Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des BSG vom 11.12.2019 - B 6 KA 9/19 R, das vollständig dokumentiert ist.
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. April 2018 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 6. Februar 2015 vollständig aufgehoben. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits für alle Rechtszüge zu tragen.
Tatbestand
Umstritten ist die Höhe des Abzugs vom vertragsärztlichen Honorar, den die Klägerin in der Zeit vom 1.7.2012 bis zum 30.6.2013 für die Zwecke der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) hinzunehmen hat. In der Hauptsache streiten sich die Beteiligten darum, ob das für die EHV der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) relevante Honorar der hausärztlich tätigen Klägerin richtig berechnet worden ist.
Die Klägerin ist seit dem 1.4.2012 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in H. zugelassen. Im Hinblick auf die Umsatzzahlen des Praxisvorgängers der Klägerin stufte die Beklagte sie mit Bescheid vom 31.8.2012 für den Zeitraum vom 1.7.2012 bis zum 30.6.2013 in die Beitragsklasse 4 ein und setzte die Umlage der Klägerin für die EHV auf 2508 Euro für jedes Quartal fest.
Als einzige KÄV in der Bundesrepublik Deutschland gewährleistet die Beklagte im Wege der EHV in begrenztem Umfang auch die Versorgung ehemaliger Vertragsärzte und ihrer Hinterbliebenen. In Hessen wird die Altersversorgung der Vertragsärzte - anders als in allen anderen KÄV-Bezirken - sowohl über das Versorgungswerk der Landesärztekammer Hessen als auch über die KÄV sichergestellt. Nach § 8 des Gesetzes über die KÄV und KZÄV Hessen (KVHG - vom 22.12.1953, GVBl für das Land Hessen S 206; in der Neufassung durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die KÄV und KZÄV Hessen vom 14.12.2009, GVBl für das Land Hessen I S 662) sorgt die KÄV Hessen "im Rahmen ihrer Satzung für eine wirtschaftliche Sicherung der invaliden und alten Vertragsärztinnen oder Vertragsärzte und Hinterbliebenen von Vertragsärztinnen oder Vertragsärzten. Diese Sicherung kann auch durch besondere Honorarverteilungsgrundsätze geregelt werden". Bundesgesetzliche Grundlage für die landesrechtliche Vorschrift des § 8 KVHG ist die nach wie vor geltende Regelung des Art 4 § 1 Abs 2 Satz 2 des Gesetzes über das Kassenarztrecht (GKAR) vom 17.8.1955 (BGBl I 513). Danach bleiben die landesrechtlichen Regelungen über die "Altersversorgung der Kassenärzte" unberührt. Diese Vorschrift schützt die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits bestehenden Versorgungseinrichtungen von Vertragsärzten.
Satzungsrechtliche Grundlage der auf § 8 Abs 1 Satz 2 KVHG beruhenden EHV sind die "Grundsätze der erweiterten Honorarverteilung (GEHV)", die die Vertreterversammlung (VV) der beklagten KÄV beschließt. Diese waren bereits wiederholt Gegenstand der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 24.10.1984 - 6 RKa 25/83 - USK 84267; Urteil vom 9.12.2004 - B 6 KA 44/03 R - BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2; Urteil vom 16.7.2008 - B 6 KA 38/07 R - BSGE 101, 106 = SozR 4-2500 § 85 Nr 43; Urteil vom 19.2.2014 - B 6 KA 10/13 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 79; Urteil vom 12.12.2018 - B 6 KA 53/17 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 87b Nr 19 vorgesehen).
In der Vergangenheit und wieder ab dem 1.1.2017 wurde bzw wird der für die Leistungen aus der EHV an die früheren Vertragsärzte erforderliche Finanzbedarf durch eine Umlage der Vertragsärzte aufgebracht, die sich nach einem variablen Vomhundertsatz des über die Beklagte abgerechneten Umsatzes aus der vertragsärztlichen Tätigkeit ergibt. Der Vomhundertsatz hat sich jahrelang um 5 % bewegt und ist 2019 auf 6,92 % angestiegen. Für die Zeit vom 1.7.2012 bis zum 31.12.2016 hat die Beklagte das System eines prozentualen Abzugs vom Umsatz durch ein System von neun Beitragsklassen ersetzt. Die Einstufung in eine der Beitragsklassen erfolgt nach dem Verhältnis zwischen dem Umsatz des einzelnen Arztes zum Durchschnittsumsatz der hessischen Vertragsärzte, der sich im für den hier streitbefangenen Zeitraum maßgeblichen Referenzjahr 2010 auf ca 205 389 Euro und im Quartalsdurchschnitt auf ca 51 347 Euro belief. Der Honorarumsatz des Praxisvorgängers der Klägerin betrug in diesem Jahr ca 199 500 Euro, was 97,14 % des Durchschnitts entsprach. Das führte zu einer Einstufung der Klägerin in die Beitragsklasse 4, die Ärzte erfasst, deren Umsatz sich oberhalb von 75 % und unterhalb von 100 % des Durchschnittsumsatzes bewegt. Der Beitrag in Klasse 4 beträgt 2508 Euro im Quartal und 10 032 Euro im Jahr.
Mit ihrer nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren gegen den Heranziehungsbescheid geführten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, es bestehe keine Rechtfertigung für sie, Beiträge zur EHV zu leisten. Das SG hat die Klage - soweit sie sich (auch) gegen den Honorareinbehalt für die EHV im Honorarbescheid gerichtet hat - als unzulässig abgewiesen, ihr im Übrigen aber stattgegeben und die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet. Es hat die Einstufung der Klägerin in die Beitragsklasse 4 beanstandet und die Beklagte verpflichtet, über die Eingruppierung und die Festsetzung der Umlage zur EHV unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Die zu grobe Einteilung der Beitragsklassen verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG. Zwar bestünden aufgrund der Einteilung in die neun Beitragsklassen keine Bedenken gegen die Einhaltung des Äquivalenzprinzips. Der Gleichheitssatz sei aber gleichwohl verletzt, weil die Ärzte, die in die unteren Beitragsklassen eingestuft seien, für den Aufbau einer Anwartschaft mehr Anteile ihres Honorars aufwenden müssten als Ärzte in höheren Beitragsklassen.
Das LSG hat die Berufung der Beklagten mit der Begründung zurückgewiesen, § 3 Abs 1 GEHV biete derzeit keine Grundlage für die Festsetzung der Umlage für die Zwecke der EHV. Die Norm ermögliche keine angemessene Berücksichtigung von besonders hohen Kosten für einzelne Arztgruppen und bestimmte ärztliche Leistungen. Zwar sei die Klägerin grundsätzlich verpflichtet, Abzüge für die EHV hinzunehmen, und auch das Beitragsklassensystem sei - soweit es auf die Klägerin anzuwenden sei - mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Klägerin könne jedoch nur auf der Basis einer insgesamt verfassungskonformen Rechtslage zur Duldung von Honorarabzügen für die EHV verpflichtet werden. Dies gewährleiste § 3 Abs 1 Satz 1 GEHV im Hinblick auf die fehlende Berücksichtigungsfähigkeit besonderer Kosten nicht. Dass sich das auf die Klägerin als Hausärztin nicht auswirke, sei ohne Bedeutung (Urteil vom 11.4.2018).
Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend, die Forderung des LSG nach Berücksichtigung von besonderen Kostenbelastungen vor Ermittlung des für die EHV relevanten Honorars stehe mit Bundesrecht nicht im Einklang. Damit werde ihre Gestaltungsfreiheit als Normgeber der GEHV unangemessen eingeschränkt. Im Übrigen beruft sich die Beklagte auf zwei Entscheidungen des Senats, mit denen gebilligt worden ist, dass Verwaltungskosten rein umsatzbezogen erhoben werden können. Konkret habe der Senat entschieden, dass sowohl auf die Sachkosten bei den Augenärzten (intraokulare Linsen) als auch auf die Sachkosten bei der Dialyse Verwaltungskosten in vollem Umfang erhoben werden können, ohne dass das Gebot der Äquivalenz verletzt sei. Aus diesen Entscheidungen folge, dass sie - die Beklagte - auch bei der Ermittlung des für die EHV relevanten Umsatzes nicht gehalten sei, Abzüge für Kostenanteile vorzusehen, zumal diese bei den einzelnen Arztgruppen in ganz unterschiedlichem Umfang anfielen. Im Übrigen habe das LSG darauf Bezug genommen, dass bis 2012 in den Anlagen zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) ausgewiesen worden sei, welche Anteile an der Leistungsvergütung auf Technische Leistungen (TL) entfielen. Das habe es ihr in der Vergangenheit ermöglicht, den vertragsärztlichen Umsatz einzelner Arztgruppen um die Anteile für die sog TL zu bereinigen. Nachdem diese Listen auf Bundesebene nicht mehr fortgeschrieben würden, stehe ihr kein geeignetes Instrumentarium zur Verfügung, mit dem sie die Sachkostenanteile einzelner Leistungen verlässlich berechnen könne. In den meisten vertragsärztlichen Leistungspositionen seien auch Anteile für TL enthalten, zumal mit der Vergütung des Arztes auch die Praxiskosten abgedeckt seien. Insofern könne es keinen Unterschied machen, ob Anteile für Sachleistungen in den EBM-Ä-Positionen enthalten seien oder diese - wie bei der Dialyse nach Abschnitt 40.14 EBM-Ä - getrennt ausgewiesen würden. Alle Zahlungen, die von ihr - der KÄV - an die Vertragsärzte erbracht würden, seien im normativen Sinne vertragsärztliches Honorar und dürften entsprechend dem Beitragsabzug für die EHV zugrunde gelegt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen LSG vom 11.4.2018 und den Gerichtsbescheid des SG Marburg vom 6.2.2015 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das System der EHV weiterhin für grundlegend verfehlt und ungeeignet.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die angefochtenen Entscheidungen sind in vollem Umfang aufzuheben und die Klage ist insgesamt abzuweisen.
1. Der Senat hat in zahlreichen Entscheidungen die Verpflichtung der in Hessen zugelassenen Vertragsärzte zur Leistung einer Umlage für die EHV während ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit und ihren Anspruch auf Leistungen aus der EHV im Alter oder bei Invalidität als verfassungs- und gesetzeskonform beurteilt (zB Urteil vom 9.12.2004 - B 6 KA 44/03 R - BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2). Diese Rechtsauffassung liegt auch dem Berufungsurteil zu Grunde. Hätte die Klägerin die endgültige Aufhebung der angefochtenen Umlagebescheide erreichen wollen, hätte sie das Urteil des LSG mit der Revision angreifen müssen, was nicht geschehen ist.
2. Auch den pauschalen Bedenken der Klägerin gegen die Umstellung der EHV-Systematik von einem Vomhundertsatz des Honorarumsatzes auf ein System von neun Beitragsklassen ist hier nicht weiter nachzugehen. Der Senat hält diesen Systemwechsel, den die Beklagte zu Beginn des Jahres 2017 wieder rückgängig gemacht hat, für rechtmäßig (Urteil im Parallelverfahren B 6 KA 9/19 R vom heutigen Tag). Soweit die Klägerin einwendet, mit dem Wechsel von einem prozentualen Honorarabzug für die EHV zu einem System der Beitragsklassen sei für sie eine besondere Belastung verbunden, führt das nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Beklagte hat die Klägerin, die die Praxis eines anderen Vertragsarztes übernommen hatte, im Rahmen einer Schätzung in die Beitragsklasse 4 eingestuft. Der Vorgänger hatte im Referenzjahr 2010 einen Jahresumsatz von ca 199 500 Euro erzielt; der Durchschnittsumsatz der hessischen Vertragsärzte lag bei ca 205 389 Euro. Wenn von diesem Umsatz eine Umlage in Höhe des langjährig maßgeblichen Satzes von 5 % festgesetzt worden wäre, hätte die Klägerin einen Abzug von 10 000 Euro hinnehmen müssen; in der Beitragsklasse 4 sind tatsächlich 10 032 Euro angefallen, sodass die Klägerin durch den Systemwechsel nicht beschwert ist. Im Übrigen hätte der Vomhundertsatz ohne den Wechsel zu einem Beitragsklassenmodell wohl höher liegen müssen. Der Neufassung der GEHV für die Zeit ab dem 1.7.2012 lag eine pauschale Deckelung der EHV-Quote auf 5,62 % des Honorarumsatzes zu Grunde (vgl Senatsurteil vom 12.12.2018 - B 6 KA 53/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 19 RdNr 36 - 39).
3. Die Revision der Beklagten ist begründet. Zwar hat der Senat im Verfahren B 6 KA 12/18 R mit Urteil ebenfalls vom heutigen Tag entschieden, dass § 3 Abs 1 GEHV insoweit mit höherrangigem Recht unvereinbar ist, als besonders hohe Kosten bei der Ermittlung der Umlage zur EHV generell nicht berücksichtigt werden. Das verhilft der Klage indessen entgegen der Auffassung des LSG nicht zum Erfolg.
a. § 3 Abs 1 Satz 1 GEHV ist nicht in vollem Umfang rechtswidrig und damit als Norm unanwendbar, sondern nur in den Fällen, in denen die strikt umsatzbezogene Einstufung in Beitragsklassen eine gegenüber der Durchschnittssituation der Vertragsärzte nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung darstellt. Es liegt auf der Hand, dass eine Ärztin, die einen durchschnittlichen Umsatz mit durchschnittlichen Praxiskosten erzielt, nicht dadurch beschwert ist, dass ihr Beitrag nach dem Umsatz ihrer Praxis berechnet wird. Eine Berechnung nach dem individuellen Ertrag könnte sie von vornherein nicht verlangen, weil es für die Zwecke der EHV nicht auf den wirtschaftlichen Erfolg der einzelnen Ärztin und die ganz spezielle Kostenstruktur ihrer Praxis ankommt. Unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgebotes des Art 3 Abs 1 GG kann eine Ärztin lediglich verlangen, dass sie im Hinblick auf die durchschnittlichen Arztkosten ihrer Arztgruppe nicht ungleich gegenüber Ärzten anderer Arztgruppen behandelt wird, die bei gleichem Umsatz typischerweise einen sehr viel höheren Gewinn erzielen können. Lediglich die Berücksichtigung von (weit) überdurchschnittlichen Kostenanteilen bzw Anteilen von Kostenerstattungen an dem vertragsärztlichen Gesamtumsatz führt danach zur Unanwendbarkeit des § 3 Abs 1 Satz 1 GEHV. In Bezug auf Ärzte und Arztgruppen, die von dem Sonderproblem der signifikant abweichenden Kostenanteile am Umsatz nicht betroffen sind, bietet § 3 GEHV auch in der zwischen dem 1.7.2012 und dem 31.12.2016 geltenden Fassung eine gesetzeskonforme Grundlage für den Abzug vom vertragsärztlichen Honorar für die Zwecke der EHV.
b. Das LSG hat seine abweichende Auffassung zunächst auf eine Entscheidung des BVerfG vom 12.7.2017 (1 BvR 2222/12 ua - BVerfGE 146, 164) gestützt. Dort war zu klären, ob einzelne Unternehmer bzw Unternehmen verpflichtet werden können, als Mitglieder einer Industrie- und Handelskammer entsprechende Kammerbeiträge zu leisten. An der vom LSG für seine Auffassung von der unheilbaren Gesamtnichtigkeit des § 3 Abs 1 Satz 1 GEHV zitierten Stelle (BVerfG aaO RdNr 78, 81) führt der 1. Senat des BVerfG allerdings lediglich aus, dass Art 2 Abs 1 GG davor schütze, Beiträge für "unnötige" Körperschaften zu leisten. Dem schließt sich der Senat uneingeschränkt an, doch hat das für die hier zu beurteilende Frage keine Bedeutung. Es steht nicht in Frage und wird vom LSG nicht in Frage gestellt, dass die beklagte KÄV eine notwendige und gesetzeskonforme Körperschaft ist, und es kann nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats auch nicht zweifelhaft sein, dass die hessischen Vertragsärzte im Hinblick auf § 8 KVHG das System der EHV zur Sicherung der Versorgungsansprüche der alten und invaliden Vertragsärzte weiterhin mit "Beiträgen" finanzieren müssen.
Auch der Hinweis des LSG auf das Urteil des BVerwG vom 11.7.2012 (9 CN 1.11 - BVerwGE 143, 301) trägt das Berufungsurteil nicht. Gegenstand dieser Entscheidung des BVerwG ist die Unwirksamkeit einer kommunalen Satzung, mit der zur Kultur- und Tourismusförderung eine Abgabe für entgeltliche Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben gefordert wurde. An der für die hier zu entscheidende Rechtsfrage maßgeblichen Stelle führt das BVerwG aus, Voraussetzung für die Teilbarkeit einer Satzung sei, dass die ohne den nichtigen Teil bestehende Restregelung sinnvoll bleibe (§ 139 BGB analog) und darüber hinaus mit Sicherheit anzunehmen sei, dass sie auch ohne den zur Unwirksamkeit führenden Teil erlassen worden wäre (aaO RdNr 30). Genau das entspricht der Rechtsauffassung des Senats. Der Senat hat keinen Zweifel, dass die Beitragserhebung auf der Grundlage des § 3 GEHV bei den Arztgruppen, auf die sich der Grund für die teilweise Rechtswidrigkeit des § 3 Abs 1 Satz 1 GEHV in keiner Weise auswirkt, nach wie vor, wie von der VV für die Jahre 2012 bis 2016 vorgeschrieben, erfolgen kann. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte, wenn sie von vornherein eine besondere Berücksichtigung der technischen Leistungen bzw überdurchschnittlich hohen Kosten ermöglicht hätte, ein gänzlich anderes System der Erhebung von "Beiträgen" zur EHV vorgeschrieben hätte. Die Trennbarkeit der Problematik der Berücksichtigung von besonders hohen Kosten und der Einstufung der Ärzte in Beitragsklassen wird im Übrigen schon daran deutlich, dass die Beklagte für die Zeit ab dem 1.1.2017 das Beitragsklassensystem aufgegeben und an der Nichtberücksichtigung von besonderen Kostenbelastungen einzelner Ärzte und Arztgruppen indessen festgehalten hat.
c. Danach ergibt sich, dass die rechtlichen Erwägungen, die den Senat zur Bestätigung der Rechtsauffassung des LSG hinsichtlich der teilweisen Rechtswidrigkeit des § 3 Abs 1 Satz 1 GEHV veranlasst haben, im Fall der Klägerin von vornherein nicht durchgreifen. Ihre Einstufung in die Beitragsklasse 4 ist nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf die gesetzliche Verpflichtung der Beklagten, im Rahmen eines Umlagesystems lückenlos alle Vertragsärzte zur Finanzierung der laufenden EHV-Zahlungen an die inaktiven Vertragsärzte heranzuziehen, kann ausgeschlossen werden, dass die Beklagte allein wegen des "Fehlers" bei der Berücksichtigung der besonders kostenintensiven Leistungen von einer Heranziehung der Klägerin abgesehen hätte. Ob generell Kostenanteile bei Ermittlung der EHV-relevanten Umsätze abgezogen werden oder nicht, erweist sich für Ärzte mit durchschnittlichen Praxiskosten als im Ergebnis unerheblich. Es ergibt insoweit unter Gleichbehandlungsaspekten keinen Unterschied, ob der Honorarumsatz des einzelnen Arztes um einen für alle Ärzte gleichen Durchschnittskostensatz vermindert wird oder der Abzug unmittelbar vom Bruttoumsatz erfolgt. Je stärker der Bruttoumsatz vermindert wird, desto höher muss der Vomhundertsatz für die EHV-Umlage ausfallen.
d. Im Übrigen greift auch das Argument des LSG nicht durch, dass sich der Fehler der Beklagten bei der Ausgestaltung des § 3 Abs 1 Satz 1 GEHV notwendig auf die Gesamtkalkulation auswirke. Das mag für sich genommen zutreffen, hat jedoch keine Auswirkungen auf die Heranziehung der Klägerin. Zudem berücksichtigt das LSG nicht hinreichend, dass der Beklagten nunmehr sieben Jahre nach dem maßgeblichen Zeitraum ohnehin kein Raum für eine "neue Gesamtkalkulation" bleibt. Die Einstufungsbescheide zu Gunsten und zu Lasten aller Ärzte, die von der besonderen Kostenbelastung einzelner Arztgruppen nicht betroffen sind, sind bestandskräftig geworden und dürfen - selbst soweit sie im Rechtsmittelverfahren noch anhängig sind - nicht zu Lasten der rechtsmittelführenden Ärztinnen und Ärzte verschlechtert werden. Damit steht der Beklagten für eine umfassende Neukonzeption des § 3 Abs 1 Satz 1 GEHV für die Zeit vom 1.7.2012 bis zum 31.12.2016 ohnehin keine wirtschaftliche Verfügungsmasse in größerem Umfang zur Verfügung, weil sie die durch das bisherige System mittelbar begünstigten Ärztinnen und Ärzte mit (nur) durchschnittlicher Kostenbelastung - wie die Klägerin - nicht nachträglich höher belasten kann, und zwar auch nicht geringfügig höher, um damit die nach Auffassung des Senats erforderliche Entlastung der Arztgruppen zu finanzieren, die mit hohen Kostenbelastungen ihre vertragsärztliche Tätigkeit verrichten.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Klägerin ist insgesamt unterlegen und hat deshalb die Kosten des Rechtsstreits in vollem Umfang für alle Rechtszüge zu tragen.
Fundstellen
NZS 2020, 518 |
SGb 2020, 228 |