Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsbescheinigung. Berichtigung. Rechtsweg. Rechtsschutzinteresse
Leitsatz (amtlich)
1. Für eine Klage auf Berichtigung einer gemäß § 133 AFG zu erteilenden Arbeitsbescheinigung ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten und nicht zu den Arbeitsgerichten gegeben (Anschluß an BAG vom 13.7.1988 - 5 AZR 467/87 = BAGE 59, 169 ff).
2. Für eine Klage auf Berichtigung der Arbeitsbescheinigung besteht jedenfalls dann kein Rechtsschutzinteresse, wenn ein Verwaltungsverfahren läuft.
Normenkette
AFG § 133 Abs. 1; SGG § 51 Abs. 1; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e
Verfahrensgang
SG Lüneburg (Entscheidung vom 30.10.1986; Aktenzeichen S 13 Ar 269/84) |
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 08.03.1988; Aktenzeichen L 7 Ar 361/86) |
Tatbestand
Streitig ist, ob die beklagte Arbeitgeberfirma verpflichtet ist, eine dem Kläger für das Arbeitsamt ausgestellte Arbeitsbescheinigung zu berichtigen und ob für diesen Klaganspruch der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist.
Der Kläger war vom 4. Juli bis zum 14. November 1983 als Monteur bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung seitens der Beklagten. In der gemäß § 133 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erteilten Arbeitsbescheinigung gab die Beklagte an, die Kündigung sei durch ein vertragswidriges Verhalten des Klägers veranlaßt gewesen. Als Kündigungsgrund teilte sie stichwortartig mit: "wollte keine Fernmontage ausführen".
Das Arbeitsamt (AA) gewährte dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) ab 14. November 1983, jedoch nur vorläufig, weil noch Feststellungen wegen einer Sperrzeit nach § 119 AFG zu treffen seien. Falls die Ermittlungen ergeben sollten, daß eine Sperrzeit eingetreten sei, müsse die Entscheidung insoweit aufgehoben und die bereits gezahlte Leistung vom Kläger erstattet werden (Bescheid vom 12. Dezember 1983).
Mit weiterem Bescheid vom 22. Dezember 1983 hob das AA die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 14. bis 16. November 1983 auf, da sich herausgestellt hatte, daß der Kläger bis zum 16. November 1983 eine Urlaubsabgeltung erhalten hatte. Nach Erschöpfung seines Alg-Anspruches bezog der Kläger Anschluß-Arbeitslosenhilfe bis zum Beginn einer neuen Beschäftigung am 2. Oktober 1984.
Das Klagebegehren, die Beklagte zu verurteilen, die Arbeitsbescheinigung vom 30. November 1983 dahin zu berichtigen, daß ein vertragswidriges Verhalten des Klägers nicht Anlaß für die Kündigung gewesen sei, und die Formulierung "wollte keine Fernmontage ausführen" wegzulassen, hat das Sozialgericht (SG) - nach Beweiserhebung - mit Urteil vom 30. Oktober 1986 als unbegründet abgewiesen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG aufgehoben, festgestellt, daß der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit unzulässig sei und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Göttingen verwiesen. Es hat ausgeführt, nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 1. April 1976 (BAGE 28, 83 ff) sei zwar für Klagen des Arbeitnehmers gegen den (früheren) Arbeitgeber auf Erteilung oder Berichtigung einer Arbeitsbescheinigung iS von § 133 AFG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Dieses Urteil sei jedoch seit dem 1. Juli 1979 durch die Einfügung der Nr 3e in § 2 Abs 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) überholt. Nunmehr seien die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über Arbeitspapiere. Darum handele es sich hier.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 133 AFG. Das LSG entnehme zu Unrecht aus § 2 Abs 1 Nr 3e ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. Die Vorschrift betreffe ausdrücklich nur "bürgerlich-rechtliche Rechtsstreitigkeiten" zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über Arbeitspapiere und erfasse nicht die in die Zuständigkeit der Sozialgerichte fallende öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur inhaltlichen Berichtigung einer Arbeitsbescheinigung. Wie der Arbeitgeber die Bescheinigung auszustellen habe, ergebe sich nicht aus privatrechtlichen Vorschriften, sondern aus der öffentlichrechtlichen Regelung des § 133 AFG. Eine Klage vor dem Arbeitsgericht auf Berichtigung der Arbeitsbescheinigung würde im übrigen ins Leere gehen, weil das am Arbeitsgerichtsprozeß nicht beteiligte Arbeitsamt an eine dort getroffene Entscheidung nicht gebunden sei. Für die Klage auf Berichtigung bestehe im sozialgerichtlichen Verfahren ein Rechtsschutzbedürfnis.
Der Kläger beantragt,
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die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die |
Beklagte zu verurteilen, die Arbeitsbescheinigung |
vom 30. November 1983 dahingehend zu berichtigen, |
daß er keine Veranlassung zur Kündigung gegeben |
habe und die Worte "wollte keine Fernmontage ausführen" |
zu streichen, |
hilfsweise, |
den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Göttingen |
zu verweisen. |
Die Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Entgegen der Rechtsauffassung des LSG ist für den Klageanspruch der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben. Dennoch ist die Klage unzulässig, weil ihr das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Nach § 51 Abs 1 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Arbeitslosenversicherung und der übrigen Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit (BA).
Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (ständige Rechtsprechung - vgl BSGE 37, 292; BGHZ 97, 312, 313 f; 89, 250, 251). Ausgehend von diesem Grundsatz hat das BAG im Urteil vom 13. Juli 1988 (BAGE 59, 169 ff) für die Klage auf Berichtigung einer gemäß § 133 Abs 1 AFG zu erteilenden Arbeitsbescheinigung den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für gegeben erachtet und zur Begründung ausgeführt, § 2 Abs 1 Nr 3e ArbGG erfasse ausdrücklich nur "bürgerlich-rechtliche Rechtsstreitigkeiten" zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern "über Arbeitspapiere". Wegen dieses eindeutigen, die Zuständigkeit auf bürgerlich-rechtliche Rechtsstreitigkeiten beschränkenden Wortlauts könne trotz der - in dieser Richtung interpretationsfähigen - Entstehungsgeschichte der Vorschrift nicht angenommen werden, den Gerichten für Arbeitssachen sei die Zuständigkeit ohne Rücksicht darauf zugewiesen worden, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche oder eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit handele. Alle mit dem Inhalt einer Arbeitsbescheinigung nach § 133 Abs 1 AFG zusammenhängenden Fragen seien jedoch öffentlich-rechtlicher Art. Die Verpflichtung, eine Arbeitsbescheinigung zu erteilen, sei in dem dem öffentlichen Recht zuzuordnenden AFG enthalten. § 133 AFG regele auch im einzelnen, welche Angaben der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitsamt auf einem von der BA vorgesehenen Vordruck zu machen habe. Der Arbeitnehmer sei in die Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und BA hinsichtlich der Arbeitsbescheinigung nur insoweit einbezogen, als ihm der Arbeitgeber nach § 133 Abs 1 Satz 5 AFG die Arbeitsbescheinigung bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zur Vorlage bei der BA auszuhändigen habe. Aufgrund dieser nach Voraussetzungen, Inhalt und Rechtsfolgen öffentlich-rechtlichen Regelung gehöre der vom Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber verfolgte Anspruch auf Berichtigung der Arbeitsbescheinigung dem öffentlichen Recht an und sei vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu verfolgen. Für dieses Ergebnis spreche auch deren Sachkunde und der Sachzusammenhang mit der von der Berichtigung der Arbeitsbescheinigung berührten Leistungsgewährung. Daß die Beteiligten nicht in einem hoheitlichen Über- und Unterordnungsverhältnis stünden, schließe die Annahme der öffentlich-rechtlichen Natur des vom Kläger verfolgten Berichtigungsanspruchs nicht aus.
Dieser Rechtsauffassung des BAG schließt sich der erkennende Senat im Ergebnis an. Mit der Neufassung des § 2 Abs 1 Nr 3e ArbGG wollte der Gesetzgeber zwar erklärtermaßen die bestehenden Schwierigkeiten in der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte beseitigen (vgl BT-Drucks 8/1567 S 4, 26, und BT-Drucks 8/2535, S 5, 34). Über den Anspruch auf Herausgabe der Arbeitspapiere hinaus sollten auch Ansprüche "auf deren ordnungsgemäße, insbesondere vollständige Ausfüllung und ggf auf Ergänzung oder Berichtigung wegen des engen Sachzusammenhanges im Hinblick auf die schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers" in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte einbezogen werden (so auch Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, § 133 Anm 2; Gagel, Kommentar zum AFG, § 133 Anm 11). Wie aus dem Gesetzestext ersichtlich, ist dieses Ziel jedoch nur unvollkommen erreicht worden. Denn nach wie vor betrifft § 3 Abs 1 Nr 3 ArbGG insgesamt nur bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten iS von § 13 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Ein darüber hinausgehender Wille des Gesetzgebers hat im Gesetz keinen Ausdruck gefunden (vgl LAG Schleswig-Holstein, Beschluß vom 9. Oktober 1986 - 3 Ta 142/86 - DB 1987, 896 mwN).
Der streitige Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Berichtigung der Arbeitsbescheinigung nach § 133 AFG ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Daß die Vorschrift des § 133 AFG eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung (Indienstnahme) des Arbeitgebers, nämlich bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses eine Arbeitsbescheinigung auszustellen, gegenüber der Arbeitsverwaltung begründet, ist inzwischen unstreitig (vgl BSGE 49, 291, 293 mwN). Streitig ist lediglich, ob die Vorschrift auch dem Arbeitnehmer einen unmittelbaren Anspruch auf Erteilung der Arbeitsbescheinigung gewährt, den er selbst geltend machen kann, oder ob ihm nur im Rahmen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ein - privatrechtlicher - Anspruch gegen seinen Arbeitgeber zusteht (in letzterem Sinn Gagel, aaO, § 133 Anm 9; Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 133 RdNr 4; Knigge/Ketelsen, Kommentar zum AFG, § 133, Anm 7). Diese Streitfrage kann indes offenbleiben (so bereits BAG Urteil vom 1. April 1976 - AP § 138 BGB Nr 34). Denn es sind - wie das BAG zu Recht ausführt - alle mit einem derartigen Anspruch zusammenhängenden Fragen aus der Regelung des § 133 AFG zu beantworten. So ist in § 133 Abs 1 AFG geregelt, über welche für die Entscheidung über den Alg-Anspruch erheblichen Tatsachen die Arbeitsbescheinigung Auskunft geben soll. Wie sich aus dem Wort "insbesondere" in Abs 1 Satz 2 der Vorschrift ergibt, ist die Aufzählung der Nrn 1 bis 3 nicht abschließend; sind weitere Angaben erforderlich, so ist der Arbeitgeber auch zu deren Bescheinigung verpflichtet (vgl Knigge/Ketelsen, aaO, § 133 Anm 3). Der Arbeitnehmer ist zwar in die Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitsverwaltung nur insoweit eingebunden, als nach § 133 Abs 1 Satz 5 AFG die Arbeitsbescheinigung dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen ist und er sie entgegenzunehmen und bei der Antragstellung auf Arbeitslosengeld vorzulegen hat, wenn er sie in Besitz hat (§ 60 Abs 1 Nr 3 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - SGB I). Andererseits bestimmt der Arbeitnehmer durch sein Verhalten den Umfang der Anforderungen an die Arbeitsbescheinigung. Will der Arbeitslose nämlich kein Alg beantragen, so sind gemäß § 133 Abs 2 AFG die Anforderungen an die Arbeitsbescheinigungen geringer. Wie der Arbeitgeber die Arbeitsbescheinigung auszustellen hat, ergibt sich also nicht aus privatrechtlichen Vorschriften, sondern aus der öffentlich-rechtlichen Vorschrift des § 133 AFG.
Gegen das Ergebnis der öffentlich-rechtlichen Natur eines vom Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber verfolgten Berichtigungsanspruchs und damit der Rechtswegzuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit spricht auch nicht, daß die mit der Neufassung des § 2 Abs 1 Nr 3e ArbGG vom Gesetzgeber intendierte einheitliche Zuständigkeit der Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit für Rechtsstreitigkeiten über Arbeitspapiere nicht erreicht wird. Denn der Gesetzgeber hat nach dem Urteil des BAG vom 13. Juli 1988 zu dieser neuen Fassung keine Änderung des Gesetzes mehr vorgenommen. Dies läßt darauf schließen, daß er es bei der - möglicherweise nicht so beabsichtigten - unvollständigen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte belassen will.
Von der Rechtswegzuständigkeit ist das Rechtsschutzinteresse für die Klage auf Berichtigung der Arbeitsbescheinigung zu unterscheiden. Letzteres fehlt hier.
Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt immer dann, wenn ein Beteiligter die Möglichkeit hat, seinen Rechtsanspruch auf einfachere, schnellere und schlüssigere Art als im Klageverfahren durchzusetzen (st Rspr, vgl BSGE 3, 135, 140 f; 6, 97, 98 f; SozR 1300 § 50 Nr 17; Meyer-Ladewig, Erläuterungen zum SGG, vor § 51 Anm 16).
Für eine Klage des Arbeitnehmers auf Ergänzung oder Berichtigung der Arbeitsbescheinigung - ebenso auf Ausstellung oder Aushändigung der Arbeitsbescheinigung - besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, sobald ein Verwaltungsverfahren läuft (vgl Gagel, aaO § 133 Anm 14 ff). Denn die Arbeitsverwaltung muß im Rahmen dieses Verfahrens ohnehin von Amts wegen ermitteln (§ 20 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren - SGB X). Zweck der Arbeitsbescheinigung nach § 133 AFG ist es, dem AA die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen anhand einer Auskunft des Arbeitgebers zu ermöglichen. Die Arbeitsbescheinigung als solche ist also nicht Anspruchsvoraussetzung; die Voraussetzungen für einen Alg-Anspruch richten sich vielmehr nach den §§ 100 ff AFG. Damit hat der Arbeitslose Gelegenheit, im Leistungsverfahren seine Einwendungen gegen die Richtigkeit der Arbeitsbescheinigung vorzutragen. Eine Bindung der BA an die Bescheinigung sieht das Gesetz nicht vor. Bei der damit erforderlichen Beweiswürdigung hat die BA das Vorbringen des Arbeitslosen und den Inhalt der Bescheinigung zu berücksichtigen. Das schließt ein Rechtsschutzinteresse für ein zwischengeschaltetes Verfahren gegen den Arbeitgeber aus, gleichgültig in welchem Sinne die BA entscheidet.
Bewilligt die BA die beantragte Leistung in vollem Umfang ohne Einschränkung, so schließt das grundsätzlich ein Rechtsschutzinteresse an einer Berichtigung aus, gleichgültig ob die BA bei der Feststellung des Sachverhalts der Darstellung des Arbeitslosen gefolgt ist, oder ob sie eine in die objektive Beweislast der Behörde fallende Tatsache als nicht bewiesen angesehen hat.
Folgt die BA der Bescheinigung und lehnt sie demgemäß die Leistung ganz oder teilweise ab, so kann der Arbeitslose seine Darstellung im Rechtsbehelfsverfahren geltend machen. In diesem Verfahren kann der Arbeitgeber als Zeuge gehört werden. Die Zwischenschaltung eines gegen den Arbeitgeber gerichteten Verfahrens, in dem der Arbeitgeber als Beteiligter nicht Zeuge sein kann, wird eher zu einer Verzögerung als zu einer Beschleunigung des Leistungsverfahrens führen. Ein solches Zwischenverfahren kann daher dem Zweck der Arbeitsbescheinigung (Beschleunigung, Beweissicherung) nicht dienen. Im übrigen würde selbst eine rechtskräftige Verurteilung des Arbeitgebers zur Berichtigung der Arbeitsbescheinigung nichts daran ändern, daß der Arbeitgeber im Leistungsverfahren als Zeuge das zu bekunden hat, was er subjektiv für wahr hält, wenn auch mit Hinweis auf die Entscheidung im Zwischenstreit.
Auch die Verteilung der Beweislast kann ein Rechtsschutzinteresse an einem solchen Zwischenverfahren nicht begründen. Die Beweislastverteilung ist für den Arbeitslosen in einem Zwischenverfahren nicht günstiger als in Leistungsverfahren, sondern ungünstiger, wie der vorliegende Fall zeigt. Im Zwischenverfahren gegen den Arbeitgeber träfe ihn die objektive Beweislast hinsichtlich der Unrichtigkeit der Arbeitsbescheinigung uneingeschränkt, also selbst für solche Tatsachen, die im Leistungsverfahren in die Beweislast der Behörde fallen.
Dementsprechend wird auch in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur für Klagen des Arbeitnehmers auf Berichtigung der bereits erteilten Arbeitsbescheinigung nach § 133 AFG überwiegend ein Rechtsschutzbedürfnis - allerdings bezogen auf eine Klage vor dem Arbeitsgericht - verneint (s LSG Berlin, Urteil vom 20. Juli 1987 in DB 1987, 2662 mwN; LAG Schleswig-Holstein, Beschluß vom 9. Oktober 1986 in DB 1987, 896; Rohlfing/Rewolle/Bader, Kommentar zum ArbGG, Stand Juni 1987, § 2 Anm 8e; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 6. Auflage, § 149, IV; Becker-Schaffner, DB 1983, 1304 ff, 1308). Zur Begründung wird ausgeführt, der Arbeitnehmer könne erst gegen den das Alg versagenden Bescheid Anfechtungsklage gegen die BA erheben. In diesem Verfahren könne der Arbeitgeber als Zeuge vernommen werden (vgl insbesondere Schaub, aaO, mit Hinweis auf BGH in NJW 1965, 1803 und nachfolgende OLG-Entscheidungen).
Der Kläger hatte und hat daher immer noch die rechtliche Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit des Vorbehalts und in diesem Zusammenhang die Richtigkeit der Bescheinigung nach § 133 AFG überprüfen zu lassen (zur Rechtswidrigkeit eines solchen Vorbehalts - vgl Urteil des 4. Senats vom 28. Juni 1990 - 4 RA 57/89 - zur Veröffentlichung vorgesehen; zur Aufhebung und Rückforderung von unter Vorbehalt gezahltem Alg - Urteil des erkennenden Senats vom 17. Oktober 1990 - 11 RAr 3/88 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Für einen darüber hinausgehenden Rechtsschutz im Rahmen einer - hier vorgeschalteten - Klage vor den Sozialgerichten auf Berichtigung der Arbeitsbescheinigung nach § 133 AFG besteht deshalb kein Bedürfnis. Ob ein Rechtsschutzinteresse zu bejahen ist, solange noch kein Verwaltungsverfahren läuft oder unmittelbar bevorsteht, bedarf hier keiner Entscheidung (so Gagel aaO, § 133 Anm 18 - unter der Prämisse einer arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit).
Da die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig ist, war das Urteil des LSG insoweit abzuändern, als es den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Göttingen verwiesen hat. Dies zu entscheiden ist dem Senat nicht durch das Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelklägers (reformatio in peius) verwehrt. Durch die Abweisung seiner Klage als unzulässig wird der Revisionskläger nämlich nicht in eine ungünstigere Lage versetzt als durch das Urteil der Vorinstanz. So wenig das Rechtsmittelgericht gehindert ist, ein in der Sache abweisendes Urteil durch ein prozeßabweisendes Urteil zu ersetzen (BSG Breithaupt 1983, 842), wenn es von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel feststellt, steht das Verbot der Schlechterstellung hier dem Ausspruch der Rechtsfolgen entgegen, die sich aus der fehlenden Prozeßvoraussetzung des Rechtsschutzinteresses ergeben (vgl BSGE 2, 225, 229; Meyer-Ladewig, Erläuterungen zum SGG, § 123 Anm 5 mwN).
Um Mißverständnissen vorzubeugen, hat der Senat den Urteilstenor klarstellend unter Zurückweisung der Revision des Klägers neu gefaßt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 781800 |
NJW 1991, 2101 |