Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt, ihm von einem für die Nachentrichtung von Beiträgen zur Angestelltenversicherung aufgewendeten Betrag 4.320,-- DM zurückzuzahlen und sein Altersruhegeld neu zu berechnen.
Der 1909 geborene, aus Böhmen stammende und dort bis 1944 überwiegend als selbständiger Kaufmann tätig gewesene Kläger betrieb seit Dezember 1973 die Nachentrichtung von Beiträgen zur Angestelltenversicherung für die Zeit von 1932 bis 1939. Mit Bescheid vom 13. September 1974 bewilligte ihm die Beklagte das im Mai 1974 beantragte Altersruhegeld ab 1. Februar 1974 im Betrag von 1.132,40 DM monatlich und legte u.a. eine pauschale Ausfallzeit von 31 Monaten zugrunde. Im Februar 1975 teilte ihm die Beklagte auf Anfrage mit, bei einer bestimmten Art der Nachentrichtung von Beiträgen werde sich unverbindlich und überschlägig das 1974 bewilligte Altersruhegeld auf ca. 1.245,-- DM monatlich erhöhen.
Am 14. Dezember 1975 beantragte der Kläger bei der Beklagten, seinem "Antrag auf Nachentrichtung gemäß Art 2 § 50 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) für die bekannte Zeit stattzugeben". Mit Bescheid vom 29. Januar 1976 gestattete ihm die Beklagte, für die Zeit von September 1932 bis September 1939 85 Beiträge der Klasse 600 zu 108,-- DM, insgesamt also 9.180,-- DM nachzuentrichten. Der Bescheid erhält den Hinweis, auf einen "etwaigen Wegfall von Beitragsklassen und auf Beitragserhöhungen zu achten", falls der Kläger die Beiträge "später als einen Monat nach Empfang dieses Bescheides" nachentrichte. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger keinen Rechtsbehelf eingelegt.
Statt dessen bat er die Beklagte unter dem 12. Februar 1976, ihm "umgehend mitzuteilen, wie hoch bzw. um wieviel sich seine Rente erhöhen" werde, damit er die Beiträge "termingemäß" nachentrichten könne. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 18. Februar 1976 unter Verweis auf die "Vielzahl der Rentenanträge" ab, "da hierfür ebenfalls eine komplette Rentenberechnung erforderlich sei". Auch hiergegen wandte sich der Kläger nicht. Er überwies der Beklagten am 23. Februar 1976 den Betrag von 9.180,-- DM.
Mit Bescheid vom 12. Mai 1976 berechnete die Beklagte das Altersruhegeld des Klägers ab 1. Februar 1974 neu auf den Betrag von 1.268,20 DM monatlich und ab 1. August 1976 von 1.563, 90 DM monatlich. Dabei legte sie eine pauschale Ausfallzeit von nur noch 17 Monaten zugrunde.
Hiergegen legte der Kläger zwar Widerspruch ein, verlangte aber kein höheres Altersruhegeld, sondern beantragte, ihm einen Betrag von 4.320,-- DM zurückzuerstatten und - schlüssig - im Anschluß hieran seine Rente neu zu berechnen. Nach der Auskunft des Arbeitsausschusses Sozialversicherung e. V. vom 8. Juli 1976 habe er mit einem Mehraufwand von 4.320,-- DM (40 Beiträge der Klasse 600) lediglich eine monatliche Rentensteigerung von 2,20 DM ab 1. Februar 1974 erreicht. Hätte er nur 45 Beiträge der Klasse 600 entrichtet, wäre ihm eine Ausfallzeit von 47 Monaten angerechnet und eine Rente von zunächst 1.266,-- DM gezahlt worden.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten - Ausschuß Nr. 2 - wies den Antrag auf teilweise Rückzahlung der nachentrichteten Beträge unter dem 8. Dezember 1976 zurück und führte u.a. aus, der Kläger habe durch seine Nachentrichtung eine überdurchschnittliche Rendite von 17,75% erzielt.
Mit der hiergegen erhobenen Klage hatte der Kläger in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat in der angefochtenen Entscheidung vom 8. August 1978 die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 30. Juni 1977 zurückgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe von der Beklagten bislang nie eine sogenannte Optimierungsberechnung verlangt. Von sich aus habe die Beklagte auch in Ansehung der Beratungspflicht nach § 14 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB 1) nicht darauf hinzuweisen brauchen, daß eine "volle" Nachentrichtung die pauschale Ausfallzeit mindern könne. Ohne konkrete Anfrage brauche die Beklagte keine Belehrungen und Ratschläge zu erteilen. § 104 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) beziehe sich nicht auf erst noch zu entrichtende Versicherungsbeiträge. Auch der Gesichtspunkt von Treu und Glauben stütze den Anspruch des Klägers nicht.
Gegen dieses Urteil hat der Senat die Revision zugelassen (Beschluß vom 14. März 1979).
Der Kläger bringt zur Begründung seiner Revision vor: Die Auffassung, daß der Versicherungsträger nicht verpflichtet sei, eine Optimierungsberechnung durchzuführen, sei irrig. Diese Auffassung stehe im Widerspruch zu dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) 12 RJ 88/75, wonach der Versicherungsträger den Antragsteller über die beste Möglichkeit der Gestaltung des Versicherungsverhältnisses aufklären müsse. Dazu gehöre auch der Hinweis auf die Möglichkeit der Verringerung der pauschalen Ausfallzeit und der Auswirkungen einer unzweckmäßigen Beitragsnachentrichtung. Der Beklagten hätten die Rentenakten vorgelegen; dem beratenden Beamten der Beklagten beim Sprechtag in G… seien die Rentenbescheide bekannt gewesen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts und das Urteil des Sozialgerichts A… aufzuheben und der Klage stattzugeben, daß in Abänderung des Bescheids vom 12. Mai 1976 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29. Dezember 1976 (richtig: 8. Dezember 1976) die Beklagte verurteilt wird, an ihn 4.320,-- DM zurückzuzahlen und eine Neuberechnung der Rente vorzunehmen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Meinung, in allen einschlägigen höchstrichterlichen Entscheidungen sei Ausgangspunkt der dort näher beschriebenen Auskunfts- und Beratungspflichten, daß der Versicherte sich mit einem konkreten Ersuchen an den Versicherungsträger wende. Ein solches Verhalten des Klägers werde auch von der Revision nicht behauptet. Wollte man dem Vorbringen der Revision entnehmen, daß die Beklagte die mit der Beitragsentrichtung verbundene Verringerung der pauschalen Ausfallzeit hätte erkennen können, so verkenne der Kläger, daß die hier angesprochene Rechtsprechung von tatsächlich und rechtlich einfachen Sachverhalten ausgehe. Die Verringerung der pauschalen Ausfallzeit hätte aber eine intensive Beschäftigung mit der gesamten Versicherungs- und Rentenakte und u.U. mehrere Probeberechnungen verlangt. Eine so weit gehende Beratungs- und Betreuungspflicht des Versicherungsträgers fordere die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht einmal in Ansätzen. Sie könnte von den Versicherungsträgern ohne eine erhebliche Kapazitätsausweitung in personeller und maschineller Hinsicht überhaupt nicht bewältigt werden.
II
Die Revision des Klägers ist zulässig und zum Teil begründet.
Gegenstand der mit der Anfechtungsklage verbundenen Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist der Bescheid der Widerspruchsstelle der Beklagten vom 8. Dezember 1976. Dieser Bescheid ist bereits wegen Verletzung der Vorschriften des Verwaltungsverfahrens fehlerhaft. Der angegriffenen Entscheidung der Widerspruchsstelle der Beklagten liegt nämlich kein "ursprünglicher" Verwaltungsakt i.S. der §§ 95, 77, 78 Abs. 1, 86 Abs. 1 des SGG sowie des - am 1. Januar 1981 in Kraft tretenden - § 31 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 10) zugrunde, hinsichtlich dessen der außergerichtliche Rechtsbehelf des Widerspruchs vorläge, dem die Widerspruchsstelle gemäß § 85 SGG "abhelfen" oder "nicht abhelfen" könnte. Zwar hat der Kläger gegen den - nach der Nachentrichtung von Beiträgen erlassenen - Bescheid über die Neufeststellung seines Altersruhegeldes vom 12. Mai 1976 Widerspruch eingelegt. Sein Antrag in der Widerspruchsschrift, ihm einen Betrag von 4.320,-- DM "zurückzuzahlen", hat indessen mit dem Verfügungssatz des angefochtenen Rentenbescheids offenkundig nichts, vielmehr allein mit der seiner Ansicht nach von der Beklagten verletzten Auskunfts- und Belehrungspflicht zu tun. Über den Antrag des Klägers auf Zahlung von 4.320,-- DM hat bei der Beklagten niemand sonst als die Widerspruchsstelle entschieden, obwohl zunächst über ihn durch Verwaltungsakt im Sinne der vorgenannten Vorschriften und erst im Falle der Ablehnung durch einen Verwaltungsakt, nach entsprechendem Rechtsbehelf, gemäß §§ 85 Abs. 2, 95 SGG die Widerspruchsstelle hätte entscheiden dürfen. Die Entscheidung der Widerspruchsstelle der Beklagten ist hiernach keine Widerspruchsentscheidung (Entscheidung über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf), sondern sie stellt die erste und einzige Entscheidung dar, die ein Organ der Beklagten über den Antrag des Klägers auf "Rückzahlung" eines bestimmten Betrags getroffen hat.
Daß die Widerspruchsstelle diesen Bescheid als evident funktionell unzuständige Stelle erlassen hat, bedarf nach allem keiner Begründung. Indessen bewirkt die mangelnde funktionelle Zuständigkeit noch keine Nichtigkeit der Verwaltungsentscheidung schlechthin (vgl. § 40 SGB 10; § 44 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG -). Da bei der mit der Leistungsklage verbundenen Aufhebungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG das Fehlen eines Verwaltungsaktes die Klage unzulässig macht (allgemeine Meinung, vgl. z.B. BSGE 14, 230; Entscheidung des erkennenden Senats vom 24. April 1980 - 1 RJ 2/79; Meyer-Ladewig, SGG, § 54 Rdnr. 38), liegt es nicht oder doch meistens nicht im schutzwürdigen Interesse des Klägers, daß der wegen Verstoßes gegen das Verfahrensrecht fehlerhafte Bescheid der Widerspruchsstelle aufgehoben wird; der Kläger entzöge so seinem Leistungsbegehren selbst die prozessuale Rechtsgrundlage. Deshalb muß die funktionelle Unzuständigkeit der Widerspruchsstelle zum Erlaß des "ursprünglichen" Verwaltungsakts auf die Klage des Betroffenen nicht notwendig zur Aufhebung dieses Bescheides führen. Aus seiner prozessualen Interessenlage heraus ist dem Beteiligten vielmehr zu gestatten, von der Rüge der funktionellen Unzuständigkeit abzusehen und damit eine Aufhebung des Bescheids aus bereits formalen Gründen zu vermeiden. Auch im vorliegenden Fall hat der Kläger nichts in dieser Richtung gerügt. Der Bescheid der Widerspruchsstelle der Beklagten ist damit nicht nichtig und auch auf die Klage von Amts wegen nicht aus formellen Gründen aufzuheben.
Daß damit ein beachtlicher "ursprünglicher" Verwaltungsakt, ein "Erstbescheid" der Beklagten vorliegt, macht freilich die mit der Anfechtungsklage verbundene Leistungsklage noch nicht zulässig, weil vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts grundsätzlich in einem Vorverfahren nachzuprüfen sind (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG). Indessen ist nach § 78 Abs. 2 Satz 1 SGG u.a. in Angelegenheiten der Rentenversicherung die Anfechtungsklage auch ohne Vorverfahren zulässig, wenn der Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf den ein Rechtsanspruch besteht. Das ist hier - jedenfalls nach dem schlüssigen Vorbringen des Klägers - der Fall. Zwar scheint sich der Kläger vorliegend nicht darüber klar gewesen zu sein, daß er von einem Widerspruch absehen könne; glaubte er doch, einen Widerspruchsbescheid (Rechtsbehelfsentscheidung) bereits erhalten zu haben. Da aber, wie dargelegt, der Widerspruchsbescheid einerseits entbehrlich, seine Nachholung im übrigen eine leere Förmlichkeit wäre, weil eine Entscheidung der Widerspruchsstelle in der Sache bereits vorliegt, war die Klage zulässig, ohne daß es notwendig war, daß die Widerspruchsstelle der Beklagten nochmals tätig wurde.
In der Sache selbst dringt der Kläger mit seinem Begehren nur zum Teil durch.
Der Kläger hält sein Zahlungsbegehren deswegen für begründet, weil die Beklagte pflichtwidrig eine "Optimierungsberechnung" unterlassen habe. Unter einer solchen Optimierungsberechnung versteht der Kläger offensichtlich die Gesamtheit der seiner Ansicht nach durchzuführenden Rente-Probeberechnungen (Vergleichsberechnungen), die notwendig waren, um den rentabelsten Nachentrichtungsbetrag - den geringsten Aufwand an Beiträgen, der eine möglichst hohe Rente abwarf - zu ermitteln (vgl. dazu auch Verbandskommentar, § 14 SGB 1 Anm. 3). Die Optimierungsberechnung stellt mithin in bezug auf die Nachentrichtung von Beiträgen eine Beratung des Antragstellers durch den Versicherungsträger im Sinne des ab 1. Januar 1976 geltenden § 14 SGB 1 dar (Art 2 § 23 Abs. 1 Satz 1 a.a.O.). Es trifft auch zu, daß die Verletzung der Beratungspflicht nach § 14 a.a.O. einen Anspruch des Antragstellers auf einen sozialrechtlichen "Herstellungsanspruch" begründen kann. Bereits vor der ausdrücklichen Normierung der Ansprüche auf Beratung und Auskunft durch §§ 14, 15 SGB 1 sind dem Versicherungsträger mit der Begründung eines Sozialrechtsverhältnisses hieraus insbesondere nach dem Grundsatz von Treu und Glauben bestimmte Nebenpflichten erwachsen. Dazu zählt u.a. die Pflicht zur Auskunft und Beratung sowie zur "verständnisvollen Förderung" des Versicherten. Bei Vorliegen eines konkreten Anlasses hat der Versicherungsträger den Versicherten auf solche Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die klar zutage liegen und deren Wahrnehmung offenbar so zweckmäßig ist, daß jeder verständige Versicherte sie mutmaßlich nutzen würde. Verletzt der Versicherungsträger diese ihm obliegende Nebenpflicht, so kann dem Versicherten daraus ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch erwachsen. Dieser ist auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustands gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aus dem Versicherungsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl. aus der umfangreichen Rechtsprechung u.a. BSGE 41, 126, 127 = SozR 7610 § 242 Nr. 5; BSGE 41, 260, 262 = SozR 4100 § 151 Nr. 3; BSG SozR 4100 § 44 Nr. 9; BSG SozR 5850 § 26 Nr. 1; BSG SozR 2200 § 1286 Nr. 3; BSGE 44, 114, 120 = SozR 2200 § 886 Nr. 1; BSGE 46, 124, 125 = SozR 2200 § 1290 Nr. 11; BSGE 46, 175, 177 = SozR 2200 § 1241 Nr. 8; BSGE 47, 194, 200 =, SozR 2200 § 1399 Nr. 11; BSGE 49, 76, 77 = SozR 2200 § 1418 Nr. 6; Urteil des BSG vom 28. November 1979 - 3 RK 64/77; Urteile des erkennenden Senats vom 24. April 1980 - 1 RA 33/79 und vom 11. September 1980 - 1 RA 43/79; zur dogmatischen Einordnung vgl. insbesondere Bogs, Festschrift zum 25jährigen Bestehen des BSG, Bd. 1, 149). Es kann kein begründeter Zweifel daran bestehen, daß eine Pflicht zur Beratung des Versicherten nicht nur wie vor dem 1. Januar 1976 weiterhin eine Nebenpflicht des Versicherungsträgers aus dem Versicherungsverhältnis ist, sondern durch §§ 14 und 15 SGB 1 zum eigenständigen Anspruch aufgewertet worden ist und auch und erst recht von da an bei einer entsprechenden Pflichtverletzung des Versicherungsträgers ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch der soeben beschriebenen Art gegeben sein kann. Hiervon geht auch das Schrifttum als selbstverständlich aus (vgl. z.B. Hauck/Haines, SGB 1, § 14 Rdnr. 15; Rüfner in Wannagat, SGB 1, § 14 Rdnr. 12; Schellhorn in Burdenski/von Maydell/Schellhorn, SGB 1, § 14 Rdnr. 41 bis 44; Schnapp in Bochumer Kommentar, SGB 1, § 14 Rdnr. 13 bis 16).
Es kann unbedenklich unterstellt werden, daß auch der Kläger - mangels einer anderen denkbaren Rechtsgrundlage - seinen Anspruch auf "Rückzahlung" von 4.320,-- DM auf diesen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützt, für den der Sozialrechtsweg im übrigen gegeben ist (BSGE 41, 126, 127 = SozR 7610 § 242 Nr. 5; BSGE 46, 124, 125 = SozR 2200 § 1290 Nr. 11; Funk, SGb 1978, 45, 53).
Indessen hat der Kläger keinen Herstellungsanspruch gegen die Beklagte, weil diese - wie er behauptet - seinen Anspruch auf Beratung in Form der Herausgabe einer Optimierungsberechnung verletzt hätte. Nach allgemeiner Meinung hat der Versicherungsträger grundsätzlich nicht von Amts wegen zu beraten. Es obliegt vielmehr dem Bürger, sein Anliegen vorzutragen und den Versicherungsträger um Beratung zu bitten; gegen oder ohne seinen Willen soll der Bürger von den Trägern öffentlicher Gewalt keine Ratschläge erfahren (vgl. BSGE 42, 224, 227 = SozR 2200 § 1324 Nr. 3; Hauck/Haines, a.a.O., § 14 Rdnr. 11; Rüfner a.a.O., § 14 Rdnr. 9 und 10; Schellhorn a.a.O., § 14 Rdnr. 23; Schnapp a.a.O., Rdnr. 8). Freilich ist eine Überspannung der Anforderungen an das Beratungsbegehren des Antragstellers unangebracht; so. ist etwa eine konkrete und gezielte Frage nicht erforderlich, wenn nur die Bitte, beraten zu werden, den Gesamtumständen des Falles hinreichend deutlich zu entnehmen ist (vgl. Rüfner, a.a.O., § 14 Rdnr. 4).
Der Kläger hat weder vor dem 1. Januar 1976 noch nach dem 31. Dezember 1975 auch nur schlüssig um Beratung im Sinne einer Optimierungsberechnung gebeten. Er hat die Beklagte seit 1973 mehrfach um Auskunft ersucht, wie hoch seine - zeitweise: ihm bereits bewilligte Altersrente sein werde, wenn er Beiträge im bestimmten Umfange noch nachentrichten würde. Hierüber hat die Beklagte im Februar 1975 eine genaue Auskunft erteilt, auf eine weitere Anfrage vom 12. Februar 1976 nach der zu erwartenden Rentenhöhe nach Zulassung der Nachentrichtung von Beiträgen unter dem 18. Februar 1976 eine Auskunft allerdings abgelehnt, weil sie unzumutbar eine "komplette Rentenberechnung" erforderlich mache. Eine Beratung hat die Beklagte hiernach nicht abgelehnt; denn die Bitte, den Betrag einer künftigen Rente - vorzeitig - mitzuteilen, kann allenfalls auf eine Auskunft (vgl. § 15 SGB 1), nicht auf eine "Beratung über Rechte und Pflichten" nach dem SGB (§ 14 a.a.O.) zielen. Im Übrigen ist die Ablehnung einer Auskunft ebenso wie die einer Beratung ein Verwaltungsakt i.S. des § 31 SGB 10 (vgl. Funk, SGb 1978, 45, 53). Da der Kläger die eine Auskunft ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 18. Februar 1976 nicht - mangels einer Rechtsbehelfsbelehrung binnen Jahresfrist (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG) - angefochten hat, wurde diese für ihn bindend i.S. des § 77 SGG mit der Folge, daß er hieraus schon deswegen keinen Herstellungsanspruch ableiten kann .
Die Revision des Klägers ist also unbegründet, soweit er wegen pflichtwidrig unterlassener Beratung in Form einer Optimierungsberechnung einen ganz bestimmten Betrag von der Beklagten fordert.
Die Beklagte hat indessen bei der Zulassung des Klägers zur Nachentrichtung von Beiträgen ihm gegenüber obliegende Fürsorge- Nebenpflichten verletzt, die dem Grunde nach einen Herstellungsanspruch begründen: Wie oben schon ausgeführt, erwachsen dem Versicherungsträger mit der Begründung eines Sozialrechtsverhältnisses nach dem Grundsatz von Treu und Glauben solche Pflichten, so bei Vorliegen eines konkreten Anlasses die Pflicht, den Versicherten auf solche Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die klar zutage liegen und deren Wahrnehmung offenbar so zweckmäßig ist, daß jeder Versicherte sie mutmaßlich nutzen würde. Im konkreten Fall bestand für die Beklagte eine solche Hinweispflicht.
Sie hatte dem Kläger mit Bescheid vom 13. September 1974 Altersruhegeld im Betrag von 1.132,40 DM monatlich bewilligt und dabei u.a. eine pauschale Ausfallzeit für den Pauschalzeitraum vom 1. Januar 1925 bis 31. März 1949 nach Art 2 § 14 AnVNG von 31 Monaten zugrundegelegt. Da nach Satz 4 a.a.O. von der in Betracht kommenden Pauschal-Gesamtzeit vor dem 1. Januar 1957 "die auf sie entfallenden Versicherungszeiten abzuziehen sind", liegt auf der Hand, daß nach Zuerkennung der pauschalen Ausfallzeit später noch in die Gesamtzeit hinein nachentrichtete Beiträge den Effekt haben können, die Rente nicht oder nur unter Einsatz unwirtschaftlicher Aufwendungen zu erhöhen. Bei der jedem Rentenversicherungsträger geläufigen Evidenz dieses Zusammenhangs - Nachentrichtung von Beiträgen einerseits, Minderung der schon anerkannten pauschalen, beitragsfreien Ausfallzeit andererseits - muß der Träger als verpflichtet erscheinen, den nachentrichtungswilligen Rentenempfänger zur Vermeidung, grob unwirtschaftlichen Vorgehens hierauf hinzuweisen und entsprechende Empfehlungen zu geben. Die Unterlassung eines solchen Hinweises erscheint nicht mehr als "verständnisvolle Förderung" des Versicherten, die dem Versicherungsträger bei den gegebenen Umständen unschwer zuzumuten ist. Die Beklagte hat dem Kläger den gebotenen Hinweis nicht gegeben. Sie hat dem Kläger ungewarnt mit Bescheid vom 29. Januar 1976 die Nachentrichtung von Beiträgen für den Pauschal-Gesamtzeitraum nach Art 2 § 14 AnVNG von September 1932 bis September 1939 gestattet und dadurch laut Bescheid über die Neufeststellung des Altersruhegeldes vom 12. Mai 1976 bewirkt, daß sich die pauschale Ausfallzeit von bisher 31 Monate auf 17 Monate verringerte. Dadurch wiederum wurde der Aufwand des Klägers für die Beitragsnachentrichtung wirtschaftlich zu einem wesentlichen Teil entwertet.
Die Unterlassung dieser nach den Umständen des Falles zu erwartenden verständnisvollen Förderung des Klägers, wie sie die Beklagte als Nebenpflicht (Hinweispflicht) aus dem Versicherungsverhältnis traf, begründet einen Herstellungsanspruch zur Vornahme desjenigen Zustands, der bestehen würde, wenn die Beklagte ihren Förderungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen wäre. Da nach Lage des Falles feststeht, daß der Kläger für die Nachentrichtung von Beiträgen mehr aufgewendet hat, als er aufgewendet haben würde, wenn ihn die Beklagte entsprechend aufgeklärt hätte, geht sein Herstellungsanspruch auf einen entsprechenden Ausgleich. Die Beklagte war sonach gemäß § 130 Satz 1 SGG wie geschehen dem Grunde nach zur Leistung zu verurteilen. Dementsprechend waren die Urteile der Vorinstanzen und der Bescheid der Beklagten abzuändern. Im übrigen aber war die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Da der Kläger mit seinem Begehren dem Grunde nach obsiegt hat, war die Beklagte ferner zu verpflichten, ihm die außergerichtlichen Kosten des gesamten Streitverfahren zu erstatten (§ 193 SGG).1 RA 45/79
Bundessozialgericht
Verkündet am 12. November 1980
Fundstellen