Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindererziehungszeit bei Erziehung im Ausland
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Anwendung des § 2a Abs 5 S 2 Nr 2 AVG (= § 1227a Abs 5 S 2 Nr 2 RVO) bei im Ausland zurückgelegten Zeiten der Kindererziehung.
Normenkette
AVG § 2a Abs 5 S 2 Nr 2; RVO § 1227a Abs 5 S 2 Nr 2; SGB 1 § 30 Abs 3; SGB 4 § 4; AVG § 28a Abs 1; AVG § 28a Abs 3; RVO § 1251a Abs 1; RVO § 1251a Abs 3; AVG § 6; RVO § 1229
Verfahrensgang
SG Kiel (Entscheidung vom 29.06.1989; Aktenzeichen S 3 An 63/88) |
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung von Kindererziehungszeiten während eines Auslandsaufenthaltes.
Die 1928 geborene Klägerin ist die Mutter des am 10. Februar 1961 geborenen Sohnes Konstantin und der am 7. April 1964 geborenen Tochter Susanne. Sie hielt sich von Mai 1961 bis September 1965 in Nigeria auf. Dorthin war sie ihrem Ehemann gefolgt, der in dieser Zeit aufgrund jeweils zeitlich befristeter Verträge mit der nigerianischen Regierung als Psychiater beschäftigt war.
Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) lehnte es ab, für das Kind Konstantin die Zeit vom 1. Mai 1961 bis 28. Februar 1962 und für das Kind Susanne die Zeit vom 1. Mai 1964 bis 30. April 1965 als Kindererziehungszeit anzuerkennen, da sich die Klägerin während dieser Zeiträume mit den Kindern im Ausland aufgehalten habe (Bescheid vom 29. März 1988). Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihr Ehemann und sie hätten, da die Tätigkeit ihres Mannes in Nigeria von vornherein zeitlich befristet gewesen sei, während des gesamten Auslandsaufenthaltes ihre Wohnung in der Bundesrepublik Deutschland beibehalten. Sie habe zudem von Mai bis August 1964 mit ihren Kindern in der Bundesrepublik gelebt, so daß ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort immer im Inland gewesen sei. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 9. Juni 1988).
Die Klägerin hat hiergegen Klage beim Sozialgericht (SG) Kiel erhoben und weiter dargelegt, sie sei ihrem Mann nach Nigeria gefolgt, um mit ihm und den Kindern zusammenzuleben. Ihr Mann, der schon seit 1957 von der Versicherungspflicht nach dem Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) befreit gewesen sei, sei für die Tätigkeit in Nigeria an seinem Arbeitsplatz in Berlin beurlaubt worden. Diese sei zudem von der Bundesregierung durch eine Zuschußzahlung zur Kranken- und Altersversicherung als für die Entwicklungshilfe wichtig anerkannt worden. Die Zeit der Auslandstätigkeit werde im Rahmen seiner Beamtenversorgung angerechnet.
Durch Urteil vom 29. Juni 1989 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin erfülle in den streitigen Zeiträumen die Voraussetzungen des § 28a Abs 1 AVG für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten vor dem 1. Januar 1986 nicht, da sie während dieser Zeit nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des AVG gehabt habe. Übe der erziehende Elternteil oder sein Ehegatte eine Beschäftigung oder Tätigkeit im Ausland aus, sei aufgrund der vielfachen tatsächlichen und rechtlichen Bindungen zum Arbeitgeber und zum Aufenthaltsort immer von einem gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland auszugehen. Daran ändere sich nichts dadurch, daß der Aufenthalt des Ehegatten der Klägerin im Ausland zeitlich befristet gewesen sei. Auch die Unterbrechung des Auslandsaufenthaltes durch - ggf längere - Heimaturlaube hebe für diese Zeit den gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland nicht auf. Die Beibehaltung des ersten Wohnsitzes im Inland spreche ebenfalls nicht für einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland; denn Hauptwohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt könnten auseinanderfallen. Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten könne auch nicht nach § 28a Abs 3 iVm § 2a Abs 5 AVG erfolgen. Danach sei zwar grundsätzlich die Anerkennung von Kindererziehungszeiten für im Ausland Beschäftigte oder Tätige und auch für Ehegatten dieser Personen möglich. Die Klägerin erfülle jedoch die Voraussetzungen des § 2a Abs 5 AVG weder in eigener noch in der Person ihres Mannes. Dieser sei auch nicht im Sinne des § 2a Abs 5 Satz 2 Nr 2 AVG versicherungsfrei gewesen. Die Vorschrift setze ua voraus, daß nur aufgrund der Befreiung von der Versicherungspflicht keine Beiträge geleistet worden seien. Habe aber - wie beim Ehegatten der Klägerin - wegen des ausländischen Beschäftigungsverhältnisses schon dem Grunde nach keine Versicherungspflicht bestanden, könne die Norm nicht angewendet werden. Es habe auch kein Fall der Ausstrahlung (§ 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - SGB IV) vorgelegen, da der Arbeitgeber des Ehemannes der Klägerin nicht ein inländischer Betrieb, sondern der nigerianische Staat gewesen sei. Die Vorschriften der §§ 28a, 2a Abs 5 AVG seien schließlich nicht verfassungswidrig. Insbesondere könne nicht von einer grundgesetzwidrigen Ungleichbehandlung ausgegangen werden, da es sachgerecht sei, daß der Gesetzgeber für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten an den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland oder an ein im Geltungsbereich des Gesetzes bestehendes Versicherungsverhältnis anknüpfe.
Die Klägerin hat die vom SG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung der §§ 28a, 2a Abs 5 AVG. Die Ablehnung der gesamten Kindererziehungszeiten für die am 7. April 1964 geborene Tochter Susanne sei schon deshalb rechtswidrig, weil sie, die Klägerin, sich von Mai bis November 1964 in Deutschland aufgehalten habe. Die Kindererziehungszeiten seien aber auch nach § 2a Abs 5 AVG zu berücksichtigen. Ihr Ehemann habe nur deshalb keine Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung geleistet, da er bereits seit 1957 von der Versicherungspflicht befreit gewesen sei. Darüber hinaus würden gem § 4 SGB IV die Vorschriften über die Versicherungspflicht auch für im Ausland bestehende Beschäftigungen oder Tätigkeiten gelten. Zwar sei das Beschäftigungsverhältnis ihres Ehemannes mit dem nigerianischen Staat abgeschlossen worden. Die Tätigkeit sei aber im Rahmen der Entwicklungshilfe durch deutsche Stellen geplant, vorbereitet und bezuschußt worden. Die vertragliche Ausgestaltung in Form eines Arbeitsvertrages mit Nigeria habe Gründe gehabt, die im politischen Bereich des Staates Nigeria gelegen hätten. § 4 SGB IV sei daher verfassungskonform dahin auszulegen, daß auch solche im Ausland ausgeübten Tätigkeiten erfaßt würden, die von Bundesministerien veranlaßt, gefördert und für sozialpolitisch erwünschenswert gehalten worden seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 29. Juni 1989 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. März 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 1988 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeiten der Erziehung des Kindes Konstantin vom 1. Mai 1961 bis 28. Februar 1962 und des Kindes Susanne vom 1. Mai 1964 bis 30. April 1965 als Kindererziehungszeiten anzuerkennen, hilfsweise, den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die in §§ 28a Abs 3, 2a Abs 5 AVG aufgestellten Voraussetzungen für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten seien nicht erfüllt. Es habe auch kein Entsendungsfall iS des § 4 SGB IV vorgelegen. Der Ehegatte der Klägerin sei während der streitigen Zeit beim nigerianischen Staat beschäftigt gewesen. § 4 SGB IV setze hingegen ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis im Inland voraus. Für eine verfassungskonforme Ausweitung der Vorschrift bestehe kein Anlaß. Dem mit dem Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeitengesetz (HEZG) vom 11. Juli 1985 verfolgten Gesetzeszweck könne nicht entnommen werden, daß Mütter und Väter, die sozialpolitisch wünschenswerte Tätigkeiten im Ausland ausübten, in den Vorteil der Anerkennung von Kindererziehungszeiten kommen sollten.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils des SG und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht gem § 170 Abs 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) begründet. Die vom SG festgestellten Tatsachen reichen für eine das Verfahren abschließende Entscheidung des Revisionsgerichts nicht aus.
Die Klägerin begehrt, Zeiten der Kindererziehung vorgemerkt zu bekommen. Rechtsgrundlage eines Anspruchs auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten könnte zunächst der durch das HEZG vom 11. Juli 1985 (BGBl I S 1450) in das AVG eingefügte § 28a AVG (Art 2 Nr 8 aaO) sein, in dem - zusammen mit der Regelung des § 2a AVG - erstmals die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet worden ist. § 28a Abs 1 Satz 1 AVG gilt nunmehr in der Fassung des Art 7 Nr 2 des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S 2261), in Kraft getreten mit Wirkung vom 1. Januar 1986 (Art 85 Abs 2 RRG 1992). Danach werden für die Erfüllung der Wartezeit Müttern und Vätern, die nach dem 31. Dezember 1920 geboren sind, Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986 in den ersten zwölf Kalendermonaten nach Ablauf des Monats der Geburt des Kindes angerechnet, wenn sie ihr Kind im Geltungsbereich dieses Gesetzes erzogen und sich mit ihm dort gewöhnlich aufgehalten haben. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind, wie das SG zutreffend entschieden hat, in den streitigen Zeiträumen nicht erfüllt.
Gemäß § 30 Abs 3 Satz 2 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Bei einer Beschäftigung des Ehegatten der Klägerin und einem dementsprechenden Aufenthalt im Ausland von vier Jahren und fünf Monaten hatten die Klägerin und ihr Ehegatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Nigeria begründet. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß - wie bei solchen ausländischen Beschäftigungsverhältnissen allgemein üblich - die Beschäftigung aufgrund von jeweils zeitlich befristeten Arbeitsverträgen erfolgte, die Familie ihre Wohnung und ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik beibehielt sowie zu Heimaturlauben in die Bundesrepublik zurückkehrte (ebenso zum Begriff des Wohnsitzes bzw gewöhnlichen Aufenthaltes im Kindergeldrecht. BSG SozR 5870 § 1 Nr 7), wobei es nicht darauf ankommt, ob der Heimaturlaub im Jahre 1964 nach den Angaben der Klägerin von Mai bis August 1964 oder nach den Feststellungen des SG von Mai bis November 1964 dauerte.
Die Anerkennung der von der Klägerin in Nigeria zurückgelegten Zeiten der Kindererziehung könnte jedoch aus § 28a Abs 3 iVm § 2a Abs 5 AVG folgen. Nach der erstgenannten Vorschrift gilt für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten vor dem 1. Januar 1986 ua der Abs 5 des § 2a AVG entsprechend. Die für die Versicherungspflicht von Kindererziehungszeiten nach dem 1. Januar 1986 geltende Vorschrift des § 2a Abs 5 AVG ist somit auf die vorher zurückgelegten Kindererziehungszeiten entsprechend anzuwenden. Sie regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Erziehung im Ausland (Sätze 1 und 2) zur Versicherungspflicht bzw - bei der über § 28a Abs 3 AVG entsprechenden Anwendung - zur Anerkennung bzw im Leistungsfall zur Anrechnung von Kindererziehungszeiten führt und wann eine Erziehung im Inland (Satz 3) ausnahmsweise keine Kindererziehungszeit darstellt.
Gemäß § 2a Abs 5 Satz 1 AVG gelten die Absätze 1 bis 4 des § 2a AVG auch für Mütter und Väter, die ihr Kind in einem Staat außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes erziehen und sich mit ihm dort gewöhnlich aufhalten, wenn sie wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit in diesem Staat während der Kindererziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz haben.
Satz 2 aaO erweitert den Anwendungsbereich auf die Ehegatten von im Ausland beschäftigten oder tätigen Personen. Nach Satz 2 Nr 1 aaO gelten die Absätze 1 bis 4 auch für die Ehegatten der in Satz 1 genannten Personen. Satz 2 Nr 2 bestimmt die Geltung der Absätze 1 bis 4 auch für die Ehegatten der Personen, die wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes nur deshalb keine Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz haben, weil sie zu den in § 6 AVG genannten Personen gehören oder von der Versicherungspflicht befreit sind. Voraussetzung ist bei Nr 1 und Nr 2 aaO weiterhin, daß sich beide Ehegatten mit dem Kind in demselben Staat gewöhnlich aufhalten.
Nach dem Regelungskonzept des § 2a Abs 5 AVG ist somit die Anrechnung oder Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten im Ausland davon abhängig, daß der erziehende Elternteil oder der Ehegatte zu dem Kreis der Personen zu rechnen war, die während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes eine angestelltenversicherungspflichtige Beschäftigung im Ausland ausgeübt und deswegen Pflichtbeitragszeiten nach dem AVG haben oder solche Zeiten nur deswegen nicht zurückgelegt haben, weil sie in ihrer dem Grunde nach angestelltenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit waren. Demgemäß hat der Senat bereits entschieden, daß Zeiten, in denen eine versicherte Verfolgte nach verfolgungsbedingter Auswanderung in ein Nichtvertreibungsland Kinder erzogen hat, ohne daß ein "Entsendungsfall" im Sinne des § 2a Abs 5 Sätze 1 und 2 AVG vorlag, keine Kindererziehungszeiten im Sinne der gesetzlichen Vorschriften sind (Urteil vom 12. Juli 1988 - 4/11a RA 36/87 = BSGE 63, 282 ff = SozR 2200 § 1251a Nr 2). Auch die Zeiten, in denen eine Versicherte ihre Kinder in Belgien erzog, ohne daß in ihrer Person oder in der ihres Ehegatten ein Entsendungstatbestand im Sinne des § 2a Abs 5 Sätze 1 und 2 AVG erfüllt war, konnten nicht als Kindererziehungszeiten anerkannt werden (Urteil vom 29. März 1990 - 4 RA 48/89). Der Senat hat in diesem Zusammenhang bereits dargelegt, daß das über das Tatbestandsmerkmal der Inlandserziehung erfolgte Anknüpfen an das Territorialitätsprinzip, also die Differenzierung zwischen Inlands- und Auslandserziehung, nicht grundgesetzwidrig ist, insbesondere nicht den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 bis 3 des Grundgesetzes (GG) verletzt (Urteil vom 12. Juli 1988 - aaO = BSGE 63, 290 f).
Die Klägerin erfüllt zunächst weder die Voraussetzungen des § 2a Abs 5 Satz 1 AVG noch die des Satzes 2 Nr 1, da weder sie noch ihr Ehemann während der streitigen Zeiträume oder unmittelbar vorher während der Beschäftigung im Ausland Pflichtbeitragszeiten nach dem AVG zurückgelegt haben. Für die danach allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommende Regelung des Satzes 2 Nr 2 aaO ist ein im Ausland ausgeübtes Beschäftigungsverhältnis des Ehegatten der Klägerin erforderlich, das nur deshalb nicht zu Pflichtbeitragszeiten nach dem AVG geführt hat, weil der Ehegatte der Klägerin versicherungsfrei (§ 6 AVG) oder von der Versicherungspflicht befreit war.
Die Ausdehnung der Anerkennung von Kindererziehungszeiten auf derartige Fallgestaltungen mit Auslandsberührung findet ihre Berechtigung darin, daß bei den nach § 6 AVG Versicherungsfreien oder von der Versicherungspflicht Befreiten noch eine Beziehung zur deutschen Sozialversicherung weiter besteht, weil sie eine nach dem AVG an sich versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben. Die Kindererziehungszeit wird dabei den Ehegatten des im Ausland Beschäftigten (oder Tätigen) angerechnet bzw anerkannt, weil es unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgebotes und der besonderen Schutzpflicht des Staates für Ehe und Familie dem erziehenden Elternteil nicht zum Nachteil gereichen soll, wenn er das Inland verläßt, um mit dem im Ausland in einer an sich nach deutschem Sozialversicherungsrecht versicherungspflichtigen Beschäftigung stehenden Ehegatten und dem Kind als Familie zusammenzuleben (so bereits Urteil des Senats vom 12. Juli 1988 - aaO = BSGE 63, 292). Das gilt entsprechend für die im Ausland tätigen Personen, sofern sie von der Versicherungspflicht befreit sind (§§ 7, 8 AVG).
Das gemäß § 2a Abs 5 Satz 2 Nr 2 AVG geforderte an sich versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis des Ehegatten der Klägerin - eine selbständige Tätigkeit scheidet nach den Feststellungen des SG aus - könnte vorliegend nur im Wege der Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) begründet worden sein (zu weiteren Möglichkeiten insbesondere aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen: Verbandskommentar, § 1227a RVO, RdNr 36). Die Beschäftigung des Ehegatten der Klägerin erfüllte aber die Voraussetzungen des Ausstrahlungstatbestandes bereits deshalb nicht, weil maßgeblicher Grund für die Auslandstätigkeit gerade nicht eine Inlandsbeschäftigung war, der Ehemann der Klägerin also nicht iS des § 4 Abs 1 SGB IV ins Ausland entsandt worden ist. In unmittelbarer Anwendung des Satzes 2 Nr 2 aaO scheidet die Anerkennung der von der Klägerin geltend gemachten Kindererziehungszeiten somit aus.
Der vorliegende Sachverhalt gibt jedoch Anlaß, den Anwendungsbereich des § 2 Abs 5 Satz 2 Nr 2 AVG im Wege der Lückenfüllung auf die Ehegatten der Personengruppen zu erstrecken, die den in § 6 AVG genannten Gruppen der Versicherungsfreien bzw den von der Versicherungspflicht Befreiten vergleichbar sind.
Satz 2 Nr 2 der genannten Vorschrift bezieht über die Regelung des § 6 AVG Personengruppen in den Anwendungsbereich der Norm mit ein, die kraft ihrer Beauftragung mit hoheitlichen Funktionen eine dem Grunde nach versicherungspflichtige Beschäftigung nur im Ausnahmefall im Ausland ausüben können. Liegt eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgrund einer Entsendung iS des § 4 SGB IV oder eine Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs 1 Nr 10 AVG nicht vor, kommt bei diesem Personenkreis eine nach deutschen Rechtsvorschriften dem Grunde nach versicherungspflichtige Beschäftigung im Ausland nur für Beamte (§ 6 Abs 1 Nr 3 AVG) oder Gleichgestellte (§ 6 Abs 1 Nr 4 bis 6 AVG) in Betracht, die an einer Dienststelle des Bundes im Ausland (zB einer amtlichen Vertretung des Bundes) tätig sind (vgl Verbandskommentar, § 1227a RVO RdNr 39; Kaltenbach/Maier in Koch/Hartmann, AVG, § 2a Anm 7). Nicht erfaßt werden zB diejenigen Personen, die im Inland eine nach § 6 versicherungsfreie Beschäftigung oder eine Tätigkeit ausübten, in der sie von der Versicherungspflicht befreit waren, und die im Interesse und mit Zustimmung ihres Dienstherrn oder Arbeitgebers im Ausland tätig werden, ohne daß sie - wegen der Beschränkung der hoheitlichen Befugnisse auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland - iS des § 4 SGB IV entsandt werden können. Das Beamtenrecht sieht, wenn diese Tätigkeit im Ausland im Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegt, die Möglichkeit vor, dem Beamten (bzw Angestellten oder Arbeiter) für derartige Tätigkeiten im Ausland Sonderurlaub zu bewilligen (vgl etwa § 89 Abs 2 Satz 1 Bundesbeamtengesetz - BBG - iVm der Sonderurlaubsverordnung - SUrlV - idF der Bekanntmachung vom 13. November 1980 - BGBl I S 2975 - und die Richtlinien für die Entsendung von Bundesbediensteten in öffentliche zwischenstaatliche oder überstaatliche Organisationen - Entsendungsrichtlinien - vom 25. September 1973 - sowie die Richtlinien für die Beurlaubung von Bundesbediensteten zur Übernahme von Aufgaben der Entwicklungshilfe idF vom 1. Dezember 1975 - GMBl 1975 S 818). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß bei der Beurlaubung das Beamtenverhältnis bestehen bleibt. Der Amtsinhaber wird lediglich von seiner Pflicht zur Dienstleistung entbunden. Während der so erfolgten beamtenrechtlichen Entsendung wird das Besoldungsdienstalter des Beamten nicht verändert. Die Zeit der Entsendung wird als ruhegehaltsfähig zugrunde gelegt. Die Entsendung steht einer Beförderung des Beamten nicht entgegen. Bei Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung ohne Versorgung ist der Betreffende gem § 9 AVG nachzuversichern (vgl Abschnitt II der Entsendungsrichtlinien sowie Abschnitt II der Richtlinien für die Beurlaubung von Bundesbediensteten zur Übernahme von Aufgaben der Entwicklungshilfe).
Dem aufgezeigten Entsendungstatbestand iS des Beamtenrechts oder von gleichgelagerten Rechtsvorschriften ist eigentümlich, daß als Voraussetzung der Beurlaubung die Entsendung im Interesse des Dienstherrn liegen muß, sie von vornherein zeitlich begrenzt ist (vgl insoweit die Parallele zur Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 10 AVG), während der Entsendung das Beschäftigungsverhältnis des Entsandten zu seinem deutschen Dienstherrn weiter bestehen bleibt und sich auch während der Entsendung Rechte und Pflichten aus ihm ergeben. Dieser Sachverhalt liegt damit so nahe an dem im § 2a Abs 5 Satz 2 Nr 2 geregelten Tatbestand, daß eine Anwendung der Vorschrift auf ihn geboten ist. Auch bei beamtenrechtlichen oder gleichgelagerten Entsendungsfällen ist daher die Voraussetzung des § 2a Abs 5 Satz 2 Nr 2 als erfüllt anzusehen, wonach eine dem Grunde nach versicherungspflichtige Beschäftigung im Ausland ausgeübt werden muß, damit bei dem Ehegatten dieser Personen eine Kindererziehungszeit anerkannt werden kann. Entsprechendes gilt auch für die Personen, die von der Versicherungspflicht befreit sind, aber unter den aufgezeigten Voraussetzungen eine Beschäftigung oder Tätigkeit im Ausland ausgeübt haben.
Bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen (ua gewöhnlicher Aufenthalt beider Ehegatten mit dem Kind in demselben Staat) sind daher gemäß § 28a Abs 3 Satz 1 AVG iVm § 2a Abs 5 Satz 2 Nr 2 AVG dem Ehegatten dieser Personen während der Zeit im Ausland zurückgelegte Kindererziehungszeiten anzurechnen bzw anzuerkennen.
Nach dem Vortrag der Klägerin könnte bei ihrem Ehemann ein derartiger "Entsendungstatbestand" vorliegen, der in entsprechender Anwendung der genannten Vorschriften zur Anerkennung der Kindererziehungszeit für die Kinder Konstantin (1. Mai 1961 bis 28. Februar 1962) und Susanne (1. Mai 1964 bis 30. April 1965) führen könnte. Das SG hat hierzu - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - keine Feststellungen getroffen. Diese können von der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden. Der Rechtsstreit war daher an dieses Gericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 iVm Abs 4 Satz 1 SGG).
Bei der das Verfahren abschließenden Entscheidung wird das SG über die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen