Leitsatz (amtlich)

1. Zur Auslegung des Antrags einer Klage, deren Ziel die Zuerkennung einer Kann-Leistung ist.

2. Zu dem Begriff "Schul- oder Berufsausbildung" iS von BVG § 45 Abs 3 S 2.

3. SGG § 131 Abs 2 ist entsprechend anzuwenden, wenn sich eine Aufhebungs- oder Verpflichtungsklage gegen einen ablehnenden Verwaltungsakt richtet.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist bei richtiger Ausübung des Ermessens nur eine Entscheidung möglich und enthält jede andere Entscheidung einen Ermessensfehler iS des SGG § 54 Abs 2 S 2 , ist also für die Anwendung des Verwaltungsermessens in einem anderen Sinne überhaupt kein Raum, dann ist es dem Gericht möglich, die strittige "Kann-Leistung" zuzuerkennen. Die Verwaltungsbehörde muß, wenn sie ihr Ermessen pflichtgemäß handhabt, bei Ablehnung der "Kann-Leistung" dartun, daß sie in anderen Fällen, in denen es sich um die gleiche "Kann-Leistung" handelt, diese im Rahmen ihres Ermessens verweigert hat.

2. Ist der Besuch einer Landwirtschaftsschule nur ein Teil der Berufsausbildung, die daneben ua eine praktische Tätigkeit verlangt, so ist dem BVG § 45 Abs 3 genügt, wenn die praktische Lehre vor der Vollendung des 18. Lebensjahres begonnen ist.

 

Normenkette

SGG § 54 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, Abs. 4 Fassung: 1953-09-03, § 131 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03; BVG § 45 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1950-12-20; SGG § 54 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 7. Oktober 1955 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 18. Oktober 1954 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beklagte verpflichtet wird, dem Kläger über die Bewilligung der Waisenrente vom 1. Dezember 1953 an unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats einen Bescheid zu erteilen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Der am 26. Juli 1935 geborene Kläger war vom 1. Dezember 1951 an in Ahl, Kreis Schlüchtern, in einer landwirtschaftlichen Lehre; diese endete am 30. November 1953; seit 1. Januar 1952 erhielt er von der Landesversicherungsanstalt (LVA.) Hessen Waisenrente aus der Angestelltenversicherung seines Vaters. Durch Bescheid vom 6. Juli 1953 bewilligte das Versorgungsamt (VersorgA.) Fulda nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) der Mutter des Klägers vom 1. April 1953 an Witwengrundrente, dem Kläger Waisengrundrente. Die Waisengrundrente des Klägers wurde bis zum Ende der Lehrzeit am 30. November 1953 befristet.

Am 31. Juli 1953 - mit Vollendung des 18. Lebensjahres - kam die Waisenrente des Klägers aus der Angestelltenversicherung seines Vaters in Wegfall; der Kläger, damals noch gesetzlich vertreten durch seine Mutter, beantragte deshalb am 12. August 1953 beim VersorgA. Fulda, "ab 1. August 1953 die Waisenrente zu übernehmen"; er gab an, er strebe den Beruf eines "staatlich geprüften Landwirts", möglicherweise eines "Diplomlandwirts" an, nach Beendigung einer zweijährigen Lehrzeit müsse er zunächst vom 1. November 1953 bis 31. März 1954 die Landwirtschaftsschule besuchen, vom 1. April 1954 an wieder praktisch tätig sein, im Winter 1954/1955 erneut auf die Landwirtschaftsschule und dann für ein Jahr auf die höhere Landbauschule gehen; er beanspruche deshalb die Waisenrente, bis er entweder seine Ausbildung oder das 24. Lebensjahr vollendet habe. Durch Bescheid vom 3. November 1953 lehnte das VersorgA. Fulda "nach freiem pflichtgemäßen Ermessen" die Waisenrente für die Dauer des Besuchs der Landwirtschaftsschule ab: § 45 Abs. 3 Satz 2 BVG lasse auch als "Kannleistung" die Gewährung von Waisenrente bis zum vollendeten 24. Lebensjahr nur dann zu, wenn die Waise "bei Vollendung des 18. Lebensjahres" die Schulausbildung noch nicht beendet habe; der Kläger habe aber schon am 25. Juli 1953 das 18. Lebensjahr vollendet und wolle die Schulausbildung erst am 1. November 1953 beginnen. Der Kläger legte Berufung ein und brachte vor, seine Ausbildung sei nach Beendigung der zweijährigen Lehre noch nicht beendet gewesen, der Besuch der Landwirtschaftsschule gehöre unbedingt zu seiner Berufsausbildung, es handele sich nicht etwa um den Beginn einer neuen Ausbildung; die Land- und Forstwirtschaftskammer Hessen-Nassau bestätigte, die Lehrzeit des Klägers dauere drei Jahre, der Kläger beabsichtige, das 3. Lehrjahr in einem anderen Betrieb abzuleisten, die höhere Landbauschule wolle er erst nach der Landwirtschaftsprüfung und nach der Landwirtschaftsschule besuchen, seine Ausbildung sei auch nach Ablegung der Landwirtschaftsprüfung noch nicht beendet. Durch Urteil vom 18. Oktober 1954 änderte das Sozialgericht (SG.) Fulda, auf das die Sache mit dem Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) am 1. Januar 1954 als Klage übergegangen war, den Bescheid vom 4. November 1953 (muß richtig heißen 3. November 1953) ab und verurteilte den Beklagten "zur Zahlung der Waisenrente in gesetzlicher Höhe bis zur Vollendung der Berufsausbildung bzw. des 24. Lebensjahres". Der Besuch der Landwirtschaftsschule bedeute lediglich einen Abschnitt in der Berufsausbildung des Klägers und sei nicht losgelöst von dem von ihm angestrebten Berufsziel zu betrachten. Das Urteil sei nach § 148 Nr. 2 SGG unanfechtbar. Gegen dieses Urteil legte der Beklagte am 15. November 1954 Berufung ein, das Hessische Landessozialgericht (LSG.) verwarf die Berufung durch Urteil vom 7. Oktober 1955 nach § 148 Nr. 2 SGG als unzulässig: Das Urteil des SG. betreffe lediglich das Ende der Versorgung, das der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid auf 30. November 1953 festgesetzt habe; dies gelte auch insoweit, als das SG. den Beklagten zu Leistungen über diesen Zeitpunkt hinaus verurteilt habe, auch das SG. habe das Ende der Versorgung mit der Vollendung der Berufsausbildung bzw. des 24. Lebensjahres festgesetzt; wenn der Beklagte rüge, daß er vom SG. zu einer Leistung verurteilt worden sei, die nach dem Gesetz im Ermessen des Beklagten liege, so beanstande er nicht einen Mangel im Verfahren des SG., sondern nur in dem Inhalt des Urteils, die Berufung sei daher auch nicht nach § 150 Nr. 2 SGG statthaft. Das Urteil wurde dem Beklagten am 31. Oktober 1955 zugestellt.

Am 29. November 1955 legte der Beklagte Revision ein; gleichzeitig begründete er sie: Das Urteil des LSG. leide an einem wesentlichen Mangel des Verfahrens, das LSG. habe zu Unrecht die Berufung als unzulässig angesehen, um das "Ende" der Versorgung im Sinne von § 148 Nr. 2 SGG handele es sich nicht, wenn zwar Rente nur für einen nach Anfang und Ende bestimmten Zeitraum beantragt sei, der Versorgungsträger aber Rente für diesen Zeitraum überhaupt nicht gewähren wolle; das LSG. habe auch zu Unrecht den mit der Berufung vom Beklagten gerügten Mangel des Verfahrens des SG. verneint; der Beklagte beantragte,

das Urteil des LSG. vom 7. Oktober 1955 aufzuheben und die Sache an das LSG. zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragte,

die Revision als unzulässig zu verwerfen.

II.

1. Die Revision ist frist- und formgerecht eingelegt; sie ist nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG auch statthaft. Der Beklagte hat mit Recht gerügt, das Urteil des LSG. leide an einem wesentlichen Mangel des Verfahrens.

Das LSG. hat die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen, weil es davon ausgegangen ist, das Urteil des SG. betreffe das Ende der Versorgung des Klägers (§ 148 Nr. 2 SGG). Dies trifft jedoch nicht zu. Der Beklagte hat dem Kläger durch den Bescheid vom 6. Juli 1953 Waisenrente bewilligt. Dieser Bescheid ist ein den Kläger begünstigender Verwaltungsakt (VA.) mit Dauerwirkung gewesen, der Beklagte hat aber die "Dauer" der Waisenrente von vornherein in diesem Bescheid bis 30. November 1953 befristet, die Wirkung des Bescheids ist mit diesem Zeitpunkt beendet gewesen; das "Ende der Versorgung", das im Bescheid vom 6. Juli 1953 bestimmt worden ist, ist nicht im Streit gewesen, das Urteil des SG. betrifft also nicht diesen Bescheid und damit auch nicht das "Ende der Versorgung" im Sinne von § 148 Nr. 2 SGG. Das Urteil des SG. betrifft vielmehr allein den Bescheid vom 3. November 1953; in diesem Bescheid ist über einen neuen Sachverhalt, nämlich darüber entschieden worden, ob der Kläger auf Grund seines Antrags vom 12. August 1953 für die Zeit nach dem 30. November 1953 Waisenrente zu beanspruchen hat. Der Beklagte hat für diese Zeit den Anspruch des Klägers dem Grunde nach verneint, er ist der Auffassung gewesen, die Voraussetzungen, unter denen er nach § 45 Abs. 3 Satz 2 BVG die Waisenrente auch für die Zeit, in der der Kläger die Landwirtschaftsschule besuche, gewähren könne, seien nicht gegeben; auch insoweit ist zwar - wie bei jeder Entscheidung über einen Versorgungsanspruch - über den Beginn und das Ende dieser Versorgung zu entscheiden gewesen, weil alle wiederkehrenden Leistungen zeitlich begrenzt sind. Wie aber das Bundessozialgericht (BSG.) bereits entschieden hat (BSG. 3 S. 217 ff. [222]), kann diese buchstäbliche Auslegung des § 148 Nr. 2 SGG den wirklichen Sinn dieser Bestimmung nicht treffen; die Zulässigkeit der Berufung soll durch § 148 Nr. 2 SGG nur in den Fällen eingeschränkt werden, in denen der Versorgungsanspruch "an sich" nicht streitig ist, sondern nur der Beginn oder das Ende des unstreitigen Anspruchs. Im vorliegenden Fall hat das SG. darüber entscheiden müssen, ob der Beklagte vom 1. Dezember 1953 an dem Kläger Waisenrente zu gewähren hat, diesen Anspruch hat der Beklagte bestritten, es hat sich also nicht nur um den Beginn oder das Ende eines unstreitigen Versorgungsanspruchs gehandelt. Die Statthaftigkeit der Berufung ist nicht durch § 148 Nr. 2 SGG ausgeschlossen gewesen, das LSG. hat die Berufung - die form- und fristgerecht eingelegt worden ist - nicht als unzulässig verwerfen dürfen, sondern es hat eine Sachentscheidung treffen müssen. Das LSG. hat sonach § 158 Abs. 1 SGG unrichtig angewandt. Die Revision ist deshalb zulässig.

2. Die Revision ist auch begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf dem gerügten Mangel in dem Verfahren des LSG.; es ist deshalb aufzuheben. Da die Sache entscheidungsreif ist, kann der Senat über die Berufung des Beklagten selbst entscheiden.

Der Kläger hat am 25. Juli 1953 das 18. Lebensjahr vollendet. In dem Bescheid vom 6. Juli 1953 ist die Waisengrundrente auch über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus noch bis zum 30. November 1953 bewilligt worden; den Antrag des Klägers vom 12. August 1953, ihm "Waisenrente" - also Grundrente und gegebenenfalls Ausgleichsrente - auch vom 1. Dezember 1953 an zu gewähren, hat der Beklagte zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe die Ausbildung in der Landwirtschaftsschule erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres begonnen, § 45 Abs. 3 Satz 2 BVG verlange aber, daß die Schulausbildung vor dem 18. Lebensjahr begonnen worden sei. Dabei hat der Beklagte verkannt, daß die Ausbildung in der Landwirtschaftsschule nur ein Teil der Berufsausbildung des Klägers ist; dies ergibt sich aus der Bestätigung der Land- und Forstwirtschaftskammer Hessen-Nassau und aus den Darlegungen des Klägers über das Ziel seiner beruflichen Ausbildung, gegen die der Beklagte Einwände nicht erhoben hat; die Berufsausbildung des Klägers besteht aus der praktischen Ausbildung durch die Lehre und aus dem Schulbesuch, ohne den der Kläger sein Berufsziel nicht erreichen kann, es handelt sich nicht etwa um zwei voneinander zu trennende Ausbildungsmöglichkeiten. Diese Berufsausbildung hat der Kläger aber schon vor Vollendung seines 18. Lebensjahres begonnen gehabt; sie ist auch bei Vollendung des 18. Lebensjahres noch nicht beendet gewesen; der Beklagte hat dies selbst dadurch anerkannt, daß er dem Kläger die Waisenrente für die Dauer der praktischen Lehre in dem Bescheid vom 6. Juli 1953 auch noch über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus gewährt hat; für den an die Lehrzeit unmittelbar anschließenden Schulbesuch ist der Sachverhalt nicht anders zu beurteilen.

Nach § 45 Abs. 3 Satz 2 BVG "kann" Waisenrente bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres gewährt werden, wenn die Schul- oder Berufsausbildung bei Vollendung des 18. Lebensjahres noch nicht beendet ist; die Versorgungsverwaltung ist insoweit ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln. In solchen Fällen dürfen die Gerichte, auch wenn sie den ablehnenden Bescheid nicht für begründet halten, die Verwaltung in der Regel nicht zur Leistung verurteilen; sie dürfen nicht ihr eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Verwaltung setzen (BSG. 2 S. 142 ff. [148, 149]; S. 277 ff. [283]; 4 S. 140 ff. [146, 147]). Liegt allerdings der Sachverhalt so, daß bei richtiger Ausübung des Ermessens nur eine Entscheidung möglich ist und jede andere Entscheidung einen Ermessensfehler im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG enthält, für die Anwendung des Verwaltungsermessens in einem anderen Sinne also überhaupt kein Raum ist, dann ist es möglich, die strittige "Kann-Leistung" zuzuerkennen (BSG. 2 S. 149; 5 S. 238 ff. [245]; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 248 g mit weiteren Hinweisen). So ist es hier; der Beklagte darf, wenn er sein Ermessen pflichtgemäß handhabt, die Waisengrundrente für die Dauer des Schulbesuchs und bis zur Vollendung der begonnenen Berufsausbildung nicht ablehnen; er hat nicht dargetan, daß er in anderen Fällen, in denen es sich um eine Berufsausbildung über das vollendete 18. Lebensjahr hinaus gehandelt hat, die Waisengrundrente im Rahmen seines Ermessens verweigert habe; er hat dem Kläger auch für die Zeit, für die er eine Berufsausbildung im Sinne des BVG angenommen hat, über das 18. Lebensjahr hinaus Waisenrente gezahlt. Im Ergebnis hat daher das SG. den Anspruch des Klägers auf Waisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus mit Recht für begründet erachtet.

Klarzustellen ist indes der Tenor des Urteils des SG. Der Kläger hat nicht eine Leistung im Sinne von § 54 Abs. 4 SGG begehrt, er hat nicht "neben der Aufhebung des VA. gleichzeitig die Leistung verlangt"; er hat im Verfahren vor dem SG. beantragt, den Bescheid vom 4. November 1953 aufzuheben und ihm "Waisenrente nach Maßgabe des Gesetzes zu gewähren". An die "Fassung" der Anträge sind die Sozialgerichte nicht gebunden (§ 123 SGG); wie im Zivilprozeßrecht, so ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren der Sinn undeutlicher Anträge durch Auslegung klarzustellen (Stein-Jonas, ZPO, 18. Aufl., Anm. III 2 a zu § 253 ZPO). Bei sachgemäßer Auslegung muß der Antrag des Klägers in seinem Interesse dahin verstanden werden, daß er eine Aufhebungsklage in Verbindung mit einer Verpflichtungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 SGG erhoben hat; um eine Aufhebungsklage in Verbindung mit einer Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 4 SGG kann es sich im vorliegenden Fall schon deshalb nicht handeln, weil der Kläger die begehrte Leistung der Höhe nach nicht beziffert hat und weil sein Begehren nicht auf eine "Leistung" gerichtet ist, "auf die ein Rechtsanspruch besteht" (BSG. 5 S. 60 ff. [63]; Haueisen, NJW. 1957 S. 1658; Buchwitz in "Arbeit, Beruf und Arbeitslosenhilfe" 1957 S. 286 unter II; auch Dithmar, NJW. 1958 S. 168 f. geht davon aus, daß die Leistungsklage des § 54 Abs. 4 SGG einen ziffernmäßig bestimmten Antrag voraussetzt). Das SG. hat deshalb den Beklagten nicht zur "Zahlung von Waisenrente in gesetzlicher Höhe bis zur Vollendung der Berufsausbildung bzw. des 24. Lebensjahres" verurteilen dürfen, vielmehr hat es ihn zur Erteilung eines Bescheids über die Bewilligung der Waisenrente vom 1. Dezember 1953 an verurteilen müssen; § 131 Abs. 2 SGG ist in dem Fall, in dem sich die Aufhebungs- und Verpflichtungsklage nicht gegen einen "abgelehnten Verwaltungsakt", sondern gegen einen ablehnenden Verwaltungsakt richtet, entsprechend anzuwenden. Die prozeßrechtlichen Gesichtspunkte, die dem § 131 Abs. 2 SGG zugrunde liegen, treffen im sozialgerichtlichen Verfahren wie in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. §§ 79 Abs. 3 VGG, 75 Abs. 3 MRVO 165 und 114 Abs. 4 des Entwurfs der bundeseinheitlichen VGO, Drucksache 55, 3. Wahlperiode) auf beide Falle zu; der Begriff "abgelehnter Verwaltungsakt" ist im SGG nicht immer im gleichen Sinne gebraucht (vgl. Hauck, NJW. 1958 S. 327 ff.); jede Vorschrift, die diesen Begriff verwendet, ist für sich zu beurteilen.

Das Urteil des SG. ist deshalb nicht aufzuheben, es ist nur der Tenor des Urteils anders zu fassen. Der Beklagte ist zu verurteilen, dem Kläger über die Gewährung von Waisenrente vom 1. Dezember 1953 an (bis 30. November 1953 ist die Rente bereits durch den Bescheid vom 6. Juli 1953 bewilligt) einen Bescheid zu erteilen; dabei ist der Beklagte, ebenso wie dies für den Fall der Verurteilung zum Erlaß eines unterlassenen VA. in § 131 Abs. 3 SGG vorgesehen ist, an die Rechtsauffassung des Senats gebunden (vgl. hierzu BSG. 3 S. 180 ff. [191]); mit dieser Maßgabe ist die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG. zurückzuweisen. Der Beklagte wird bei Erlaß des neuen Bescheids noch zu prüfen haben, wieweit beim Kläger für die Zeit vom 1. Dezember 1953 an die Voraussetzungen nicht nur für die Grundrente, sondern auch für die Waisenausgleichsrente gegeben sind.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2340677

BSGE, 46

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