Leitsatz (redaktionell)

1. Zu einer Bescheiderteilung nach BVG § 62 besteht nur dann eine Möglichkeit, wenn die sichere Erkenntnis gewonnen werden kann, daß seit der Erteilung des früheren Bescheides tatsächlich eine wesentliche Änderung eingetreten ist, und wenn mit ebensolcher Sicherheit ausgeschlossen werden kann, daß der im Zeitpunkt der beabsichtigten Erteilung eines Neufeststellungsbescheides bestehende Zustand nicht schon bei Erteilung des früheren Bescheides bestanden hat.

Das bedeutet, daß zur Prüfung der Frage, ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ausreichende Vergleichsunterlagen, dh vergleichbare Befunde, vorliegen müssen.

2. Zur Frage der Erteilung eines Bescheides nach BVG § 62 Abs 1 bei fehlenden Vergleichsbefunden.

 

Normenkette

BVG § 62 Abs. 1 Fassung: 1964-02-21

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird der Beklagte unter Aufhebung der Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart vom 9. März 1961 und des Sozialgerichts in Ulm vom 3. November 1959 sowie der Bescheide vom 28. September 1954 und 17. Mai 1955 verurteilt, dem Kläger über den 31. Oktober 1954 hinaus eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 60 v. H. zu zahlen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger ist Ende 1942 als Soldat am rechten Fuß verwundet und nach Beendigung des Krieges im Jahre 1945 aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft entlassen worden. Auf seinen Antrag auf Versorgung vom 9. November 1945 gab der Versorgungsarzt am 9. November 1945 - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ohne eingehendere ärztliche Befunderhebung - eine kurze "amtliche versorgungsärztliche Stellungnahme" ab, wonach es sich um einen "Granatsplitterdurchschuß rechter Fuß mit Verlust der 2. bis 5. Zehe samt einem Teil der Mittelfußknochen und Versteifung der Großzehe rechts sowie Neuralgie in der rechten Gesäßgegend und Narbenschmerzen im Rücken von kleinen Splittern herrührend" handle; Wehrdienstbeschädigung liege vor, die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 60 v. H. (Versehrtenstufe II). Auf Grund dieser Stellungnahme erteilte das Versorgungsamt (VersorgA) Ulm am 25. Juli 1946 einen vorläufigen Bescheid, mit dem die vom Versorgungsarzt festgestellten Schädigungsfolgen unter wörtlicher Übernahme der vorgeschlagenen Leidensbezeichnungen als Körperschäden im Sinne des Wehrmachtsfürsorge- und -versorgungsgesetzes (WFVG) - Versehrtenstufe II, MdE = 60 v. H. - anerkannt wurden. Am 28. Juli 1947 erging der Bescheid der Landesversicherungsanstalt (LVA) Württemberg - Nebenstelle Ulm - nach dem Leistungsgesetz für Körperbeschädigte (KBLG), und zwar ohne vorherige ärztliche Nachuntersuchung unter Übernahme der Leidensbezeichnungen aus dem WFVG - Bescheid vom 25. Juli 1946 und Feststellung einer MdE wiederum um 60 v. H. Ohne vorherige Nachuntersuchung sowie unter Übernahme der Leidensbezeichnungen und des Grades der MdE wurde dem Kläger schließlich auch der Umanerkennungsbescheid nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 15. September 1952 erteilt.

Während einer stationären Behandlung vom 13. Juni bis 2. August 1952 im Versorgungskrankenhaus T wurde der Kläger am 14. Juni 1952 am rechten Fußstumpf nachoperiert und am 20. September 1954 versorgungsärztlich nachuntersucht. Dabei kam der Versorgungsarzt Dr. B ohne Kenntnis der Vorgänge des Versorgungskrankenhauses aus dem Jahre 1952 zu dem Ergebnis, daß eine Neuralgie in der Gesäßgegend nicht mehr feststellbar sei, bei der Narbe im Rücken handele es sich um einen belanglosen Befund, der die Erwerbsfähigkeit nicht beeinträchtige; im übrigen hielt er auch eine Änderung der Bezeichnung der Schädigungsfolgen am rechten Fuß für erforderlich und führte am Schluß seine Gutachten aus: "Gesamt-MdE aus Schädigungsfolgen höchstens 40 % - vierzig - (§ 86/3 und 62 BVG). Eine höher Einstellung läßt sich durch nichts begründen. Trotz der nicht sehr günstigen Belastungsverhältnisse ist Herr F. wesentlich besser gestellt als etwa ein Unterschenkelamputierter". Daraufhin erließ das VersorgA am 28. September 1954 nach § 86 Abs. 3 BVG einen Neufeststellungsbescheid und setzte mit Wirkung vom 1. November 1954 an die MdE des Klägers auf 40 v. H. herab; dabei änderte es die Leidensbezeichnungen wie folgt: "Granatsplitterdurchschuß rechter Fuß mit Verlust der 2. bis 5. Zehe samt einem Teil der Mittelfußknochen; Fehlstellung und Bewegungseinschränkung der rechten Großzehe mit Schwielenbildung am Fußballen; Verwundungsnarbe über dem rechen Schulterblatt mit winzigen Stecksplittern in der Muskulatur; Verwundungsnarbe an der Oberlippe".

Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 1955).

Das Sozialgericht (SG) Ulm hat Gutachten des Orthopäden Prof. Dr. K (Dr. B) in T (vom 24. März 1956) und des Orthopäden Prof. Dr. L (Dr. H) in H (vom 6. Februar 1959) eingeholt und darauf die Klage mit Urteil vom 3. November 1959 abgewiesen. Es hat ausgeführt, der auf § 86 Abs. 3 BVG gestützte Bescheid vom 28. September 1954 sei zu Recht ergangen, da nach übereinstimmender Auffassung der gehörten Gutachter die MdE des Klägers nicht höher als mit 40 v. H. zu bemessen sei.

Im Berufungsverfahren hat der Beklagte den im Streit stehenden Bescheid nachträglich auf § 62 Abs. 1 BVG gestützt. Das Landessozialgericht (LSG) hat noch ein Ergänzungsgutachten des Prof. Dr. K (vom 17. Januar 1961) zur Frage einer wesentlichen Änderung (Besserung) der Verhältnisse im Sinne des § 62 BVG eingeholt und die Berufung des Klägers, mit der dieser sich nur noch gegen die Herabsetzung der MdE gewandt hat, zurückgewiesen: Da der Bescheid vom 28. September 1954 nicht mehr im September 1954 zugestellt worden sei, habe er vom Beklagten nicht auf § 86 Abs. 3 BVG gestützt werden können; dieser habe den Bescheid jedoch nachträglich als Neufeststellungsbescheid nach § 62 BVG bezeichnen können, da der Verwaltungsakt hierdurch in seinem Wesen weder verändert noch die Rechtsverteidigung des Klägers dadurch beeinträchtigt worden sei. Das Begehren des Klägers auf Abänderung des angefochtenen Bescheides, soweit mit diesem die MdE auf 40 v. H. herabgesetzt worden sei, sei im übrigen nicht begründet. Denn in den Verhältnissen, die für die Feststellung des Versorgungsanspruchs maßgebend gewesen seien, sei im Vergleich zu dem hier in Betracht kommenden Zeitpunkt der Erteilung des KBLG-Bescheides vom 28. Juli 1947 eine wesentliche Besserung eingetreten. Es sei zwar zweifelhaft, ob bereits aus dem Fortfall der Schädigungsleiden "Neuralgie in der rechten Gesäßgegend" und "Narbenschmerzen im Rücken" - die der Kläger auch nicht mehr geltend mache - auf eine wesentliche Änderung im Sinne des § 62 BVG geschlossen werden könne. Auf jeden Fall aber habe die Operation im Jahre 1952 - im Vergleich zu dem Zustand im Jahre 1947 - zu einer wesentlichen Verbesserung der Stumpfverhältnisse am rechten Fuß geführt; das ergebe sich aus den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. K in seinem Gutachten vom 17. Januar 1961. Damit seien die Voraussetzungen für eine Neufeststellung nach § 62 BVG erfüllt. Das habe zur Folge, daß die durch den jetzt bestehenden Zustand der Schädigungsfolgen bedingte MdE ohne Rücksicht auf das Ausmaß der Besserung völlig neu festzusetzen sei. Nach der übereinstimmenden Auffassung der gehörten Gutachter sei die MdE mit 40 v. H. ausreichend bemessen. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen dieses ihm am 21. März 1961 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 27. März 1961, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 28. März 1961, Revision eingelegt. Er rügt mit eingehenden und substantiierten Ausführungen die Verletzung des § 62 Abs. 1 BVG und der §§ 103, 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Der Kläger beantragt,

1) unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Ulm vom 3. November 1959 sowie der Bescheide vom 28. September 1954 und 17. Mai 1955 den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger auch über den 31. Oktober 1954 hinaus Rente nach einer MdE um 60 v. H. zu zahlen,

2) hilfsweise,

die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg in Stuttgart zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart vom 9. März 1961 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Revision ist vom Kläger form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 Abs. 1 Satz 1 SGG) und durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

Die Revision ist auch begründet.

Das LSG hat unangegriffen festgestellt, daß der für diesen Rechtsstreit maßgebliche Bescheid vom 28. September 1954 dem Kläger nicht mehr während des Monats September 1954 zugestellt worden ist. Entgegen der Auffassung des SG hat es deshalb zutreffend entschieden, daß der Bescheid vom Beklagten nicht mehr auf die Vorschrift des § 86 Abs. 3 BVG gestützt werden konnte. Denn die Rente des Klägers ist mit Umanerkennungsbescheid vom 15. September 1952 ohne ärztliche Nachuntersuchung und unter Übernahme des bis dahin anerkannten Grades der MdE nach dem BVG festgestellt worden; in diesem Falle konnte eine Rente nur bis zum 30. September 1954 ohne eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG neu festgestellt werden (§ 86 Abs. 3 BVG). Dies hat im übrigen auch der Beklagte nicht verkannt (Berufungserwiderung vom 21. April 1960). Er hat daher den im Streit stehenden Bescheid nachträglich auf die Vorschrift des § 62 Abs. 1 BVG gestützt, weil gegenüber der letzten maßgeblichen Feststellung eine wesentliche Änderung (Besserung) der - gesundheitlichen - Verhältnisse des Klägers eingetreten sei, die eine Herabsetzung der Rente auf eine solche nach einer MdE um 40 v. H. rechtfertige.

Das LSG hat diese Umdeutung durch den Beklagten, bei der es sich in Wirklichkeit um das Nachschieben einer anderen rechtlichen Begründung handelt, zu Recht als zulässig angesehen. Denn einmal ist der angefochtene Bescheid dadurch in seinem Wesen, insbesondere in seinem Ausspruch nicht geändert worden. Er hat, ob nun auf § 86 Abs. 3 BVG oder auf § 62 Abs. 1 BVG gestützt, die völlig gleiche Maßnahme zum Inhalt und für den Kläger die gleichen Rechtswirkungen; beide Vorschriften sind die rechtliche Grundlage für eine Neufeststellung der Rente mit Wirkung für die Zukunft. Zum anderen wird durch das Nachschieben der neuen Begründung (mit § 62 Abs. 1 BVG) auch die Rechtsverteidigung des Klägers nicht nur nicht erschwert, sondern sogar verbessert, denn die als neue Begründung nachgeschobene Vorschrift des § 62 Abs. 1 BVG stellt größere Anforderung an die Neufeststellung als die des § 86 Abs. 3 BVG, weil vom Beklagten eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nachgewiesen werden muß (vgl. Urt. d. erkennenden Senats in BSG 11, 239, 240). Liegen aber beide Voraussetzungen, keine Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes in seinem Wesen und keine Erschwerung der Rechtsverteidigung des Betroffenen, vor, begegnet die nachträgliche Änderung der Rechtsgrundlage keinen Bedenken (vgl. BSG aaO mit weiteren Nachweisen).

Schließlich hat das Berufungsgericht auch § 62 Abs. 1 BVG insoweit zutreffend angewandt, als es entschieden hat, daß es vorliegend für die Feststellung, ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, auf die Verhältnisse ankommt, die bei Erlaß des dem Umanerkennungsbescheid vorausgegangenen, nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften erlassenen Bescheides vorgelegen haben. Zwar können in aller Regel mit Hilfe des § 62 Abs. 1 BVG nur solche Verwaltungsakte zurückgenommen werden, die bei ihrem Erlaß rechtmäßig gewesen und erst - durch Änderung der Sach- und Rechtslage - nach ihrem Erlaß fehlerhaft geworden sind. Auf den vorliegenden Fall angewandt hätte das zur Folge, daß der Umanerkennungsbescheid vom 15. September 1952, der nach dem BVG die Schädigungsfolgen des Klägers anerkannt und die Höhe der MdE festgesetzt hat, auf Grund des § 62 Abs. 1 BVG nur dann hätte zurückgenommen werden können, wenn er durch eine Änderung, die nach seinem Erlaß eingetreten ist, fehlerhaft geworden wäre. Im Falle des Klägers handelt es sich jedoch bei dem von der Versorgungsbehörde zurückgenommenen Verwaltungsakt um einen Umanerkennungsbescheid, der nach § 86 Abs. 3 BVG ohne ärztliche Nachuntersuchung und ohne Befunderhebungen ergangen ist und in dem die nach altem vorausgegangenen materiellen Versorgungsrecht bereits anerkannt gewesenen Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen im Sinne des BVG ebenso wie die nach altem Recht festgestellte Höhe der MdE übernommen worden sind. Damit liegt hier einer der besonderen Fälle vor, in denen mangels Feststellungen hinsichtlich der "maßgebenden" Verhältnisse beim Erlaß des Umanerkennungsbescheides regelmäßig nicht geklärt werden kann, welcher Art die "maßgebenden Verhältnisse" bei der Bescheiderteilung gewesen sind. In diesen besonderen Fällen, in denen die Rente später wegen einer wesentlichen Änderung in den Verhältnissen, die für die früheren Feststellungen maßgebend gewesen sind, neu festgestellt werden soll (§ 62 Abs. 1 BVG), haben die in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung zuständigen Senate des BSG übereinstimmend entschieden, daß es für die Feststellung, ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, auf die Verhältnisse ankommt, die bei Erlaß des dem Umanerkennungsbescheid vorausgegangenen, nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften erlassenen Bescheides vorgelegen haben; dabei ist es unerheblich, ob die Änderung der Verhältnisse vor oder nach dem Erlaß des Umanerkennungsbescheides eingetreten ist und ob die Neufeststellung vor oder nach dem 30. September 1954 erfolgt ist (vgl. ua Urt. d. erk. Senats; BSG 11, 236; 15, 26 ff u. Urt. v. 22. Februar 1962 - 8 RV 701/60 und 20. August 1963 - 8 RV 685/62; Beschluß des 10. Senats vom 8. Juni 1960 - 10 RV 1159/59 und Urteil dieses Senats vom 10. Januar 1963 - 10 RV 763/60 = SozR BVG § 62 Bl. Ca 19 Nr. 20; Urt. des 11. Senats: BSG 7, 8 ff und Urt. vom 22. April 1959 - 11/8 RV 295/57, vom 22. März 1963 - 11 RV 664/60, vom 24. April 1963 - 11 RV 804/62 = SozR BVG § 62 Bl. Ca 21 Nr. 24). An dieser ständigen Rechtsprechung, der sich das Berufungsgericht zutreffend angeschlossen hat, deren Richtigkeit im übrigen auch von der Revision nicht in Frage gestellt wird, wird festgehalten.

Dies alles bedeutet für den vorliegenden Fall, daß für die Frage, ob beim Kläger eine wesentliche Änderung im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG eingetreten ist, auf den Zeitpunkt abgestellt werden muß, zu dem der letzte auf ärztliche Befunde oder Feststellungen gestützte, dem Umanerkennungsbescheid vom 15. September 1952 vorhergehende Bescheid nach altem Recht erlassen worden ist. Das ist der vorläufige Bescheid des VersorgA Ulm vom 25. Juli 1946; denn der nach dem KBLG ergangene Bescheid vom 28. Juli 1947 scheidet hierfür aus, weil mit ihm ebenso wie mit dem Umanerkennungsbescheid vom 15. September 1952 lediglich die Leidensbezeichnungen und die Höhe der MdE ohne vorherige ärztliche Nachuntersuchung und Befunderhebungen übernommen worden sind.

Zum Nachteil des Klägers hat das Berufungsgericht jedoch zu Unrecht eine am 28. September 1954 festzustellende wesentliche Änderung (Besserung) der Verhältnisse im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG gegenüber den am 25. Juli 1946 festgestellten Verhältnissen angenommen. Zwar trifft zu, daß die am 25. Juli 1946 ua als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen "Neuralgie in der rechten Gesäßgegend" und "Narbenschmerzen im Rücken von kleinen Splittern herrührend" am 28. September 1954 ausgeheilt bzw. abgeklungen waren; sie werden vom Kläger auch nicht mehr geltend gemacht. Das LSG hat zu diesen Gesundheitsstörungen aber auch - zutreffend - festgestellt, daß ihr Wegfall allein nicht ausreiche, um eine wesentliche Änderung der Verhältnisse annehmen zu können, denn beide Gesundheitsstörungen seien bei der Bescheiderteilung am 25. Juli 1946, wie ihre nachträgliche Einfügung in die versorgungsärztliche Stellungnahme am 9. November 1945 erkennen lasse, auf die damalige Bemessung der MdE auf 60 v. H. ohne Einfluß gewesen.

Danach können - und konnten - für das Vordergericht Gegenstand einer Feststellung, ob sich die gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers seit dem 25. Juli 1946 geändert (gebessert) haben oder nicht, nur noch die Stumpfverhältnisse am rechten Fuß des Klägers sein. Hier aber hat das LSG zu Unrecht eine wesentliche Besserung angenommen, denn entgegen seiner Auffassung ist eine solche nicht feststellbar und nicht nachweisbar. Zu einer Bescheiderteilung nach § 62 BVG besteht nur dann eine Möglichkeit, wenn die sichere Erkenntnis gewonnen werden kann, daß seit der Erteilung des früheren Bescheides - hier desjenigen vom 25. Juli 1946 - tatsächlich eine wesentliche Änderung eingetreten ist, und wenn mit ebensolcher Sicherheit ausgeschlossen werden kann, daß der im Zeitpunkt der beabsichtigten Erteilung eines Neufeststellungsbescheides bestehende Zustand nicht schon bei Erteilung des früheren Bescheides bestanden hat. Das bedeutet, daß zur Prüfung der Frage, ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ausreichende Vergleichsunterlagen, d. h. vergleichbare Befunde, vorliegen müssen. Das aber war hier nicht der Fall. Wie aus den Versorgungsakten des Klägers ersichtlich, ist damals eine ärztliche Befunderhebung entweder nicht zu den Akten gelangt oder sie ist, was wahrscheinlicher ist, gar nicht erfolgt. Auf jeden Fall kann die der Bescheiderteilung vom 25. Juli 1946 zugrunde liegende "amtliche versorgungsärztliche Stellungnahme" vom 9. November 1945 - entgegen der Auffassung des LSG - nicht als ärztlicher Befund angesehen werden, weil in ihr nichts anderes ausgeführt ist, als daß der Kläger wegen der festgestellten Leidensbezeichnungen (als Schädigungsfolgen) in seiner Erwerbsfähigkeit um 60 v. H. beschränkt sei. Das haben im übrigen auch die im sozialgerichtlichen Verfahren gehörten Gutachter Prof. Dr. K (Dr. B) und Prof. Dr. L (Dr. H) in ihren Gutachten vom 24. März 1956 und 6. Februar 1959 erkannt. Prof. Dr. K (Dr. B) hat, nachdem er sich über den - gegenwärtigen - Zustand am rechten Fuß des Klägers und über die von ihm als angemessen angesehene Höhe der MdE (40 %) ausgelassen hatte, am Schluß seines Gutachtens (vom 24. März 1956) ausgeführt: "Vergleiche mit Befunden aus den ersten VA-Blättern (bis Bl. 80) können nicht angestellt werden, da dort nur die Krankheitsbezeichnungen zu finden sind. Der Zustand des Klägers wurde ohne eigentliche versorgungsärztliche Untersuchung beurteilt. Dies Beurteilung muß nach dem jetzt zu erhebenden Befund als großzügig bezeichnet werden". Noch eindeutiger hat sich Prof. Dr. L (Dr. H) geäußert: "In diesem Zusammenhang kann nicht an der Tatsache vorbeigegangen werden, daß die Festsetzung der Rente mit 60 % nur auf Grund einer amtsärztlichen Bescheinigung vom 9. November 1945 (KB-Akt. Bl. 3) und offensichtlich ohne sachverständige Einschätzung seiner KB-Folgen erteilt worden ist. Der spätere Änderungsbescheid vom 28. September 1954 ist in Wirklichkeit eine Berichtigung, die nach gewissenhafter ärztlicher Untersuchung erfolgte, und er hatte infolgedessen jede medizinische Berechtigung". Darüber hinaus geben selbst die für die Stumpfverhältnisse am rechten Fuß des Klägers gewählten Leidensbezeichnungen in den Bescheiden vom 25. Juli 1946, 28. Juli 1947 und 15. September 1952 einerseits und in dem Bescheid vom 28. September 1954 andererseits keinen Anhalt dafür, daß die Feststellung einer Änderung der Verhältnisse tatsächlich möglich ist. Während dort die Schädigungsfolgen am rechten Fuß mit "Granatsplitterdurchschuß am rechten Fuß mit Verlust der 2. bis 5. Zehe samt einem Teil der Mittelfußknochen und Versteifung der Großzehe rechts" bezeichnet worden sind, lautet hier die Leidensbezeichnung nicht wesentlich anders: "Granatsplitterdurchschuß am rechten Fuß mit Verlust der 2. bis 5. Zehe samt einem Teil der Mittelfußknochen; Fehlstellung und Bewegungseinschränkung der rechten Großzehe mit Schwielenbildung am Fußballen". Als wirkliche Änderung ist allein auffällig, daß gegenüber früher noch eine "Schwielenbildung am Fußballen" hinzugekommen ist.

Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände hätte deshalb das LSG dem zweiten Gutachten des Prof. Dr. K (Dr. B) vom 17. Januar 1961 nicht die Bedeutung beimessen dürfen, die es ihm beigemessen hat; denn dieses Gutachten ist mangels jeglicher Vergleichsunterlagen aus früherer Zeit nicht schlüssig, wenn es eine wesentliche Änderung gegenüber den am 25. Juli 1946 bestehenden Verhältnissen am rechten Fuß des Klägers bejaht hat. Die - hier erfolgte - alleinige Berücksichtigung des Operationsberichts vom 14. Juni 1952 und der dabei erhobenen Befunde reicht jedenfalls für eine solche Feststellung nicht aus, zumal Anlaß für die Durchführung der Operation nicht so sehr die Absicht einer Verbesserung der Stumpfverhältnisse, sondern eine "entzündliche Reizung der Narben" und der "Verdacht einer latenten Osteomyelitis" gewesen waren.

Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte deshalb das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben, ohne daß es noch einer Prüfung und Entscheidung des erkennenden Senats zu der Frage bedurfte, wegen der die Revision zugelassen worden ist, ob nämlich die Versorgungsbehörde im Falle der Erteilung eines Neufeststellungsbescheides nach § 62 BVG berechtigt ist, die durch den im Zeitpunkt der Neufeststellung bestehenden Zustand der Schädigungsfolgen bedingte MdE ohne Rücksicht auf das Ausmaß der Besserung völlig neu festzustellen (vgl. hierzu BSG 19, 77 ff).

Es war, wie geschehen, zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2530007

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