Leitsatz (amtlich)
Das Recht zur Beitragsnachentrichtung nach AnVNG Art 2 § 50 Abs 1 S 2 (= ArVNG Art 2 § 52 Abs 1 S 2) ist nicht auf die Zeiten der Selbständigkeit des Berechtigten vor der Vertreibung beschränkt. Für die Zeit vor der Vollendung des 16. Lebensjahres des Berechtigten dürfen jedoch keine Beiträge nachentrichtet werden.
Normenkette
AnVNG Art. 2 § 50 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art. 2 § 52 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1957-02-23
Tenor
1) Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 21. Juni 1963 und das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. Juli 1961 teilweise geändert:
Die Beklagte hat dem Kläger die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten nach Art. 2 § 50 Abs. 1 Satz 2 AnVNG auch für die Zeiten von Juni 1924 bis November 1933, von Mai 1934 bis Oktober 1935 und von September 1945 bis Dezember 1956 zu gestatten.
Hinsichtlich der Nachentrichtung für weitergehende Zeiten, soweit sie noch im Streit sind, wird die Klage abgewiesen.
2) Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 21. Juni 1963 wird zurückgewiesen.
3) Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, in welchem Umfang der Kläger auf Grund des Art. 2 § 50 Abs. 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten (AnV) nachentrichten darf.
Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) hat der Kläger (geboren 24. Juni 1908) im März 1928 das Abitur gemacht und anschließend Rechts- und Wirtschaftswissenschaften studiert. Im Oktober 1932 hat er die Erste juristische Staatsprüfung abgelegt. Vom 1. Januar 1933 an ist er Gerichtsreferendar gewesen. Im Dezember 1933 hat er sich beurlauben lassen und ist am 1. Oktober 1935 aus dem Justizdienst ausgeschieden. Von da an bis zu seiner Vertreibung hat er ein ihm gehöriges Gut bei D als selbständiger Landwirt bewirtschaftet. Er ist Inhaber des Vertriebenenausweises A.
Nach der Vertreibung ist der Kläger vom 17. April bis 22. August 1945 als Verwalter auf einem Gut im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt gewesen. Für diese Zeit hat er (nachträglich) Pflichtbeiträge geleistet.
Der Kläger, seit 1949 selbständiger Rechtsanwalt in Hamburg, will einen Teil der ihm aus dem Lastenausgleich gewährten Hauptentschädigung für die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 2 § 50 Abs. 1 Satz 2 AnVNG verwenden. Die Beklagte hat ihm die Nachentrichtung für die Zeit seiner Selbständigkeit von November 1935 "bis zur Vertreibung" gestattet, die Nachentrichtung für weitere vom Kläger gewünschte Zeiten jedoch abgelehnt (Bescheide vom 24. Juni / 22. Juli / 26. August 1959 und Widerspruchsbescheid vom 11. August 1960).
Das Sozialgericht (SG) Hamburg verurteilte die Beklagte, die Nachentrichtung auch für die Zeiten von Januar 1924 bis Oktober 1935 und von März 1945 bis Dezember 1956 zu gestatten (Urteil vom 18. Juli 1961). Das LSG ließ dieses Urteil nur hinsichtlich der Nachentrichtung für die Zeit von September 1945 bis Dezember 1956 bestehen (Urteil vom 21. Juni 1963). Es schließt vorwiegend aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes, daß das Nachversicherungsrecht sich nur auf Zeiten der Selbständigkeit vor der Vertreibung beziehe. Dagegen sei der Kläger nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes berechtigt, sich für die Zeit nach dem Wegfall der Versicherungspflicht (15. August 1945) freiwillig weiterzuversichern.
Beide Beteiligten haben die - zugelassene - Revision eingelegt. Der Kläger will erreichen, daß ihm die Nachentrichtung von Beiträgen auch für die Zeit von 1924 bis 1935 (ausgenommen 5 Monate versicherungspflichtiger Beschäftigung in den Jahren 1933/1934) gestattet wird. Die Beklagte wendet sich gegen das angefochtene Urteil, soweit es die Entrichtung von freiwilligen Beiträgen für die Zeit von September 1945 bis Dezember 1956 betrifft. Die Beteiligten haben ihren Rechtsstandpunkt in mehreren Schriftsätzen niedergelegt und begründet. Auf ihre Ausführungen im einzelnen wird Bezug genommen.
Der Kläger hat beantragt,
ihm auch für die Zeit von Januar 1924 bis November 1933 und von Mai 1934 bis Oktober 1935 die Nachentrichtung von Beiträgen zur AnV zu gestatten.
Die Beklagte hat beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben, soweit es die Entrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit von September 1945 bis Dezember 1956 betrifft und die Klage auch insoweit abzuweisen.
Sie hat ferner beantragt,
die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger hat beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Revisionen der Beteiligten sind zulässig. Begründet ist jedoch nur die Revision des Klägers. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß er zu den nach Art. 2 § 50 Abs. 1 AnVNG berechtigten Personen gehört. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann ein Berechtigter Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten für die Zeit vor der Vollendung des 65. Lebensjahres bis zum 1. Januar 1924 zurück nachentrichten. Dieses Recht besteht entgegen der Ansicht des LSG nicht nur für die Zeiten der Selbständigkeit vor der Vertreibung.
Eine solche Einschränkung ist aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu entnehmen. Nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift sollte zwar das Nachentrichtungsrecht für Vertriebene ursprünglich auf "die Zeit nach dem 31.12.1923, in der sie als Selbständige erwerbstätig waren", beschränkt werden (vgl. Bundestagsdrucks. Nr. 2437, II. Wahlp., § 1418 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung - RVO - und § 193 Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -, sowie die Begründung hierzu S. 86; 160. Sitzung des Bundesrats vom 15. Juni 1956 S. 204, 206 und 207; Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Änderungsvorschlag des Bundesrats in Drucks. Nr. 2437 zu Nr. 78 S. 22). Diese Formulierung wurde aber nicht Gesetz. Aus den Unterlagen ist allerdings nicht zu ersehen, aus welchen Gründen die ursprüngliche Formulierung geändert wurde, es fehlt aber jeder Anhalt dafür, daß es sich um ein redaktionelles Versehen handelt. Gegen eine solche Annahme spricht, daß die Weglassung der ursprünglichen Einschränkung die Vorschrift nicht sinnlos erscheinen läßt sowie der Umstand, daß in den Ausschußberatungen zur Härtenovelle Bestrebungen, das Nachentrichtungsrecht auf Zeiten der Selbständigkeit zu beschränken, als Verschlechterung des Gesetzes abgelehnt wurden (vgl. Protokoll des 20. Ausschusses vom 17. Dezember 1964 S. 5). Danach reicht aber die Erkenntnis, daß ein Teil der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen ursprünglich die Beschränkung auf Zeiten der Selbständigkeit gewollt hat, nicht aus, um den Gesetzeswortlaut in diesem Sinne zu interpretieren.
Auch der Sinn und Zweck des Gesetzes zwingen nicht dazu. Wie der Senat schon früher ausgeführt hat (BSG 15, 203, 204; 21, 193, 197), soll das Nachentrichtungsrecht aus Art. 2 § 50 Abs. 1 Satz 2 AnVNG früheren Selbständigen, die durch Vertreibung, Flucht oder Evakuierung ihre unabhängige Erwerbstätigkeit und damit ihre wirtschaftliche Sicherung verloren haben, nachträglich den Schutz der Rentenversicherung verschaffen. Die Vorschrift gehört - ebenso wie die vorzugsweise eingeräumte freiwillige Weiterversicherung nach Satz 1 und die fiktive Wartezeiterfüllung für ältere Berechtigte nach Abs. 2 - zur Vertriebenenfürsorge und berücksichtigt die besonderen Verhältnisse dieses Personenkreises. Damit die Rentenversorgung auskömmlich wird, läßt das Gesetz die Nachentrichtung von Beiträgen für einen langen Zeitraum, nämlich für die Zeit bis zum 1. Januar 1924 zurück, zu. Vielen Berechtigten wird die Aufbringung der dafür erforderlichen erheblichen Mittel noch dadurch erleichtert, daß § 252 Abs. 1 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) idF des 8. Änderungsgesetzes (ÄndG) vom 26. Juli 1957 die vorzugsweise Auszahlung der Hauptentschädigung u. a. gerade für den Fall vorsieht, daß sie der Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung dienen soll. Praktisch bedeutet die Nachentrichtungsmöglichkeit, daß sich die Berechtigten nachträglich in die gesetzliche Rentenversicherung "einkaufen" können. An ein so außergewöhnliches Recht können bei der Auslegung nicht ausschließlich versicherungsmäßige Maßstäbe angelegt werden (vgl. Urteil des 4. Senats vom 9. Dezember 1965 - 4 RJ 231/61 -). Vielmehr muß die Vorschrift so ausgelegt werden, daß die mit ihr bezweckte besondere Vertriebenenfürsorge auch wirklich erreicht wird. Dann dürfen die Berechtigten aber nicht nur die Möglichkeit haben, durch Nachbringung von Beiträgen lediglich den Nachteil auszugleichen, der sich für sie aus dem Fehlen von Rentenversicherungsbeiträgen für die Zeit der Selbständigkeit ergibt. Ein so beschränktes Nachentrichtungsrecht wäre oft schon kein ausreichendes Äquivalent für die durch die frühere Selbständigkeit erreichte und durch die Vertreibung verlorene Existenzsicherung. Es würde vor allem den Berechtigten in vielen Fällen auch die Möglichkeit vorenthalten, sich mit eigenen Mitteln den Schutz der Rentenversicherung zu schaffen, der zu ihrer eigenen Sicherung und der ihrer Hinterbliebenen nach dem Wegfall der früheren Existenzgrundlage erforderlich ist. Deshalb kann die Nachentrichtungsmöglichkeit nicht auf die - im Einzelfall mehr oder weniger lange - Zeit der früheren Selbständigkeit (seit 1. Januar 1924) beschränkt sein. Vielmehr dürfen die Berechtigten grundsätzlich den ihnen vom Gesetz zugebilligten Zeitraum von Anfang an mit freiwilligen Beiträgen ausfüllen, um einen wirklich ausreichenden Versicherungsschutz zu erreichen. Für diese Auslegung spricht auch die Regelung, die Art. X des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG-Schlußgesetz) vom 14. September 1965 (BGBl S. 1315) für die Wiedergutmachung in der Sozialversicherung gebracht hat. Dort wird früheren Verfolgten, denen in der Zeit zwischen 1933 und 1945 Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen wegen Heirat erstattet worden sind - aus ähnlichen Gründen und in ähnlicher Weise wie in Art. 2 § 50 Abs. 1 AnVNG den Vertriebenen -, ein gleiches Nachentrichtungsrecht eingeräumt. Dabei ist auch für diesen Personenkreis die Befugnis nicht auf einen engeren Zeitraum beschränkt, etwa auf die Zeiten, die vor der Beitragserstattung mit Beiträgen gedeckt waren; es soll nicht nur der Zustand wieder hergestellt werden können, der ohne die Beitragserstattung bestehen würde; vielmehr ist das Nachentrichtungsrecht ganz allgemein für die Zeit vom 1. Januar 1924 an gegeben. Auch hier ist die Absicht des Gesetzes, den Verfolgten einen auskömmlichen Versicherungsschutz - insbesondere eine ausreichende Altersversorgung - zu ermöglichen, unverkennbar. Hier wie dort steht darum nicht der Versicherungsgedanke im Vordergrund, sondern der Grundsatz der Fürsorge und Betreuung, die das Gesetz in Art. X den Verfolgten und in Art. 2 § 50 AnVNG den Vertriebenen usw. zukommen lassen will.
Jedoch bedarf Art. 2 § 50 Abs. 1 Satz 2 AnVNG in anderer Hinsicht der Einschränkung. Sie ergibt sich aus dem Wesen der Beitragsnachentrichtung. Diese ist in Art. 2 § 50 AnVNG grundsätzlich ebenso zu verstehen wie sonst im Rentenrecht. Die allgemeine Vorschrift über das Nachentrichten von Beiträgen findet sich in § 140 AVG. Hier bedeutet "Nachentrichten" das nachträgliche Entrichten von Beiträgen für eine Zeit, in der Beiträge entrichtet werden konnten, aber nicht entrichtet worden sind. Ob dieser Grundsatz die Nachentrichtung von Beiträgen nach Satz 2 für solche Zeiten ausschließt, die im Einzelfall bereits ohnedies, d. h. auch ohne die Nachentrichtung, als Versicherungszeiten (§ 27 AVG, §§ 15, 16 des Fremdrentengesetzes - FRG -) anrechenbar sind, braucht im vorliegenden Rechtsstreit nicht entschieden zu werden, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sein Klagebegehren für die Zeit seiner früheren rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung vom Dezember 1933 bis April 1934 nicht mehr aufrecht erhalten hat. Jedenfalls verbietet der genannte Grundsatz die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 2 § 50 Abs. 1 Satz 2 AnVNG für solche Zeiten, in denen der Berechtigte ein zur Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung geeignetes Mindestalter noch nicht erreicht hatte, d. h. ein Lebensalter, in dem er regelmäßig noch nicht in das Erwerbs- und Versicherungsleben eintreten konnte. Dies wird auch weder vom Wortlaut noch von dem Sinn des Gesetzes gefordert; sie zwingen nicht zu der Auslegung, die Nachentrichtung könne auch für Zeiten der frühesten Kindheit des Berechtigten oder gar für Zeiten vor seiner Geburt erfolgen, zumal der Personenkreis des Art. 2 § 50 AnVNG sonst über Gebühr begünstigt würde; ihm stünden mehr Sicherungsmittel zur Verfügung, als sie Nichtselbständige je erwerben können. Das Gesetz enthält deshalb eine Lücke, die von der Rechtsprechung auszufüllen ist. Das in Betracht kommende Mindestalter muß aus verwandten Regelungen gefunden werden. Insoweit ist aber von Bedeutung, daß § 16 FRG bei den früher unselbständigen Vertriebenen nur die nach vollendetem 16. Lebensjahr in den Vertreibungsgebieten zurückgelegten Beschäftigungszeiten als Versicherungszeiten berücksichtigt, und daß die Vollendung des 16. Lebensjahres ferner die rückwärtige Grenze für die Anrechnung früherer Lehr- und Schulzeiten als Ausfallzeiten (§ 36 Abs. 4 AVG) bildet. Der Senat schließt die in Art. 2 § 50 Abs. 1 Satz 2 AnVNG bestehende Lücke daher durch die Übernahme dieses Lebensalters. Dem steht auch nicht das Urteil des 4. Senats vom 26. Mai 1965 - 4 RJ 527/63 - (BSG 23, 89) entgegen, durch das entschieden wurde, daß einem Versicherten die im Alter von erst 12 Jahren zurückgelegten Verfolgungszeiten als Ersatzzeiten anzurechnen seien. Dieses Urteil geht von der rein abstrakten Möglichkeit der Anrechnung von Ersatzzeiten aus, die nicht voraussetzt, daß der Versicherte während der Ersatzzeit an der Verrichtung einer Erwerbsarbeit tatsächlich verhindert war. Bei der Auslegung des Nachentrichtungsrechts nach Art. 2 § 50 Abs. 1 Satz 2 AnVNG dagegen kann nicht jede denkbare Möglichkeit zur Beitragsentrichtung berücksichtigt werden; vielmehr kann es nur auf den Zeitpunkt ankommen, der allgemein als Beginn der Versicherungszugehörigkeit gilt. Dieser Zeitpunkt ist den obengenannten Regelungen zu entnehmen. Eine Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 2 § 50 Abs. 1 Satz 2 AnVNG für Zeiten vor der Vollendung des 16. Lebensjahres des Berechtigten ist deshalb nicht zulässig.
Die Revision des Klägers ist somit im wesentlichen begründet; er kann Beiträge nach Art. 2 § 50 Abs. 1 Satz 2 AnVNG nicht nur für die Zeiten seiner selbständigen Erwerbstätigkeit als Landwirt von November 1935 an, sondern auch für vorausgegangene Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung sowie der (damals versicherungsfreien) Ausbildung als Gerichtsreferendar nachentrichten. Sein Recht besteht aber nicht schon vom 1. Januar 1924 an, weil er zu dieser Zeit das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Dieses Alter hat er erst im Juni 1924 erreicht. Der früheste Zeitpunkt für die Nachentrichtung ist bei ihm also der Monat Juni 1924. Auf die Revision des Klägers müssen daher die Urteile der Vorinstanzen dahin geändert werden, daß die Beklagte verurteilt wird, dem Kläger die Nachentrichtung von Beiträgen auch für die Zeit von Juni 1924 bis November 1933 und von Mai 1934 bis Oktober 1935 zu gestatten.
Dagegen ist die Revision der Beklagten im Ergebnis unbegründet; der Kläger kann Beiträge zur AnV auch für die Zeit nach der Aufgabe der versicherungspflichtigen Beschäftigung (August 1945) bis zum 31. Dezember 1956 nachentrichten. Dieses Recht ist jedoch entgegen der Auffassung des LSG nicht aus Satz 1 in Art. 2 § 50 AnVNG herzuleiten. Die hier vorzugsweise eingeräumte Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung ist eine Vergünstigung, die in die Zukunft zielt und die frühestens vom Inkrafttreten des AnVNG an gegeben ist. Eine "Weiterversicherung" auch für Zeiten vor dem Inkrafttreten des Gesetzes wäre ein Widerspruch in sich selbst; Sinn und Wortlaut der Vorschrift zwingen nicht zu einer derartigen Auslegung. Das Recht, Beiträge auch für die Zeit nach der Vertreibung nachzuentrichten, ist jedoch in Satz 2 des Gesetzes mitenthalten.
Abgesehen von dem frühestmöglichen Beginn der Beitragsnachentrichtung (1. Januar 1924) begrenzt Satz 2 den hierfür in Betracht kommenden Zeitraum ausdrücklich nur durch die Vollendung des 65. Lebensjahres. Dieser Zeitpunkt kann vor oder nach der Vertreibung, vor oder nach der versicherungspflichtigen Beschäftigung liegen, an die das Nachentrichtungsrecht anknüpft. Der Gesetzeswortlaut enthält dagegen keine Einschränkung dahin, daß die Nachentrichtung nur für Zeiten vor der Vertreibung zulässig ist. Dem stünden im übrigen auch Sinn und Zweck des Gesetzes entgegen. Der Begründung einer auskömmlichen Alterssicherung, wie sie den Berechtigten ermöglicht werden soll, ist nur gedient, wenn auch die Zeiten nach der Vertreibung, soweit sie keine Versicherungszeiten sind, lückenlos mit Beiträgen ausgefüllt werden können. Andernfalls würden den Berechtigten - wie gerade der Fall des Klägers zeigt - viele Jahre Beitragszeit verlorengehen, die für die Alterssicherung eines älteren Berechtigten entscheidend sein können. Das Nachversicherungsrecht auch für Zeiten nach der Vertreibung bis zum Inkrafttreten des AnVNG ist deshalb sinnvoll; nur damit wird überdies ein unmittelbarer Anschluß an das seitdem bestehende Weiterversicherungsrecht nach Satz 1 erreicht. Dem steht auch nicht entgegen, daß die Berechtigten in der gleichen Zeit möglicherweise schon die Befugnis gehabt haben, sich nach der zwischenzeitlichen Aufgabe der versicherungspflichtigen Beschäftigung nach allgemeinen Vorschriften freiwillig zu versichern. Vor der Schaffung des Art. 2 § 50 AnVNG bestand für die früher Selbständigen ein wesentlich geringerer Anreiz zur freiwilligen Versicherung, weil sie vielfach nicht erwarten konnten, noch die Wartezeit für das Altersruhegeld zu erfüllen; auch mögen ihnen in den ersten Jahren nach der Vertreibung vielfach die Mittel für eine eigene freiwillige Vorsorge gefehlt haben. Der Zweck des Gesetzes wäre daher, wenn die Möglichkeit der Beitragsnachentrichtung nur für Zeiten vor der Vertreibung bestünde, nur unvollkommen zu erreichen. Daß das Gesetz die Möglichkeit der Beitragsnachentrichtung für Zeiten nach der Vertreibung umfaßt, lassen zudem die durch das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz neu gefaßten Sätze 3 und 4 in § 50 Abs. 1 erkennen. Hier wird die Verwendung von Beiträgen zur "Nachentrichtung" in den nach dem 31. Dezember 1958 erstmalig eingefügten Beitragsklassen geregelt und bestimmt, daß der Eintritt des Versicherungsfalls vor dem 1. Januar 1967 der "Nachentrichtung" von Beiträgen nicht entgegensteht. Schließlich zeigt auch der Vergleich mit der Regelung in Art. X des Bundesentschädigungsgesetzes, daß das Nachentrichtungsrecht nicht auf Zeiten vor der Vertreibung beschränkt sein kann. Da beim Kläger Gründe für den Ausschluß des Nachentrichtungsrechts nicht ersichtlich sind, insbesondere Versicherungszeiten nach Aufgabe der versicherungspflichtigen Beschäftigung im August 1945 nach den Feststellungen des LSG nicht vorliegen, ist die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt worden, dem Kläger die Nachentrichtung von Beiträgen auch für die Zeit von September 1945 bis Dezember 1956 zu gestatten. Ihre Revision ist somit zurückzuweisen.
Das auf beide Revisionen gefundene Ergebnis erscheint letztlich auch billig. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß die Berechtigten für den Erwerb des Versicherungsschutzes erhebliche Opfer bringen müssen, weil sie die Beiträge für die gesamten von ihnen bestimmten Zeiten aus eigenen Mitteln nachzuentrichten haben. Für den Versicherungsträger bzw. die Versichertengemeinschaft ist das Ergebnis tragbar, weil die Nachentrichtung für alle zurückliegenden Zeiten - abweichend von der Regelung in Art. 2 § 48 AnVNG - in den Beitragsklassen des § 115 AVG, also im vollen Wert, erfolgen muß. Dem Versicherungsträger fließen danach im Verhältnis zur Leistung mehr Beiträge zu, als sie bei sonstigen gleichaltrigen Versicherten vorliegen. Auch diese Umstände haben den Senat bewogen, dem Nachentrichtungsrecht nach Art. 2 § 50 Abs. 1 Satz 2 AnVNG im Einklang mit dessen Ziel- und Zwecksetzung keine zu enge Auslegung zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes. Der Kläger ist nur mit einem verhältnismäßig geringen Teil seines Klaganspruchs unterlegen. Es erscheint deshalb angezeigt, der Beklagten die gesamten Kosten des Revisionsverfahrens zur Erstattung aufzuerlegen.
Fundstellen