Entscheidungsstichwort (Thema)
Einarbeitungszuschuß, Ermessen. Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung. Dienstanweisung
Leitsatz (amtlich)
- Arbeitslosigkeit des Einzuarbeitenden vor Beginn der Einarbeitung als Rechtsvoraussetzung für die Gewährung eines Einarbeitungszuschusses beinhaltet nicht das Erfordernis der vorherigen Arbeitslosmeldung.
- Die Bundesanstalt für Arbeit ist nicht berechtigt, durch Dienstanweisung die Gewährung eines Einarbeitungszuschusses von der Arbeitslosmeldung des Einzuarbeitenden abhängig zu machen.
- § 101 AFG enthält eine Legaldefinition des Begriffs der Arbeitslosigkeit, die nicht nur für die Anspruchsvoraussetzungen des Arbeitslosengeldes gilt.
Normenkette
AFG § 49 Abs. 1 Fassung: 1984-04-13, § 101; AFuU 1976 § 19 Fassung: 1989-02-28
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 23. April 1992 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung der Beklagten, ihm für den Zeitraum vom 1. Dezember 1989 bis 30. November 1990 einen Einarbeitungszuschuß zu gewähren.
Ab Dezember 1989 beschäftigte der Kläger die am 21. Oktober 1951 geborene Marianne T.… (M.T.) halbtags (20 Wochenstunden) als Rechtsanwaltsgehilfin. M.T. ist ausgebildete Bürokauffrau (Abschlußprüfung am 16. Dezember 1974). Bis 9. Dezember 1976 war sie als Sekretärin berufstätig, bevor sie wegen Betreuung und Erziehung zweier Kinder vorläufig aus dem Berufsleben ausschied. Als sie im Herbst 1989 wieder eine Arbeit aufnehmen wollte, fand sie, ohne sich zuvor arbeitslos gemeldet zu haben, die Teilzeitbeschäftigung beim Kläger (monatliche Bruttovergütung in den Jahren 1989 und 1990: 1.100,-- DM).
Am 17. November 1989 beantragte der Kläger für eine Einarbeitung von M.T. einen Einarbeitungszuschuß. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) wurde dieser Antrag am 1. Dezember 1989 durch Überreichung eines Einarbeitungsplans ergänzt. Die Beklagte lehnte die Gewährung eines Einarbeitungszuschusses ab, weil M.T. nicht arbeitslos gemeldet gewesen sei (Bescheid vom 5. Februar 1990; Widerspruchsbescheid vom 10. April 1990).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. Mai 1991). Das LSG hat das Urteil des SG sowie den Bescheid der Beklagten idF des Widerspruchsbescheides aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Antrag des Klägers auf Gewährung eines Einarbeitungszuschusses neu zu bescheiden (Urteil vom 23. April 1992). Es hat ausgeführt, die Voraussetzungen des § 49 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) lägen vor. M.T. habe nach 13jähriger Tätigkeit als Hausfrau und Mutter in das Erwerbsleben zurückkehren wollen und sei, da sie nicht in einem Beschäftigungsverhältnis (§ 101 AFG) gestanden habe, arbeitslos gewesen. Weil sie trotz einiger Kenntnisse über Bürotätigkeiten nicht imstande gewesen sei, sofort alle Aufgaben einer Rechtsanwaltsgehilfin wahrzunehmen und in dieser für sie neuen Tätigkeit im ersten Jahr die volle Leistung zu erbringen, habe sie eingearbeitet werden müssen. Mit der einjährigen Einarbeitung “entsprechend dem Einarbeitungsplan” hätten ihr qualifizierende berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten “vermittelt werden sollen”, die zu einer Verbesserung ihrer beruflichen Mobilität geführt hätten (§ 19 der Anordnung des Verwaltungsrates der Beklagten über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung ≪AFuU≫). Nicht zu den Förderungsvoraussetzungen gehöre die von der Beklagten geforderte Arbeitslosmeldung vor Aufnahme der Tätigkeit.
Mit der Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 49 AFG. Sie ist der Ansicht, die Voraussetzungen für die Bewilligung eines Einarbeitungszuschusses lägen erst vor, wenn sich der einzuarbeitende Arbeitnehmer beim Arbeitsamt (ArbA) arbeitslos gemeldet habe. § 49 Abs 1 Satz 1 AFG, der die Gewährung eines Einarbeitungszuschusses davon abhängig mache, daß der Arbeitnehmer vor Beginn der Einarbeitung arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedroht sei (Nrn 1 und 2), entspreche § 44 Abs 2 Satz 2 Nrn 1 und 2 AFG. Zu dieser Vorschrift ordne § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFuU bei Arbeitslosigkeit eine Arbeitslosmeldung an. Nachdem der Gesetzgeber durch den Hinweis in § 49 Abs 1 Satz 1 Nr 2 2. Halbs AFG auf § 44 Abs 2 Satz 3 AFG deutlich gemacht habe, daß die Begriffe “arbeitslos” und “von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedroht” in beiden Vorschriften denselben Inhalt haben sollten, sei es gerechtfertigt, zur Begriffsbestimmung § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFuU auch im Zusammenhang mit § 49 Abs 1 AFG entsprechend heranzuziehen. Anderenfalls sei das Vorliegen der die Person des Arbeitnehmers betreffenden Voraussetzungen einer Förderung nicht kontrollierbar, und der Gesichtspunkt der arbeitsmarktlichen Zweckmäßigkeit des § 36 Nr 3 AFG könne nicht hinreichend geprüft werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen
das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, der Begriff der Arbeitslosigkeit in § 49 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG beinhalte nicht das Erfordernis einer Arbeitslosmeldung; § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFuU könne nicht entsprechend angewandt werden. § 49 AFG habe im übrigen ersichtlich den Fall im Auge, daß – wie hier – eine Frau nach Zeiten der Kindererziehung in das Erwerbsleben zurückkehre. Es verstehe sich von selbst, daß das Schwergewicht der Prüfung dann weniger auf der Aufklärung der möglicherweise lange zurückliegenden beruflichen Qualifikation des Arbeitnehmers als vielmehr auf der Klärung der Qualität der durchzuführenden Einarbeitung liege. Eine förmliche Arbeitslosmeldung sei deshalb nicht erforderlich.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist im Sinne der Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫); der Senat kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen in der Sache keine abschließende Entscheidung treffen.
Nach § 49 Abs 1 AFG (in der Fassung, des am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des AFG und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. Dezember 1988 – BGBl I 2343) kann die Beklagte Arbeitgebern Zuschüsse für Arbeitnehmer gewähren, die eine volle Leistung am Arbeitsplatz erst nach einer Einarbeitungszeit erreichen können, wenn die Arbeitnehmer vor Beginn der Einarbeitung arbeitslos waren oder von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedroht waren, und zwar insbesondere wenn Arbeitnehmer nach Zeiten der Kindererziehung in das Erwerbsleben zurückkehren. Dazu sieht § 19 Abs 1 Satz 1 der aufgrund der Ermächtigung des § 39 AFG erlassenen AFuU vom 23. März 1976 (ANBA S 559) (in der Fassung, der 17. Änderungsanordnung vom 28. Februar 1939 – ANBA S 471 und 473) vor, daß ein Einarbeitungszuschuß gewährt werden kann, wenn der Arbeitgeber durch eine über die übliche – in der Regel kurzfristige – Einweisung hinausgehende Maßnahme dem Arbeitnehmer im Rahmen eines Einarbeitungsplans qualifizierende berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten in einem Arbeitsverhältnis vermittelt, die zu einer Verbesserung der beruflichen Mobilität des einzuarbeitenden Arbeitnehmers führen. Die Ermächtigung des § 39 AFG erstreckt sich auch auf das Recht, zu § 49 AFG das Nähere durch Anordnung zu bestimmen (Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, Stand April 1993, § 49 RdNr 1), weil das mit den Einarbeitungszuschüssen verfolgte gesetzgeberische Ziel dem der Umschulung entspricht, so daß der Einarbeitungszuschuß eine mittelbare Leistung zur individuellen Förderung der beruflichen Bildung ist und den Prinzipien folgt, die für diese Förderung kennzeichnend sind (BSG SozR 4100 § 49 Nr 3; Hennig/Kühl/Heuer/Henke aaO).
Aus dem Wort “kann” in §§ 49 AFG, 19 AFuU folgt, daß die Gewährung der Einarbeitungszuschüsse in das Ermessen der Beklagten gestellt ist (BSG SozR 4100 § 49 Nrn 2 und 3; SozR 3-4100 § 49 Nr 1). Der Kläger hat somit grundsätzlich keinen Anspruch auf den Einarbeitungszuschuß, sondern allenfalls auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (§ 39 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – ≪SGB I≫). Hat die Verwaltung einem solchen Anspruch nicht genügt, weil sie ihr Ermessen nicht oder fehlerhaft ausgeübt hat, so ist sie verpflichtet, die Ermessensentscheidung nachzuholen. Dies ist allerdings nur der Fall, wenn überhaupt Ermessen auszuüben ist, also zunächst alle Rechtsvoraussetzungen für eine derartige Entscheidung vorliegen; nur dann kann die Ablehnung der begehrten Leistung den Staatsbürger in seinem Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung verletzen (BSG SozR 4100 § 49 Nr 3), weil sich die ablehnende Entscheidung ansonsten aus anderen Gründen als rechtmäßig darstellt.
Ob dies der Fall ist, vermag der Senat nicht zu entscheiden; es fehlt an Feststellungen des LSG zu außerhalb des Ermessensspielraums liegenden Rechtsvoraussetzungen, die vom Gericht in vollem Umfang überprüfbar sind. Zu Recht hat allerdings das LSG angenommen, daß die Beklagte die Gewährung eines Einarbeitungszuschusses nicht mit der Begründung hätte ablehnen dürfen, die Leistung könne mangels vorausgehender Arbeitslosmeldung der M.T. nicht gewährt werden. Mit dieser Begründung hat die Beklagte unter unzulässiger Modifizierung der gesetzlichen Regelung eine gebundene Ablehnungsentscheidung getroffen.
§ 49 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG verlangt schon nach seinem eindeutigen Wortlaut keine Arbeitslosmeldung des Einzuarbeitenden; gefordert ist lediglich Arbeitslosigkeit. Dieser Begriff ist iS einer Legaldefinition, die nicht nur für die Anspruchsvoraussetzungen des Arbeitslosengeldes gilt, in § 101 AFG erläutert (BSG SozR 4100 § 168 Nr 22; im Ergebnis auch BSG SozR 4100 § 44 Nr 33; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, aaO, § 101 Anm 2). M.T. war, da sie unmittelbar vor Beginn der Einarbeitung vorübergehend (faktisch) nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand (vgl hierzu BSGE 41, 229 ff = SozR 4100 § 101 Nr 1; BSGE 42, 76 ff = SozR 4100 § 101 Nr 2; BSGE 67, 269, 271 = SozR 3-4100 § 103 Nr 2) und sogar zur Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit bereit war, arbeitslos iS des § 101 AFG wie des § 49 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG. Es kann deshalb offenbleiben, ob eine derartige allgemeine Beschäftigungsbereitschaft überhaupt Voraussetzung für die Annahme von Arbeitslosigkeit ist.
Daß eine zusätzliche Arbeitslosmeldung nicht vorgeschrieben ist, bestätigen systematische Erwägungen. Wenn einerseits der Gesetzgeber in anderen Vorschriften, wie etwa den §§ 93, 97, 100 AFG, für die Gewährung von Leistungen neben der Voraussetzung der Arbeitslosigkeit gesondert die der Arbeitslosmeldung aufführt, so muß angenommen werden, daß dort, wo es unterblieben ist, eine Arbeitslosmeldung nicht Anspruchsvoraussetzung ist. Anderes ergibt sich nicht aus Sinn und Zweck des § 49 AFG unter Berücksichtigung seiner historischen Entwicklung. Ziel des durch das Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz ≪AFKG≫) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) ab 1. Januar 1982 geänderten § 49 Abs 1 AFG mit seiner Beschränkung des Personenkreises der förderbaren Einzuarbeitenden auf Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit Bedrohte war es, Mitnahmeeffekte bei reinen Betriebsumsetzungen zu verhindern. Die Arbeitgeber beantragten nämlich in großem Umfang Einarbeitungszuschuß für solche Arbeitnehmer, die bereits dem Betrieb angehörten, aber infolge von innerbetrieblichen Umstrukturierungen umgesetzt werden mußten. Dabei mußte bei der Mehrzahl der Beschäftigten davon ausgegangen werden, daß sie von ihrem jeweiligen Arbeitgeber auch ohne den Einarbeitungszuschuß umgesetzt und auf ihrem neuen Arbeitsplatz angelernt würden. Deshalb sollte die Leistung nur gewährt werden, wenn der Einzuarbeitende arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedroht war (BT-Drucks 9/846 S 39 zu Art 1 § 1 Nr 12). Dieser Zielsetzung genügt die faktische Beschäftigungslosigkeit wie bei M.T.; einer vorausgehenden und zusätzlichen Arbeitslosmeldung bedarf es nicht (Hennig/Kühl/Heuer/Henke, aaO, § 49 RdNr 22; vgl auch BSG SozR 4100 § 44 Nr 33 und Gagel, AFG, Stand November 1992, § 44 RdNr 34).
Anders als bei Einführung des Tatbestandsmerkmals der Arbeitslosigkeit in § 44 Abs 2 AFG durch das Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des AFG und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG-AFG) mit Wirkung ab 1 Januar 1976 (vgl BT-Drucks 7/4127 S 50 zu Art 20 § 1 Nr 6 Buchst a) findet sich also in den sog “Motiven” kein Hinweis, daß der Gesetzgeber vom gegenteiligen Standpunkt ausgegangen ist. Bedeutsam ist dieser Umstand vor allem, weil bereits vor Fertigung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum AFKG (BT-Drucks 9/846 vom 28. September 1981) das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 23. Juni 1981 (SozR 4100 § 44 Nr 33) entschieden hat, daß der Begriff der Arbeitslosigkeit in § 44 Abs 2 AFG nicht die Arbeitslosmeldung umfaßt, selbst wenn der Gesetzgeber 1975 noch anderer Ansicht gewesen sein sollte Die Arbeitslosmeldung kann damit nicht als ungeschriebene Voraussetzung für die Gewährung eines Einarbeitungszuschusses angesehen werden.
Im Hinblick hierauf ist es bereits zweifelhaft, ob die Beklagte berechtigt wäre, in der AFuU als zusätzliche Anspruchsvoraussetzung die der Arbeitslosmeldung des Einzuarbeitenden zu normieren (zur vergleichbaren Problematik im Rahmen des § 44 Abs 2 AFG schon BSG SozR 4100 § 44 Nr 33); sie hat dies indes für den Einarbeitungszuschuß nicht einmal getan. § 19 AFuU enthält im Gegensatz zu § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFuU, der die Gewährung von Unterhaltsgeld betrifft, keine entsprechende Regelung; ebensowenig ist in § 19 AFuU auf § 10 AFuU verwiesen, dessen Regelung, soweit es das Erfordernis der vorausgehenden Arbeitslosmeldung des Maßnahmeteilnehmers betrifft, selbst fragwürdig ist (BSG SozR 4100 § 44 Nr 33; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, aaO, § 44 RdNr 41). Ob die nunmehr in § 25 Abs 2 AFuU vom 29. April 1993 (ANBA, Sondernummer vom 5. Mai 1993) – in Kraft seit 10. Mai 1993 – geforderte Meldung des Arbeitslosen beim ArbA vor der Einarbeitung Rechtens ist, ist in gleicher Weise zweifelhaft. Mangels Geltung der Vorschrift für den vorliegenden Fall bedarf dies jedoch keiner Entscheidung.
Schließlich kann die Beklagte eine generelle Forderung nach Arbeitslosmeldung nicht mit dem ihr zustehenden Ermessensfreiraum rechtfertigen (aA im Ergebnis, aber ohne nähere Begründung Hoppe/Berlinger, Förderung der beruflichen Bildung, Stand Januar 1990, § 49 Anm 4.1), so daß der Verweisung in Nr 19.03 der Dienstanweisung der Beklagten zu § 19 AFuU in ihrem Handbuch der Arbeitsvermittlung, Arbeitsberatung und beruflichen Förderung auf die Auslegung des Begriffes “arbeitslos” unter Nr 10.12 zu § 10 AFuU keine rechtliche Außenwirkung zukommt. Eine zulässige Ermessensbindung kann auf diese Weise nicht erzeugt werden. Die Normierung der Voraussetzung einer Arbeitslosmeldung durch Dienstanweisung könnte nämlich allenfalls als rechtmäßig anzusehen sein, wenn sie sich – abgesehen von der Frage, ob sie nicht eher im Rahmen der AFuU zu treffen gewesen wäre – als Ausgestaltung des erforderlichen pflichtgemäßen Ermessens darstellen würde. Eine generalisierende Regelung in diesem Sinne hat der Gesetzgeber aber im AFG gerade nicht getroffen, so daß die allgemeine Forderung nach Arbeitslosmeldung des Einzuarbeitenden gesetzwidrig ist. Schon aus diesem Grund scheidet eine entsprechende Anwendung des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFuU aus. Ob das Verlangen nach vorheriger Arbeitslosmeldung im Rahmen der Ermessensausübung im Einzelfall gerechtfertigt sein kann, mag dahinstehen.
Daß ohne Arbeitslosmeldung die Feststellung der Beklagten erschwert ist, ob unmittelbar vor Beginn der Einarbeitung Arbeitslosigkeit (§ 101 AFG) einschließlich eines Beschäftigungswillens des Einzuarbeitenden vorlag bzw ob überhaupt die Förderung des Arbeitnehmers durch einen Einarbeitungszuschuß arbeitsmarktlich zweckmäßig ist (§ 36 Nr 3 AFG), kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht die Einführung einer generellen Pflicht zur Arbeitslosmeldung rechtfertigen. Die fehlende Beweisbarkeit einzelner die Anspruchsvoraussetzungen betreffender Tatsachen wirkt sich ohnedies nicht automatisch zu Lasten der Beklagten aus; sie kann die Leistung uU nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast versagen. Im übrigen hat die Arbeitslosmeldung vor Einarbeitung nicht zwangsläufig den von der Beklagten gewünschten Effekt, da den formalen Anforderungen bereits dann genügt wäre, wenn der Arbeitslose sich einen Tag vor Beginn der Einarbeitung arbeitslos melden würde.
Ob der Kläger jedoch einen Anspruch auf erneute Bescheidung durch die Beklagte hat, ist davon abhängig, daß nicht sonstige Umstände die Gewährung eines Einarbeitungszuschusses ausschließen. Das LSG hat lediglich festgestellt, daß die Klägerin einarbeitungsbedürftig gewesen sei, weil sie im ersten Jahr ihrer Tätigkeit nicht die volle Leistung habe erbringen können, und daß ihr qualifizierende berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden “sollten”, die zu einer Verbesserung der beruflichen Mobilität geführt hätten. Dies alles sei unstreitig und unzweifelhaft.
Es fehlt jedoch an Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen der §§ 33 ff AFG für die Förderung der beruflichen Bildung. Obwohl die Einarbeitung als solche nicht unter die Maßnahmearten des § 34 Abs 1 Satz 1 AFG (hier idF des am 1. Januar 1986 in Kraft getretenen Siebten Gesetzes zur Änderung des AFG 7. AFG-ÄndG vom 20. Dezember 1985 – BGBl I 2484) fällt, sind diese Vorschriften auf den Einarbeitungszuschuß anwendbar (vgl BSG SozR 4100 § 49 Nr 3). Zu denken ist vornehmlich an § 34 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG und § 36 Nr 3 AFG idF des insoweit am 1. August 1979 in Kraft getretenen Fünften Gesetzes zur Änderung des AFG (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189). Für § 36 Nr 3 AFG ist zu beachten, daß die Beklagte bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit einen gewissen Spielraum besitzt (BSGE 67, 228, 231 = SozR 3-4100 § 36 Nr 1; BSG SozR 4100 § 36 Nr 18; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, aaO, § 36 Anm 4.1; Gagel, aaO, § 36 RdNr 73; GK-AFG, Stand Januar 1993, § 36 RdNrn 33 ff), der sich in besonderer Weise im Zusammenwirken mit dem ihr im Rahmen des Ermessens zustehenden Freiraum auswirken kann, und zwar auch dann, wenn die Beklagte – wie hier – Überlegungen zur Zweckmäßigkeit selbst noch nicht angestellt hat. Darüber hinaus hat das LSG nicht festgestellt, ob davon auszugehen war, daß M.T. die volle Leistung am Arbeitsplatz voraussichtlich innerhalb der Förderungshöchstdauer von einem Jahr erreichen werde (vgl zu dieser Voraussetzung BSG SozR 4100 § 49 Nr 3). Zur Prüfung besteht Anlaß, weil der Einarbeitungsplan des Klägers eine Einarbeitung von 13 Monaten und eine Einarbeitung durch den Kläger selbst – trotz dessen eigener beruflichen Belastung und der zeitlichen Beschränkung durch die Halbtagstätigkeit der M.T. – vorsieht. Es wird zu klären sein, ob, wie lange, in welcher Form und durch wen die Einarbeitung vorgenommen worden ist. Die Voraussetzungen des § 36 Nr 2 AFG idF des 5. AFG-ÄndG (Eignung, Erfolgsaussicht) bedürfen ebenfalls der Feststellung. Nicht zuletzt sei darauf verwiesen, daß Einarbeitungszuschüsse nicht zu gewähren sind, soweit der Arbeitgeber im eigenen Interesse die Einarbeitung vornimmt (BSG SozR 4100 § 49 Nr 2), also der Kläger auch ohne Zuschußgewährung das Arbeitsverhältnis begründet oder fortgesetzt bzw voraussichtlich begründet oder fortgesetzt hätte, obwohl M.T. eine volle Leistung am Arbeitsplatz erst nach einer Einarbeitungszeit erreichen konnte.
Bei seiner Entscheidung wird das LSG für den Fall, daß es die Rechtsvoraussetzungen für die Gewährung eines Einarbeitungszuschusses nicht bejaht, zu berücksichtigen haben, daß über eine Eingliederungsbeihilfe nach § 54 AFG bislang nicht zu befinden ist. Dies gilt selbst unter Geltung des Grundsatzes der Meistbegünstigung (BSGE 44, 164, 166 f = SozR 4100 § 134 Nr 3; BSGE 49, 114, 115 ff = SozR 4100 § 100 Nr 5; BSG USK 80153; BSG vom 16. März 1983 – 7 RAr 12/82 – ≪unveröffentlicht≫, vom 20. September 1989 – 7 RAr 38/89 – ≪unveröffentlicht≫ und vom 11. Februar 1993 – 7 RAr 52/92 – ≪zur Veröffentlichung vorgesehen≫), der regelmäßig zur Überprüfung eines Leistungsantrags unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zwingt. Zum einen ist dem gesamten Verfahrensgang zu entnehmen, daß der Kläger nur einen Einarbeitungszuschuß begehrt, weil ihm die Leistung der Eingliederungsbeihilfe nach seinem eigenen Vortrag bekannt war und er gleichwohl von einer Beantragung abgesehen hat. Zum anderen ist nicht ersichtlich, daß M.T. zu dem von § 54 AFG erfaßten Personenkreis der Arbeitslosen bzw von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedrohten Arbeitsuchenden gehört, deren Unterbringung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erschwert ist. Vielmehr geht es – bisher jedenfalls – inhaltlich um die Gewährung von Zuschüssen zwecks Berufsqualifizierung der M.T. für eine Zeit, in der M.T. nicht die volle Arbeitsleistung erbracht hat. Diese Zielrichtung wird nicht von § 54 AFG, sondern von § 49 AFG erfaßt (BSG SozR 4100 § 49 Nr 3; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, aaO, § 49 RdNr 2). Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 915591 |
BSGE, 242 |