Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Arbeitsweg. sachlicher Zusammenhang. häuslicher Arbeitsplatz. Wohnung. Mehrfamilienhaus. Treppenhaus. Versicherungsvertreter. Außendiensttätigkeit. Befördern eines Arbeitsgeräts
Leitsatz (amtlich)
1. Bei häuslichen Arbeitsplätzen beschränkt sich der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Bereiche des Hauses, die der Ausübung der versicherten Tätigkeit dienen.
2. Ein Arbeitsunfall liegt nicht vor, wenn ein Vertreter auf dem Weg zu einem Kundenbesuch nach Verlassen seines häuslichen Arbeitsbereichs innerhalb des von ihm bewohnten Hauses verunglückt.
Normenkette
SGB VII § 8 Abs. 1, 2 Nr. 5
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall.
Der im Jahre 1952 geborene Kläger ist als Außendienstmitarbeiter einer Versicherungsgesellschaft beschäftigt. Er bewohnt in einem Mehrfamilienhaus eine Dreizimmerwohnung; eines der Zimmer dient als Arbeitszimmer. Am 24. April 2001 arbeitete der Kläger zunächst in seinem Arbeitszimmer im Rahmen seines Beschäftigungsverhältnisses, packte dann seine Sachen zusammen und verließ die Wohnung, um einen Kunden zu besuchen und an einer Sitzung der Bezirksdirektion der Versicherung teilzunehmen. Im Treppenhaus des von ihm bewohnten Mehrfamilienhauses stürzte er und verletzte sich an der Wirbelsäule. Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Sturzes als Arbeitsunfall ab, weil sich der Unfall im nichtversicherten häuslichen Bereich des Klägers ereignet habe (Bescheid vom 30. August 2004, Widerspruchsbescheid vom 22. November 2004).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 19. Juli 2005). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 18. Oktober 2005) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Ein versicherter Weg nach § 8 Abs 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) als Betriebsweg oder nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII als Weg zu oder von der Arbeit beginne nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erst mit dem Durchschreiten der Außentür des Wohngebäudes, in dem sich die Wohnung des Versicherten befinde, auch wenn dies ein Mehrfamilienhaus sei (Hinweis ua auf BSGE 2, 239, 243; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 3 – Maschinenschlosser-Fall). Daran sei festzuhalten und dementsprechend habe der Kläger keinen Arbeitsunfall erlitten, weil er sich zur Zeit seines Sturzes noch im Treppenhaus des von ihm bewohnten Mehrfamilienhauses befunden habe. Der Kläger habe auch nicht wegen der Beförderung eines Arbeitsgeräts nach § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII unter Versicherungsschutz gestanden, weil hierfür das Mitführen von Unterlagen und eines Laptops für berufliche Angelegenheiten nicht genüge.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er macht geltend, das BSG habe bisher nicht entschieden, ob Arbeitnehmer, die einen Großteil ihrer Arbeitsleistung in einem häuslichen Arbeitszimmer verrichten, auf dem Weg zu weiteren unter Versicherungsschutz stehenden Tätigkeiten auch dann unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen, wenn ein Teil des Weges zwangsläufig durch den häuslichen Bereich führt. Der Vergleich mit der Entscheidung des BSG vom 25. Februar 1993 (– 2 RU 12/92 – USK 93101 – Malermeister-Ehefrau / Klingeln im Ladengeschäft) trage die Entscheidung des LSG nicht, weil die dortige Klägerin zunächst einer unversicherten Tätigkeit nachgegangen sei, während er sich auf einem Weg von einer versicherten zu einer anderen versicherten Tätigkeit befunden habe. Er habe den privaten Bereich aus rein betrieblichen Gründen durchschritten und die Betrachtungsweise des LSG zerreiße einen einheitlichen Lebensvorgang. Für die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall spräche neben der genannten Entscheidung des BSG auch das Urteil vom 25. Juni 1985 (– 2 RU 71/84 – SozR 2200 § 548 Nr 72 – Vorsteher Wasserschutzverband).
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Oktober 2005 und des Sozialgerichts Dortmund vom 19. Juli 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinen Unfall am 24. April 2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es könne keine Rolle spielen, ob der Kläger den privaten Wohnbereich nur kurz durchschritten oder sich dort länger aufgehalten habe, zB um ins Bad zu gehen, einen Mantel und/oder Schuhe anzuziehen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen.
Die Klage ist ungeachtet der Fassung der Anträge nicht als Leistungsklage, sondern als Feststellungsklage gemäß § 55 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aufzufassen, denn dem Kläger geht es bei sinnentsprechender Auslegung seines Begehrens um die gerichtliche Feststellung, dass sein Unfall am 24. April 2001 ein Arbeitsunfall war (BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 2 RdNr 4; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 6 RdNr 6 ua).
Der Unfall des Klägers am 24. April 2001 war kein Arbeitsunfall. Nach § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 R – BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, jeweils RdNr 5; BSG vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R – BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 5; BSG vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R –, vorgesehen für BSGE und SozR, RdNr 10).
Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG war der als Versicherungsvertreter beschäftigte Kläger, nachdem er zunächst in seinem häuslichen Arbeitszimmer Versicherungsangelegenheiten bearbeitet hatte, auf dem Weg zu einem Kunden und zu einer geschäftlichen Besprechung, als er im Treppenhaus des Mehrfamilienhauses, in dem seine Wohnung lag, stürzte und sich an der Wirbelsäule verletzte.
Der Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall steht schon entgegen, dass der innere bzw sachliche Zusammenhang nicht gegeben ist, weil der Weg des Klägers im Treppenhaus des von ihm bewohnten Mehrfamilienhauses nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, selbst wenn er einen grundsätzlich nach § 8 Abs 1 SGB VII versicherten Betriebsweg zu einem Kunden antreten wollte (nachfolgend: 1.). Auch hat sich der Unfall nicht beim Befördern eines Arbeitsgeräts nach § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII ereignet (nachfolgend: 2.).
1. Zwar ist jede Verrichtung im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, die aufgrund ihrer Handlungstendenz der Ausübung der versicherten Tätigkeit zu dienen bestimmt ist (vgl § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII: Unfall “infolge” einer versicherten Tätigkeit), der versicherten Tätigkeit zuzurechnen – ohne Bindung an die Arbeitsstätte und die Arbeitszeit. Andererseits sind nicht alle Verrichtungen eines Beschäftigten während der Arbeitszeit und auf der Arbeitsstätte versichert, weil es außer in der Schifffahrt (vgl § 10 SGB VII) keinen Betriebsbann gibt (vgl zuletzt zusammenfassend BSG vom 26. Oktober 2004 – B 2 U 24/03 R – BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9, jeweils RdNr 5 bis 7 mwN). Dementsprechend stehen auch nicht alle Wege eines Beschäftigten während der Arbeitszeit und/oder auf der Arbeitsstätte unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (zB nicht beim Personaleinkauf: BSG vom 19. Januar 1995 – 2 RU 3/94 – SozR 3-2200 § 548 Nr 22), sondern nur solche Wege, bei denen ein sachlicher Zusammenhang zwischen der – grundsätzlich – versicherten Tätigkeit und dem Zurücklegen des Weges gegeben ist, weil der Weg durch die Ausübung des Beschäftigungsverhältnisses oder den Aufenthalt auf der Betriebsstätte bedingt ist. Darüber hinaus ist zu beachten, dass das Zurücklegen von Wegen in aller Regel nicht die Ausübung der versicherten Tätigkeit selbst darstellt, sondern zu der eigentlichen Tätigkeit, weswegen das Beschäftigungsverhältnis eingegangen wurde, in einer mehr (zB Betriebswege zum Besuch der Kunden bei einem Außendienstmitarbeiter wie vorliegend) oder weniger engen Beziehung (zB Weg zur Arbeit ins Büro bei einem Buchhalter) steht.
a) Aufgrund dessen wirft gerade bei Wegen die Bestimmung des Grenzpunktes für den Beginn bzw das Ende des Versicherungsschutzes in Abgrenzung zum unversicherten privaten Lebensbereich besondere Schwierigkeiten auf (vgl zum Wegeunfall schon BSG vom 13. März 1956 – 2 RU 124/54 – BSGE 2, 239 mwN). Seit dieser grundlegenden Entscheidung sieht der Senat – ausgehend von der der gesetzlichen Unfallversicherung zu Grunde liegenden Haftung des Unternehmers für Betriebsgefahren in Verbindung mit seiner Haftungsfreistellung – Wege in dem vom Versicherten bewohnten Haus als nicht vom Versicherungsschutz mitumfasst an. Dies gilt sogar – wie in dieser Entscheidung näher ausgeführt ist – in städtischen Mehrfamilienhäusern, weil auch deren Treppenhaus kein öffentlicher Raum ist, dieses dem jeweiligen Versicherten besser als anderen Personen bekannt ist und er für diese “Gefahrenquelle” mitverantwortlich ist (BSG aaO, 243 f; stRspr seitdem vgl nur BSG vom 31. Mai 1988 – 2/9b RU 6/87 – BSGE 63, 212 = SozR 2200 § 550 Nr 80, zuletzt BSG vom 7. November 2000 – B 2 U 39/99 – SozR 3-2700 § 8 Nr 3 = SGb 2001, 394 mit zustimmender Anmerkung von Jung – Maschinenschlosser-Fall). Diese Abgrenzung entspricht auch der einhelligen Auffassung in der Literatur (Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand September 2006, § 8 RdNr 183; Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Mai 2006, § 8 RdNr 197; Bereiter-Hahn/Mertens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Mai 2006, § 8 SGB VII Anm 12.17; Ricke in Kasseler Kommentar zur Sozialversicherung, Stand September 2006, § 8 SGB VII RdNr 182) und gilt sowohl für Wege zu und von der Arbeit nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII (früher: § 550 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫) als auch für Betriebswege, die Teil der eigentlichen versicherten Tätigkeit nach § 8 Abs 1 SGB VII sind (BSG vom 27. Oktober 1987 – 2 RU 32/87; BSG vom 7. November 2000, aaO, S 16 ff mwN und ausführlicher Begründung; Krasney, aaO, § 8 RdNr 92; Bereiter-Hahn/Mehrtens, aaO, Anm 7.14.1). Bei dieser auf objektive Merkmale gegründeten klaren Grenzziehung zwischen dem versicherten Teil und dem unversicherten Teil des Weges hat sich das BSG – neben der schon angeführten der gesetzlichen Unfallversicherung zugrunde liegenden Unternehmerhaftung – von dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und dem Streben nach einer möglichst einheitlichen Rechtsprechung leiten lassen und keine Ausnahme zugelassen. Die Grenze “Außentür des Gebäudes” trennt klar den öffentlichen Verkehrsraum von dem unversicherten Bereich ab, dem von dem Versicherten bewohnten Haus bzw dem Haus, in dem seine Wohnung liegt.
b) Dass diese Grenze so nicht anwendbar ist, wenn sich die Wohnung des Versicherten und die Arbeitsstätte in einem Haus befinden, liegt auf der Hand. Ebenso klar ist, dass Unfälle auf Wegen in den zur Arbeitsstätte gehörenden Betriebsräumen auch bei dieser räumlichen Konstellation unter Versicherungsschutz stehen, wenn sie der versicherten Tätigkeit dienen sollen (BSG vom 29. Januar 1960 – 2 RU 265/56 – BSGE 11, 267, 270: Malermeister), weil es keinen Unterschied rechtfertigt, ob sich die Betriebsstätte in demselben Gebäude wie die Wohnung des Versicherten befindet oder nicht (vgl zur Literatur nur Krasney, aaO, § 8 RdNr 61). Rechtliche Schwierigkeiten hinsichtlich der Zurechnung von Wegen zur versicherten Tätigkeit bei Wohnung und Arbeitsstätte in demselben Haus treten vor allem in zwei Fallgestaltungen auf:
(1) Bei der ersten Fallgestaltung handelt es sich um Unfälle, die sich in Räumen bzw auf Treppen ereignen, die weder eindeutig der Privatwohnung noch der Betriebsstätte zugeordnet werden können. Zur Entscheidung über den Versicherungsschutz hat das BSG darauf abgestellt, ob der Ort, an dem sich der Unfall ereignete, auch Betriebszwecken (wesentlich) dient (BSG vom 29. Januar 1960 – 2 RU 265/56 – BSGE 11, 267, 270 – Malermeister), ob der rein persönliche Lebensbereich schon verlassen wurde (BSG vom 29. Januar 1960 – 2 RU 265/56 – aaO; BSG vom 24. Mai 1960 – 2 RU 122/59 – BSGE 12, 165 = SozR Nr 26 zu § 542 RVO: Sturz eines Landwirts auf der Treppe; BSG vom 30. November 1972 – 2 RU 169/71 – USK 72117 – Aufsuchen der Privattoilette; BSG vom 26. April 1973 – 2 RU 5/70 – Aufsuchen der Privattoilette) bzw auf den Nutzungszweck zum Unfallzeitpunkt (BSG vom 29. Januar 1960 – 2 RU 47/58 – SozR Nr 20 zu § 543 RVO aF – Tierarzt). In der Entscheidung vom 27. Oktober 1987 (– 2 RU 32/87 – Sturz eines Landwirtes in dem von ihm bewohnten und betrieblich auf allen Etagen genutzten Hauses) hat der Senat es als maßgeblich angesehen, ob neben den – immer zu berücksichtigenden – gesamten Umständen des Einzelfalls der Teil des Gebäudes, in dem sich der Unfall ereignete, rechtlich wesentlich den Zwecken des Unternehmens dient. Als Kriterium für die Wesentlichkeit werden eine ständige und nicht nur gelegentliche Nutzung des Unfallorts für betriebliche Zwecke angeführt. Daran ist festzuhalten. Ob dafür das zwei- bis dreimalige wöchentliche Begehen einer Treppe ausreicht (so BSG vom 27. Oktober 1987, aaO), mag zweifelhaft sein, hängt jedoch von der Nutzung der Treppe insgesamt ab. Vorliegend wurde jedoch überhaupt keine der versicherten Tätigkeit des Klägers zuzurechnende Nutzung des Treppenhauses festgestellt, zumal gelegentliche Besuche von Kunden nicht ausreichend wären um festzustellen, dass die Treppe rechtlich wesentlich den Zwecken des Unternehmens dient.
(2) Die zweite Fallgestaltung betrifft Unfälle im rein persönlichen Wohnbereich, bei denen die Situation durch eine Art Rufbereitschaft und die Notwendigkeit, sofort zu Handeln, geprägt ist. Versicherungsschutz bejaht hat das BSG bei einem Sturz im Schlafzimmer auf dem Weg zum Telefon bei einem möglichen Ausbruch von Jungvieh (BSG vom 27. November 1980 – 8a RU 12/79 – SozR 2200 § 548 Nr 51) und bei einem Vorsteher eines Wasserschutzverbandes mit Alarmanlage im Erdgeschoss (BSG vom 26. Juni 1985 – 2 RU 71/84 – SozR 2200 § 548 Nr 72), verneint wurde der Versicherungsschutz für einen Sturz einer Malermeister-Ehefrau in der Wohnung im Obergeschoss, nachdem es an der Tür des Ladengeschäfts im Erdgeschoss geklingelt hatte (BSG vom 25. Februar 1993 – 2 RU 12/92 –). Die aufgezeigten Voraussetzungen Rufbereitschaft und Notwendigkeit eines sofortigen Handelns sind vorliegend nicht erfüllt, sodass aus diesen Entscheidungen zu Gunsten des Klägers entgegen seiner nicht weiter erläuterten Bezugnahme auf die Entscheidungen des Senats vom 26. Juni 1985 und 25. Februar 1993 nichts ableitbar ist.
c) Überzeugende Gründe, um von diesem klaren Entscheidungskonzept abzuweichen, sind dem Revisionsvorbringen des Klägers nicht zu entnehmen. Den Versicherungsschutz im Treppenhaus des vom Versicherten bewohnten Mehrfamilienhauses davon abhängig zu machen, welches Ausmaß seiner Arbeitszeit oder gar seiner “Arbeitsleistung” – so das Revisionsvorbringen wörtlich – der Versicherte in seinem häuslichen Arbeitszimmer erbringt, führt nicht nur zu schwer überwindbaren praktischen Hindernissen, dafür ist auch im Hinblick auf die der gesetzlichen Unfallversicherung zugrunde liegende Unternehmerhaftpflicht trotz des ihr ebenfalls zugrunde liegenden sozialen Schutzprinzips kein durchschlagendes Argument zu erkennen, wie schon der grundlegenden Entscheidung des Senats vom 13. März 1956 (BSGE 2, 239) zu entnehmen ist.
Dies zerreißt auch entgegen der Ansicht des Klägers keinen einheitlichen Lebensvorgang, weil das Arbeiten im Arbeitszimmer, das Zurücklegen des Weges zB zu einem Kunden, das Kundengespräch usw völlig unterschiedliche Verrichtungen sind. Auch der Weg selbst kann durch die sich aus der obigen Rechtsprechung ergebenden Grenzen “Tür des Arbeitszimmers” sowie “Außentür des Gebäudes” gut nachvollziehbar in bestimmte klar unterscheidbare Abschnitte zerlegt werden, die zudem ggf – worauf die Beklagte mit den Beispielen Ins-Bad-gehen, Mantel- und Schuheanziehen zu Recht hinweist – mit weiteren Verrichtungen kombiniert sein bzw durch diese unterbrochen werden können, sodass weitere Abgrenzungsprobleme entstehen können (vgl zur Unterbrechung von Wegen nur BSG vom 9. Dezember 2003 – B 2 U 23/03 R – BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3 – Fischgeschäft).
d) Aus weiteren in diesem Zusammenhang erörterten Entscheidungen folgt nichts anderes, weil sie Fallgestaltungen betreffen, in denen nicht bloß ein Weg zurückgelegt, sondern gleichzeitig zum Zeitpunkt des Unfalls eine weitere Verrichtung ausgeübt wurde, die als solche der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (BSG vom 15. Dezember 1966 – 2 RU 255/63 – BSGE 26, 45 = SozR Nr 76 zu § 542 RVO aF – Kampf mit Einbrecher um Geschäftsgelder; BSG vom 31. Oktober 1969 – 2 RU 161/67 – SozR Nr 13 zu § 548 RVO – Arbeitsjubilar, der zu Hause Gäste empfängt und verabschiedet; BSG vom 29. Mai 1962 – 2 RU 87/59 – SozR Nr 54 zu § 542 RVO aF – Sturz im Schlafzimmer beim Umziehen von Küchen- in Verkaufskleidung). Diese letzte Entscheidung war auch der Ausgangspunkt für die Bejahung von Versicherungsschutz bei einer Gastwirtin auf dem Weg nach dem Umziehen von Putzkleidung in die Bekleidung als Bedienung auf einer Treppe, die dem Publikumsverkehr nicht offen stand und noch zum privaten Bereich gehörte (Urteil des Senats vom 14. Dezember 1999 – B 2 U 3/99 R – SozR 3-2700 § 8 Nr 1). Soweit in dieser Entscheidung keine ständige Nutzung der Treppe für das versicherte Unternehmen gefordert wurde, wird daran aus den oben hergeleiteten Gründen insoweit nicht mehr festgehalten, als die Treppe zumindest wesentlich auch den Zwecken des Unternehmens dienen muss, um einen Unfall auf ihr der versicherten Tätigkeit zurechnen zu können. Dass der Kläger des vorliegenden Rechtsstreits über das Zurücklegen des Weges hinaus zur Zeit des Unfalls eine weitere Verrichtung im oben genannten Sinne ausgeübt hat, ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen.
2. Zu Recht hat das LSG auch einen Versicherungsschutz des Klägers unter dem Gesichtspunkt “Befördern eines Arbeitsgeräts” nach § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII verneint. Ein Befördern in diesem Sinne liegt nur vor, wenn das Zurücklegen des zu diesem Zwecke unternommenen Weges von der Absicht, die Sache nach einem anderen Ort zu schaffen, derart maßgebend beherrscht wird, dass demgegenüber die Fortbewegung der eigenen Person als nebensächlich zurücktritt; kein Versicherungsschutz besteht mithin, wenn das Arbeitsgerät lediglich mitgeführt wird (so schon das RVA, EuM, 42, 4, 5; BSG vom 7. November 2000 – B 2 U 39/99 R – SozR 3-2700 § 8 Nr 3 mwN = SGb 2001, 394 mit zustimmender Anm von Jung – Maschinenschlosser-Fall; BSG vom 28. April 2004 – B 2 U 26/03 R – SozR 4-2700 § 8 Nr 5 – Bootshausschlüssel-Fall). Die Voraussetzungen für die Annahme einer Beförderung sind hier nicht gegeben, weil bei dem Weg des Klägers zu dem Kunden und anschließend in die Betriebsdirektion seine eigene Fortbewegung im Vordergrund stand und der Transport der Unterlagen und des Laptops demgegenüber als nebensächlich zurücktrat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE 2008, 20 |
HzA aktuell 2007, 39 |