Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegeunfall. Weg zur Arbeitsstätte. entgegengesetzte Fahrtrichtung. unfallbedingte Erinnerungslücke. Beweisnotstand
Orientierungssatz
1. Unfallbedingte Erinnerungslücken können einen Verletzten daran hindern, bei der Aufklärung der entscheidungserheblichen Tatsachen mitzuwirken. Das haben der Unfallversicherungsträger und die Tatsachengerichte dann dadurch angemessen zu berücksichtigen (vgl BSG vom 27.3.1990 - 2 RU 45/89 = HV-INFO 1990, 1181), daß sie um so mehr alle Anhaltspunkte aufklären, die geeignet sein können, wenigstens mittelbare Hinweise auf die unerforschten Tatsachen zu geben.
2. Die Entscheidung nach der Beweislast darf erst dann getroffen werden, wenn alle Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts erschöpft sind, ohne daß es gelungen ist, die bestehenden Ungewißheiten zu beseitigen (vgl BSG vom 28.6.1984 - 2 RU 54/83 = HV-INFO 1984, Nr 15, 40). Ebenso setzt eine Entscheidung aufgrund der objektiven Beweislast voraus, daß eine umfassende und eingehende Beweiswürdigung die Ungewißheit nicht beseitigt hat. Eine eingehende Beweiswürdigung ist wiederum nur dann möglich, wenn der Sachverhalt so vollständig wie möglich aufgeklärt wurde.
3. Liegt trotz Ausschöpfung aller Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts ein Nachweis dafür, daß der Unfall bei einer versicherten Tätigkeit geschehen ist, nicht vor, sind bei einer unfallbedingten Erinnerungslücke des Verletzten die Grundsätze zum Beweisnotstand zu berücksichtigen. Danach kann eine Beweiserleichterung dergestalt gewährt werden, daß an die Bildung der richterlichen Überzeugung weniger hohe Anforderungen gestellt werden (vgl BSG vom 29.9.1965 - 2 RU 61/60 = BSGE 24, 25, 28f). Das bedeutet praktisch, daß das Tatsachengericht schon auf Grund weniger tatsächlicher Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf überzeugt sein kann.
Normenkette
RVO § 550 Abs 1
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 27.09.1989; Aktenzeichen L 3 U 75/89) |
SG Trier (Entscheidung vom 27.04.1989; Aktenzeichen S 4 U 169/88) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Entschädigung eines Autounfalls des Klägers als Arbeitsunfall.
Der Kläger, türkischer Staatsangehöriger, war bei der Firma D in B ca 24 km von seinem Wohnort H entfernt als Arbeiter beschäftigt. Am Unfalltag, dem 22. Januar 1988, war er für die um 19.00 Uhr beginnende Schicht eingeteilt. Gegen 18.10 Uhr stieß er mit seinem Pkw frontal mit dem in Richtung B fahrenden VW-Bus des G M (M) ca 5 km vor B zusammen. Die Fahrbahn war zum Unfallzeitpunkt mit Schneematsch bedeckt, äußerst glatt und es herrschte Sturm und starkes Schneetreiben. Der Kläger erlitt bei dem Unfall eine Gehirnerschütterung, ein schweres Thoraxtrauma, eine Nasenbeinfraktur sowie eine traumatische Herzwandschädigung und war mehrere Tage bewußtlos. Nach dem Unfall gab der Kläger am 20. Februar und 11. Juli 1988 an, er habe den Unfall auf dem Weg zur Arbeit nach B erlitten.
Die Beklagte lehnte eine Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil der Kläger sich zur Zeit des Unfalls in der dem Weg zur Arbeitsstätte entgegengesetzten Fahrtrichtung befunden habe und daher der versicherungsrechtlich notwendige Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der unfallbringenden Fahrt nicht hergestellt werden könne (Bescheid vom 20. September 1988).
Das Sozialgericht (SG) Trier hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger aufgrund des Arbeitsunfalls vom 22. Januar 1988 Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren: Erklärbar sei das Ereignis nur so, daß der Kläger infolge der Straßenglätte ins Schleudern geraten sei, sich auf der Fahrbahn mit seinem Fahrzeug gedreht habe und dann ohne es zu merken in die entgegengesetzte Richtung gefahren sei (Urteil vom 27. April 1989). Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz dagegen hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 27. September 1989): Es könne nicht mit der für den Versicherungsschutz erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, daß eine versicherte Tätigkeit vorgelegen habe, als es zu dem Unfall gekommen sei, da Beweise für den vom SG angenommenen Ablauf fehlten. Die Angaben des Klägers müßten schon wegen des von mehreren Ärzten mitgeteilten Erinnerungsverlustes außer Betracht bleiben. Danach stelle sich der vom SG angenommene Geschehensablauf lediglich als möglich dar, da eine Reihe weiterer Gründe denkbar seien, warum sich der Kläger auf dem Weg zur Arbeit plötzlich zur Änderung der Fahrtrichtung entschlossen habe. So könne er zB einen privaten Gegenstand oder eine private Erledigung vergessen haben. Persönliche Gründe innerhalb und außerhalb der Familie kämen ebenfalls in Betracht. Auch könne er plötzlich eine Unlust zur Arbeit verspürt haben. In allen diesen Fällen wäre die Rückfahrt nicht mehr versichert gewesen. Da weitere Ermittlungen, insbesondere wegen der Erinnerungslücke des Klägers, aussichtslos seien, müsse der Grund für die Fahrtrichtungsänderung offen bleiben. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast gereiche dies dem Kläger zum Nachteil.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie der §§ 580, 581, 548 und 550 Reichsversicherungsordnung (RVO). Das LSG hätte, insbesondere im Hinblick auf den Beweisnotstand, im Rahmen der Beweiswürdigung nicht auf die Bewertung seiner Aussage verzichten dürfen. So habe er nach Wiedererlangen des Bewußtseins wiederholt ausgesagt, zur Zeit des Unfalls in Richtung Arbeitsstätte unterwegs gewesen zu sein. Dieses beharrliche Festhalten an einem objektiv unzutreffenden Sachverhalt spreche dafür, daß ihm aufgrund der besonderen Witterungsverhältnisse die Kehrtwendung während der Fahrt nicht bewußt geworden sei. Davon sei auch das SG überzeugt gewesen. Da die vom LSG aufgeführten - unversicherten - Möglichkeiten aufgrund der Nähe zum Arbeitsplatz und des schlechten Wetters vernünftigerweise ausgeschlossen werden müßten, sei ein anderer als der vom SG zugrundegelegte Ablauf nicht in Betracht zu ziehen. Damit stelle das Unfallereignis einen entschädigungspflichtigen Wegeunfall dar. Darüber hinaus habe das LSG es unterlassen, dem durch die Eigentümlichkeiten der zum Unfallzeitpunkt vorherrschenden extremen Witterungsverhältnisse und seinem durch den Bewußtseinsverlust bedingten Beweisnotstand dadurch Rechnung zu tragen, daß an den Beweis der anspruchsbegründenden Tatsache der versicherten Tätigkeit weniger hohe Anforderungen zu stellen seien, als dies sonst der Fall wäre.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat insofern Erfolg, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist. Für die Entscheidung, ob der Kläger im inneren Zusammenhang mit seinem Weg zum Ort der Tätigkeit verunglückt ist, fehlt es an weiteren Tatsachenfeststellungen.
Die Ansprüche des Klägers auf Leistungen der Beklagten sind davon abhängig, ob er am 22. Januar 1988 einen Arbeitsunfall erlitt, als er mit dem Fahrzeug des M zusammenstieß. Nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in §§ 539, 540 und §§ 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Als Arbeitsunfall gilt auch ein Unfall auf einem mit dieser Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 550 Abs 1 RVO). Dazu ist in der Regel erforderlich, daß das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet, einerseits zur versicherten Tätigkeit zu rechnen ist, und daß diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muß also eine sachliche Verbindung mit der Betriebstätigkeit bestehen, der sogenannte innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Fehlt es an einem solchen inneren Zusammenhang, scheidet ein Versicherungsschutz selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf derselben Strecke ereignet, die der Versicherte auf dem Weg zu und von der Arbeit sonst gewöhnlich benutzt (ua BSG SozR 2200 § 550 Nrn 60 und 62; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl S 486d). Der innere Zusammenhang ist gegeben, wenn der Weg, den der Kläger zurückgelegt hat, wesentlich dazu diente, die versicherte Tätigkeit aufzunehmen (BSGE 58, 76, 77). Wer den inneren Zusammenhang zwischen dem zum Unfall führenden Verhalten und der Betriebstätigkeit feststellt, ermittelt die Grenze, bis zu welcher der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung reicht, dh er entscheidet wertend, ob das Handeln des Versicherten zur versicherten Tätigkeit - oder hier: zum Weg zur Arbeitsstätte - gehört (BSGE 58 aaO). Bei einer - hier vom LSG in Betracht gezogenen - Unterbrechung des Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit besteht grundsätzlich kein Versicherungsschutz, wenn sie wesentlich allein dem privaten Bereich zuzurechnen ist und sogenannten eigenwirtschaftlichen Zwecken dient. Für die tatsächlichen Grundlagen der Wertentscheidung über das Vorliegen des inneren Zusammenhangs ist grundsätzlich der volle Nachweis zu erbringen; dh es muß bei vernünftiger Abwägung des Ergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen versicherter Tätigkeit als erbracht angesehen werden können (BSGE 58, 80, 83), es muß also sicher feststehen, daß eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSGE 61, 127, 128). Ob der Kläger sich bei seiner Fahrt noch im inneren Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit befand, als es zu dem Unfall kam, oder ob sie zu diesem Zeitpunkt dem privaten und damit unversicherten Bereich zuzuordnen ist, läßt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG nicht entscheiden.
Allerdings ist das LSG davon ausgegangen, daß der Kläger zunächst auf dem Weg zur Arbeit war, als er gegen 17.50 Uhr sein Haus verließ und in Richtung B fuhr, um dort um 19.00 Uhr mit seiner Schicht zu beginnen. Zu Beginn des Weges bestand demnach noch ein innerer Zusammenhang zur Betriebstätigkeit und damit Versicherungsschutz. Weiterhin hat das LSG festgestellt, daß der Pkw des Klägers sich auf der Gegenfahrbahn in Fahrtrichtung H , also in der dem Weg zur Arbeit entgegengesetzten Richtung befand, als es zu dem Unfall kam. Insoweit werden die Feststellungen von den Beteiligten nicht angegriffen, so daß der Senat daran gebunden ist (§ 163 SGG). Ermittlungen zur Feststellung, wie es zu dem Unfall gekommen ist, hat das LSG, insbesondere wegen der Erinnerungslücke des Klägers, für aussichtslos angesehen und unterlassen. Es hat vielmehr neben dem vom SG zugrunde gelegten Ablauf weitere "denkbare" Möglichkeiten aufgezeigt, wie es aufgrund nicht zur versicherten Tätigkeit zu rechnender Ursachen zu der Fahrtrichtungsänderung mit anschließender unversicherter Weiterfahrt gekommen sein könnte. Da diese Möglichkeiten nach Auffassung des LSG "in vernünftiger Weise" nicht auszuschließen waren, hat es den Grund für die Fahrtrichtungsänderung offen gelassen und nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast mangels Nachweises einer versicherten Tätigkeit Entschädigungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte abgelehnt. Diese Begründung des angefochtenen Urteils hält der Nachprüfung im Revisionsverfahren nicht stand, weil der entscheidungserhebliche Sachverhalt insoweit noch nicht endgültig aufgeklärt ist.
Unfallbedingte Erinnerungslücken können einen Verletzten daran hindern, bei der Aufklärung der entscheidungserheblichen Tatsachen mitzuwirken. Das haben der Unfallversicherungsträger und die Tatsachengerichte dann dadurch angemessen zu berücksichtigen (vgl BSG, Urteil vom 27. 3. 1990 - 2 RU 45/89 -), daß sie um so mehr alle Anhaltspunkte aufklären, die geeignet sein können, wenigstens mittelbare Hinweise auf die unerforschten Tatsachen zu geben. Dazu ist aber vorab zu klären, ob und in welchem Umfang bei dem Kläger eine unfallbedingte Erinnerungslücke besteht.
Der vorliegende Sachverhalt, wie er sich nach den bisherigen Feststellungen des LSG darstellt, ist dadurch gekennzeichnet, daß der genaue Unfallverlauf ungeklärt ist und damit naturgemäß zunächst mehrere theoretische Möglichkeiten offenstehen. Führten alle denkbaren Unfallverläufe und -zusammenhänge zu dem Ergebnis, daß Versicherungsschutz zu bejahen ist, bedürfte es keiner bis ins einzelne gehenden Sachaufklärung; denn dann wäre nach den auch im Unfallrecht geltenden Regeln der sogenannten Wahlfeststellung Versicherungsschutz zu bejahen (BSG SozR 2200 § 548 Nr 80). Bleiben jedoch - wie hier - zunächst mehrere Möglichkeiten offen, daß auch nicht versicherte Tätigkeiten zum Unfall geführt haben könnten, bedarf die weitere Aufklärung des Sachverhalts besonderer Anstrengungen. Dem ist das SG schon teilweise nachgekommen, indem es den Kläger persönlich zur Sache gehört hat. Im Hinblick darauf und den vom SG festgestellten Geschehensablauf ist es verfahrensfehlerhaft, ohne weitere Ermittlungen lediglich verschiedene "denkbare" Möglichkeiten privater unversicherter Ursachen in Betracht zu ziehen, den Feststellungen des SG gegenüberzustellen und dann nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast Versicherungsschutz abzulehnen. Vielmehr darf die Entscheidung nach der Beweislast erst dann getroffen werden, wenn alle Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts erschöpft sind, ohne daß es gelungen ist, die bestehenden Ungewißheiten zu beseitigen (BSGE 27, 40, 42; BSG SozR § 128 SGG Nrn 58, 60; Urteil vom 28. Juni 1984 - 2 RU 54/83 -. Ebenso setzt eine Entscheidung aufgrund der objektiven Beweislast voraus, daß eine umfassende und eingehende Beweiswürdigung die Ungewißheit nicht beseitigt hat (Krasney, BG 1967, 312). Eine eingehende Beweiswürdigung ist wiederum nur dann möglich, wenn der Sachverhalt so vollständig wie möglich aufgeklärt wurde.
Diese Grundsätze hat das LSG nicht beachtet. Es fehlen schon Ermittlungen über den gesamten zum Unfall führenden Geschehensablauf. Das LSG hält sie für "nicht möglich". Worauf das Berufungsgericht diese Überzeugung stützt, ist nicht ersichtlich. So hätte es zumindest eines Versuches bedurft, durch nähere Befragung des Unfallzeugen und einer Diskussion der am Unfallort getroffenen Feststellungen zu klären, ob der Kläger im Unfallzeitpunkt in Gegenrichtung fuhr oder ob zB sein Wagen sich nach einem Schleudervorgang lediglich in Gegenrichtung auf das entgegenkommende Fahrzeug bewegte bzw auf der Gegenfahrbahn stand. Der Zeugenvernehmung ist nicht zu entnehmen, daß der Zeuge insoweit eingehend befragt wurde. Auch hätten die besonderen Umstände des zu entscheidenden Falles für die Gesamtwürdigung durch das Gericht die Hilfe eines technischen Sachverständigen nahegelegt, ob nach den Witterungs- und Straßenverhältnissen Rückschlüsse für und gegen die Schilderungen und Annahmen des Klägers zu den zum Unfall führenden Vorgängen möglich sind.
Darüber hinaus fehlen weitere Ermittlungen darüber, ob die vom LSG als möglich genannten Ursachen überhaupt in Frage kommen. So bietet es sich an, zu der vom LSG aufgezeigten Möglichkeit, der Kläger habe plötzlich eine Unlust zur Arbeit verspürt und sei deswegen umgekehrt, den Betrieb, in dem er beschäftigt war, zu befragen, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen eine kurzfristige Absage der Arbeitsaufnahme möglich ist. In diesem Zusammenhang wird dann auch zu klären sein, ob der Kläger überhaupt schon und ggf wie oft seiner Arbeit nach kurzfristigem Entschluß ferngeblieben war. Zu den anderen vom LSG aufgezeigten Möglichkeiten, wichtige persönliche Gründe innerhalb und außerhalb der Familie hätten den Kläger zum Umkehren bewogen, fehlt die Vernehmung der Familie des Klägers dazu, insbesondere die seiner Ehefrau. Schließlich hätte sich das LSG auch gedrängt sehen müssen, den Kläger persönlich zur Sache zu hören, was ausweislich des Protokolls der dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden mündlichen Verhandlung vom 27. September 1989 nicht geschehen ist. Gerade für den Fall, daß andere Beweismittel nicht vorhanden sind, kann die Anhörung des Klägers zur weiteren Sachaufklärung dienen. Das gilt um so mehr, wenn - wie hier - gerade seine Beweggründe zur Umkehr für die Entscheidung des Rechtsstreits von entscheidender Bedeutung sind (vgl BSG Urteil vom 6. Dezember 1989 - 9 RVg 2/89 -).
Erst wenn das LSG allen aufklärbaren Tatsachen nachgegangen sein bzw sie in seine Überlegungen einbezogen haben wird, kann eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob der Nachweis für das Vorliegen einer versicherten Tätigkeit als erbracht anzusehen ist. Demgegenüber hat das LSG das Ergebnis nicht durchgeführter Beweiserhebungen vorweggenommen und gewürdigt. Sollte das LSG auch nach den weiteren Ermittlungen wiederum zu dem Ergebnis kommen, ein Nachweis dafür, daß der Unfall bei einer versicherten Tätigkeit geschehen sei, liege nicht vor, wird es gerade bei einer - nach den obigen Ausführungen noch festzustellenden - unfallbedingten Erinnerungslücke des Klägers die Grundsätze zum Beweisnotstand zu berücksichtigen haben. Danach kann eine Beweiserleichterung dergestalt gewährt werden, daß an die Bildung der richterlichen Überzeugung weniger hohe Anforderungen gestellt werden (BSGE 19, 52, 56; 24, 25, 28f; BVerwG zum Wiedergutmachungsrecht DÖV 1960, 27 mwN; Meyer-Ladewig, 3. Aufl § 118 RdNr 5; Brackmann aaO S 244m). Das bedeutet praktisch, daß das Tatsachengericht schon auf Grund weniger tatsächlicher Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf überzeugt sein kann.
Da das Revisionsgericht die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, war das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen