Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnsitzbegriff im Kindergeldrecht. Entsendung
Orientierungssatz
1. Für den Wohnsitzbegriff des § 1 Nr 1 BKGG gilt seit dem 1.1.1976 die Legaldefinition des § 30 Abs 3 SGB 1. Bei dessen Auslegung können wegen der Übereinstimmung mit § 8 AO 1977 steuerrechtliche Grundsätze und Rechtsprechung herangezogen werden (vgl BSG 31.1.1980 8b RKg 4/79 = SozR 5870 § 1 Nr 6).
2. Es ist nicht erforderlich, daß der Kindergeldberechtigte seinen alleinigen Wohnsitz im Inland hat. Es reicht vielmehr aus, wenn einer von mehreren Wohnsitzen im Geltungsbereich des BKGG liegt (vgl BSG 27.4.1978 8 RKg 2/77 = SozSich 1978, 221).
3. Bei Begründung eines ausländischen Wohnsitzes kann ein inländischer Wohnsitz beibehalten werden, wenn die inländische Wohnung dem Berechtigten jederzeit zur Benutzung zur Verfügung steht und auch benutzt wird, sei es durch Angehörige oder Bedienstete oder den Wohnungsinhaber selbst (vgl BSG 26.7.1979 8b RKg 12/78 = SozR 5070 § 1 Nr 4).
Allerdings genügt in diesen Fällen eine vorübergehende, gelegentliche Benutzung nicht.
4. Die Beibehaltung einer Wohnung in der Bundesrepublik Deutschland ist nicht für ausreichend anzusehen, wenn sie von dem im Ausland für längere Zeit Beschäftigten und seiner Familie nur im Urlaub aufgesucht wird (vgl BSG 28.2.1980 8b RKg 6/79 = SozR 5870 § 1 Nr 7) bzw ausschließlich zu Erholungszwecken benutzt wird (vgl BFH 6.3.1968 I 35/65 = BFHE 92, 5).
5. Ausreichend ist hingegen eine ständige Rückkehr bei zeitlich überwiegender Abwesenheit, wenn also die beibehaltene Wohnung dem Verfügungsberechtigten oder seinen Familienangehörigen, dadurch als "Bleibe" dient, daß sie regelmäßig oder doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit benutzt wird (vgl BFH 26.7.1972 I R 138/70 = BFHE 106, 537).
6. § 1 Nr 2 Buchst a BKGG setzt inhaltlich eine Entsendung im Rahmen eines im Inland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses voraus, erfaßt also nicht Beschäftigungsverhältnisse bei nicht im Inland ansässigen Arbeitgebern (vgl BSG 28.2.1980 8b RKg 6/79 = SozR 5870 § 1 Nr 7).
7. Zum Anspruch auf Kindergeld, wenn der österreichische Familienhilfeträger einen Anspruch auf Familienhilfeleistungen (möglicherweise rechtswidrig) versagt.
Normenkette
BKGG § 1 Nr 1; BKGG § 1 Nr 2 Buchst a; SGB 1 § 30 Abs 3 Fassung: 1975-12-11; AO § 8, 1977 Fassung: 1976-03-16; SozSichAbk AUT Art 32
Verfahrensgang
SG Nürnberg (Entscheidung vom 21.12.1983; Aktenzeichen S 9 Kg 39/81) |
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem die Beklagte Kindergeld entzogen und zurückgefordert hat.
Der Kläger ist seit 1. Juli 1975 bei dem in L. ansässigen I. (im folgenden abgekürzt: IIASA) beschäftigt. Hierfür wurde er von der , der G. er seit 1964 angehörte, unter Wegfall der Bezüge zunächst für die Zeit vom 1. Juli 1975 bis 30. Juni 1977 beurlaubt; die Beurlaubung wurde dann bis 31. Juli 1981 und darüber hinaus verlängert. Der Kläger untersteht dem Weisungsrecht des IIASA, von dem er seit 1. Juli 1975 auch seine steuerfreie Vergütung erhält.
Nachdem das Arbeitsamt Passau im März 1980 festgestellt hatte, daß der Kläger bereits am 3. April 1978 mit seiner Familie von R. nach M. verzogen war, wurden das dem Kläger seit Januar 1975 bewilligte Kindergeld für seine beiden Kinder mit Bescheid vom 23. Juni 1980 rückwirkend ab Mai 1978 entzogen und die bis Februar 1980 gezahlten Beträge in Höhe von 3.020,-- DM zurückgefordert, weil der Kläger seine Wohnsitzverlegung nach Österreich nicht unverzüglich angezeigt habe.
Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Sozialgericht (SG) Nürnberg hat mit Urteil vom 21. Dezember 1983 die Abweisung der Klage damit begründet, daß nach dem noch anzuwendenden § 22 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) die Beklagte das Kindergeld zu Recht entzogen habe, weil die Anspruchsvoraussetzungen seit Mai 1978 nicht mehr vorgelegen hätten. Der Kläger habe seitdem - wie zwischen den Beteiligten unstreitig sei - weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG gehabt. Er sei auch nicht im Sinne von § 1 Nr 2a BKGG oder der entsprechenden zwischenstaatlichen Regelung von seinem im Geltungsbereich des BKGG ansässigen Arbeitgeber zur vorübergehenden Dienstleistung nach Österreich entsandt, abgeordnet, versetzt oder kommandiert worden. Arbeitgeber des Klägers sei allein die IIASA, die nicht im Bundesgebiet ansässig sei. Nach dem noch anzuwendenden § 13 Nr 1 BKGG sei das ab Mai 1978 gezahlte Kindergeld zurückzuzahlen, weil der Kläger seiner Pflicht zur Anzeige der Änderung seines Wohnsitzes grob fahrlässig nicht nachgekommen sei.
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1 Nr 1 und § 2 Abs 5 Nr 1 BKGG idF vom 6. Februar 1975 iVm Art 3a und Art 32 Abs 2 und 3 des deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens sowie des § 45 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X). Ihm habe über April 1978 hinaus Kindergeld zugestanden, weil er trotz Verlegung des Familienwohnsitzes nach M. im April 1978 seinen Wohnsitz - als Zweitwohnsitz - in R. beibehalten habe. Die Wohnung im Hause seiner Mutter sei nicht weitervermietet worden, sondern habe ihm jederzeit zur Benutzung zur Verfügung gestanden; er habe dort auch mehrmals im Monat im Rahmen beruflicher Tätigkeiten in der Bundesrepublik gewohnt. Diesen der Beklagten bereits im Mai 1980 mitgeteilten Sachverhalt habe das SG nicht beachtet und daher unter Verstoß gegen § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und unter Verkennung des Wohnsitzbegriffes die Voraussetzungen des § 1 Nr 1 BKGG verneint. Werde dem nicht gefolgt, sei sein Anspruch auf Fortzahlung des Kindergeldes jedenfalls nach Abkommensrecht iVm Art 6 Abs 1 und Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) begründet; denn wenn deutsche Arbeitnehmer durch den Erlaß eines österreichischen Bundesgesetzes ("IIASA-Gesetz" Nr 219 vom 8.4.1981) von den Leistungen aus dem österreichischen Familienlastenausgleich ausgeschlossen würden, so müsse zweifellos wieder auf die Gesetze des Heimatstaates und dessen soziale Sicherungen zurückgegriffen werden, da ohne einen solchen Rückgriff nicht nur das Gegenseitigkeitsprinzip des Art 3a des Abkommens verletzt werde, sondern auch in grundrechtlich geschützte Positionen - Art 6 und Art 3 GG - eingegriffen werde. Im übrigen habe das SG die Entziehung und Rückforderung des Kindergeldes zu Unrecht auf §§ 22, 13 BKGG gestützt. Maßgeblich seien vielmehr die §§ 44 ff, insbesondere § 45 SGB X, dessen Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt seien; insbesondere habe er auch nicht grob fahrlässig seine Anzeigepflicht verletzt.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und nach dem Klageantrag zu erkennen, nämlich die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Juni 1980 und des Widerspruchsbescheides vom 10. September 1980 zur Weiterzahlung von Kindergeld zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Sprungrevision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig. Sie führt zur Zurückverweisung an das Landessozialgericht (LSG), weil die bisher getroffenen Feststellungen für eine abschließende Entscheidung nicht ausreichen.
Die Sprungrevision ist nicht bereits deshalb unbegründet oder gar unzulässig (vgl BSG SozR 1500 § 161 Nr 26), weil sie entgegen § 161 Abs 4 SGG auf Verfahrensmängel gestützt ist. Wird - wie hier - zugleich die Verletzung sachlichen Rechts gerügt, bewirkt § 161 Abs 4 SGG nur, daß über die Rüge solcher Verfahrensmängel nicht sachlich entschieden werden muß.
Die Rüge des Klägers, das SG habe den angefochtenen Entziehungsbescheid nicht nach dem bis 31. Dezember 1980 gültig gewesenen § 22 BKGG beurteilen dürfen, greift durch. Die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides ist vielmehr nach § 48 SGB X zu beurteilen, der gemäß Art 2 §§ 37, 40 Abs 2 des Gesetzes vom 18. August 1980 (BGBl I, 1469) im vorliegenden Fall anzuwenden ist (vgl Urteile des erkennenden Senats vom 24. März 1983, - SozR 5870 § 2 BKGG Nr 30 - und vom 12. September 1984 - 10 RKg 8/83 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Danach setzt die Aufhebung des das Kindergeld bewilligenden Bescheides zunächst voraus, daß in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die der Bewilligung zugrunde gelegen haben, eine wesentliche, den Anspruch ausschließende Änderung eingetreten ist. Die bisherigen Feststellungen des LSG rechtfertigen diese Annahme nicht.
Der Kläger, der schon seit 1. Juli 1975 in Österreich arbeitete, ist zwar nach den insoweit bindenden Feststellungen des SG im Hinblick auf die Verlängerung seines befristeten Beschäftigungsverhältnisses am 3. April 1978 mit seiner Familie von R. nach M. umgezogen und hat damit den Familienwohnsitz nach Österreich verlegt. Daß seitdem die Kinder keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (Geltungsbereich des BKGG) haben, rechtfertigt allein die Entziehung des Kindergeldes jedoch nicht. Hierbei kann offenbleiben, ob ein fehlender Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt der Kinder nach den Rechtsvorschriften des BKGG schon seit April 1978 (Umzug) oder erst seit dem 1. Januar 1979 (bzw 1. Januar 1980) zum Wegfall des Kindergeldes hätte führen können (vgl § 2 Abs 5 BKGG in der bis zum 31. Dezember 1978 gültig gewesenen Fassung iVm den Übergangsregelungen des Achten Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 14. November 1978, BGBl I 1757, wonach Kinder ohne inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt bis zum 31. Dezember 1979 dann berücksichtigt werden konnten, wenn der Berechtigte mindestens 15 Jahre lang einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG hatte). Jedenfalls werden die Kinder nach zwischenstaatlichem Recht auch dann, wenn sie sich im Gebiet der Republik Österreich gewöhnlich aufhalten, für Zeiten, in denen das BKGG für den Anspruch auf Kindergeld den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt der Kinder im Geltungsbereich des BKGG voraussetzt, so berücksichtigt, als hielten sie sich in dessen Geltungsbereich auf. Dies ergibt sich aus Art 32 Abs 2 des Abkommens vom 22. Dezember 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Soziale Sicherheit (Abkommen) idF des Ersten Zusatzabkommens vom 10. April 1969 und des Zweiten Zusatzabkommens vom 29. März 1974 (BGBl II 1975 S 254), das in der letztgenannten Fassung nach Art 3 Abs 2 des Zustimmungsgesetzes vom 3. März 1975 (BGBl II S 253) und der Bekanntmachung vom 13. Juni 1975 (BGBl II S 925) am 1. Juni 1975 in Kraft getreten ist und seitdem in den hier maßgeblichen Bestimmungen unverändert fortgilt. Danach ist der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt von Kindern im jeweils anderen Staat dem inländischen grundsätzlich gleichgestellt (vgl zur Auslegung des Art 32 Abs 2 des Abkommens die Urteile des erkennenden Senats vom 12. September 1984 - 10 RKg 8/83 und 4/83 -, ersteres zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die Verlegung der Familienwohnung nach Österreich am 3. April 1978 rechtfertigt die Entziehung des Kindergeldes allerdings dann, wenn der Kläger damit zugleich seinen eigenen Wohnsitz und seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG aufgegeben hätte (§ 1 Nr 1 BKGG). Hierzu hat das SG lediglich ausgeführt, dies sei zwischen den Beteiligten unstreitig. Ungeachtet der Frage, ob das SG damit überhaupt in tatsächlicher Hinsicht seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht hat, läßt sich daraus jedenfalls nicht entnehmen, ob es von einem zutreffenden Begriff des Wohnsitzes ausgegangen ist. Da das SG den vom Kläger bereits im Verwaltungsverfahren behaupteten Zweitwohnsitz in R. nicht erwähnt hat, ist nicht auszuschließen, daß es allein wegen der Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich eine Beibehaltung des Wohnsitzes des Klägers in Deutschland als ausgeschlossen erachtet hat. Das entspricht aber nicht dem Wohnsitzbegriff des § 1 Nr 1 BKGG, für den seit 1. Januar 1976 die Legaldefinition des § 30 Abs 3 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - (SGB I) gilt. Bei dessen Auslegung können wegen der Übereinstimmung mit § 8 der Abgabenordnung 1977 (vom 16. März 1976, BGBl I, 613) steuerrechtliche Grundsätze und Rechtsprechung herangezogen werden (vgl BSG SozR 5870 § 1 Nr 6 mwN).
Danach ist nicht erforderlich, daß der Kindergeldberechtigte seinen alleinigen Wohnsitz im Inland hat. Es reicht vielmehr aus, wenn einer von mehreren Wohnsitzen im Geltungsbereich des BKGG liegt. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichs- und des Bundesfinanzhofs bereits mehrfach klargestellt (BSG SozR 5870 § 1 Nr 7 mwN; Urteil vom 27. April 1978, SozSich 1978, 221). Bei Begründung eines ausländischen Wohnsitzes kann also ein inländischer Wohnsitz beibehalten werden, wenn die inländische Wohnung dem Berechtigten jederzeit zur Benutzung zur Verfügung steht und auch benutzt wird, sei es durch Angehörige oder Bedienstete oder den Wohnungsinhaber selbst (BSG SozR 5870 § 1 Nr 4). Allerdings genügt in diesen Fällen eine vorübergehende, gelegentliche Benutzung nicht. So ist die Beibehaltung einer Wohnung in der Bundesrepublik Deutschland nicht für ausreichend angesehen worden, wenn sie von dem im Ausland für längere Zeit Beschäftigten und seiner Familie nur im Urlaub aufgesucht wird (BSG SozR 5870 § 1 Nr 7) bzw ausschließlich zu Erholungszwecken benutzt wird (BFH vom 6. März 1968, BStBl II 1968, 439). Ausreichend ist hingegen eine ständige Rückkehr bei zeitlich überwiegender Abwesenheit, wenn also die beibehaltene Wohnung dem Verfügungsberechtigten oder seinen Familienangehörigen, dadurch als "Bleibe" dient, daß sie regelmäßig oder doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit benutzt wird (vgl BFH vom 26. Juli 1972, BStBl II 1972, 949 mwN; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Komm zur AO und zur Finanzgerichtsordnung, § 8 AO Anm 27, 28).
Da der Vortrag des Klägers im Verwaltungsverfahren die Möglichkeit einschließt, daß er die im Hause seiner Mutter gelegene Wohnung in R. tatsächlich beibehalten und benutzt hat, ist nicht auszuschließen, daß sie ihm auch - im obengenannten Sinne - wenigstens mit gewisser Regelmäßigkeit als "Bleibe" gedient hat bzw dient. Das SG hätte bei der Prüfung der Wohnsitzänderung diesen relevanten Sachverhalt nicht unberücksichtigt lassen dürfen, sondern hätte diesbezügliche Feststellungen treffen müssen, auch wenn der Kläger seine Klage ausschließlich auf § 1 Nr 2a BKGG gestützt hatte.
Da sich die Aufhebung des das Kindergeld bewilligenden Bescheides auch nicht aus anderen Gründen als rechtswidrig oder rechtmäßig erweist, ist die danach erforderliche Zurückverweisung der Sache an das Tatsachengericht auch nicht entbehrlich.
Mit dem SG ist davon auszugehen, daß ein Anspruch auf Gewährung des Kindergeldes über den Monat April 1978 hinaus nicht bereits aus § 1 Nr 2a BKGG oder aus den entsprechenden Abkommensregeln begründet ist. Denn der Kläger ist nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des SG nicht von einem im Inland ansässigen Arbeitgeber oder Dienstherrn als dessen Arbeitnehmer oder Dienstnehmer zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt, abgeordnet, versetzt oder kommandiert worden, sondern ist von einem in Österreich ansässigen, selbständigen Unternehmen zur Arbeitsleistung im Ausland angestellt worden. Der § 1 Nr 2a BKGG setzt inhaltlich - insoweit ähnlich wie Art 6 Abs 2 iVm Art 32 Abs 1 und 4 des Abkommens - eine Entsendung im Rahmen eines im Inland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses voraus, erfaßt also - wie das Abkommensrecht - nicht Beschäftigungsverhältnisse bei nicht im Inland ansässigen Arbeitgebern (vgl zu § 1 Nr 2a BKGG BSG SozR 5870 § 1 Nr 7).
Der Kläger kann deshalb auch im Rahmen des Art 32 Abs 1 des Abkommens nicht so behandelt werden, als wenn er während der dort vorgesehenen Dauer der "Entsendung" noch im Gebiet der Bundesrepublik beschäftigt bzw unselbständig erwerbstätig gewesen wäre und kann deshalb nicht aufgrund dieser Regelung Kindergeld nach den Rechtsvorschriften des BKGG verlangen. Vielmehr hat er dann als eine in der Republik Österreich unselbständig erwerbstätige Person gemäß Art 32 Abs 1 des Abkommens Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Staates.
Der Senat kann dahingestellt lassen, ob - wie das SG meint - dem Kläger in Österreich zu Unrecht Familienhilfeleistungen für seine Kinder versagt werden. Diese Versagung ist - wie das SG insoweit bindend festgestellt hat - auf die allein die IIASA betreffenden österreichischen Bundesgesetze vom 14. Februar 1973, BGBl Nr 117 und vom 8. April 1981, BGBl Nr 219 gestützt, wonach ausländische Arbeitnehmer dieser Organisation von den österreichischen Familienleistungen ausgeschlossen sind. Da nach Abkommensrecht bei "Anwendung" der österreichischen Gesetze die deutschen Staatsangehörigen den österreichischen Staatsangehörigen gleichstehen (Art 3 Buchst a iVm Art 1 Nrn 2 und 3 und Art 2 Abs 1 Nr 1 Buchst f des Abkommens), könnte dies bedeuten, daß der Kläger möglicherweise gleichwohl gegen den österreichischen Familienhilfeträger einen Anspruch auf Familienleistungen unter Berufung auf die vorgenannten Bestimmungen des Abkommens, die hinsichtlich der bei der IIASA beschäftigten deutschen Arbeitnehmer keine Ausnahmeregelung enthalten, durchsetzen kann. Selbst wenn ihm dort zustehende Leistungen rechtswidrig versagt worden sein sollten oder noch werden, kann dies jedenfalls nicht dazu führen, ihm allein deshalb einen Anspruch auf Kindergeld gegenüber dem zuständigen Träger der Bundesrepublik Deutschland zu verschaffen, ihn also abkommensrechtlich wie einen aus der Bundesrepublik Deutschland entsandten Arbeitnehmer zu behandeln. Im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland kann ein solcher Anspruch weder aus Art 3 Buchst a noch aus Art 32 iVm Art 6 des Abkommens noch aus Art 3 und 6 GG hergeleitet werden. Der Grundsatz der Gleichbehandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen und die Grundsätze des Art 32 über die Gewährung von Familienbeihilfen im anderen Staat werden nämlich nicht von dem bundesdeutschen Kindergeld-Träger, sondern - wenn überhaupt - von dem zuständigen österreichischen Träger verletzt, so daß der Kläger einen hierauf gestützten Anspruch nur gegenüber dem österreichischen Träger geltend machen könnte. Ebensowenig ist ersichtlich, worin eine Verletzung des Art 3 und Art 6 GG begründet sein sollte, wenn der österreichische Träger bei Anwendung eines österreichischen Gesetzes deutsche Staatsangehörige hinsichtlich ihrer familienbedingten Aufwendungen den österreichischen Staatsangehörigen nicht gleichbehandelt. Entgegen der Ansicht des Klägers läßt sich eine derartige "Einstandspflicht" der einen Vertragspartei bei vertragswidrigem Verhalten der anderen Vertragspartei weder aus dem zwischenstaatlichen Abkommensrecht noch aus dem innerstaatlichen Recht der Bundesrepublik herleiten. Insoweit könnte allenfalls auf politischem Wege oder mittels der völkerrechtlich vorgesehenen Sanktionen - insbesondere Kündigung der entsprechenden Vertragsregelungen - versucht werden, eine Änderung herbeizuführen. Bis zu einer solchen verbleibt es jedoch bei der Wirksamkeit der Abkommensregelungen für beide Vertragsteile, ohne daß die innerstaatliche Anwendung des Abkommens in irgendeiner Weise davon beeinflußt wird, daß der andere Vertragspartner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.
Allerdings kann, solange in Österreich Familienleistungen versagt werden, die Anwendung des Art 32 Abs 3 des Abkommens nicht dazu führen, daß ein nach deutschen Rechtsvorschriften - ggf unter Berücksichtigung des Abkommens - zustehendes Kindergeld ebenfalls versagt bzw entzogen werden muß. Wären beim Kläger die Voraussetzungen des § 1 Nr 1 BKGG hinsichtlich seines Wohnsitzes (und die Voraussetzungen des § 2 Abs 5 BKGG hinsichtlich des Wohnsitzes seiner Kinder unter Berücksichtigung des Art 32 Abs 2 des Abkommens) für den Bezug des bundesdeutschen Kindergeldes erfüllt, dürfte diese Leistung ungeachtet des Art 32 Abs 3 des Abkommens nicht entzogen werden. Zwar werden nach dieser Bestimmung für den Fall, daß nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten - ggf unter Berücksichtigung dieses Abkommens - für ein Kind die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, Familienbeihilfen für dieses Kind ausschließlich nach den Rechtsvorschriften des Vertragsstaates gewährt, in dem sich das Kind gewöhnlich aufhält (hier Österreich). Diese Vorschrift will aber nur eine Doppelleistung von Kindergeld für dasselbe Kind vermeiden (Urteil des erkennenden Senats vom 12. September 1984, 10 RKg 4/83), greift also nach ihrem Zweck nur dann ein, wenn ohne diese Regelung von beiden Seiten Leistungen erbracht würden. Werden in der Republik Österreich - ggf unter Verstoß gegen Art 3a des Abkommens - Familienbeihilfen aufgrund eines nationalen Gesetzes verweigert, sind Familienleistungen des anderen Staates jedenfalls dann zu gewähren, wenn nach dessen Rechtsvorschriften - hier den Vorschriften des BKGG - allein oder im Zusammenhang mit dem Abkommensrecht die Anspruchsvoraussetzungen für das Kindergeld erfüllt sind.
Da mithin die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Entziehungsbescheide davon abhängt, ob der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für das Kindergeld nach § 1 Nr 1 BKGG erfüllt, bedarf es der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Instanzgericht zwecks weiterer Feststellungen, ob der Kläger auch nach dem 3. April 1978 einen (Zweit-)Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland beibehalten hat. Sollte sich ergeben, daß der Kläger dort keinen Wohnsitz beibehalten hat, wird das Tatsachengericht weiter zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X für eine Aufhebung des Verwaltungsaktes auch mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an vorgelegen haben und demgemäß auch bereits gezahltes Kindergeld nach § 50 SGB X zurückgefordert werden kann.
Da es sich um eine Sprungrevision handelt, konnte der Senat gemäß § 170 Abs 4 SGG nach seinem Ermessen die Sache an das LSG zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mitzuentscheiden haben.
Fundstellen