in § 27 Abs 3 SGB XII, dessen Anwendung allerdings für die Empfänger von Alg II ausgeschlossen sei. Die im Rahmen des SGB II insoweit bestehende Gesetzeslücke könne nur dort durch eine entsprechende Erhöhung der Regelleistung des Alg II geschlossen werden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Entscheidung des SG sei im Ergebnis richtig.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision des Beklagten ist zulässig. Zwar ist sie vorliegend nachträglich durch Beschluss des SG vom 12. Oktober 2006 fehlerhafterweise ohne die Beteiligung der ehrenamtlichen Richter zugelassen worden; gleichwohl ist der Senat an die nach Vorlage der schriftlichen Zustimmung des Klägers zur Einlegung der Revision nachträglich zugelassene Sprungrevision gebunden ( vgl nur Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig ua, SGG, 8. Aufl, § 161 RdNr 7 mwN zur Rechtsprechung ). Die Sprungrevision der Beklagten ist iS der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das SG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des SG (§ 163 SGG) kann der Senat nicht über den geltend gemachten Anspruch abschließend entscheiden.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, hilfsweise eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, nach § 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG. Der Kläger wehrt sich, legt man seinen Antrag gemäß § 123 SGG aus, dabei gegen Bescheide, mit denen der Beklagte, begrenzt auf den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2005 Leistungen der Haushaltshilfe an den Kläger abgelehnt hat. Der Streitgegenstand ist deshalb ebenfalls auf diesen Zeitraum begrenzt. Soweit das SG einen darüber hinausgehenden Streitgegenstand (auch für die Zeit ab 1. November 2005) angenommen hat, hat es dies verkannt (vgl aber bei zeitlich unbegrenzter Ablehnung: Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R). Zu Recht ist es jedoch davon ausgegangen, dass der Beklagte mit den Alg-II-Bewilligungsbescheiden - zumindest im Dezember 2005 erlassen auf Grund des § 65a SGB II - inzident die Weitergewährung von Haushaltshilfe für die Zeit nach dem 31. Dezember 2004 abgelehnt hat.
Nicht ganz eindeutig ist das Klagebegehren, soweit es die Höhe der Leistungen betrifft. Wenn das SG in seiner Entscheidung davon ausgeht, dem Kläger komme es nicht darauf an, auf jeden Fall 120 Euro monatlich zu erhalten, sondern nur auf den Betrag, der den tatsächlichen Kosten für eine Haushaltshilfe entspreche, so könnte dies iS eines Antrags auf Erlass eines Grundurteils (§ 130 SGG) zu verstehen sein. Wäre dies der Fall, bedürfte es keiner näheren Prüfung zur Höhe der Leistungen im Einzelnen. Ob dies dem klägerischen Anliegen entspricht, muss das SG nach der Zurückverweisung klären. Ggf wird es über den genauen geltend gemachten Zahlbetrag zu befinden haben. Jedenfalls ist die Tenorierung, den Beklagten zu verurteilen, "die Kosten zu übernehmen, die dem Kläger durch die Beschäftigung einer Haushaltshilfe für drei Stunden wöchentlich entstanden sind bzw entstehen werden", unzulässig, weil sie über ein Grundurteil hinausgeht, andererseits einen nicht vollstreckungsfähigen Inhalt besitzt.
Bei der Sprungrevision trotz § 161 Abs 4 SGG von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensfehler ( vgl dazu: Ulmer in Hennig, SGG, § 161 RdNr 44, Stand Februar 2004; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig ua, SGG, 8. Aufl, § 161 RdNr 10a ) stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Insbesondere ist die Klage nicht unzulässig, weil die bereits im August 2005 gegen die Bescheide erhobene Klage zurückgenommen worden ist. Die Erhebung einer neuen Klage ist jedenfalls dann möglich, wenn die frühere Klage - wie hier - vor Erlass des Widerspruchsbescheids auf Anraten des Gerichts zurückgenommen worden ist ( BSGE 57, 184, 185 = SozR 2200 § 385 Nr 10 S 39; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 102 RdNr 11 ).
Der Anspruch des Klägers auf Übernahme der geltend gemachten Kosten für eine Haushaltshilfe gegen den Landkreis als zuständigen Sozialhilfeträger, der den beteiligtenfähigen Beklagten (§ 70 Nr 3 SGG) mit den entsprechenden Aufgaben betraut hat (§§ 3, 97, 98, 99 SGB XII) setzt bei allen denkbaren Anspruchsgrundlagen (§ 27 Abs 3, § 28 Abs 1 Satz 2, § 63 Satz 2 iVm § 65 Abs 1 Satz 2, § 70 SGB XII; hierzu näher unter 1 bis 4) voraus, dass der Kläger überhaupt im streitigen Zeitraum die geltend gemachten Kosten für seine Haushaltshilfe aufgewendet, er also im Wege der zulässigen "Selbstbeschaffung" ( vgl dazu: BVerwGE 90, 154, 156; 91, 245, 247 f; 94, 127, 135; 96, 152, 157 ) eine Haushaltshilfe eingeschaltet und diese auf andere Weise bezahlt hat, oder dass er der Haushaltshilfe die Bezahlung noch schuldet (erster Zurückverweisungsgrund). Aufgabe der Sozialhilfe ist es nämlich nicht, nachträglich Leistungen zu erbringen, wenn der Bedarf hierfür mittlerweile entfallen ist.
Insoweit hat die Zurückverweisung nicht etwa deshalb teilweise zu unterbleiben, weil der Kläger nicht innerhalb der Monatsfrist des § 84 Abs 1 SGG rechtzeitig gegen die Bescheide vom 17. Dezember 2004, 24. Januar 2005 und 18. Februar 2005 Widerspruch eingelegt hat. Die Bescheide vom 24. Januar 2005, 18. Februar 2005 und 22. Juli 2005 sind ohnedies gemäß § 86 SGG Gegenstand der Vorverfahren geworden, und der Beklagte hat sich im Widerspruchsbescheid nicht auf die Bindungswirkung des Bescheides vom 17. Dezember 2004 berufen, sondern sachlich entschieden; damit ist auch das Gericht gehindert, sich auf die Bindungswirkung zu berufen (vgl nur Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 21/06 R).
Bereits zur Frage, ob der Kläger überhaupt bzw im gesamten streitigen Zeitraum eine Haushaltshilfe tatsächlich herangezogen hat, die er bezahlt hat oder der er noch eine entsprechende Bezahlung schuldet, fehlen tatsächliche Feststellungen des SG. Sollte kein Fall der "Selbstbeschaffung" vorliegen, müsste der Kläger ggf seine Klage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs 1 Satz 3 SGG) umstellen. Aber auch dann kann ohne weitere Feststellungen nicht entschieden werden. Alle denkbaren Anspruchsgrundlagen für die Übernahme der vom Kläger geltend gemachten Kosten setzen nämlich voraus, dass die Einschaltung einer Haushaltshilfe überhaupt notwendig ist. Die Entscheidung hierüber verlangt - bislang fehlende - genaue nachvollziehbare Feststellungen des SG dazu, welche körperlichen Funktionsdefizite beim Kläger vorliegen und welche hauswirtschaftlichen Tätigkeiten von ihm deshalb nicht verrichtet werden konnten (zweiter Zurückverweisungsgrund).
Nicht ausreichend sind die Ausführungen des SG, die Notwendigkeit der Haushaltshilfe sei zwischen den Beteiligten "unstreitig". Soweit es die Angemessenheit oder Notwendigkeit eines gezahlten bzw noch geschuldeten Entgelts betrifft, wäre im Übrigen bei allen denkbaren Anspruchsgrundlagen zu beachten, dass der Beklagte nicht verpflichtet werden kann, Leistungen zum Ersatz von Entgelten zu erbringen, wenn diese nicht entsprechend den gesetzlichen Regelungen (Sozialversicherungsbeiträge, Steuern) gezahlt worden sind, bzw wenn die Arbeitsleistungen selbst gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Dies ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus den Leistungsvorschriften, sondern ohne explizite gesetzliche Regelungen aus der Natur der Sache. Zudem enthält das Urteil des SG keine Feststellungen zur Beurteilung der Bedürftigkeit des Klägers (dazu unter 5).
Vor diesem Hintergrund ist es untunlich, abschließend alle denkbaren Rechtsfragen abstrakt zu erörtern, die (nur) mögliche Ansprüche des Klägers betreffen. Allerdings wird das SG auf die nachfolgenden rechtlichen Gesichtspunkte hingewiesen:
1. Ein Anspruch des Klägers könne sich aus § 27 Abs 3 SGB XII (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27. Dezember 2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat) ergeben. Danach kann Hilfe zum Lebensunterhalt auch Personen geleistet werden, die ein für den notwendigen Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen und Vermögen haben, jedoch einzelne für ihren Lebensunterhalt erforderliche Tätigkeiten nicht verrichten können (zweiter Zurückverweisungsgrund). Diese Norm ist indes nur anwendbar, wenn der Kläger nicht als Erwerbsfähiger oder Angehöriger dem Grunde nach nach dem SGB II leistungsberechtigt ist (§ 21 Satz 1 SGB XII; § 5 Abs 2 SGB II). Der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Alg II) schließt also in vollem Umfang Aufstockungsleistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII, damit auch des § 27 SGB XII, aus ( BSG SozR 4-4200 § 20 Nr 1 RdNr 19 ). Insoweit ist nicht entscheidend, dass der Kläger tatsächlich Leistungen nach dem SGB II bezieht; sollte er diese zu Unrecht erhalten, geht von der Leistungsbewilligung keine Bindungswirkung aus. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers wird auch nicht etwa fingiert ( vgl dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 2 RdNr 19 f ), weil zwischen den Leistungsträgern des SGB II und des SGB XII weder Streit über die Erwerbsfähigkeit des Klägers besteht, noch der Leistungsträger des SGB II fehlende Erwerbsfähigkeit angenommen hat, ohne dass er den Beklagten kontaktiert hätte ( vgl dazu BSG, aaO, RdNr 20 ).
Selbst wenn der Kläger trotz der Zahlung von Alg II nicht nach dem SGB II leistungsberechtigt gewesen wäre, käme § 27 Abs 3 SGB XII nach dessen eindeutigem Wortlaut entgegen der Ansicht des Beklagten nur zur Anwendung, wenn der Kläger iS des § 19 Abs 1 SGB XII iVm §§ 82 bis 84 SGB XII nicht hilfebedürftig gewesen wäre ( so bereits zur Vorgängervorschrift des § 11 Abs 3 BSHG: Bundesverwaltungsgericht ≪BVerwG≫, Urteil vom 15. Dezember 1995 - 5 C 8.94 -, FEVS 47, 63 ff ). Hierzu fehlen jegliche Feststellungen des SG; allerdings dürfte der Kläger nach Aktenlage hilfebedürftig gewesen sein.
2. Nach dieser Rechtsprechung des BVerwG ( vgl auch: Urteil vom 14. Juli 1977 - V C 23.76 -, FEVS 26, 1 ff; Urteil vom 17. April 1986 - 3 C 24.85 ) käme bei Bedürftigkeit des Klägers, allerdings nur für den Fall, dass er nicht dem Grunde nach anspruchsberechtigt nach dem SGB XII ist (siehe unter 1), eine Erhöhung des Regelsatzes gemäß § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII um den notwendigen Bedarf für eine Haushaltshilfe für einzelne erforderliche Tätigkeiten im Haushalt (zweiter Zurückverweisungsgrund) in Betracht. In der Literatur ist diese Rechtsprechung zu Recht als Fehlentwicklung bezeichnet worden ( H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl, § 61 SGB XII RdNr 81; aA Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, III.6 RdNr 66, Stand März 2006, Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 70 RdNr 3, Stand Juni 2006, oder Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl, § 27 SGB III RdNr 7 ). Denn es ist nicht überzeugend, aus dem Umstand, dass § 27 Abs 3 SGB XII bei fehlender Bedürftigkeit (ausnahmsweise) die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt ermöglicht, zu schließen, dass bei bestehender Bedürftigkeit auch nach Inkrafttreten des SGB XII und der Neufassung der Hilfe zur Pflege im BSHG am 1. April 1995 Haushaltshilfeleistungen für einzelne Verrichtungen statt unter die §§ 61 ff SGB XII (Hilfe zur Pflege) unter die allgemeine Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 28 SGB XII zu subsumieren seien. Gerade § 61 Abs 5 Nr 4 SGB XII zeigt, dass für behinderte Menschen im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung Hilfe zur Pflege zu gewähren ist (dazu unter 3), bei der Einkommen und Vermögen nach §§ 85 ff SGB XII in größerem Umfang geschont werden als bei der allgemeinen Hilfe zum Lebensunterhalt. Nicht zuletzt zwingt der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) seit Inkrafttreten des SGB II (am 1. Januar 2005) zu dieser Auslegung. Im Gegensatz zum SGB XII enthält das SGB II keine dem § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII vergleichbare Öffnungsklausel ( vgl dazu BSG SozR 4-4200 § 20 Nr 1 RdNr 19 ); anderseits ist nicht ersichtlich, weshalb Alg-II-Empfänger bei Bedarf zusätzlicher Haushaltshilfe wegen vorhandener Behinderung anders behandelt werden sollten als Sozialhilfeempfänger, nur weil die Sozialhilfeempfänger innerhalb des SGB XII die Leistungen systemwidrig nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII erhalten. Eine Gleichbehandlung beider Personengruppen wird nur gewährleistet, wenn man statt auf § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII zurückzugreifen, die §§ 61 ff SGB XII anwendet; denn deren Anwendung ist neben dem SGB II weder durch § 21 Satz 1 SGB XII noch durch § 5 Abs 2 SGB II ausgeschlossen.
3. Grundlage für den Anspruch des Klägers könnte damit § 19 Abs 3 SGB XII iVm § 61 Abs 1 Satz 2, § 63 Satz 2, § 65 Abs 1 Satz 1 SGB XII (idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB) sein - andere Anspruchsgrundlagen der Hilfe zur Pflege kommen nicht in Betracht ( s dazu näher Knickrehm, NZS 2007, 128, 130 ). Nach § 61 Abs 1 Satz 2 SGB XII ist Hilfe zur Pflege auch Kranken und behinderten Menschen zu leisten, die voraussichtlich für weniger als sechs Monate der Pflege bedürfen oder einen geringeren Bedarf als nach Satz 1 haben oder die der Hilfe für andere Verrichtungen als nach Abs 5 bedürfen (zweiter Zurückverweisungsgrund). Abs 1 Satz 1 fordert für Pflegeleistungen einen erheblichen Pflegebedarf iS des SGB XI, der bei dem Kläger offenbar nicht vorliegt. Abs 5 definiert die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen iS des Abs 2 dahin, dass der Bereich der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung erfasst wird. Zuzustimmen ist der einhelligen Literaturmeinung, dass § 61 Abs 1 Satz 2 SGB XII auch die sog "Pflegestufe 0" erfasst, also solche Fälle, die noch nicht der erheblichen Pflegebedürftigkeit iS des SGB XI oder des § 64 SGB XII zuzuordnen sind ( vgl: Kramer in LPK-SGB XII, 7. Aufl, § 61 SGB XII RdNr 6; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl, § 61 SGB XII RdNr 11; H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl, § 61 SGB XII RdNr 31; Frieser in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/Asylbewerberleistungsge-setz, § 61 SGB XII RdNr 23, Stand Dezember 2006; Klie in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 61 RdNr 4, Stand November 2006; Baur/Zink in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 61 SGB XII RdNr 33, Stand Januar 2005; Knickrehm, NZS 2007, 128, 130 ).
Damit sind Leistungen nach § 63 Satz 1 SGB XII iVm § 65 Abs 1 Satz 1 SGB XII möglich. Nach § 63 Satz 1 SGB XII soll der Sozialhilfeträger darauf hinwirken, dass die Pflege einschließlich der hauswirtschaftlichen Versorgung durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahestehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen wird. In diesem Fall sind die angemessenen Aufwendungen der Pflegeperson zu erstatten (§ 65 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB XII). Dem Begehren des Klägers werden nur die Beihilfen gerecht. Insoweit ist es nicht überzeugend, die Übernahme angemessener Entgelte abzulehnen, insbesondere wenn der Sozialhilfeträger entweder seiner Verpflichtung aus § 63 Satz 1 SGB XII nicht nachgekommen ist oder Pflegeleistungen durch Angehörige oder Nachbarn ohne Entgelt nicht realisiert werden können, andererseits das Entgelt unter dem für eine besondere Pflegekraft iS des § 65 Abs 1 Satz 2 SGB XII liegt ( aA: Knickrehm, NZS 2007, 128, 130; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 70 RdNr 11, Stand Juni 2006 ).
Dem steht auch nicht die Regelung des § 65 Abs 1 Satz 2 SGB XII entgegen ( aA zur Vorgängervorschrift im BSHG: BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 1987 - 5 B 49/87; Beschluss vom 4. August 1998 - 5 B 39/98 ). Danach sind die angemessenen Kosten zu übernehmen, wenn neben oder an Stelle der Pflege nach § 63 Satz 1 SGB XII die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich oder eine Beratung oder zeitweilige Entlastung der Pflegeperson geboten ist. Mit dieser Regelung soll dem Leistungsempfänger nur ein über den allgemeinen Leistungsanspruch hinausgehender Anspruch zugestanden werden, wenn es einer besonderen Pflegekraft, also einer Fachkraft ( vgl dazu etwa H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl, § 65 SGB XII RdNr 13 ) bedarf. Aufgabe und Ziel der Norm kann es - entgegen der Ansicht des BVerwG, die ohnedies vor dem Hintergrund zu sehen ist, dass der Bedarf an Hilfe für einzelne hauswirtschaftliche Verrichtungen der Hilfe zum Lebensunterhalt zugeordnet wird, bei dem dies keine Rolle spielt - nicht sein, den Begriff der Beihilfe in Satz 1 zu beschränken. Sie will mithin nicht verbieten, angemessene Entgelte für Pflegepersonen zu übernehmen, wenn die Einschaltung besonderer Pflegekräfte (Fachkräfte) nicht erforderlich oder möglich ist. Dass eine solche Forderung bei einzelnen einfachen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten ausscheidet, liegt auf der Hand. Dem steht deshalb auch nicht der Gedanke des § 77 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB XI (Verbot von Verträgen mit Verwandten etc) entgegen ( so für § 65 Abs 1 Satz 2 SGB XII: H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl, § 65 SGB XII RdNr 13 ).
Soweit für die Anwendung des § 63 Satz 1 SGB XII iVm § 65 Abs 1 Satz 1 SGB XII gefordert wird, dass - in Anlehnung an den nicht einschlägigen § 64 SGB XII - nicht nur hauswirtschaftliche Hilfe, sondern (wenn auch nur geringfügig) körperbezogene Verrichtungen im Bereich der Körperpflege, der Mobilität und Ernährung erforderlich sind ( vgl: Klie in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 61 RdNr 19, Stand November 2006; Krahmer in LPK-SGB XII, 7. Aufl, § 61 SGB XII RdNr 26a; Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, IV.4 RdNr 2d, Stand Februar 2007 ), ist dies nicht überzeugend. Diese Forderung ist weder geeignet zur Abgrenzung von § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII (s unter 2) noch von den Leistungen des § 70 SGB XII (Hilfe zur Weiterführung des Haushalts); letztere sind grundsätzlich neben denen der Hilfe zur Pflege denkbar. Denn abgesehen davon, dass Anknüpfungspunkt des § 70 SGB XII nicht die Pflegebedürftigkeit wegen Krankheit oder Behinderung ist ( H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl, § 61 SGB XII RdNr 82 und § 70 RdNr 22 ), beschränken sich die §§ 61 ff SGB XII wie im Rahmen des SGB XI auf die hauswirtschaftliche Versorgung bezogen auf die zu pflegende Person. Demgegenüber sind Zielrichtung des § 70 SGB XII zu betreuende Familienangehörige ( H. Schellhorn aaO ). Welche hauswirtschaftlichen Verrichtungen in welchem Umfang im Einzelnen erforderlich waren, hat das SG nicht festgestellt. Es fehlen außerdem Feststellungen zum Stundenhonorar bzw zu dessen Angemessenheit, falls der Kläger nicht lediglich ein Grundurteil begehrt. Bei der Prüfung der Angemessenheit ist einerseits zu berücksichtigen, wie hoch üblicherweise der Stundenlohn einer einfachen Haushaltshilfe nach den örtlichen Gegebenheiten ist; andererseits muss er unter dem für eine Fachkraft bleiben.
4. Da der Kläger nach Aktenlage einen Ein-Personen-Haushalt führt, dürften Leistungen nach § 19 Abs 3 SGB XII iVm § 70 SGB XII für ihn nicht in Betracht kommen; Feststellungen des SG hierzu fehlen allerdings. Nach § 70 Abs 1 Satz 1 SGB XII (idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB) sollen Personen mit eigenem Haushalt Leistungen zur Weiterführung des Haushalts erhalten, wenn keiner der Haushaltsangehörigen den Haushalt führen kann und die Weiterführung des Haushalts geboten ist (zweiter Zurückverweisungsgrund). Die Leistungen sollen in der Regel nur vorübergehend erbracht werden (Abs 1 Satz 2). Dies gilt jedoch nicht, wenn durch die Leistungen die Unterbringung in einer stationären Einrichtung vermieden oder aufgehoben werden kann (Abs 1 Satz 3). Gerade Abs 2 der Norm macht deutlich, dass Zielrichtung der Leistung nicht die behindertenbezogene Pflege in Form der hauswirtschaftlichen Versorgung, sondern die persönliche Betreuung von Haushaltsangehörigen sowie die sonstige zur Weiterführung des Haushalts auf diese bezogene erforderliche Tätigkeit ist. Leistungen werden dann in entsprechender Anwendung des § 65 Abs 1 SGB XII erbracht (Abs 3).
Von einer Auseinandersetzung mit den einzelnen Voraussetzungen der Norm (Gebotenheit der Leistung; in der Regel nur vorübergehende Erbringung der Leistung) sieht der Senat ab ( vgl zu den Problemen nur: Knickrehm, NZS 2007, 128, 129; Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, IV. 7 RdNr 9 ff, Stand März 2006 ), weil es nach Aktenlage - Feststellungen des SG fehlen - im vorliegenden Rechtsstreit nur um auf den Kläger bezogene Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung geht und insoweit die §§ 61 ff SGB XII einschlägig sind ( s unter 3; Gudat in Beck'scher Online-Kommentar, § 70 SGB XII RdNr 10 ). Ob im Anwendungsbereich des § 70 SGB XII zwischen einer kleinen Haushaltshilfe für einzelne Verrichtungen (nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII) und einer großen für die gesamte oder wesentliche Teile der Haushaltsführung (nach § 70 SGB XII) unterschieden werden kann (vgl dazu: Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/Asylbewerberleistungsgesetz, § 70 SGB XII RdNr 20, Stand Dezember 2006; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 70 RdNr 3, Stand Juni 2006; H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, § 70 SGB XII RdNr 23; Exner/Krahmer, ZFSH/SGB 2000, 538 ff), ist zweifelhaft (s unter 3).
Ohnedies hat das SG keine Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers (§ 19 Abs 3 SGB XII iVm §§ 85 ff SGB XII) getroffen. Als Anspruchsgrundlage kommt allerdings nicht § 73 SGB XII in Betracht. Danach können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt eine atypische Bedarfslage voraus ( BSG SozR 4-4200 § 20 Nr 1 RdNr 22 ), die nicht - wie vorliegend - bereits durch andere Vorschriften, nämlich §§ 61 ff SGB XII, erfasst ist (vgl nur: Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl, § 73 SGB XII RdNr 3; Berlit in LPK-SGB XII, 7. Aufl, § 73 SGB XII RdNr 4 ff) . Ggf wird das SG bei seiner Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.5.
Fundstellen