Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragsfreiheit der Beschäftigung eines Studenten als Tutor

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach dem Sinn des § 172 Abs 1 Nr 5 RVO ist die Nebenbeschäftigung eines Studenten anders zu beurteilen als von Personen mit gleichartiger Beschäftigung, die nicht Studenten sind.

2. Die unterschiedliche Behandlung zwischen Studenten und Nichtstudenten stellt keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art 3 GG dar.

 

Orientierungssatz

Die Tutorentätigkeit (hier: Umfang von wöchentlich höchstens bis zu 10 Stunden) unterliegt nicht der Beitragspflicht zur BA. Sie ist nach § 169 Nr 1 AFG iVm § 172 Abs 1 Nr 5 RVO als Nebentätigkeit eines Studenten beitragsfrei.

 

Normenkette

AFG § 169 Nr. 1 S. 1 Fassung: 1972-08-10, Nr. 1 Fassung: 1975-05-07; RVO § 172 Abs. 1 Nr. 5 Fassung: 1945-03-17, Nr. 5 Fassung: 1975-06-24; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 25.06.1980; Aktenzeichen L 12 Ar 130/78)

SG Münster (Entscheidung vom 15.06.1978; Aktenzeichen S 3 Ar 33/77)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).

Der 1946 geborene Kläger war im Juli und August 1965 und vom 1. bis zum 31. März 1066 als Arbeiter bei der Deutschen Bundespost beschäftigt. Von 1966 bis zum 15. Mai 1976 studierte er an der Universität K. In der Zeit vom 1. November 1971 bis zum 30. September 1974 war er im Bereich des Faches Chemie am Institut für Anorganische Chemie der Universität K als studentischer Tuor tätig. Er unterrichtete an vier Wochenstunden und erhielt dafür ein Entgelt von monatlich 225,-- DM. Der für diese Tätigkeit, einschließlich der Vor- und Nacharbeiten, erforderliche Zeitaufwand schwankte zwischen vier bis zehn Stunden je Woche. Er betrug zu keiner Zeit mindestens 20 Stunden wöchentlich. Seit 1. November 1976 ist der Kläger als Arbeitnehmer beschäftigt.

Er meldete sich am 24. Juni 1976 arbeitslos und beantragte zunächst die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi). Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. August 1976 ab. Mit seinem Widerspruch hiergegen machte der Kläger geltend, seine Tätigkeit als Tutor sei beitragspflichtig zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) gewesen. Er beantragte nunmehr die Gewährung von Alg für die Zeit vom 24. Juni bis zum 31. Oktober 1976.

Durch Bescheid vom 27. Januar 1977 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe weder einen Anspruch auf Alg noch auf Alhi. Für beide Ansprüche fehle es, wie sie mit näherer Begründung darlegte, an der Erfüllung der Anwartschaftszeit.

Der Kläger hat Klage erhoben und unter Hinweis auf die Beitragspflicht seiner Beschäftigung als Tutor vor dem Sozialgericht (SG) beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm Alg nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ab Antragstellung zu gewähren. Durch Urteil vom 15. Juni 1978 hat das SG die Klage abgewiesen.

Bestimmungen ab Antragstellung zu gewähren. Durch Urteil vom vom 24. Juni bis zum 31. Oktober 1976 weiterverfolgt. Durch Urteil vom 25. Juni 1980 hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig, obwohl der Kläger ursprünglich bei der Beklagten nur die Gewährung von Alhi beantragt habe. Die Beklagte habe nämlich in dem Widerspruchsbescheid auch über den inzwischen vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Alg entschieden. Infolgedessen sei die Prozeßvoraussetzung der Durchführung eines Vorverfahrens erfüllt. Im übrigen sei davon auszugehen, daß der Kläger mit seiner Antragstellung vom 24. Juni 1976 auch den Anspruch auf Alg geltend gemacht habe. Dieser Anspruch scheitere jedoch daran, daß der Kläger nicht die nach §§ 100 Abs 1, 104 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) erforderliche Anwartschaftszeit erfülle. Er habe nämlich nicht in der hiernach maßgeblichen Rahmenfrist vom 24. Juni 1973 bis zum 23. Juni 1976 in einer die Beitragspflicht erfüllenden Beschäftigung von mindestens 26-wöchiger-Dauer gestanden. Soweit seine Tätigkeit als studentischer Tutor in die Rahmenfrist falle, nämlich vom 23. Juni 1973 bis zum 30. September 1974, gelte nichts anderes, denn diese Beschäftigung sei nach § 169 Nr 6 AFG beitragsfrei gewesen. Beitragsfrei sei danach eine Beschäftigung von geringfügiger Dauer iS von § 102 Abs 1 AFG. Die Beschäftigung des Klägers als studentischer Tutor habe sich arbeitsvertraglich auf einen Umfang von vier Wochenstunden beschränkt. Die tatsächliche Arbeitszeit einschließlich Vor- und Nacharbeit habe nach den eigenen Angaben des Klägers zwischen vier und zehn Stunden je Woche betragen. Sie habe zu keiner Zeit mindestens zwanzig Stunden wöchentlich betragen und damit nicht die in § 102 AFG normierte Grenze der Geringfügigkeit überschritten.

Es liege auch kein Ausnahmetatbestand vor, der es gemäß § 102 Abs 2 Nr 2 AFG erlauben würde, die Beschäftigung des Klägers als Tutor nicht als geringfügig anzusehen. Zwar bestimme § 102 Abs 2 Nr 2 AFG, daß eine auf weniger als zwanzig Stunden wöchentlich beschränkte Beschäftigung gleichwohl als nicht geringfügig zu betrachten sei, wenn durch Rechtsvorschrift oder behördliche Anordnung eine Arbeitszeit von nicht mehr als zwanzig Stunden wöchentlich vorgeschrieben ist. Zwar sei nach Richtlinien der Kultusministerkonferenz für die Durchführung der Tutorenprogramme der Länder von 1971, idF von 1973, vorgeschrieben, daß die Gesamtarbeitszeit für studentische Tutoren höchstens 18 Stunden in der Woche betragen dürfe. Diese Regelung stellte jedoch weder eine Rechtsvorschrift noch eine behördliche Anordnung iS von § 102 Abs 2 Nr 2 AFG dar. Vom Sinn dieser Regelung seien nur solche Rechtsvorschriften und behördliche Anordnungen erfaßt, die Arbeitszeitbeschränkungen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer enthielten. Eine solche Zielsetzung verfolgen die Richtlinien jedoch nicht.

Selbst wenn man die in ihnen enthaltene Regelung als eine Rechtsvorschrift oder behördliche Anordnung iS von § 102 Abs 2 Nr 2 AFG ansehen wollte, führte das hier nicht zu einem anderen Ergebnis. Der Kläger habe nämlich mit seinem Arbeitgeber eine Arbeitszeitvereinbarung, die weit unterhalb der nach den Richtlinien höchst zulässigen Arbeitszeit von 18 Stunden wöchentlich lag, getroffen. Daraus folge, daß die Beschränkung im konkreten Falle lediglich auf der arbeitsvertraglichen Vereinbarung und nicht auf den genannten Richtlinien beruhe, so daß allein schon aus diesem Grunde die hier angesprochene Bestimmung des § 102 Abs 2 Nr 2 AFG keine Anwendung finden könne.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 102 Abs 2 Nr 2 AFG. Zur Begründung führt er im wesentlichen aus. Die vom LSG vorgenommene Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 102 Abs 2 Nr 2 AFG auf Rechtsvorschriften und behördliche Anordnungen, die Arbeitszeitbeschränkungen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer enthielten, sei weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift gerechtfertigt. Die nach dem Gesetz vorgesehene Arbeitszeitbeschränkung könne aus jedem anderen Grunde, insbesondere auch im öffentlichen Interesse erfolgen. Die von den Kultusministern beschlossenen Richtlinien für das Tutorenprogramm stellten inhaltlich eine Rechtsvorschrift iS des § 102 Abs 2 Nr 2 AFG dar, jedenfalls aber eine behördliche Anordnung in diesem Sinne. Auf ihr beruhe die Festlegung der Arbeitszeit des Klägers auf vier Wochenstunden. Die Festlegung der Gesamtarbeitszeit einschließlich der Vor- und Nacharbeitszeit der Tutoren auf 18 Stunden pro Woche sei kein spezifisches Anliegen der Minister als Arbeitgeber; vielmehr habe die Festlegung aus dem öffentlichen Interesse an einem ordnungsgemäßen Studienablauf der studentischen Tutoren getroffen werden müssen. Auch durch den Arbeitsvertrag des Klägers sei die Anwendung des § 102 Abs 2 Nr 2 AFG nicht ausgeschlossen worden; denn nach Auskunft des Rektors der Universität K vom 20. September 1977 sei die Gestaltung des Arbeitsvertrages nach den Richtlinien der Kultusministerkonferenz ausgerichtet gewesen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil, das Urteil des Sozialgerichts

und die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die

Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld

vom Antrag an zu bewilligen;

hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache

zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das

Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Entscheidung des LSG und führt ergänzend aus: Die Beitragsfreiheit der Beschäftigung des Klägers als Tutor ergebe sich vorliegend bereits aus § 169 Nr 1 AFG iVm § 172 Abs 1 Nr 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die die Beklagte im einzelnen anführt, sei beitragsfrei, wer neben seiner wissenschaftlichen Ausbildung weniger als 20 Stunden wöchentlich einer Beschäftigung nachgehe. So sei es im Falle des Klägers.

Gegen diese Auffassung wendet sich der Kläger im Schriftsatz vom 27. Oktober 1981, auf den inhaltlich Bezug genommen wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, daß es in der Sache entscheiden durfte. Die auf Verurteilung zur Gewährung von Alg gerichtete Klage war nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger im Verwaltungsverfahren ursprünglich nur die Gewährung von Alhi beantragt und die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 13. August 1976 nur diesen Antrag abgelehnt hatte. Das für die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage erforderliche Vorverfahren (§ 78 Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) liegt hier vor; denn die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 1977 auch das inzwischen vom Kläger ausdrücklich geltend gemachte Begehren auf Gewährung von Alg abgelehnt. In dieser Gestalt ist der angefochtene Verwaltungsakt Gegenstand der Klage geworden (§ 95 SGG). Im übrigen ist dem LSG beizupflichten, daß schon der ursprüngliche Leistungsantrag das Begehren auf Gewährung von Alg umfaßte, so daß auch unter diesem Gesichtspunkt keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage wegen Fehlens des Vorverfahrens bestehen (vgl BSGE 49, 114, 116 = SozR 4100 § 100 Nr 5).

Zu Recht hat das LSG ferner nicht darüber entschieden, ob dem Kläger ein Anspruch auf Alhi zusteht; denn Streitgegenstand ist nur der vom Kläger erhobene Anspruch auf Alg geworden. Die Beklagte hat in dem angefochtenen Verwaltungsakt in der Gestalt des Widerspruchsbescheides sowohl einen Anspruch auf Alg als auch auf Alhi abgelehnt. Der Kläger hat diese Ablehnung nur in bezug auf den Alg-Anspruch angefochten, wie sich aus seinem Klageantrag und -vorbringen, übrigens auch in der Berufungs- und Revisionsinstanz, ergibt. Die Ablehnung der Gewährung von Alhi ist mithin gemäß § 77 SGG bindend geworden, so daß im Klageverfahren nur noch über den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Alg zu entscheiden war (§ 123 SGG).

Das LSG hat das Bestehen eines Anspruchs auf Alg zutreffend verneint. Nach § 100 Abs 1 AFG hat ua Anspruch auf Alg nur derjenige Antragsteller, der die Anwartschaftszeit erfüllt. Das ist hier nicht der Fall.

Nach § 104 Abs 1 Satz 1 AFG idF des Gesetzes vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist sechsundzwanzig Wochen oder sechs Monate in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hat. Nach § 104 Abs 2 AFG geht die Rahmenfrist dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind oder nach § 105 AFG als erfüllt gelten; sie beträgt längstens drei Jahre (§ 104 Abs 3 Halbsatz 1 AFG).

Der Kläger hat in der aufgrund seiner Arbeitslosmeldung vom 24. Juni 1976 für ihn maßgeblichen Rahmenfrist vom 24. Juni 1973 bis 23. Juni 1976 keine beitragspflichtige Beschäftigung von sechsundzwanzig Wochen oder sechs Monaten zurückgelegt. Nach den unangegriffenen und deshalb insoweit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Kläger in dieser Zeit lediglich seine Tätigkeit als studentischer Tutor an der Universität K aufzuweisen, und zwar, soweit sie in die Rahmenfrist fällt, vom 24. Juni 1973 bis 30. September 1974. Diese Tätigkeit übte der Kläger während seines Chemiestudiums aus; sie betrug zu keiner Zeit mindestens zwanzig Stunden in der Woche, sondern schwankte einschließlich Vor- und Nacharbeitszeiten zwischen vier und zehn Stunden in der Woche. Das LSG hat zutreffend erkannt, daß aufgrund dieser Beschäftigung eine Anwartschaft auf Alg nicht begründet worden ist, weil sie nicht der Beitragspflicht zur BA unterlegen hat.

Diese Rechtslage ergibt sich aus § 169 Nr 1 Satz 1 AFG, der auf die in Rede stehende Beschäftigung vom 24. Juni 1973 bis 30. September 1974 idF von § 92 Nr 2 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) vom 10. August 1972 anzuwenden ist (vgl § 116 Abs 1 KVLG). Danach sind (zur BA) beitragsfrei Arbeitnehmer, die nicht aufgrund ihres Beschäftigungsverhältnisses nach der RVO, dem Reichsknappschaftsgesetz (RKG) oder dem KVLG für den Fall der Krankheit pflichtversichert sind, und Arbeitnehmer, die nach dem KVLG für den Fall der Krankheit pflichtversichert sind, jedoch nicht versichert wären, wenn die Vorschriften der RVO auf sie Anwendung fänden. Der § 169 Nr 1 Satz 2 AFG sieht insoweit zwar gewisse Ausnahmen vor, die nach den Feststellungen des LSG für die Beschäftigung des Klägers ersichtlich jedoch nicht in Betracht kommen. § 169 Nr 1 AFG hat durch Art 2 § 4 Nr 3 des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter vom 7. Mai 1975 (BGBl I 1061) mit Wirkung ab 1. Juli 1975 zwar eine andere - die heute geltende - Fassung erhalten. Er lautet jetzt: "Beitragsfrei sind 1. Arbeitnehmer in einer Beschäftigung, in der sie die in den §§ 168, 169 oder 172 oder die in den §§ 169, 172 Nr 1 jeweils iVm § 174 Nr 1 RVO genannten Voraussetzungen für die Krankenversicherungsfreiheit erfüllen;". Dadurch ist aber an dem dieser Vorschrift innewohnenden Grundsatz nichts geändert worden, daß - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - die Beitragsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung die Beitragsfreiheit zur BA nach sich zieht (vgl BSGE 18, 254, 255; 39, 223, 227, 229; 44, 164, 165; 50, 25, 26; BSG SozR 2200 § 1228 Nr 9).

Die Beschäftigung des Klägers als studentischer Tutor, um die es hier geht, war nach § 172 Abs 1 Nr 5 RVO krankenversicherungsfrei. Aufgrund dieser Vorschrift ist krankenversicherungsfrei, wer während der Dauer seines Studiums als ordentlicher Studierender einer Hochschule gegen Entgelt beschäftigt ist. Diesen Grundsatz enthielt § 172 Abs 1 Nr 5 RVO schon idF des Art 1 Abs 3 der Ersten Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung vom 17. März 1945 (RGBl I 41); danach waren Personen versicherungsfrei, "die zu oder während ihrer wissenschaftlichen Ausbildung für den zukünftigen Beruf gegen Entgelt tätig sind". Gleiches kommt in der seit 1. Oktober 1975 geltenden Fassung des § 172 Abs 1 Nr 5 RVO durch § 1 Nr 3 des Gesetzes vom 24. Juni 1975 (BGBl I 1536) zum Ausdruck (vgl BSGE 50, 25, 26); sie lautet jetzt: "Versicherungsfrei sind ... 5. Personen, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule oder einer sonstigen der wissenschaftlichen oder fachlichen Ausbildung dienenden Schule gegen Entgelt beschäftigt sind".

Sinn dieser Regelungen ist es vornehmlich, die Beschäftigung sogenannter Werkstudenten von der Versicherungspflicht auszunehmen; sie betrifft nach der ständigen Rechtsprechung des BSG in erster Linie Studierende, die neben ihrem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausüben, um dadurch die zur Durchführung des Studiums und zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts erforderlichen Mittel zu verdienen oder zu ergänzen (vgl BSGE 50, 25, 26 mwN).

Entscheidend bleibt dafür jedoch, daß das Studium die Hauptsache ist, die Beschäftigung die Nebensache; letztere ist nur solange versicherungsfrei, als sie nach Zweck und Dauer dem Studium untergeordnet ist, nur nebenher ausgeübt wird; andernfalls ist sie versicherungspflichtig Das BSG hat sich in zahlreichen Fällen mit der Differenzierung solcher Sachverhalte auseinandergesetzt (vgl dazu die Hinweise in BSGE 50, 25, 26 ff). Während die Rechtsprechung dabei zu dem Ergebnis gelangt ist, daß eine Beschäftigung von zwanzig Stunden wöchentlich und mehr dafür spricht, daß sie gegenüber dem Studium die Hauptsache und damit versicherungspflichtig ist - wenngleich dies nicht für alle Fälle gelten muß, vgl BSGE 50, 25, 26 -, hat der Senat im Urteil vom 21. Juli 1977 die Folgerung gezogen, daß die Tatsache einer Beschäftigung von weniger als zwanzig Stunden wöchentlich neben einer wissenschaftlichen Ausbildung den Betreffenden seinem Erscheinungsbild nach zu einem Studenten "im Hauptberuf" macht, ohne daß dies noch besonders begründet zu werden braucht mit der Folge, daß die Beschäftigung gemäß § 172 Abs 1 Nr 5 RVO krankenversicherungsfrei ist (vgl BSGE 44, 164, 166). Dem hat sich der 12. Senat des BSG im Ergebnis angeschlossen (vgl BSG SozR 2200 § 1228 Nr 9; BSGE 50, 25, 26), ähnlich schon der 3. Senat im Urteil vom 31. Oktober 1967 (BSGE 27, 192, 196).

Das LSG hat unangegriffen und damit für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt, daß der Kläger seine Tätigkeit als Tutor neben seinem Studium der Chemie ausgeübt hat, und zwar in einem Umfang von wöchentlich höchstens bis zu zehn Stunden. Allein daraus ergibt sich aufgrund der dargestellten Rechtsgrundsätze, daß diese Tätigkeit versicherungsfrei nach § 172 Abs 1 Nr 5 RVO war. Infolgedessen war sie auch beitragsfrei zur BA gemäß § 169 Nr 1 Satz 1 AFG und konnte damit nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg dienen, da § 104 Abs 1 Satz 1 AFG insoweit nur die die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungen nach § 168 AFG berücksichtigt.

Bei dieser Sach- und Rechtslage bedurfte es keiner Entscheidung, ob die Beschäftigung des Klägers auch deshalb nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen konnte, weil sie kurzzeitig (geringfügig) iS von § 102 Abs 1 AFG und deshalb beitragsfrei gemäß § 169 Nr 6 AFG war, wie das LSG - nach Auffassung des Senats rechtlich übrigens zutreffend - angenommen hat. Infolgedessen sind auch die Ausführungen des Klägers nicht entscheidungserheblich, seine Tätigkeit als Tutor müßte ungeachtet ihrer geringen wöchentlichen Arbeitszeit nach Maßgabe von § 102 Abs 2 Nr 2 AFG als nicht kurzzeitig, damit als beitragspflichtig angesehen werden. Auf diese Frage kommt es nicht mehr an, wenn die Beschäftigung, wie hier, bereits nach der Regelung in § 169 Nr 1 Satz 1 AFG beitragsfrei war. Hinsichtlich dieser Rechtswirkung kommt es nämlich nur darauf an, ob einer der Tatbestände des § 169 AFG vorliegt, die insoweit untereinander gleichwertig sind.

Daran ändert auch der Hinweis des Klägers nichts, er würde, müßte man seine Tutorentätigkeit gemäß § 102 Abs 2 Nr 2 AFG als mehr als kurzzeitig behandeln, gegenüber demjenigen schlechtergestellt, der eine ebensolche Beschäftigung ausübe, ohne Student zu sein. Sie bliebe ungeachtet dessen nämlich gemäß § 169 Nr 1 Satz 1 AFG iVm § 172 Abs 1 Nr 5 RVO beitragsfrei. Es ist gerade der Sinn des § 172 Abs 1 Nr 5 RVO, der auf die Beitragspflicht zur BA gemäß § 169 Nr 1 Satz 1 AFG durchschlägt, die Versicherungs- bzw Beitragspflicht der Nebenbeschäftigung eines Studenten anders zu behandeln, als von Personen mit gleichartiger Beschäftigung, die nicht Studenten sind. Dies ist, wie dargestellt wurde, aus wohlerwogenen sachlichen Gründen geschehen. Eine solche unterschiedliche Behandlung, die zudem unterschiedliche Sachverhalte betrifft - einmal den Studenten, zum anderen den Nichtstudenten -, kann deshalb nicht als eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art 3 des Grundgesetzes angesehen werden.

Die Revision des Klägers muß nach allem mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1657039

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