Leitsatz (redaktionell)
1. Dem Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör ist nur genügt, wenn den Beteiligten für die Abgabe ihrer Erklärung eine angemessene Zeit eingeräumt ist. Auskünfte und Unterlagen, die das Gericht einholt, müssen deshalb den Beteiligten rechtzeitig mitgeteilt werden.
2. In der Verletzung rechtlichen Gehörs liegt ein wesentlicher Mangel des Verfahrens.
3. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs kann grundsätzlich nur in der Tatsacheninstanz geheilt werden.
4. Die Anerkennung eines Wegeunfalls durch den Beklagten vor dem ArbG ist für die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung von Bedeutung.
Orientierungssatz
Eine Zurückverweisung an einen anderen Senat eines LSG ist nicht möglich.
Normenkette
SGG § 170 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1953-09-03, § 62 Fassung: 1953-09-03, § 162 Abs. 2 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03; GG Art. 103 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 14. August 1973 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Berlin zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Klägerin ist die Witwe des Verwaltungsangestellten G. D. (D.), der als Sachbearbeiter beim Bezirksamt C. von B. Abt Finanzen - Ausgleichsamt - in B. 19, H., beschäftigt war. Sie begehrt Hinterbliebenenrente und Sterbegeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit der Begründung, ihr Ehemann sei am 12. Januar 1970 auf einem mit seiner versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg von seiner Arbeitsstätte auf dem Gehsteig vor dem Grundstück A. in Berlin 36 gestürzt und an den Folgen der dabei erlittenen Verletzungen am 25. März 1970 gestorben.
Auf einem Fragebogen des Beklagten gab D. am 25. Februar 1970 an, anstelle des gewöhnlich zu Fuß und mit der U-Bahn zurückgelegten Heimweges über den T.-H.-Platz zur Wohnung K. Straße habe er am Unfalltag zwischen diesen beiden Stationen die Admiralstraße aufgesucht "wegen Besuches des Ohrenarztes, um am folgenden Tag arbeitsfähig zu sein". Der Beklagte lehnte am 26. Mai 1970 eine Entschädigung ab, da D. seinen Heimweg zum Zwecke des Arztbesuches unterbrochen und während der Unterbrechung nicht nach § 550 der Reichsversicherungsordnung (RVO) unter Versicherungsschutz gestanden habe.
Mit der Klage hat die Klägerin vorgetragen, D. habe die Ohrenärztin Dr. G. nur aufgesucht, um am folgenden Tag im Amt voll leistungsfähig zu sein; am 13. Januar 1970 hätte er verschiedene Besucher empfangen müssen, die größtenteils im hohen Alter gestanden hätten, was eine Verständigung mit ihnen uU erschwerte; die Schwerhörigkeit sei akut auf dem linken Ohr aufgetreten, während des Publikumsverkehrs habe D. stets mit dem linken Ohr dem Besucher zugewandt am Schreibtisch gesessen; das Aufsuchen des Ohrenarztes sollte erhebliche betriebsinterne Schwierigkeiten im Amt, das damals einen hohen Krankenstand aufgewiesen habe, vermeiden helfen; aus den Personalakten werde sich ergeben, daß D. stets bemüht gewesen sei, seine Arbeitskraft intensiv für den Dienstherrn einzusetzen; eigenwirtschaftliche Zwecke habe er mit dem Arztbesuch nicht verfolgt, für seine privaten Zwecke sei eine Verständigung vielmehr durchaus noch möglich gewesen; da sie - die Klägerin - zur Unfallzeit im Krankenhaus gewesen sei, habe D. so viel zu erledigen gehabt, daß er aus privaten Gründen den Arzt noch nicht aufgesucht haben würde; auch die Vorgesetzten im Ausgleichsamt hielten, wie sie mitgeteilt hätten, für möglich, daß D. bei dem ihnen bekannten Pflichtbewußtsein den Ohrenarzt aufgesucht habe, um am nächsten Tag als Sachbearbeiter wieder voll einsatzfähig zu sein; darüber hinaus habe D. sich zur Unfallzeit bereits wieder im Einzugsgebiet seines üblichen Heimweges befunden, in den Akten des Beklagten sei die Unfallstelle falsch eingezeichnet worden.
Die Klägerin hat ferner auf eine Anfrage des Sozialgerichts (SG) vorgebracht, sie gehe davon aus, das D. die Ärztin aus eigenem Entschluß aufgesucht habe; die Vorgesetzten im Ausgleichsamt hätten D. nicht im dienstlichen Interesse zum Arzt schicken können, weil dazu nur die Abteilung Personal und Verwaltung des Bezirksamtes zuständig sei; wegen des Dienstweges könnte bei akuter Schwerhörigkeit eine dienstliche Aufforderung erst Wochen später erfolgen; zu einer Aufforderung der Personalabteilung sei es, soweit sie habe ermitteln können, nicht gekommen.
Das SG hat durch Urteil vom 25. Oktober 1972 die auf Zahlung einer Witwenrente gerichtete Klage abgewiesen. Es geht davon aus, daß keine Weisung der Dienststelle an D. ergangen ist, einen Ohrenarzt aufzusuchen, und für die im Klageverfahren enthaltene Motivierung des Arztbesuches keine geeigneten Beweismittel ersichtlich seien; durch den Arztbesuch habe D. seinen Heimweg aus seinem privaten Lebensbereich zuzuordnenden Gründen unterbrochen, der Versicherungsschutz nach § 550 RVO wäre erst wieder aufgelebt, wenn D. aus der A.straße kommend, die S. Straße am K. Tor erreicht hätte.
In der Berufungsbegründungsschrift vom 6. März 1973 hat die Klägerin gerügt, das SG habe Verfahrensvorschriften verletzt und in der Sache falsch entschieden. Im Schriftsatz vom 13. August 1973 hat die Klägerin vorgetragen, aufgrund des Anerkenntnisurteils des Arbeitsgericht Berlin vom 29. März 1971 - Az: 20 Ca 28/71 - sei zwischen den Parteien unstreitig, daß D. "an den Folgen eines auf dem Nachhauseweg erlittenen Wegeunfalles am 25. März 1970 starb"; die Tatbestandswirkung dieses Urteils müsse der Beklagte sich im anhängigen Rechtsstreit entgegenhalten lassen, wenn er auch durch eine andere Behörde - die rechtlich unselbständige Eigenunfallversicherung - vertreten sei. Im übrigen sei, so hat die Klägerin weiter ausgeführt, nicht entscheidend, "daß - was unaufgeklärt blieb - der Versicherte keine dienstliche Aufforderung zum Besuch des Arztes erhalten (habe)"; denn wer seine Tätigkeit über das dienstlich Notwendige hinaus erstrecke, stehe auch insoweit unter Versicherungsschutz, wenn er der Ansicht habe sein können, auf diese Weise den Interessen seines Arbeitgebers dienen zu können.
Nach der Niederschrift vom 14. August 1973 hat die Klägerin beantragt, "die Beklagte zu verurteilen ... Hinterbliebenenrente sowie Sterbegeld zu gewähren". Der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten hat sich "mit der Klageänderung einverstanden" erklärt. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt: Die Berufung sei zulässig, aber nicht begründet. D. habe keinen Arbeitsunfall (§ 548 RVO) erlitten. Auf Wegen eines Versicherten vom Unternehmen zum Arzt bestehe kein Versicherungsschutz, da die Wege grundsätzlich im eigenen Interesse des Versicherten lägen. Anders sei es nur, wenn ein Versicherter auf ausdrückliche Aufforderung seines Arbeitgebers den Arzt aufsuche oder wenn es darum gehe, plötzlich und akut während der Arbeitszeit auftretende Schmerzen zu beseitigen, um die Arbeitsfähigkeit für den Rest des Arbeitstages zu erhalten. Diese Ausnahmetatbestände lägen hier aber nicht vor. Sowohl nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin als auch nach dem Inhalt der Personalakte (des Bezirksamtes C. von B. über D.) habe D. von dem Bezirksamt C. keine Aufforderung erhalten, an dem betreffenden Tage einen Ohrenarzt aufzusuchen. Der nach Dienstschluß durchgeführte Besuch habe auch nicht der Beseitigung plötzlich aufgetretener Schmerzen und der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit für den Rest des Arbeitstages gedient. Die Beseitigung einer vorübergehend aufgetretenen Schwerhörigkeit sei auch nicht deshalb der betrieblichen Tätigkeit zuzurechnen, weil am folgenden Tag Publikumsverkehr zu erwarten gewesen sei. Es sei unbeachtlich, daß der Arztbesuch auch den Interessen des Arbeitgebers gedient habe, da diese Interessen den Arztbesuch nicht wesentlich bedingt hätten. Auch nach § 550 RVO habe D. nicht unter Versicherungsschutz gestanden. Er sei auf einem Abweg verunglückt, der dem Arztbesuch gedient habe. Die Unfallstelle in der Admiralstraße gehöre nicht zu dem üblichen Heimweg. Erst mit dem Erreichen der S. Straße wäre der Abweg beendet gewesen und der Versicherungsschutz wieder aufgelebt. Dem stehe nicht entgegen, daß das Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt C., in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren anerkannt haben solle, daß D. an den Folgen eines "Wegeunfalls" gestorben sei. Ein solches Anerkenntnis wäre ohne Belang für den hier streitigen anders gearteten Anspruch aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.
Durch Beschluß vom 15. Oktober 1973 hat das LSG den Antrag der Klägerin, die Darstellung des Sachverhalts im Urteil zu berichtigen, zurückgewiesen.
Die Klägerin hat Revision eingelegt. Sie rügt, das Verfahren des Berufungsgerichts leide an wesentlichen Mängeln, und trägt hierzu vor:
Der Tatbestand des angefochtenen Urteils sei unvollständig, da er nicht das gesamte mündliche Vorbringen der Klägerin enthalte. Er sei auch widerspruchsvoll; auf S 3 des Urteils habe das LSG als Vorbringen der Klägerin ausgeführt, D. habe eine Aufforderung von seiner Dienststelle zum Besuch des Ohrenarztes nicht erhalten. In Wahrheit habe die Klägerin vorgetragen, ihr Prozeßbevollmächtigter habe eine solche Aufforderung nicht ermitteln können, er halte dies auch für unwesentlich (Schriftsatz vom 21. Februar 1971); das LSG hätte deshalb, da es dies für wesentlich gehalten habe, durch Vernehmung des Dienstvorgesetzten ermitteln müssen, ob eine dienstliche Weisung erteilt worden sei. Der Klägerin sei unter Verstoß gegen § 62 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und Art 103 des Grundgesetzes (GG) das rechtliche Gehör verweigert worden. Ohne Wissen der Klägerin habe das LSG über ihren Ehemann geführte Personalakten des Bezirksamts Charlottenburg zu Beweiszwecken beigezogen und den Akteninhalt im Urteil verwertet. In den Akten des LSG befinde sich keine Aktenanforderung. Die Ladungen zur mündlichen Verhandlung hätten an der vorgesehenen Stelle für die Mitteilung beigezogener Akten und Unterlagen keine Angaben enthalten. Die Klägerin habe daher keine Möglichkeit gehabt, die beigezogenen Personalakten vor der Verhandlung einzusehen und die Unfallakten der Beklagten nochmal einzusehen, obwohl dies nötig gewesen wäre. Während der Verhandlung am 14. August 1973 habe der Berichterstatter nebenbei erwähnt, daß dem Gericht Personalakten vorlägen, nicht jedoch, daß sie zu Beweiszwecken beigezogen seien. Die beigezogenen Personalakten seien nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, wie sich aus dem Schweigen des Protokolls ergebe. Von der beiläufigen Bemerkung über das Vorliegen der Akten sei die Klägerin im Termin überrascht worden, sie habe die Akten dann nicht mehr vor der Urteilsverkündung einsehen können. Da der Inhalt der beigezogenen Personalakten nicht erörtert worden sei, habe die Klägerin sich nicht zu den vom LSG für erheblich erachteten Tatsachen äußern können.
Ferner rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 103, 106, 112, 123, 128 SGG. Sie trägt im wesentlichen vor, das LSG habe zu Unrecht die Beiziehung der Akten des Arbeitsgerichts unterlassen, aus denen sich ergebe, daß der Beklagte den streitigen Anspruch bereits anerkannt; an dieses Anerkenntnis sei der Beklagte auch im anhängigen Rechtsstreit gebunden; die Klägerin habe nicht die Gewährung, sondern die Zahlung, dh die Auszahlung der Witwenrente und des Sterbegeldes beantragt; dies habe das LSG verkannt. Das LSG sei in der Verhandlung nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. Richter Sandner sei in Urlaub, Richter K. als sein Vertreter zwar anwesend gewesen, habe nach Auskunft des LSG jedoch eine Nachkur gehabt; für den Richter K. sei am 14. August 1973 der Richter G., in der vorliegenden Sache aber der Richter X. tätig geworden. Daraus ergebe sich zugleich, daß der 3. Senat des LSG unzulässig überbesetzt gewesen sei (§ 33 SGG). Die Nichtzulassung der Revision sei offenbar gesetzwidrig.
In der mündlichen Verhandlung am 13. März 1975 vor dem Senat hat die Klägerin ihr schriftsätzliches Vorbringen erläutert und wie folgt ergänzt:
Die vorliegende Personalakte (Bd 1-280) sei unvollständig; es lägen weitere Personalunterlagen betreffend ihren Ehemann vor, wie ihrem Prozeßbevollmächtigten am 4. März 1975 beim Landesverwaltungsamt B. erklärt worden sei. Das LSG hätte die Barmer Ersatzkasse, die dem Ehemann der Klägerin Heilbehandlung gewährt habe, gemäß § 75 Abs 2 SGG (notwendig) beiladen müssen; der in der Unterlassung liegende wesentliche Verfahrensmangel sei im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen. Das Bundessozialgericht (BSG) könne in der Sache selbst entscheiden, da schon aufgrund des Anerkenntnisses des Arbeitsgerichts Berlin feststehe, daß der Beklagte die verlangten Leistungen auszahlen müsse.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin vom 14. August 1973 den Beklagten zu verurteilen, an die Revisionsklägerin die Hinterbliebenenrente und das Sterbegeld für den erlittenen Wegeunfall ihres Ehemannes vom 12. Januar 1970 auszuzahlen,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 14. August 1973 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an ein anderes Sozialgericht oder einen anderen Senat eines Landessozialgerichts zurückzuverweisen.*O
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er meint, die gerügten Verfahrensmängel seien zum Teil unwesentlich, im übrigen lägen sie tatsächlich nicht vor.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streit*-standes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Akten des BSG - insbesondere auf den Schriftsatz der Klägerin vom 13. November 1973 und die Sitzungsniederschrift vom 13. März 1975 -, des SG Berlin (S 67 U 254/70), des LSG Berlin (L 3 U 68/72), des Beklagten (EUV B 1-7182), und des Bezirksamtes C. von B. (2-50152/076 - Personalakte - betreffend den Ehemann der Klägerin, BL 1-280).
Entscheidungsgründe
II
Die Zulässigkeit der Revision richtet sich nach §§ 160ff SGG idF des Gesetzes zur Änderung des SGG vom 30. Juli 1974 - BGBl I 1625 - (s Art III dieses Gesetzes). Die vom LSG nicht gemäß § 162 Abs 1 Nr 1 SGG aF zugelassene, form- und frist*-gerecht eingelegte und begründete Revision ist gemäß § 162 Abs 1 Nr 2 SGG aF statthaft und daher zulässig, da die Klägerin zutreffend einen wesentlichen Mangel des Berufungsverfahrens gerügt hat.
Das LSG hat der Klägerin nicht in dem erforderlichen Maß das rechtliche Gehör gewährt und damit § 62 SGG (Art 103 Abs 1 GG) verletzt. Nach § 62 SGG ist den Beteiligten vor jeder Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt den Beteiligten das Recht, sich in bezug auf Tatsachen und Beweisergebnisse zu äußern; den Beteiligten ist Gelegenheit zu geben, sachgemäße Erklärungen abzugeben. Dies setzt voraus, daß sie sich mit dem Gegenstand der Verhandlung rechtzeitig haben vertraut machen können. Auskünfte und Unterlagen, die das Gericht einholt, müssen deshalb den Beteiligten rechtzeitig mitgeteilt werden. Dem Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör ist nur genügt, wenn den Beteiligten für die Abgabe ihrer Erklärung eine angemessene Zeit eingeräumt ist (vgl BVerfG 4, 190; BSG 11, 165, 166; BSG in SozR Nr 11 und 12 zu § 62 SGG; Peters/Sautter/Wolff, Komm zur SGb, 4. Aufl, § 62 S 186/46).
Aufgrund der Verfügung des Berichterstatters des LSG vom 13. Juli 1973 (BL 44 R) hat das LSG Personalakten vom Bezirksamt Charlottenburg angefordert. In der Ladungsverfügung vom 23. Juli 1973 sind die Beteiligten nicht darauf hingewiesen worden. Auch von dem Eingang der Akten am 6. August 1973 (BL 45) hat das LSG den Beteiligten vor der mündlichen Verhandlung keine Kenntnis gegeben. In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 14. August 1973 ist nicht vermerkt, daß Personalakten vorgelegen haben. In dem auf die mündliche Verhandlung vom 14. August 1973 ergangenen Urteil ist ausgeführt, die Personalakten des Bezirksamtes C. von B. über den Ehemann der Klägerin hätten vorgelegen und seien Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Den Inhalt der beigezogenen Personalakten hat das LSG in den Entscheidungsgründen verwertet.
Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin erhielt somit, auch wenn der Berichterstatter nicht nur nebenher erwähnt, wie die Revision vorbringt, sondern ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß Personalakten vorlagen, erst in der mündlichen Verhandlung von der Beiziehung dieser Akten Kenntnis. Ihm stand daher eine angemessene Zeit zur Abgabe sachgemäßer Erklärungen über deren Inhalt nicht zur Verfügung. Unbeschadet allerdings der Frage, ob ein Beteiligter auf das rechtliche Gehör verzichten kann (§ 202 SGG iVm § 295 ZPO), steht ihm jedenfalls frei, ob er das Recht ausüben will (vgl Peters/Sautter/Wolff, aaO § 62 S 186/44; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 32. Aufl. Grundz vor § 128 Anm 4). Die Verletzung des rechtlichen Gehörs kann deshalb nicht mehr geprüft werden, wenn der Beteiligte die vorhandenen prozessualen Möglichkeiten, sich das rechtliche Gehör zu verschaffen, nicht ausgeschöpft hat (vgl BVerfG 5, 9ff; BSG 7, 209, 211; Peters/Sautter/Wolff aaO). Im vorliegenden Fall hätte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin zwar noch in der mündlichen Verhandlung Einsicht in die beigezogenen Personalakten verlangen oder die Vertagung der Verhandlung beantragen können. Die Durchsicht der Akten im Termin daraufhin, ob ihnen für die Entscheidung des Rechtsstreits erhebliche Tatsachen zu entnehmen waren, bot sich jedoch schon wegen des Umfangs der Akten (280 Seiten) nicht als eine reale Möglichkeit zur Abgabe sachgemäßer Erklärungen an. Zu einem Antrag auf Vertagung der Verhandlung hätte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin sich zur Wahrung des rechtlichen Gehörs aber nur gedrängt fühlen müssen oder auch nur Anlaß gehabt, wenn er damit hätte rechnen müssen, daß das LSG den Inhalt der beigezogenen Personalakten in bezug auf Tatsachen verwerten würde, die nach dem Rechtsstandpunkt des LSG dem von der Klägerin erhobenen Anspruch auf Auszahlung der Hinterbliebenenentschädigung entgegenstanden. Hierzu hätte es der vollständigen Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses (§ 112 Abs 2 Satz 2 SGG) gerade bezüglich des Umstandes bedurft, daß in den beigezogenen Personalakten eine dienstliche Anweisung an D., den Ohrenarzt aufzusuchen, nicht vermerkt sei. Allein der Hinwies darauf, daß ein solcher Vermerk fehle, reichte nach den Umständen des Falles nicht aus, zumal da eine entsprechende Aufforderung des Dienstvorgesetzten nicht notwendig aktenkundig gewesen sein muß. Da das LSG aus den beigezogenen Personalakten den nach seinem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblichen Schluß gezogen hat, eine Aufforderung sei überhaupt nicht ergangen, hätte der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hinweisen und ihn mit den Beteiligten erörtern müssen. Daß dies - was die Revision verneint - geschehen sei, ist weder der Sitzungsniederschrift noch dem Urteil zu entnehmen. Sofern das LSG die Erörterung deshalb unterlassen hat, weil es davon ausgegangen ist, die Klägerin habe selbst vorgetragen, daß D. keine dienstliche Aufforderung zum Aufsuchen des Ohrenarztes erhalten habe, liegt darin eine Verletzung des § 128 SGG. Denn die Klägerin hat in ihren Schriftsätzen die Auffassung vertreten, es sei für die Begründung ihrer Ansprüche unerheblich, ob eine Aufforderung an D. ergangen sei; sie selbst habe eine solche nicht feststellen können. Noch im Schriftsatz vom 13. August 1973 hatte sie hierzu ausgeführt, die Erteilung einer Weisung sei "unaufgeklärt". Das LSG hätte deshalb dem Prozeßbevollmächtigten Gelegenheit geben müssen, sich sachgemäß dazu zu äußern, ob eine - vom LSG für erforderlich gehaltene - Weisung trotz fehlenden Hinweises in den vorliegenden Personalakten tatsächlich doch erteilt worden ist. Dies gilt um so mehr, wenn - wie die Revision vorbringt - die vom LSG beigezogenen und verwerteten Akten nicht die vollständigen Personalunterlagen des Ehemanns der Klägerin enthalten.
In der Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt ein wesentlicher Mangel des Verfahrens iS des § 162 Abs 2 Nr 2 SGG aF (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl BSG 11, 165, 167).
Die Revision ist auch - im Sinne der Zurückverweisung - begründet l§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der erkennende Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs kann grundsätzlich nur in der Tatsacheninstanz geheilt werden (vgl Peters/Sautter/Wolff aaO § 170 Anm 1 S III/82 - 38 -). Auch aufgrund des Revisionsvorbringens über ein zwischen den Beteiligten im arbeitsgerichtlichen Verfahren zugunsten der Klägerin ergangenes Anerkenntnisurteil ist dem erkennenden Senat eine Entscheidung in der Sache nicht möglich, da es insoweit an tatsächlichen Feststellungen (§ 163 SGG) im angefochtenen Urteil fehlt. Das LSG, das die Beiziehung der Akten des Arbeitsgerichts nicht für erforderlich hielt, hat hierzu lediglich ausgeführt, das Land Berlin solle, wie die Klägerin behaupte, in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren anerkannt haben, daß der Ehemann der Klägerin an den Folgen eines Wegeunfalls gestorben sei. Eine tatsächliche Feststellung, insbesondere über den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Urteils, ist damit nicht getroffen worden.
Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung nach § 75 Abs 2 Alternative 1 SGG ist bei einer zulässigen Revision zwar von Amts wegen als Verfahrensmangel zu beachten (Beschluß des erkennenden Senats vom 12. März 1974 in SozR 1500 § 75 Nr 1). Im Revisionsverfahren ist eine Beiladung jedoch unzulässig (§ 168 SGG). Die Beiladung der Barmer Ersatzkasse ist deshalb, sofern die Voraussetzung hierfür, wie die Revision meint, gegeben sind, vom LSG nachzuholen.
Da die Revision schon wegen der zutreffend gerügten Verletzung des rechtlichen Gehörs zulässig und im Sinne der Zurückverweisung auch begründet ist, bedurfte es nicht der Entscheidung, ob noch andere von der Revision gerügte Verfahrensmängel vorliegen.
Bei seiner neuen Entscheidung wird das LSG ua zu prüfen haben, ob die Berufung hinsichtlich des Anspruchs auf Sterbegeld nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGG ausgeschlossen oder wegen eines von der Klägerin gerügten wesentlichen Mangels des erstinstanzlichen Verfahrens (§ 150 Nr 2 SGG) auch insoweit zulässig ist.
Die von der Klägerin in ihrem Hilfsantrag erstrebte Zurückverweisung an ein anderes SG oder einen anderen Senat eines LSG ist im SGG nicht vorgesehen. Bei Aufhebung des angefochtenen Urteils kann die Sache nur an das Gericht zurückverwiesen werden, "welches das angefochtene Urteil erlassen hat" (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG; vgl Peters/Sautter/Wolff aaO Anm 3 zu § 170 S III/82 - 41 -). Die Geschäftsverteilung dieses Gerichts entscheidet darüber, welchem für das in Betracht kommende Fachgebiet (vgl § 31 SGG) gebildeten Senat die weitere Bearbeitung obliegt.
Fundstellen