Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage der Zuständigkeit eines Versicherungsträgers für Ansprüche bis zum Inkrafttreten des FANG, wenn der Antragsteller außerhalb der Bundesrepublik, aber nicht im Ausland, wohnt.

Ruhen der Rente bei Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereiches der RVO (hier: Aufenthalt in dem unter polnischer Verwaltung stehenden Teil Oberschlesiens).

 

Orientierungssatz

Die unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Gebiete Oberschlesiens sind               nicht Gebiete eines auswärtigen Staates. Sie sind nicht Teile des polnischen Staates und nicht "Ausland" (Urteil des BSG 1965-02-26 5 RKn 49/60; siehe auch Teil 9 b der "Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin" vom 1945-08-02 in Amtsblatt des Kontrollrates, Ergänzungsblatt 1 S 13, 18).

 

Normenkette

RVO § 1630 Abs. 2 Fassung: 1924-12-15, § 1317 Fassung: 1960-02-25, § 1572 Abs. 3 Fassung: 1953-09-03; FRG § 8 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1953-08-07

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Dezember 1962 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung und Auszahlung von Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des in der Bundesrepublik beschäftigt gewesenen Versicherten L. an seine Witwe, die in den unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten wohnt.

Der Versicherte ist im Januar 1952 in M gestorben. Er arbeitete von 1927 bis 1932 im Kreise K, Oberschlesien, als Zimmerer. Von 1933 bis 1939 war er bei L versicherungspflichtig beschäftigt. 1939 wurde er zum Wehrdienst eingezogen. 1947 wurde er aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Seitdem war er im Gebiet der Bundesrepublik beschäftigt. Für die Zeit seit 1947 sind Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung für 55 Monate entrichtet.

Die Klägerin wohnt in G (S) bei K (K) in Oberschlesien. Sie beantragte im Januar 1955 Hinterbliebenenrente. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab (Bescheid vom 7. November 1955), sie sei nicht zur Entscheidung zuständig (§ 1630 Abs. 2, § 1572 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung - RVO -; §§ 7, 8, 9 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes vom 7. August 1953 - FAG -). Nach Erlaß des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes vom 25. Februar 1960 (FANG) erkannte sie den Anspruch auf Witwenrente für die Zeit seit dem 1. Januar 1959 an; die Rente ruhe jedoch, da sich die Klägerin außerhalb des Geltungsbereichs der RVO aufhalte (§ 1317 RVO idF des FANG; Bescheid vom 14. November 1960).

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7. Februar 1962).

Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 17. Dezember 1962). Es hat sinngemäß ausgeführt, die Beklagte sei erst durch Art. 2 Nr. 7 FANG (Anfügung von Satz 2 in § 1630 Abs. 2 RVO), in Kraft getreten am 1. Januar 1959, zuständig geworden. Ein anderer Versicherungsträger sei für die Zeit seit Antragstellung nicht zuständig gewesen. § 1638 RVO aF - Zuständigkeit des Versicherungsträgers, in dessen Bezirk der Versicherte zuletzt gewohnt hat - sei zum 1. Januar 1954 außer Kraft getreten (§ 224 Abs. 3 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Seit dem 1. Januar 1954 sei gemäß §§ 1630, 1614, 1572 Abs. 3 RVO allein der Versicherungsträger zuständig, in dessen Bezirk die Witwe wohne. Für Glashütte sei kein Versicherungsträger im Geltungsbereich der RVO zuständig gewesen. § 8 Abs. 2 Satz 2 FAG sei nicht anwendbar; denn er gelte nur für Leistungen an Berechtigte im Ausland. Die deutschen Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie seien aber nicht Teile des polnischen Staates, sondern ständen nur unter vorläufiger polnischer Verwaltung. Die Klägerin habe daher vor dem 1. Januar 1959 keinen Anspruch gegen die Beklagte gehabt. Seit diesem Zeitpunkt ruhe die Rente der Klägerin gemäß § 1317 RVO. §§ 1318, 1319 RVO idF des FANG ließen eine Zahlung nur zu, wenn der Berechtigte sich im Ausland aufhalte. Der Vergleich von § 1317 RVO ("außerhalb des Geltungsbereichs" der RVO) mit §§ 1318, 1319 RVO ("Ausland") ergebe, daß der Gesetzgeber, der die Problematik gekannt habe, die Rentenansprüche von Deutschen in den unter fremder Verwaltung stehenden Ostgebieten habe ruhen lassen wollen. Daher sei auch eine entsprechende Anwendung der Ausnahmevorschriften nicht möglich.

Die Klägerin hat Revision eingelegt und sinngemäß beantragt, das Urteil des LSG, das Urteil des SG und den Bescheid vom 7. November 1955 aufzuheben, den Bescheid vom 14. November 1960 zu ändern sowie die Beklagte zu verurteilen, Witwenrente für die Zeit vom 1. Februar 1955 an zu gewähren und auszuzahlen.

Die Klägerin rügt eine Verletzung der Art. 3, 6, 14, 20 des Grundgesetzes (GG). Es könne nicht zutreffen, daß sie durch die ersatzlose Streichung des § 1638 RVO rechtlos dagestanden habe. Zum Ruhen der Rente für die Zeit seit dem 1. Januar 1959 meint die Revision, der Begriff "Gebiet eines auswärtigen Staates" sei sozialadäquat auszulegen. Der Gesetzgeber spreche nicht von Hoheitsgebiet. Schlesien sei deutsches Staatsgebiet, jedoch polnisches Hoheitsgebiet. Bei Auslegung in diesem Sinne sei der Klage stattzugeben. Die Auslegung der §§ 1317 bis 1319 RVO zuungunsten der Klägerin verstoße gegen das GG.

Die Beklagte hält die Revision der Klägerin nicht für begründet und beantragt, sie zurückzuweisen.

II

Die Revision ist nicht begründet.

Bei der Beurteilung des Witwenrentenanspruchs sind die Zeiträume von der Antragstellung (Januar 1955) bis zum 31. Dezember 1958 und vom 1. Januar 1959 an zu unterscheiden, weil sich die Rechtslage seit dem 1. Januar 1959 durch das FANG geändert hat.

a) Bis zum 31. Dezember 1958

Das LSG hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin verneint. Doch ist seiner Auffassung, das Begehren der Klägerin sei schon deshalb unbegründet, weil kein Versicherungsträger zuständig sei, nicht voll zu folgen.

Bei der Zuständigkeit eines Versicherungsträgers nach der RVO sind die verfahrensrechtliche und die materiell-rechtliche Seite zu unterscheiden. Die verfahrensrechtliche Seite besagt, welcher Versicherungsträger zu entscheiden hat, die materiell-rechtliche, welcher Versicherungsträger Schuldner einer Leistung ist, deren materiell-rechtliche Voraussetzungen erfüllt sind. Wie das LSG dargelegt hat, fehlte für Hinterbliebene in den deutschen Gebieten außerhalb der Bundesrepublik bis zum 31. Dezember 1958 eine ausdrückliche Vorschrift über die verfahrensrechtliche Zuständigkeit. Diese Lücke im Gesetz ist im Wege der ergänzenden Rechtsfindung auszufüllen; denn es muß ein Versicherungsträger zuständig im verfahrensrechtlichen Sinne sein, um die Voraussetzungen eines erhobenen Anspruchs zu prüfen und dem Antragsteller einen Bescheid zu erteilen. Die Lücke ist im Sinne des Gesetzgebers auszufüllen. Der Gesetzgeber hat nun sowohl in § 8 Abs. 2 Satz 2 FAG als auch durch § 1630 Abs. 2 Satz 2 RVO idF des FANG zu erkennen gegeben, daß die Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz stets dann zuständig sein soll, wenn bei Aufenthalt oder Wohnsitz eines Antragstellers außerhalb der Bundesrepublik kein anderer Versicherungsträger in der Bundesrepublik zuständig sein soll. Deshalb ist die Beklagte auch in einem Falle wie dem vorliegenden als zuständig im verfahrensrechtlichen Sinne anzusehen. Bei dieser Rechtslage braucht nicht näher erörtert zu werden, ob die Grundsätze der Rechtsprechung zum Beweis des Gerichtsstandes der Zivilprozeßordnung (ZPO) durch den Kläger, wenn die klagebegründenden und die die örtliche Zuständigkeit begründenden Tatsachen zusammenfallen, entsprechend auch für die Bestimmung der Zuständigkeit eines Versicherungsträgers im verfahrensrechtlichen Sinne herangezogen werden könnten (vgl. Baumbach, ZPO, 29. Aufl., Übersicht 3 C vor § 12 ZPO; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 9. Aufl., § 38 Abschn. I 2 a und b).

Zur materiell-rechtlichen Beurteilung des Anspruchs der Klägerin hat der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) erklärt, daß er an der Entscheidung in BSG 8, 195, mit der er einer Witwe nach Übersiedlung von Oberschlesien in das Bundesgebiet die Witwenrente auch für die Zeit zugesprochen hat, in der sie ihren Wohnsitz in Oberschlesien hatte, nicht festhält. Der Senat kann daher ohne Berücksichtigung jenes den Anspruch bejahenden Urteils entscheiden.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von Hinterbliebenenrente; denn sie gehört nicht zu den nach § 8 Abs. 1 FAG berechtigten Personen, die sich im Gebiet eines "auswärtigen Staates" aufhalten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 FAG haben Anspruch auf Leistungen gegen einen Versicherungsträger im Bundesgebiet - bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen - nur Personen, die sich im Gebiet eines auswärtigen Staates aufhalten. Die unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Gebiete Oberschlesien sind nicht Gebiete eines auswärtigen Staates. Sie sind nicht Teile des polnischen Staates und nicht "Ausland" (Urteil des BSG vom 26. Februar 1965 - 5 RKn 49/60 -; siehe auch Teil IX b der "Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin" vom 2. August 1945 in Amtsblatt des Kontrollrates, Ergänzungsblatt 1 S. 13, 18). Der Begriff "Gebiet eines auswärtigen Staates" kann auch nicht im Sinne von "außerhalb der Bundesrepublik" oder "unter Verwaltung eines auswärtigen Staates stehend" ausgelegt werden. Das FAG kennt auch den Begriff "außerhalb des Bundesgebietes"; doch verwendet es ihn nur in bezug auf die Zurücklegung von Versicherungszeiten und den Sitz von Versicherungsträgern. Diese Unterscheidung im Ausdruck zeigt, daß nach dem Willen des Gesetzgebers des FAG nicht Personen mit Aufenthalt außerhalb des Bundesgebietes, sondern nur solche mit Aufenthalt im Ausland bzw. im Gebiet eines auswärtigen Staates leistungsberechtigt nach § 8 Abs. 1 Satz 1 FAG sein sollen (siehe auch die Überschrift des Abschnittes II des FAG: Leistungen an Berechtigte im Ausland). Diese Auslegung des § 8 Abs. 1 FAG bedeutet nur scheinbar eine Einschränkung des berechtigten Personenkreises gegenüber § 1281 RVO aF, der in Verbindung mit § 1282 RVO aF entsprechend der Rechtslage bis zum Zusammenbruch im Mai 1945 nur "Inland" und "Ausland" kannte. In Wirklichkeit ist durch § 8 Abs. 1 Satz 1 FAG der Kreis der leistungsberechtigten Personen gegenüber dem seit dem Zusammenbruch im Mai 1945 vorangegangenen Recht erweitert worden. Dies ergibt ein Überblick über die Sach- und Rechtslage seit dem Zusammenbruch.

Nach der Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen (vgl. Feststellung vom 5. Juni 1945 über die Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen, Amtsblatt des Kontrollrates, Ergänzungsblatt Nr. 1 S. 11) und der Unterstellung von deutschen Gebieten außerhalb der Besatzungszonen unter die Verwaltung fremder Staaten (vgl. die oben genannte Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin vom 2. August 1945) ergingen infolge der damit verbundenen getrennten und unterschiedlichen Verwaltungen auch unterschiedliche Vorschriften über die Gewährung von Renten aus der Rentenversicherung für die einzelnen Besatzungszonen bzw. Länder und die deutschen Gebiete unter fremder Verwaltung. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung die durch die besonderen Nachkriegsverhältnisse geschaffene Lage in der gesetzlichen Rentenversicherung dahin beurteilt, daß jede Person schicksalhaft mit der Entwicklung des Sozialversicherungsrechts an ihrem Wohnsitz verbunden ist und zwar sowohl, wenn sie durch vorteilhaftere Vorschriften ihres Wohnsitzrechts begünstigt wird, als auch, wenn die Entwicklung sich ungünstiger für sie auswirkt. Daß die Anordnungen der Militärregierungen und der von ihnen zugelassenen Länderregierungen vom Wohnsitzgrundsatz ausgehen, zeigen besonders deutlich die Vorschriften über die Gewährung von Renten an Flüchtlinge. Sie gaben Rentenansprüche nur Personen, die im Bereich der jeweiligen Anordnungen (der Zonen und der Länder) wohnten (für die polnisch verwalteten deutschen Gebiete siehe Gesetz vom 25. Juni 1954 in "International Labour Office, Legislative Series", 1954, Pol. 2; ferner Osteuropa-Handbuch, Bd. Polen, 1959, S. 330 ff "Territorialprobleme und Sondergesetze der Nachkriegszeit" und S. 354 f "Arbeitsrecht und soziale Sicherheit"; BSG 3, 286; 5, 60; 11, 271; 17, 144; 19, 97; 22, 263; 24, 227; BSG vom 28. September 1966 - 1 RA 25/65 und 1 RA 115/66 -; BSG vom 25. November 1966 - 1 RA 195/66 -; BSG vom 4. August 1966 - 11/1 RA 307/63; BSG SozR Nr. 1 zu § 83 RKG).

Erstmals mit Abschnitt II des FAG wird bundeseinheitlich über den Grundsatz der Maßgeblichkeit des Wohnsitzes im Bundesgebiet hinaus Personen ein Leistungsanspruch gewährt, die sich im Gebiet eines auswärtigen Staates aufhalten (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des FAG, Teil A Nr. 2 und Teil B zu Abschnitt II, 1. Abs. und zu § 8 Abs. 1 des Entwurfs in Bundestagsdrucksache I/4201).

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz in Artikel 3 GG oder gegen sonstige Artikel des GG kann darin, daß im FAG nicht auch Personen, die in Teilen des ehemaligen Deutschen Reiches außerhalb der Bundesrepublik wohnen, für leistungsberechtigt erklärt worden sind, nicht gesehen werden; denn es bedeutet einen wesentlichen sachlichen Unterschied, ob sich Personen im Gebiet eines auswärtigen Staates aufhalten oder in Teilen Deutschlands unter fremder Verwaltung. Es war nicht willkürlich oder sachfremd, wenn der Gesetzgeber diesen bestehenden Unterschieden auch unterschiedliche rechtliche Bedeutung beigelegt hat und im Verhältnis zu den Teilen Deutschlands außerhalb der Bundesrepublik am Wohnsitzgrundsatz festgehalten hat, wie er sich nach dem Zusammenbruch entwickelt hatte. Die Beurteilung des § 8 Abs. 1 Satz 1 FAG unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes kann auch nicht entscheidend darauf abgestellt werden, ob gerade im Einzelfall die ansprucherhebende Person Leistungen nach dem in ihrem Wohnsitzbereich geltenden Rentensystem beanspruchen kann (vgl. auch Urt. des BSG vom 4. August 1966 - 11/1 RA 307/63). Es muß genügen, daß die deutschen Personen grundsätzlich in die Regelung der sozialen Sicherheit des das deutsche Gebiet verwaltenden Staates einbezogen ist. Es würde sonst dem Belieben der Verwaltungen der deutschen Gebiete außerhalb der Bundesrepublik anheimgegeben, dort Ansprüche zu versagen, um zur Ersparnis dortiger Mittel Leistungen aus der Bundesrepublik in jene Gebiete fließen zu lassen. Gesetzgebung und Rechtsprechung zur Frage der Rentengewährung an Personen außerhalb der Bundesrepublik sind durch das Grundgesetz nicht genötigt, sich nach den Vorschriften der fremden Verwaltungen über die Eingliederung der deutschen Bewohner in die dortigen Systeme der sozialen Sicherheit zu richten. Daß Kriegsopferrenten in die polnisch verwalteten deutschen Gebiete überwiesen werden, steht nicht im Widerspruch zu der Auslegung des § 8 Abs. 1 FAG; denn die Kriegsopferversorgung kann nicht, wie die Rentenversicherung, von der Aufspaltung des früheren einheitlichen Rentenversicherungssystems nach dem Zusammenbruch Deutschlands ausgehen.

b) Seit dem 1. Januar 1959

Die §§ 1315 bis 1323 a RVO idF des FANG und des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (RVÄndG) enthalten besondere Vorschriften nur noch darüber, ob und in welchem Umfang Renten in Gebiete außerhalb der Bundesrepublik zu zahlen sind. Die RVO i. V. m. dem FANG geht in ihrer Systematik nicht mehr davon aus, daß nur Berechtigte mit Wohnsitz im Bundesgebiet einen Anspruch auf Rente erwerben und daß bei Aufenthalt außerhalb des Bundesgebietes ein Anspruch nur ausnahmsweise unter ausdrücklich genannten Voraussetzungen (wie § 8 Abs. 1 FAG) erworben werden könnte. Das Gesetz geht vielmehr jetzt davon aus, daß der Rentenanspruch als solcher schon bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen der §§ 1245 ff RVO erworben wird - Personalitätsprinzip - (vgl. Jantz/Zweng/Eicher, FANG, 2. Aufl., Vorbem. B vor §§ 1315 ff RVO). Für die Frage der Zahlung der Rente besteht aber weiterhin der Wohnsitzgrundsatz. Dies zeigt die Fassung der §§ 1315, 1317 ff RVO nach dem FANG. Danach "ruht" grundsätzlich die Rente bei gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs der RVO. Die einzelnen aufgeführten Voraussetzungen einer Zahlung der Rente in Gebiete außerhalb der Bundesrepublik stellen Ausnahmen von der Regel dar (vgl. auch SozR § 1315 RVO Nr. 2, § 1317 RVO Nr. 5, § 1318 RVO Nr. 2). Das neue Recht begünstigt also im Vergleich mit § 8 FAG die in anderen Teilen Deutschlands wohnhaften Personen durch die Gewährung eines Anspruchs auf Rente in der Bundesrepublik. Dementsprechend hat die Beklagte einen Anspruch der Klägerin für die Zeit seit dem 1. Januar 1959 anerkannt.

Nach §§ 1317 ff RVO kann der Klägerin jedoch keine Rente an ihren Wohnort in den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten gezahlt werden (ihre Rente "ruht"), weil sie sich "außerhalb des Geltungsbereichs der RVO" aufhält. Die Ausnahme von § 1317 RVO in § 1318 RVO, daß die Rente, soweit sie auf Versicherungsjahre entfällt, die im Geltungsbereich der RVO zurückgelegt sind, für Zeiten des Aufenthalts "im Ausland" gezahlt wird, trifft für die Klägerin nicht zu; denn sie hält sich, wie zu § 8 FAG dargelegt, nicht "im Ausland", sondern "außerhalb des Bundesgebietes" auf. "Ausland" und "außerhalb des Bundesgebietes" können auch bei § 1318 RVO nicht gleichbehandelt werden. Dafür sind die nämlichen Gründe maßgebend, die bei § 8 Abs. 1 FAG eine Gleichstellung verbieten.

Ein Verstoß gegen das GG ist nicht zu erkennen (vgl. zum GG auch SozR § 1317 RVO Nr. 5). Die Klägerin kann sonach nicht die Auszahlung ihrer Witwenrente verlangen.

Das angefochtene Urteil ist nicht rechtswidrig. Die Revision ist deshalb nicht begründet und zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2284977

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