Leitsatz (amtlich)

Die Bestimmung in Abk Dänemark SV vom 1953-08-14 Art 26 (BGBl 2 1954, 753), wonach bei der Witwenrente Steigerungsbeträge nur für die in den deutschen Rentenversicherungen zurückgelegten Versicherungszeiten gewährt werden, ist auch bei der Berechnung der Witwenrente nach dem vom 1957-01-01 an geltenden Recht zu berücksichtigen. Die Aufenthaltszeiten des Versicherten im Königreich Dänemark können deshalb bei der Witwenrente nicht als Versicherungszeiten angerechnet werden.

 

Normenkette

AVG § 35 Fassung: 1957-02-23, § 45 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; SVAbk DNK Art. 26 Fassung: 1953-08-14

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 18. August 1961 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte bei der Festsetzung einer Witwenrente Zeiten des Aufenthalts des Versicherten in Dänemark zu berücksichtigen hat.

Der 1957 verstorbene Versicherte C S hatte in seiner Heimatstadt H, die auf Grund des Versailler Vertrages zu dem Königreich Dänemark gehört, von 1914 bis 1928 ein kaufmännisches Unternehmen betrieben. Bei der Festsetzung des ihm von März 1956 an gewährten Altersruhegeldes rechnete die Beklagte für die Aufenthaltszeiten des Versicherten in Dänemark von 1920 bis 1928 Steigerungsbeträge an. Als sie nach seinem Tode die Witwenrente berechnete, ließ sie diese Zeiten jedoch außer Betracht. Zur Begründung bezog sie sich auf Art. 25 und Art. 26 des deutsch-dänischen Sozialversicherungsabkommens (SV-Abk.) vom 14. August 1953 (BGBl II 1954 S. 753; BArbBl 1954, 529), wonach Aufenthaltszeiten in Dänemark bei Witwenrenten nur für die Wartezeit und die Anwartschaft zu berücksichtigen, Steigerungsbeträge hierfür aber nicht zu gewähren seien (Bescheid vom 23. Oktober 1959).

Die Klage und Berufung der Witwe hatten keinen Erfolg (Urteile vom 16. Dezember 1960 und 18. August 1961). Das Berufungsgericht sah die Witwenrente als richtig berechnet an. Die Zeiten des Aufenthalts des Versicherten in Dänemark von 1920 bis 1928 könnten nach dem Wortlaut sowie nach dem Sinn und Zweck der in Art. 25 und 26 des SV-Abk. getroffenen Regelungen bei Witwenrenten nicht als Versicherungszeiten angerechnet werden. Durch spätere innerdeutsche Gesetze (Art. 3 § 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - AnVNG -, § 35 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -) sei diese zwischenstaatliche Regelung nicht berührt worden. Sie habe gemäß § 2 Buchst. b des Fremdrentengesetzes (FRG) auch Vorrang vor den Vorschriften des Fremdrentenrechts.

Nach Einlegung der zugelassenen Revision verstarb die Witwe am 27. August 1964. Ihr Sohn, der jetzige Kläger, nahm das Streitverfahren als Berechtigter nach § 65 Abs. 2 AVG auf.

Er beantragte (sinngemäß),

die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung ihres Bescheides vom 23. Oktober 1959 einen neuen Bescheid zu erteilen, in dem die Aufenthaltszeiten des verstorbenen C S in Dänemark vom 15. Juni 1920 bis 31. August 1928 rentensteigernd berücksichtigt werden.

Der Kläger hält die Vorschriften des Art. 3 § 2 AnVNG und der §§ 35, 45 Abs. 2 AVG, §§ 2 Buchst. b, 15, 17 Abs. 1 Buchst. b FRG für verletzt. Die Regelung des Art. 26 des SV-Abk., nach der bei Witwenrenten keine Steigerungsbeträge für dänische Aufenthaltszeiten zu gewähren seien, gelte nur für das bis 31. Dezember 1956 gültig gewesene frühere Rentenrecht. Die Steigerungssätze der vom 1. Januar 1957 an und damit im vorliegenden Fall anzuwendenden Berechnungsvorschriften stimmten begrifflich nicht mit den Steigerungsbeträgen alten Rechts überein. Die Regelung des deutsch-dänischen SV-Abk. sei deshalb nicht mehr anwendbar. Durch Art. 3 § 2 AnVNG sei das zu dem Abkommen ergangene Zustimmungsgesetz vom 21. August 1954 insoweit als "entgegenstehende Vorschrift" außer Kraft gesetzt worden. Da die fragliche Zeit vom SV-Abk. nicht erfaßt werde, rechtfertige sich ihre Anrechnung aus §§ 15 Abs. 1, 17 Abs. 1 Buchst. b FRG.

Die Beklagte beantragte,

die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

Für die Frage, wie eine Witwenrente zu berechnen ist, wenn sich der Versicherte zeitweise in Dänemark aufgehalten hat, ist Art. 26 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über Sozialversicherung vom 14. August 1953 (Gesetz vom 21. August 1954 - BGBl II 1954 S. 753 -) maßgebend. Danach sind die von der Versicherungszeit unabhängigen Leistungen oder Leistungsanteile nach den deutschen Vorschriften zu berechnen (Art. 26 Ziff. 1) und Steigerungsbeträge nur für die in der deutschen Rentenversicherung zurückgelegten Versicherungszeiten zu gewähren (Art. 26 Ziff. 2). Diese Regelung ist zwar, wie dem Kläger zuzugeben ist, mit ihrer Trennung vom beitragsunabhängigen Grundbetrag und beitragsbezogenen Steigerungsbetrag dem früheren Rentenrecht angepaßt, das bis zum 31. Dezember 1956 gegolten hat. Sie ist aber auch auf die Renten anzuwenden, die nach der vom 1. Januar 1957 an maßgebenden neuen Rentenformel zu berechnen sind. Das ergibt sich aus dem Abkommen selbst ebenso wie aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen.

Nach Art. 1 bezieht sich das Abkommen nicht nur auf die Gesetzgebung zur Rentenversicherung der Angestellten, die zur Zeit des Vertragsabschlusses in Kraft war, sondern auch auf alle Gesetze und sonstigen Vorschriften, die diese Gesetzgebung ändern oder ergänzen. Hiermit ist nur einem allgemein gültigen Rechtsgedanken Ausdruck verliehen worden (vgl. Wickenhagen "Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht" Heft 36 der Schriftenreihe "Fortbildung und Praxis" S. 62). Zustimmungsgesetze, durch die der Inhalt völkerrechtlicher Verträge zu innerstaatlichem Recht transformiert wird, hängen in ihrer Geltungsdauer von der des Vertrages ab. Sie können während der völkerrechtlichen Wirksamkeit der Vereinbarung daher durch innerstaatliche Gesetze weder geändert noch aufgehoben werden. Vielmehr gelten sie für die von ihnen geregelten Sachverhalte gegenüber abweichendem späterem Recht weiter (vgl. Brackmann "Handbuch der Sozialversicherung", Bd. I, Stand 1964, S. 296 f III/IV; ferner Urteil des Senats vom 25. Mai 1965 - 1 RA 251/62 - BSG 23, 74).

Im vorliegenden Fall bedeutet das, daß die Regelung des Art. 26 des SV-Abk. durch die deutschen Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze (Art. 3 § 2 AnVNG) und das Fremd- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) nicht außer Kraft gesetzt worden ist, sondern als Spezialvorschrift vorrangig vor den allgemeinen Anrechnungsvorschriften des § 35 AVG und der §§ 15, 17 FRG die Berechnung von Witwenrenten beim Vorliegen von Aufenthaltszeiten in Dänemark bestimmt.

Fraglich kann nur sein, in welcher Weise die Vorschrift auf die veränderte Rentenformel anzuwenden ist. Dazu ist auf ihren Grundgedanken zurückzugehen: Sollen Aufenthaltszeiten des Versicherten in Dänemark bei Witwenrenten wohl für Wartezeit und Anwartschaft (Art. 25 des SV Abk.), nicht aber für die Gewährung von Steigerungsbeträgen von Belang sein, so kann dies nur bedeuten, daß solche Aufenthaltszeiten zwar für die Begründetheit (Entstehung) des Anspruchs, nicht aber auch für dessen Höhe, also für die Rentenberechnung zählen. Dies erklärt sich daraus, daß die dänische Volksversicherung zur Zeit des Vertragsabschlusses keine Witwenrente kannte. Der fragliche Personenkreis sollte also gegenüber dem deutschen Rentenversicherungsträger nicht Ansprüche aus Zeiten herleiten, für die von vornherein keine Versicherungsleistungen zu erwarten waren. Dieser Grundsatz ist weiterhin zu beachten, obgleich inzwischen auch das dänische Recht die Gewährung von Witwenrenten kennt (auf Grund des Gesetzes No. 70 vom 13. März 1959 - Lovtidene A 1959, No. VI pp. 433-439 - zitiert nach Industry and Labour 1959 S. 196/197 - und auf Grund des Gesetzes über die Einführung einer Zusatzpension - zit. nach BABl 1964 S. 338, 339 -). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob in Ausnahmefällen veränderte Verhältnisse im Sinne der clausula rebus sie stantibus überhaupt die Wirksamkeit zwischenstaatlicher Sozialversicherungsabkommen beeinträchtigen können; die Voraussetzungen hierfür fehlen schon deshalb, weil die weitere Anwendung des Art. 26 des SV-Abk. weder unmöglich noch unzumutbar geworden ist. Der der Regelung zugrunde liegende Gedanke läßt sich vielmehr auch unter den veränderten Rechtsverhältnissen verwirklichen, ohne zu groben Ungerechtigkeiten zu führen. Ihm ist durch Nichtanrechnung der Aufenthaltszeiten in Dänemark auf die Versicherungsjahre (§ 35 AVG) zu entsprechen. Bei der Berechnung der Witwenrente sind diese Aufenthaltszeiten als solche also weder als Beitragszeit noch als Ersatzzeit noch als Ausfallzeit zu berücksichtigen. Das Berufungsgericht hat danach zu Recht den angefochtenen Bescheid, in dem die Witwenrente entsprechend berechnet worden ist, als rechtmäßig erachtet.

Dem Verlangen des Klägers, die Zeiten des Aufenthalts des Versicherten in Dänemark von 1920 bis 1928 nach den §§ 15, 17 Abs. 1 Buchst. b FRG auf die Witwenrente anzurechnen, kann aber auch aus einem anderen Grunde nicht entsprochen werden. Diese Vorschriften beziehen sich nach ihrem Wortlaut und nach ihrem Sinn auf Zeiten, in denen Beiträge zu den dort genannten Versicherungen geleistet worden sind. Weder die Witwe noch der Kläger haben aber behauptet, daß der Versicherte während der hier fraglichen Zeit (1920 bis 1928) Beiträge zu einer in Dänemark oder anderswo bestehenden Versicherungseinrichtung geleistet hat. Eine solche Beitragsleistung ist auch sonst nicht ersichtlich. Die bloße Zeit des Aufenthalts in Dänemark kann auch nicht einer Beitragszeit im Sinne der genannten Vorschriften gleichgesetzt werden.

Für den Kläger hat sich die Rechtslage auch nicht durch das Rentenversicherungsänderungsgesetz vom 9. Juni 1965 (BGBl I, 467) geändert. Nach § 45 Abs. 2 AVG idF dieses Gesetzes (Art. 2 Nr. 26 a und Art. 5 § 3 und § 10 Abs. 1 a) soll allerdings, wenn der Versicherte bis zu seinem Tode Rente bezogen hat, die Witwenrente mindestens sechs Zehntel des Zahlbetrags der Versichertenrente (ohne Kinderzuschuß) betragen. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits kann jedoch dahinstehen, ob diese Regelung auch gegenüber der durch Art. 26 des deutsch-dänischen Sozialversicherungsabkommens bei der Witwenrente ausgeschlossenen Anrechnung von Aufenthaltszeiten in Dänemark Platz greift. Denn auf Grund der Neuregelung könnte ein Anspruch auf die Leistung oder auf die höhere Leistung frühestens vom 1. Juli 1965 an geltend gemacht werden (Art. 5 § 6 des Rentenversicherungsänderungsgesetzes). Die Witwe ist jedoch schon im Jahre 1964 verstorben. Die Neuregelung kann sich schon deshalb nicht mehr auf den hier streitigen Rentenanspruch auswirken.

Die unterschiedliche Berechnung von Versichertenrente und Witwenrente, wie sie sich aus den Vorschriften des Abkommens beim Vorliegen von Aufenthaltszeiten des Versicherten in Dänemark ergibt, verstößt auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -). Ein solcher Verstoß wäre nur dann anzunehmen, wenn sich für die unterschiedliche Behandlung kein vernünftiger, schlich einleuchtender Grund finden ließe. Ein für die Differenzierung einleuchtender Grund sind aber die Besonderheiten des dänischen Sozialversicherungssystems, das hier keine Witwenrente kannte; dem konnte der dem Abkommen zustimmende deutsche Gesetzgeber auch für die innerdeutschen Verhältnisse - für den Leistungsanspruch gegenüber dem deutschen Rentenversicherungsträger - Rechnung tragen. Eine sachliche Berechtigung kann der getroffenen Regelung um so weniger abgesprochen werden, als es sich um Zeiten handelt, für die der Versicherte keine den deutschen Versicherungsbeiträgen in Art und Höhe vergleichbare Leistung aufzubringen hatte.

Das angefochtene Urteil ist daher zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380173

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