Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersatzanspruch der KK gegen Unfallversicherungsträger für Krankengeld Ersatzanspruch des Unfallversicherungsträgers gegen die KK für Übergangsgeld Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch Unfallversicherungsträger

 

Orientierungssatz

1. Stellt sich nachträglich heraus, daß die Arbeitsunfähigkeit nicht durch die Folgen des Arbeitsunfalls verursacht wurde, entfällt ein Ersatzanspruch der KK gegen die BG nach RVO § 1510 Abs 2 iVm der Verwaltungsvereinbarung vom 1963-06-28, soweit der Unfallversicherungsträger selbst einen Ersatzanspruch gemäß RVO § 1509a gegen den Krankenversicherungsträger hat. Es würde dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen, wenn der Unfallversicherungsträger etwas zunächst leisten müßte, was er sogleich wieder zurückfordern könnte.

2. Dem Ersatzanspruch der BG nach RVO § 1509a steht nicht entgegen, daß der die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung einleitende Arzt die Arbeitsunfähigkeit des Verletzten feststellte und die Klägerin während einer berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung nicht in den Verantwortungsbereich des behandelnden Arztes eingreifen durfte.

 

Normenkette

RVO § 1509a Fassung: 1963-04-30, § 1510 Abs. 2 Fassung: 1963-04-30, § 1504

 

Verfahrensgang

SG Regensburg (Entscheidung vom 09.01.1979; Aktenzeichen S 5 UL 122/77)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 9. Januar 1979 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Ein bei der Klägerin versicherter Nebenerwerbslandwirt erlitt am 24. April 1976 einen Arbeitsunfall (Sturz mit dem Moped). Die Beklagte gewährte berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung. Der Verletzte war bis zum 29. August 1976 arbeitsunfähig. Am 9. September 1976 begab er sich wegen starker Schmerzen im rechten Schultergelenk erneut zu dem ihn wegen der Unfallfolgen behandelnden Arzt. Dieser verordnete ihm eine krankengymnastische Nachbehandlung in Form von Unterwassermassagen. Er nahm Arbeitsunfähigkeit bis zum 19. September 1976 an. Die später gehörten nervenärztlichen und chirurgischen Sachverständigen verneinten einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und den Schmerzen im rechten Schultergelenk. Die Beklagte lehnte daraufhin ab, der Klägerin die für die Zeit vom 9. bis 19. September 1976 dem Verletzten gezahlten Geldleistungen zu ersetzen.

Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 9. Januar 1979 die Klage abgewiesen und ua ausgeführt: Der bei der Klägerin Versicherte sei vom 9. bis 19. September 1976 arbeitsunfähig gewesen. Die diese Arbeitsunfähigkeit begründende Erkrankung sei jedoch nicht Folge des Arbeitsunfalls vom 24. April 1976 gewesen. Die Klägerin hätte ihm deshalb auch ohne Auftrag des den Kläger wegen der Unfallfolgen behandelnden Arztes Krankengeld zahlen müssen.

Das SG hat die Revision im Urteil zugelassen.

Die Klägerin hat dieses Rechtsmittel mit Einwilligung der Beklagten eingelegt.

Sie trägt vor: Das Bundessozialgericht (BSG) habe in der Vergangenheit bereits mehrmals entschieden, es sei dem Unfallversicherungsträger verwehrt, die Ersatzansprüche der Krankenkassen durch retrospektive ärztliche Gutachten, die den Erklärungen des behandelnden Arztes zuwiderlaufen würden, zu Fall zu bringen. Dem stehe nicht entgegen, daß es sich in diesem Fall im Verhältnis zur Berufsgenossenschaft bei dem behandelnden Arzt nicht um einen Durchgangsarzt gehandelt habe, weil die Beklagte dem D-Arztverfahren nicht angeschlossen sei. Sie sei jedoch dem Verletzungsartenverfahren angeschlossen. Der mit der Durchführung der ambulanten berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung beauftragte Arzt habe diese am 9. September 1976 zu Lasten der Beklagten fortgesetzt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und ihrem Antrag auf Ersatz in Höhe von 578,88 DM stattzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat mit Einwilligung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

Das SG hat zu Recht entschieden, daß die Beklagte nicht zum Ersatz der von der Klägerin geltend gemachten Kosten verpflichtet ist.

Es kann dahinstehen, ob der Verletzte die krankengymnastische Behandlung vom 9. bis 19. September 1976 im Rahmen kassenärztlicher oder erneuter berufsgenossenschaftlicher Heilbehandlung erhalten hat. Für eine berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung spricht insbesondere der Nachschaubericht vom 9. September 1976. In der Unfallanzeige der Klägerin vom 10. September 1976 sind die entsprechenden vorgedruckten Rubriken jedoch nicht ausgefüllt; der Ersatzanspruch ist dort auf § 1504 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gestützt.

Stand der Verletzte vom 9. bis 19. September 1976 nicht in berufsgenossenschaftlicher Heilbehandlung, so hatte ihm die Klägerin für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit Krankengeld zu zahlen (s. § 565 RVO). Als Ausgleich für diese Vorleistungspflicht des Krankenversicherungsträgers steht ihm grundsätzlich ein Ersatzanspruch nach § 1504 RVO zu. Ist eine Krankheit die Folge eines Arbeitsunfalls, den der Träger der Unfallversicherung zu entschädigen hat, so hat dieser, wenn der Verletzte bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, dem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung die Kosten mit Ausnahme des Sterbegeldes zu erstatten, die nach Ablauf des 18. Tages nach dem Arbeitsunfall entstehen (§ 1504 Abs 1 Satz 1 RVO). Dieser Ersatzanspruch setzt somit voraus, daß die Krankheit, für welche die Kosten entstanden sind, Folge eines Arbeitsunfalls ist. Diese Voraussetzung ist jedoch für die Behandlung vom 9. bis 19. September 1976 und die während dieser Zeit bestehende Arbeitsunfähigkeit nach den tatsächlichen Feststellungen des SG nicht erfüllt, so daß ein Ersatzanspruch gemäß § 1504 Abs 1 Satz 1 RVO schon deshalb entfällt.

Während einer berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung des Verletzten vom 9. bis 19. September 1976 hätte die Klägerin das Übergangsgeld im Auftrage der Beklagten gemäß der Verwaltungsvereinbarung vom 28. Juni 1963 in der Fassung der danach vereinbarten Änderungen gezahlt und gemäß § 1510 Abs 2 RVO in Verbindung mit dieser Vereinbarung an sich einen Anspruch auf Ersatz der aufgrund dieser Verwaltungsvereinbarung erbrachten Leistungen. Bereits aus Nr I 3 Satz 2 der Verwaltungsvereinbarung vom 28. Juni 1963 folgt jedoch, daß der Unfallversicherungsträger nur den Übergangsgeldspitzbetrag zu erstatten hat, wenn sich nachträglich herausstellt, daß ein Arbeitsunfall nicht vorliegt. Gleiches hat zu gelten, wenn sich nachträglich ergibt, daß eine Gesundheitsstörung nicht Folge des Arbeitsunfalls ist. Einen Übergangsgeldspitzbetrag hat die Klägerin, wie sich aus den tatsächlichen Feststellungen des SG ergibt, nicht gezahlt. Der Unfallversicherungsträger ist jedoch nicht verpflichtet, in Höhe des Krankengeldes die aufgrund der Verwaltungsvereinbarung erbrachten Leistungen zu ersetzen und den Betrag danach wieder nach § 1509a RVO ersetzt zu verlangen. Vielmehr entfällt ein Ersatzanspruch nach § 1510 Abs 2 RVO in Verbindung mit der Verwaltungsvereinbarung vom 28. Juni 1963, soweit der Unfallversicherungsträger selbst einen Ersatzanspruch gemäß § 1509a RVO gegen den Krankenversicherungsträger hat. Es würde dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen, wenn der Unfallversicherungsträger etwas zunächst leisten müßte, was er sogleich wieder zurückfordern könnte (vgl ua BGHZ 47, 266, 269/270; Weber in: Staudinger, Kommentar zum BGB, 11. Aufl, 1961, § 242 Anm D 520; Palandt/Heinrichs, 38. Aufl, 1979, § 242 Anm 4 C c). Dies wäre hier jedoch der Fall; denn die Beklagte könnte ein von ihr dem Verletzten in der Zeit vom 9. bis 19. September 1976 gezahltes Übergangsgeld bis zur Höhe des Krankengeldes von der Klägerin ersetzt verlangen, da sich nachträglich herausgestellt hat, daß die zur Arbeitsunfähigkeit des Verletzten im September 1976 führende Erkrankung nicht Folge des Arbeitsunfalls vom 24. April 1976 war. Diesem Ersatzanspruch der Beklagten stünde nicht, wie die Klägerin meint, entgegen, daß der die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung einleitende Arzt die Arbeitsunfähigkeit des Verletzten vom 9. bis 19. September 1976 feststellte und die Klägerin während einer berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung nicht in den Verantwortungsbereich des behandelnden Arztes eingreifen durfte. Daß daran allein ein Ersatzanspruch des Unfallversicherungsträgers nach § 1509a RVO nicht scheitert, folgt bereits daraus, daß diese Vorschrift gerade die Fälle betrifft, in denen der Träger der Unfallversicherung die Heilbehandlung in eigener Verantwortung durchführt und im Rahmen seiner berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung auch die Geldleistungen zu gewähren hat. Etwas anderes ist auch nicht dem von der Klägerin angeführten Urteil des Senats vom 14. Dezember 1967 (SozR Nr 8 zu § 1509 RVO aF) zu entnehmen. Diese Entscheidung betraf vielmehr die Unzulässigkeit eines rückwirkenden Abbruches der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung und die erforderliche Überwachung der durch den Durchgangsarzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. Nach den tatsächlichen Feststellungen des SG war der Verletzte jedoch in der Zeit vom 9. bis 19. September 1976 arbeitsunfähig. Diese Arbeitsunfähigkeit beruhte, wie das SG ebenfalls festgestellt hat, nicht auf den Folgen des Arbeitsunfalls vom 24. April 1976. Unabhängig davon, daß die Sprungrevision nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden kann (s. § 161 Abs 4 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), hat die Klägerin in ihren Schriftsätzen an die Beklagte ebenso wie später im Verfahren vor dem SG nicht ausgeführt, die Entscheidung über die Arbeitsunfähigkeit vom 9. bis 19. September 1976 sei unrichtig. Der Ersatzanspruch der Beklagten stützt sich somit nicht auf eine die Entscheidung des Arztes über die Arbeitsunfähigkeit zuwiderlaufende andere Beurteilung. Die Beklagte macht lediglich, und nach den tatsächlichen Feststellungen des SG zu Recht, geltend, daß sich nachträglich herausgestellt hat, daß die Arbeitsunfähigkeit nicht durch die Folgen des Arbeitsunfalls verursacht wurde. Eine derartige, von ihrer früheren Auffassung abweichende Beurteilung des Kausalzusammenhanges zwischen der Erkrankung und dem Unfall ist jedoch einer der typischen Anwendungsfälle des § 1509a RVO. Das weitere, von der Revision zitierte Urteil des Senats vom 28. April 1977 (BG 1978, 198 = SGb 1978, 306 mit Anmerkung von Dette) betrifft ebenfalls den hier gerade nicht vorliegenden Fall, daß über das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit Streit besteht.

Eine Kostenentscheidung entfällt (s. § 193 Abs 4 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1657757

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