Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Streitig ist, ob der Klägerin eine Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) auf Dauer oder nur auf Zeit zusteht.
Die Klägerin war bis Mai 1968 als Vewaltungsangestellte beschäftigt und ist seither als Hausfrau tätig. Nachdem die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin vom November 1977 zunächst abgelehnt hatte (Bescheid vom 10. Juli 1978), erkannte sie in dem von der Klägerin daraufhin angestrengten Sozialgerichtsverfahren das Vorliegen von EU seit November 1977 an; sie bewilligte der Klägerin im Bescheid vom 15. Januar 1980 EU-Rente auf Zeit vom 27. Mai 1978 bis zum 30. November 1981. Maßgebend dafür waren zum einen ein vom Sozialgericht (SG) eingeholtes neurologisches Gutachten mit dem Ergebnis, die Klägerin könne nur noch 4 bis 6 Stunden am Tag arbeiten, und zum anderen die Verhältnisse des Arbeitsmarktes. Die Beklagte erachtete den Teilzeitarbeitsmarkt für eine solche Beschäftigung der Klägerin "gegenwärtig" für verschlossen; es könne jedoch mit einer Besserung der Arbeitsmarktlage gerechnet werden, so daß die Rentengewährung bis zum 30. November 1981 zu befristen sei.
Das SG verpflichtete die Beklagte mit Urteil vom 14. August 1980 zur Gewährung einer Dauerrente vom 1. November 1977 an. Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung hatte Erfolg. In seinem Urteil vom 31. März 1981 hielt zwar auch das Landessozialgericht (LSG) die Voraussetzungen der EU nach § 24 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) für erfüllt. Die Arbeitsfähigkeit der Klägerin sei, wie bezeichnet, zeitlich eingeschränkt; gemäß der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. Dezember 1976 (BSGE 43, 75) sei die Klägerin wegen des ihr verschlossenen Arbeitsmarktes als jedenfalls derzeit erwerbsunfähig anzusehen. Hieraus folge jedoch kein Anspruch auf eine zeitlich unbegrenzte Rente. Die Beklagte habe der Klägerin aufgrund des § 53 Abs. 1 AVG zu Recht nur eine Zeitrente zugestanden. Die Neufassung dieser Vorschrift durch das 20. Rentenanpassungsgesetz (RAG) vom 27. Juni 1977 habe die Voraussetzungen der Zeitrente gegenüber früher insoweit verändert, als nunmehr Zeitrente schon dann zu gewähren sei, wenn begründete Aussicht für die Möglichkeit einer Behebung der EU bestehe. Nach den gesamten Umständen des Falles sei die Möglichkeit, daß die nicht allein auf dem Gesundheitszustand der Klägerin beruhende EU in absehbarer Zeit behoben sein könne, nicht auszuschließen. Zwar biete der Arbeitsmarkt gegenwärtig keine guten Erwerbsmöglichkeiten für teilzeitarbeitsuchende Frauen; eine Besserung in den nächsten Jahren sei jedoch keineswegs ausgeschlossen. Die Klägerin sei zudem erst 50 Jahre alt, in ihrer Arbeitsfähigkeit nur zeitlich, nicht auch sonst eingeschränkt und nunmehr in einer Industriestadt wohnhaft.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 53 AVG. Diese Vorschrift verlange die begründete Aussicht auf Behebung der EU; hierfür müßten Anzeichen erkennbar sein und Tatsachen benannt werden. Bei ihren Gesundheitsschäden bestehe nur dann Aussicht auf Einstellung in einen Teilzeitarbeitsplatz, wenn das Überangebot an freien Stellen so groß sei, daß die Arbeitgeber auch auf schwerkranke Bewerber zurückgreifen müßten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Klägerin ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen ist.
Da die Beklagte mit dem gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheid vom 15. Januar 1980 der Klägerin für die Zeit vom 27. Mai 1978 bis zum 30. November 1981 Rente wegen EU bewilligt hat, hat der Senat auf die Revision der Klägerin nur noch darüber zu befinden, ob die Beklagte für die außerhalb dieses Zeitraums liegenden Zeiten ab November 1977 die Gewährung von Rente wegen EU zu Recht abgelehnt hat. Das bedeutet nicht ohne weiteres, daß damit allein noch über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 AVG zu entscheiden wäre. Zwar hat der 1. Senat des BSG in seinem Urteil vom 18. Februar 1981 (SozR 2200 § 1276 Nr. 5) die Auffassung vertreten, daß der eine Zeitrente wegen EU bewilligende Bescheid zunächst einen Verfügungssatz über die Bewilligung der EU-Rente vom Eintritt der EU an und dann einen weiteren Verfügungssatz über die zeitliche Begrenzung dieser Rente enthalte; dies habe zur Folge, daß im Streit um die Rente auf Dauer wegen des bindend gewordenen ersten Verfügungssatzes die Frage des Eintritts von EU einer Nachprüfung entzogen sei. Der erkennende Senat vermag dem nicht zu folgen. Der Zeitrentenbescheid enthält hinsichtlich der. Rentenbewilligung nur einen einheitlichen Verfügungssatz, der Rente lediglich für die darin festgesetzte Zeit bewilligt. Auch der Wille des Versicherungsträgers ist von vornherein nur auf die Gewährung von Rente für diese Zeit gerichtet. Infolgedessen fehlt es für die darüber hinausreichende Zeit an jeder für den Versicherten positiven Regelung durch den Versicherungsträger. Dem steht nicht entgegen, daß es keinen besonderen Versicherungsfall vorübergehender EU gibt (BSGE 22, 278, 280), die EU i.S. des § 24 Abs. 2 AVG vielmehr auch Voraussetzung für die Zeitrente wegen EU ist; die EU bleibt damit gleichwohl nur eine der Voraussetzungen (Tatbestandsmerkmale) der Zeitrente. Die Auffassung des 1. Senats müßte zudem einen Versicherungsträger, der trotz in Wahrheit nicht vorliegender EU Zeitrente gewährt, dazu zwingen, bei Fehlen der besonderen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 AVG ungeachtet der nicht vorliegenden EU Dauerrente zu gewähren, wofür es keinen überzeugenden Grund gibt (ebenso bei nicht erfüllter Wartezeit). Im übrigen ist auch der 1. Senat in seinem neuerlichen Urteil vom 17. Februar 1982 - 1 RJ 102/80 - im dortigen vergleichbaren Falle einer gerichtlichen Verurteilung des Versicherungsträgers zur Gewährung von Zeitrente nicht davon ausgegangen, daß das Urteil den Versicherungsträger zunächst zur Zahlung von EU-Rente verpflichtet und dann diese Verpflichtung zeitlich begrenzt habe.
Wegen der vom Urteil des 1. Senats vom 18. Februar 1981 abweichenden Auffassung braucht der erkennende Senat jedoch nicht den Großen Senat des BSG nach § 42 SGG anzurufen. weil im vorliegenden Falle aufgrund der unangefochtenen tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) die EU der Klägerin zu bejahen ist. Diese Feststellungen sind, was den Ausschluß der Klägerin vom Arbeitsmarkt betrifft, dahin zu verstehen, daß der Klägerin ein - im Rahmen des § 24 AVG in Betracht kommender - Teilzeitarbeitsplatz, auf dem sie mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen konnte, innerhalb der in BSGE 43, 75 bezeichneten Jahresfrist weder vom Arbeitsamt noch von der Beklagten hat angeboten werden können, auch wenn man die Jahresfrist erst mit dem Angebot der Beklagten zur Gewährung von Zeitrente beginnen ließe. Sonach ist der Tatbestand des § 24 Abs. 2 AVG in seiner zweiten Alternative erfüllt: Die Klägerin konnte von November 1977 an "auf nicht absehbare Zeit nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen".
Damit kommt es im weiteren darauf an, ob die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 AVG bei der Erteilung des Bescheides vom 15. Januar 1980 erfüllt waren. Das LSG hat das angenommen; diese Ansicht findet jedoch in den bisher getroffenen Feststellungen keine hinreichende Stütze.
Nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 1 AVG i.d.F. des 20. RAG ist, wenn begründete Aussicht besteht, daß die EU (bzw. BU) in absehbarer Zeit behoben sein kann, die Rente vom Beginn der 27. Woche der EU an, jedoch nur auf Zeit und längstens für 3 Jahre von der Bewilligung an zu gewähren; nach dem 2. Halbsatz gilt dies insbesondere dann, wem die EU (bzw. BU) nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand des Berechtigten (Versicherten) beruht. Letzteres war hier der Fall; die EU der Klägerin beruht neben ihrem Gesundheitszustand auf den Verhältnissen des Arbeitsmarktes, die ihr den Zugang zu einem Teilzeitarbeitsplatz verschließen. Nach dem Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 1980 soll die Aussicht auf eine Behebung der EU nicht in dem Gesundheitszustand der Klägerin, sondern in den Verhältnissen des Arbeitsmarktes begründet sein; die Beklagte hat damals mit einer Besserung der Arbeitsmarktlage gerechnet. Damit konnte nur gemeint sein, daß das Arbeitsamt oder der Rentenversicherungsträger in Zukunft der Klägerin einen Teilzeitarbeitsplatz mit mehr als nur geringfügigen Einkünften anbieten können oder daß sie von sich aus einen solchen erlangen kann. § 53 Abs. 1 AVG setzt als Frist hierfür "eine absehbare Zeit". Diese Zeitspanne hat mit der "nicht absehbaren Zeit" des § 24 Abs. 2 AVG nichts zu tun; sie ist identisch mit der zulässigen Dauer der Zeitrente, d.h. seit der Neufassung des § 53 AVG durch das 20. RAG mit einem Zeitraum von 3 Jahren. Er beginnt mit der "Bewilligung" der Zeitrente, womit der Zeitpunkt des Bewilligungsbescheides gemeint ist. Die Beklagte hat diese Frist in dem Bescheid vom 15. Januar 1980, ohne einen Grund dafür zu nennen, nicht ausgeschöpft; sie hat die Zeitrente bis zum 30. November 1981 begrenzt. Somit ist der Bescheid vom 15. Januar 1980 nur rechtmäßig, wenn bei seiner Erteilung eine begründete Aussicht auf Zugang der Klägerin zu einem Teilzeitarbeitsplatz bis zum 30. November 1981 bestand. Dies ist aus der damaligen Sicht und nicht anhand der späteren (inzwischen abgelaufenen) Entwicklung zu beurteilen (BSG SozR 2200 § 1276 Nr. 5 m.w.N.). Es gibt zwar Fälle, in denen die Richtigkeit einer Prognose auch anhand erst späterer Erkenntnisse überprüft werden darf (BSG SozR 4100 § 36 Nr. 16); die Widerlegung einer im Zeitpunkt des Zeitrentenbescheides gerechtfertigten Prognose durch die spätere Entwicklung des Arbeitsmarktes würde jedoch die vom Gesetzgeber vorgesehene mehrfache Gewährung von Zeitrenten vereiteln, weil die betreffende Zeitrente zur Dauerrente würde.
Zu der Frage, welchen Erwartungsgrad die Aussicht auf Behebung der EU (BU) haben muß, hat das LSG die bloße Möglichkeit genügen lassen. Demgegenüber haben der 4. Senat des BSG in seinem Urteil vom 12. Februar 1981 (SozR 2200 § 1276 Nr. 4) und der 1. Senat des BSG in seinem Urteil vom 17. Februar 1982 - 1 RJ 102/80 - die bloße Möglichkeit der Behebung in absehbarer Zeit nicht für ausreichend erachtet; vielmehr haben der 4. Senat das Vorhandensein und die Darlegung von "Gründen" i.S. individueller Anhaltspunkte für die Behebung und der 1. Senat die Wahrscheinlichkeit der Behebung gefordert. Dieser Auffassung tritt der erkennende Senat auch in Würdigung der dagegen erhobenen Kritik (vgl. Verbandskommentar, 16. Erg. 1978, Anm. 1a zu § 1276 RVO; Zweng/Scheerer, Handbuch der Rentenversicherung, 11. Lfg., Anm. II 2. A zu § 1276 RVO; Schimanski, Knappschaftsversicherung, Erg.-Lfg. 32, Anm. 4 zu § 72 RKG; Liebe RV 1981, 225 ff.; Tannen DRV 1982, 92 f.; Scheerer SV 1982, 135 ff.) im Ergebnis bei (vgl. ferner Ludwig, DRV 1977, 348 und Oberfeld, SGb 1982, 113). Auch nach der Ansicht des erkennenden Senats muß die Behebung der EU nicht bloß möglich, vielmehr wahrscheinlich in dem Sinne sein, daß die Gründe für die Annahme der Behebung gewichtiger sind als die dagegen sprechenden Gründe.
Daß dem § 53 Abs. 1 AVG nach der Neufassung durch das 20. RAG ein geringerer Erwartungsgrad zu entnehmen sei, läßt sich aus dem Gesetzeswortlaut nicht ableiten. Die Aussicht richtet sich zwar seitdem nicht mehr darauf, daß die EU behoben sein "wird", es genügt, daß sie behoben sein "kann". Das ist für sich genommen gewiß eine Abschwächung des künftig zu Erwartenden. Die Rechtsprechung hatte jedoch schon nach der früheren Gesetzesfassung genügen lassen, daß mit der Behebung der Berufsunfähigkeit (BU) oder EU zu rechnen war (BSGE 27, 52 f.) und nicht vorausgesetzt, daß es notwendig dazu kommen werde. Zu Recht haben ferner der 4. und der 1. Senat darauf hingewiesen, daß der übrige Gesetzestext bestehen geblieben ist und dort nach wie vor die "begründete Aussicht" gefordert wird. Da eine Unterscheidung zur "unbegründeten Aussicht" ohne jeden Sinn wäre, kann das Erfordernis der begründeten Aussicht (vgl. zur "ernstlichen Arbeitsbereitschaft" BSGE 20, 190, 197) nur eine Verstärkung des Erwartungsgrades beinhalten. Angesichts dieses Gesetzeswortlauts mit sich widerstreitenden Akzenten erscheint dem Senat bei einer Gesamtbetrachtung noch am naheliegendsten die Deutung, daß die Behebung der EU (BU) innerhalb absehbarer Zeit nicht bloß möglich, sondern wahrscheinlich sein muß.
Für die Fälle des 2. Halbsatzes des § 53 Abs. 1 AVG kann nichts anderes gelten. Wenn es dort heißt: "Dies gilt insbesondere, wenn die BU oder EU nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand beruht", so spricht diese Fassung nach dem üblichen juristischen Sprachgebrauch dafür, daß der vorangehende Rechtssatz sowohl in seinen Voraussetzungen (Tatbestandsmerkmalen) als auch der festgesetzten Rechtsfolge ebenfalls und sogar "insbesondere" für den im 2. Halbsatz beschriebenen Fall gelten soll. Für eine davon abweichende bloße Übernahme der Rechtsfolge (deren Erstreckung auf einen weiteren Fall) müßten zusätzliche Anhaltspunkte zu finden sein. Solche sind nicht zu erkennen. Ebensowenig kam der 2. Halbsatz des § 53 Abs. 1 AVG dahin verstanden werden, daß beim Ausschluß vom Arbeitsmarkt die Tatbestandsmerkmale des 1. Halbsatzes vermutet oder gar fingiert würden, wie die Beklagte meint. Eine überzeugende Auslegungshilfe für das Verständnis des Absatzes 1, 2. Halbsatz, bietet ferner nicht die gleichzeitige Neufassung des § 53 Abs. 3 AVG, wonach in den Fällen des Absatzes 1, 2. Halbsatz, die Höchstdauer von 6 Jahren für die wiederholte Gewährung von Zeitrenten nicht gilt.
Die Entstehungsgeschichte der Neufassung des § 53 AVG durch das 20. RAG liefert ebenfalls keine bedeutsamen Hinweise darauf, daß § 53 Abs. 1 AVG abweichend von der aus dem Wortlaut des Gesetzes abgeleiteten Auslegung zu verstehen wäre. Die Gerichte können bei der Würdigung der Entstehungsgeschichte eines Gesetzes nur die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens schriftlich festgehaltenen Äußerungen der an diesem Verfahren Beteiligten berücksichtigen. Heranzuziehen ist deshalb vor allem die Bundestags-Drucksache 8/337 mit den Ausführungen auf den Seiten 3 (A Nr. 15), 5 (B Nr. 15) und 91 (Einzelbegründung Nr. 14). Dort aber findet sich nichts, was zu einer anderen Auslegung des § 53 Abs. 1 AVG zwingen müßte. Die Auffassung des Senats wird im Gegenteil eher noch dadurch bestärkt, daß der Regierungsvertreter in der (11.) Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik am 26. April 1977 erklärt hat, nach Ansicht der Versicherungsträger hätten Zeitrenten bisher nur bei Vorliegen von EU oder BU aus rein gesundheitlichen Gründen bewilligt werden können; es solle nun klargestellt werden, daß die Zeitrentengewährung gerade auch auf die Fälle ausgedehnt werden könne, in denen nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BSG die Arbeitsmarktlage eine besondere Rolle spiele.
Es mag sein, daß sich hiernach fragen läßt, welche Änderungen nun eigentlich die Neufassung des § 53 Abs. 1 AVG durch das 20. RAG für Versicherte mit einer nicht ausschließlich auf ihrem Gesundheitszustand beruhenden BU oder EU gebracht hat. Bei der Auslegung des Senats hätte die Neufassung letztlich lediglich klargestellt, daß für diese Versicherte Zeitrenten unter den Voraussetzungen des 1. Halbsatzes gewährt werden können. Da bei ihnen im Regelfall wohl ein Zugang zu einem Teilzeitarbeitsplatz innerhalb von längstens 3 Jahren erfahrungsgemäß nicht wahrscheinlich ist, bedeutet dies praktisch, daß sie in der Regel Dauerrente erhalten müssen. Die andere Auffassung führt indessen zu nicht minder gravierenden Ergebnissen. Wenn nämlich bei diesen Versicherten die bloße Möglichkeit der Behebung der BU oder EU genügen soll, so besagt das praktisch, daß sie in aller Regel nur eine Zeitrente erhalten. Angesichts dieser Konsequenzen der einen und der anderen Ansicht hätte der Gesetzgeber, wenn er bei diesen Versicherten immer nur Zeitrente gewähren wollte, dies deutlich im Gesetz sagen, d.h. wie Überfeld es ausgedrückt hat (a.a.O. Seite 114), "Klartext formulieren" müssen.
Daß dies möglich ist, zeigt der Entwurf eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahre 1983 (BR-Drucks. 143/82). Danach soll der 2. Halbsatz von § 53 Abs. 1 AVG durch den Satz ersetzt werden: "Beruht die BU oder EU nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand des Berechtigten, ist die Rente auf Zeit zu leisten, es sei denn, der Berechtigte vollendet innerhalb von 2 Jahren nach Rentenbeginn das 60. Lebensjahr". Nach der beigegebenen Begründung soll jetzt die vom Gesetzgeber des 20. RAG verfolgte Zielsetzung verdeutlicht und die Anwendung der Vorschrift für die Praxis erleichtert werden. Auch wenn diese beabsichtigte Änderung Gesetz wird, kann sie jedoch, zumal ihr keine Rückwirkung zukommen soll, nicht als eine authentische Interpretation des derzeitigen Gesetzestextes verstanden werden.
Nach alledem ist sonach im vorliegenden Falle entscheidungserheblich, ob es zur Zeit der Erteilung des Bescheides vom 15. Januar 1980 wahrscheinlich war, daß die Klägerin bis zum 30. November 1981 einen ihre EU behebenden Arbeitsplatz (Teilzeitarbeitsplatz), sei es aufgrund eines Angebotes durch das Arbeitsamt oder die Beklagte, sei es aus eigenem Bemühen, erlangen könne. Für diese Beurteilung reichen die vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht aus. Das LSG hat mehr als die bloße Möglichkeit zur Behebung der EU nicht festgestellt. Daran vermögen auch die am Schluß des Urteils angeführten "günstigen Umstände", die lediglich die Möglichkeit belegen sollten, nichts zu ändern.
Da die noch nachzuholenden Feststellungen dem BSG verwehrt sind, muß sonach die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden. Sollte das LSG aus der Sicht vom 15. Januar 1980 die Wahrscheinlichkeit eines Zugangs der Klägerin zu einem Teilzeitarbeitsplatz bis zum 30. November 1981 verneinen, muß es ebenfalls aus dieser Sicht noch die Wahrscheinlichkeit des Zugangs bis zum 15. Januar 1983 prüf en, weil bejahendenfalls dann (nur) die Dauer der Zeitrente bis zu diesem Datum zu erstrecken wäre. Ist allerdings auch eine solche Wahrscheinlichkeit zu verneinen, stünde der Klägerin die Rente als Dauerrente ab dem Versicherungsfall zu. Bei der abschließenden Entscheidung ist außerdem über die Kosten des Revisionsverfahrens mitzubefinden.11 RA 38/81
Bundessozialgericht
Verkündet am 12. August 1982
Fundstellen