Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 27.07.1990) |
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Juli 1990 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Mit der vorliegenden Revision wendet die Beklagte sich gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (LSG) vom 27. Juli 1990, durch welches das Urteil des Sozialgerichts (SG) aufgehoben und sie verurteilt worden ist, an den Kläger, einen Asylbewerber, für seine vier Kinder „Kindergeld und Kinderzuschlag nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren”.
Der im Mai 1986 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereiste Kläger ist nach wie vor Asylbewerber. Er ist türkischer Staatsangehöriger jezidischen Glaubens und kurdischer Volkszugehörigkeit. Sein Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland wurde bis zum 30. April 1989 gestattet. Seinen Antrag vom Februar 1989 auf Gewährung von Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) lehnte die Beklagte durch den in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid vom 11. April 1989 mit der Begründung ab, daß der Kläger im Geltungsbereich des BKGG weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt habe; während des noch nicht abgeschlossenen Asylverfahrens halte er sich mit seiner Familie lediglich vorübergehend hier auf. Dem hiergegen erhobenen Widerspruch half die Beklagte nicht ab (Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 1989). In dem Bescheid heißt es ua, der Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland werde lediglich bis zum rechtskräftigen Abschluß seines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gegen den die Asylgewährung ablehnenden Bescheid der deutschen Behörden geduldet.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 6. März 1990). Es steht nach der Überzeugung dieses Gerichts nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, daß der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland seinem Willen gemäß auf Dauer verweilen darf.
In dem angefochtenen Urteil des LSG ist ua ausgeführt: Der Kläger habe sowohl nach § 1 Abs 1 BKGG in der bis zum 7. Juli 1989 gültigen Fassung (aF) als auch nach dem durch Art 1 des 12. Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 30. Juni 1989 (BGBl I S 1294) ab 7. Juli 1989 eingefügten Abs 3 dieser Norm einen Anspruch auf die begehrte Leistung. Er habe nämlich seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen. Ein Ende des Aufenthalts des Klägers im Geltungsbereich des BKGG sei in einem abzusehenden Zeitraum nicht zu erwarten. Es komme darauf an, ob der Kläger nach einer Prognose im Zeitpunkt der Antragbescheidung zu Beginn des Bezugszeitraums mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht abgeschoben werde, und zwar auch im Falle eines negativen Ausgangs seines Asylverfahrens. Da das Aufenthaltsschicksal des Klägers unsicher sei, könne eine klare Prognose in die Zukunft nicht gestellt werden. Aus diesem Grunde komme es, anders als dies in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gefordert werde, darauf an, ob ein Asylbewerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für die absehbare Zukunft in der Bundesrepublik Deutschland verweilen dürfe. Hierauf habe im Zeitpunkt der Antragstellung und der angefochtenen Bescheide eine begründete Aussicht bestanden. Diese begründete Aussicht müsse für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland ausreichen; die Aussicht müsse wahrscheinlicher sein als eine Abschiebung. Diese Voraussetzung läge vor. Zwar existiere im Lande Rheinland-Pfalz kein förmlicher Erlaß des Inhalts, daß die Volksgruppe, welcher der Kläger angehört, auch nach erfolglosem Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland geduldet werde. In einem Rundschreiben des Ministeriums des Inneren und für Sport vom Juni 1988 seien die zuständigen untergeordneten Stellen dahingehend informiert worden, daß jedenfalls bis zu einer revisionsgerichtlichen Klärung von einer Abschiebung abzusehen und der Aufenthalt der fraglichen Volksgruppe zu dulden sei. Da eine Prognose im Einzelfall reine Spekulation sei, müsse die tatsächliche Abschiebungspraxis der Verwaltung beachtet werden. Danach sei seit 1987 nach Kenntnis des Senats keine Abschiebung von Asylbewerbern jezidischen Glaubens in die Türkei erfolgt. Auch die zuständigen Verwaltungsstellen hätten von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nach den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes abgesehen. Entscheidend sei für die Entscheidung des LSG auch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. März 1988, wonach die Jeziden einer Gruppenverfolgung durch die moslemische Bevölkerungsmehrheit ausgesetzt seien, welche dem türkischen Staat zugerechnet werden müßte.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 1 Abs 1 Nr 1 BKGG aF, § 1 Abs 3 BKGG, jeweils iVm § 30 Abs 3 des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil – (SGB I) sowie des § 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Das LSG sei bei der Annahme, der Kläger habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet genommen, von den vom BSG entwickelten Kriterien abgewichen, nach welchen bei einem Asylbewerber ausnahmsweise bereits vor Abschluß des Asylverfahrens ein gewöhnlicher Aufenthalt bejaht werden könne. Danach müsse feststehen, daß der Asylbewerber auch nach rechtskräftiger Ablehnung seines Asylantrages wegen besonderer Umstände auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werde. Demgegenüber habe das LSG bei der von ihm getroffenen Prognose rechtsfehlerhaft lediglich einen Wahrscheinlichkeitsgrad für den zukünftigen Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet zugrunde gelegt. Für die im Zeitpunkt des Leistungsantrages zu stellende Prognose sei der vom LSG angelegte geringe Wahrscheinlichkeitsgrad auch ungeeignet. Soweit das Urteil die Zeit ab Inkrafttreten des § 1 Abs 3 BKGG betreffe, stehe es in direktem Widerspruch zum Gesetz. Das LSG habe auch gegen § 128 SGG verstoßen, indem es Tatsachenfeststellungen zugrunde gelegt habe, welche angeblich gerichtsbekannt seien. Erkenntnisquellen dafür habe es nicht benannt. Das Fehlen einer nachvollziehbaren Grundlage für die betreffenden Feststellungen mache diese rechtswidrig. Dies gelte auch für die angenommene Abschiebepraxis. Dem widerspreche die tatsächliche Handhabung der ausländerrechtlichen Ermessensvorschriften durch die zuständigen Behörden gemäß dem Rundschreiben des Innenministers des Landes Rheinland-Pfalz vom Juni 1988, wonach lediglich eine vorübergehende begrenzte Duldung des Aufenthalts des Klägers in Betracht zu ziehen sei. Frühestens nach Abschluß des gerichtlichen Verfahrens könne die vom LSG gestellte Prognose wirklich getroffen werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Juli 1990 aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Feststellungen und Wertungen in dem angefochtenen Urteil für zutreffend. Das LSG habe mit Recht alle Umstände des vorliegenden Einzelfalles berücksichtigt und gegeneinander abgewogen. Es genüge die begründete Aussicht und überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Aufenthalt des Klägers auf unabsehbare Zeit geduldet werde. Die Prognose des LSG sei zutreffend gestellt worden.
Entscheidungsgründe
II
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden.
Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet. Das LSG hat – aus seinen Rechtsvorstellungen heraus allerdings folgerichtig – zu Unrecht angenommen, der Kläger habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG. Diese Annahme beruht auf einer Prognose des LSG, welche nach der Überzeugung des erkennenden Senats rechtsfehlerhaft ist, weil sie auf rechtlich fehlerhaften Erwägungen beruht. Da die Prognosestellung eine Aufgabe der Tatsachengerichte ist, war es erforderlich, den Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen.
Die Vordergerichte haben zunächst zutreffend in Betracht gezogen, daß mit Wirkung ab 8. Juli 1989 eine für den Kläger einschlägige neue Regelung in § 1 Abs 3 BKGG geschaffen worden ist, so daß die Frage, ob der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt iS von § 1 Abs 1 Nr 1 SGG im Bundesgebiet hat, von diesem Zeitpunkt an nach der neu eingefügten Norm des § 1 Abs 3 BKGG zu beantworten ist.
Nach § 1 Abs 1 Nr 1 BKGG aF hat Anspruch auf Kindergeld, wer im Geltungsbereich des BKGG seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach der auch für das Kindergeldrecht geltenden Legaldefinition des § 30 Abs 3 SGB I hat jemand seinen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen läßt, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Zu Recht gehen die Gerichte der Vorinstanzen und die Beteiligten davon aus, daß diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt sind, so daß es insoweit weiterer Ausführungen nicht bedarf. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat eine Person nach § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I dort, wo sie sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Entsprechend hat das BSG schon immer angenommen, daß dem Begriff des „gewöhnlichen Aufenthaltes” das Moment der Dauer eigen ist (vgl zB BSGE 62, 67, 69). Es hat daher folgerichtig und übereinstimmend entschieden, daß Asylbewerber während der Dauer eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, in welchem über ihre Asylberechtigung entschieden wird, im Regelfall keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG haben (BSGE wie zuvor; 63, 47, 51). An dieser Rechtsprechung ist deshalb festzuhalten, weil Asylbewerber im Normalfall nicht von vornherein damit rechnen können, daß die von ihnen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in Anspruch genommene Asylberechtigung oder eine erwartete Duldung ihres Aufenthalts im Bundesgebiet zu einem dauerhaften Aufenthalt führt. Anders verhält sich dies bei asylberechtigten Ausländern, wenn lediglich die deklaratorische Asylanerkennung noch aussteht (BSGE 65, 261, 264). Zu diesem Personenkreis, dessen Asylberechtigung von vornherein oder zweifelsfrei feststeht, gehört der Kläger nicht. Bezüglich der Volksgruppe der Jeziden, welcher er angehört, ist eine grundsätzliche Entscheidung über ihr Asylrecht bisher weder von den zuständigen Stellen in der Bundesrepublik Deutschland noch von dem Bundesverwaltungsgericht (s zuletzt BVerwG vom 23. Juli 1991 DVBl 1991, 1089 ff) getroffen worden. Für den Kläger gilt daher, wovon auch das LSG in dem angefochtenen Urteil mit Recht ausgegangen ist, daß unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Wege einer vorausschauenden Betrachtung zu entscheiden ist, ob der Kläger an dem Ort oder in dem Gebiet seines jetzigen Aufenthalts nur vorübergehend oder auf Dauer verweilen wird.
Das BSG hat die Voraussetzungen, unter denen ein Asylbewerber seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat, bereits mehrfach festgelegt und beschrieben. Daran ist festzuhalten. Nach der Rechtsprechung des BSG wird der tatsächliche Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet erst dann zum gewöhnlichen Aufenthalt iS von § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I, wenn nach dem Ausländerrecht und der Handhabung der einschlägigen Ermessensvorschriften durch die deutschen Behörden davon auszugehen ist, daß der Ausländer nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer im Bundesgebiet bleiben kann. Dabei kommt es auf die voraussehbare Zukunft an (BSG SozR 5870 § 1 Nr 12). Diese Auslegung des § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I entspricht nach der Überzeugung des Senats, wie sie in der zuvor zitierten Entscheidung eingehend dargelegt ist, auch dem Zweck des BKGG. Danach kommt es bei der Begrenzung des Kindergeldanspruchs durch § 1 Abs 1 Nr 1 BKGG aF darauf an, diejenigen Personen zu begünstigen, welche im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein Kind aufziehen und dadurch einen Beitrag zur künftigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Existenz der Gesellschaft in diesem Staat leisten.
Soweit das LSG davon ausgeht, für die Feststellung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genüge, daß der Asylbewerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit hier verbleibt, ist dem nicht zu folgen. Richtig ist allerdings, daß die durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu treffende Prognose, ob der Aufenthalt des Asylbewerbers von Dauer oder nur vorübergehender Natur sein wird, nicht in jedem Einzelfalle sicher zu treffen ist. Dies liegt in der Natur der Sache und ist insbesondere dadurch begründet, daß nicht alle künftigen Ereignisse und Entscheidungen, welche den jeweiligen Einzelfall berühren, im voraus bedacht werden können, weil solche Vorgänge nicht von den naturwissenschaftlichen Regeln der Kausalität abhängen, sondern vielmehr von gesellschaftlichen Vorgängen, deren Eintritt oder Vollzug veränderbar sind. Aus diesem Grunde hat der erkennende Senat auch in seiner Entscheidung vom 20. Mai 1987 (SozR 5870 § 1 Nr 12) bereits zum Ausdruck gebracht, daß bei der Prognosestellung auf die „voraussehbare Dauer” abzustellen ist. Nicht anders ist es zu verstehen, wenn das BSG eine Prognose des Inhalts verlangt, daß ein Asylbewerber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen werden wird (so ausdrücklich zB BSGE 62, 67, 70). In anderen Entscheidungen ist diese Voraussetzung durch andere Wendungen umschrieben worden, etwa dadurch, daß davon auszugehen sein müsse oder damit gerechnet werden könne, daß das Asylbewerber im Geltungsbereich des BKGG auf Dauer bleiben werde (BSGE 63, 47, 49; 65, 84, 86). Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt werden, ist nach der Überzeugung des erkennenden Senats die Prognose gerechtfertigt, der Asylbewerber werde sich auf Dauer im Bundesgebiet aufhalten. Anderenfalls würde ein gewöhnlicher Aufenthalt iS von § 30 SGB I auch dann angenommen werden müssen, falls gute, wenn auch nicht überwiegende, Gründe für die Annahme sprechen, daß der Aufenthalt bei vorübergehender Duldung lediglich zeitlich begrenzt sein werde. Die Annahme eines dauernden gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet Deutschland erfordert aber, daß alle schwerwiegenden Gründe die Prognose rechtfertigen, der Asylbewerber werde auf Dauer im Bundesgebiet verweilen. Nebenerwägungen, welche zu einer anderen Prognose führen könnten, haben in diesem Zusammenhang außer Betracht zu bleiben.Sie werden derart in den Hintergrund gedrängt, daß sie rechtlich belanglos sind.
Damit bleibt festzuhalten, daß das LSG bei der nach dem Gesetz erforderlichen Prognose über den Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet von rechtlich unzutreffenden Erwägungen ausgegangen ist. Es hat nämlich wesentliche in Betracht kommende Umstände nicht zutreffend gewürdigt. Aus diesem Grunde ist die Prognose (Tatsachenfeststellung) in dem Urteil unrichtig. Das LSG wird daher unter Abwägung aller erreichbaren Gesichtspunkte erneut festzustellen haben, ob der Kläger sich unter Umständen im Bundesgebiet aufhält, welche den Schluß rechtfertigen, daß er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hier verweilen wird. Im übrigen beruht die in dem angefochtenen Urteil aufgestellte Prognose auf Erwägungen, welche das LSG aus eigener Tatsachenkenntnis herleitet, welche jedoch von ihm nicht in das Verfahren eingeführt sind, so daß die Beklagte und der Kläger sich hierzu nicht haben äußern können. Diese Feststellungen hat die Beklagte mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen (§ 163 SGG), nämlich des verletzten Anspruchs auf rechtliches Gehör, angefochten. Zwar heißt es in der Revisionsbegründung hierzu ausdrücklich, daß das LSG bei der Tatsachenfeststellung § 128 SGG verletzt habe, weil die Überzeugungsbildung des Gerichts fehlerhaft gewesen sei. In Wahrheit macht die Beklagte bei ihrem Vorbringen geltend, daß sie zu den angeblich gerichtsbekannten Tatsachen eine Äußerung nicht habe abgeben können, weil das LSG vorher keine Mitteilung von seiner Gerichtskunde gemacht habe.
Für die Zeit ab 8. Juli 1989 ist bezüglich der Kindergeldberechtigung des Klägers die Vorschrift des § 1 Abs 3 BKGG zu beachten. Danach haben Ausländer, die sich ohne Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufhalten, einen Kindergeldanspruch nur, wenn ihre Abschiebung auf unbestimmte Zeit unzulässig ist oder wenn sie aufgrund landesrechtlicher Verwaltungsvorschriften auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden. Der Anspruch ist frühestens für die Zeit ab einem Jahr nach dem gestatteten oder geduldeten Aufenthalt des Ausländers gegeben. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber weitgehend auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats Bezug genommen (vgl inbesondere BSG SozR 5870 § 1 Nr 12) und die allgemeine Norm des § 1 Abs 1 Nr 1 BKGG konkretisiert. Die Vorschrift beruht auf einer Beschlußempfehlung des 13. Ausschusses des Bundestages (BT-Drucks 11/4765). In ihr ist der in der zitierten Rechtsprechung verlangte Aufenthalt „nach dem Ausländerrecht und der Handhabung der einschlägigen Ermessensvorschriften durch die Behörden” dahingehend klargestellt, daß es nach § 1 Abs 3 BKGG auf ein Verweilen des Ausländers im Bundesgebiet „aufgrund landesrechtlicher Verwaltungsvorschriften” ankommt (vgl hierzu den Bericht der Abgeordneten Frau Dr. Götte in BT-Drucks aa0). Nach der früheren Rechtsprechung des BSG und nach § 1 Abs 3 BKGG ist gleichermaßen entscheidend, ob ausländerrechtliche Vorschriften und deren Handhabung die von dem LSG gestellte Prognose rechtfertigen. Dies ist in dem angefochtenen Urteil bisher nicht genügend berücksichtigt worden; denn landesrechtliche Vorschriften, welche die Prognose des LSG stützen könnten, sind nicht ermittelt worden. Dem angefochtenen Urteil kann daher nicht entnommen werden, ob ab dem 8. Juli 1989 die Voraussetzungen vorgelegen haben, nach denen der Kläger Anspruch auf Kindergeld hat.
Das LSG wird die noch fehlenden Feststellungen nachholen und seine Prognose bzgl der Dauer des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet entsprechend der Rechtsprechung des BSG neu zu stellen haben.
Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.
Fundstellen