Leitsatz (amtlich)

Betrifft die Berufung in einem Wiederaufnahmeverfahren in der Sache selbst nur Rente für bereits abgelaufene Zeiträume, so ist sie auch dann nach SGG § 146 unzulässig, wenn das SG die Wiederaufnahmeklage als unzulässig verworfen hat.

 

Normenkette

SGG § 146 Fassung: 1958-06-25, § 179 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 579 Abs. 3

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. April 1964 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind unter den Beteiligten nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Revisionsklägerin setzt den Rechtsstreit ihres am 14. Oktober 1965 verstorbenen Ehemannes (Versicherter) fort, mit dem sie nach einer Auskunft des Oberstadtdirektors der Stadt Gladbeck vom 9. Mai 1966 bis zu dessen Tode in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat. Der Antrag des Versicherten vom 21. Juni 1957 auf Knappschaftsrente war von der Beklagten mit Bescheid vom 22. November 1958 auf Grund ärztlicher Gutachten abgelehnt worden; sein Widerspruch blieb erfolglos. Auf die Klage des Versicherten hatte das Sozialgericht (SG) ein Gutachten von Dr. L eingeholt, der eine gesundheitliche Verschlechterung feststellte. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG erkannte nunmehr die Beklagte den Anspruch des Versicherten auf Rente wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 1. August 1959 ab an und verpflichtete sich, einen entsprechenden Bescheid zu erteilen. Der Versicherte nahm das Anerkenntnis an, verfolgte jedoch seinen Anspruch auf Rente für die Zeit vor dem 1. August 1959 weiter. Mit Urteil vom 19. Januar 1960 - S 4 KnR 379/59 - hat das SG die Klage abgewiesen und dem Kläger die der Beklagten durch die Urteilsfällung entstandene höhere Pauschgebühr als Mutwillenskosten auferlegt. Die Berufung des Versicherten gegen dieses Urteil wurde vom Landessozialgericht (LSG) durch Beschluß nach § 216 Abs. 1 Nr. 3 a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit der Begründung verworfen, sie sei nicht statthaft, weil sie nur Rente für abgelaufene Zeiträume betreffe; auch sei keine der Voraussetzungen nach § 150 SGG erfüllt, insbesondere lägen gerügte Verfahrensmängel des SG nicht vor.

Am 9. Oktober 1962 beantragte der Versicherte beim SG die Wiederaufnahme des Verfahrens, Gewährung der Rente bereits ab 21. Juni 1957 und Rückerstattung der ihm zu Unrecht aufgelegten Verfahrenskosten in Höhe von 30,- DM. Das SG hat durch Urteil nach Lage der Akten vom 22. März 1963 die Klage abgewiesen und dem Kläger die der Beklagten durch das Wiederaufnahmeverfahren entstehende Gebühr als Mutwillenskosten aufgelegt. Die Wiederaufnahmeklage sei - so führt es aus - nicht statthaft, weil der Kläger keinen der gesetzlich zugelassenen Wiederaufnahmegründe geltend gemacht, sich vielmehr im wesentlichen auf die Wiederholung seines früheren Vorbringens beschränkt habe.

Mit der Berufung hat der Versicherte geltend gemacht, das klageabweisende Urteil vom 19. Januar 1960 sei nur gefällt worden, weil er nicht auf einen Vergleich eingegangen sei. Das Gutachten vom 11. Juli 1962 könne er nicht anerkennen, weil keine hinreichende Untersuchung stattgefunden habe. Da es sich bei ihm um eine Berufskrankheit handele, sei § 150 Ziff. 3 SGG anzuwenden. Nach dem Gutachten von Dr. L aus dem Jahre 1959 könnten ihm nur 4 - 6 Stunden täglicher Arbeit in geschlossenen Räumen, vorwiegend im Sitzen zugemutet werden. Bereits 1941 habe er aber bei der Arbeit in geschlossenen Räumen einen schweren Rückfall erlitten, dagegen sei die Zuckerkrankheit erst 1953 aufgetreten. In dem Urteil vom 19. Januar 1960 sei das Gericht von dem Vorliegen einer leichten Diabetes ausgegangen; das stimme nicht mit den Aussagen des Laboranten überein, es sei eine falsche Eintragung in den Laborakten vermerkt worden. Zu der mündlichen Verhandlung am 22. März 1963 habe er wegen seiner schlechten wirtschaftlichen Lage nicht kommen können; das habe er dem SG rechtzeitig mitgeteilt. Der Versicherte stellte vor dem LSG den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22. März 1963 abzuändern, die Wiederaufnahme zuzulassen und unter Aufhebung der in der Sache L 2 Kn 33/60 ergangenen Entscheidungen die Beklagte zu verurteilen, ihm von Anfang Juni 1957 bis Ende Juli 1959 Rente wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit zu gewähren.

Das LSG hat die Berufung als unzulässig verworfen. Sie sei - so wird ausgeführt - nach § 146 SGG ausgeschlossen; denn sie betreffe nur den Rentenanspruch für einen Zeitraum, der bei Einlegung der Berufung bereits abgelaufen war. Obgleich es sich bei dem angefochtenen Urteil um ein Prozeßurteil handele, sei doch bei Prüfung der Statthaftigkeit der Berufung von dem zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Anspruch auszugehen. Das ergebe sich aus dem Wortlaut des § 146 SGG idF des Gesetzes vom 25. Juni 1958; hiernach komme es nur auf den mit der Berufung geltend gemachten Anspruch an. Die Berufung sei auch vom SG nicht ausdrücklich nach § 150 Nr. 1 SGG zugelassen worden; eine Statthaftigkeit nach § 150 Nr. 3 SGG komme der Sache nach hier nicht in Betracht.

Die Berufung des Klägers sei auch nicht nach § 150 Nr. 2 SGG statthaft, weil er keinen wesentlichen Verfahrensmangel gerügt habe. Insbesondere könne ein wesentlicher Verfahrensmangel nicht darin erblickt werden, daß das SG nicht nachträglich noch das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet, sondern trotz seines Ausbleibens im Termin antragsgemäß nach Lage der Akten entschieden habe. Angesichts der verhältnismäßig geringen Entfernung des Wohnsitzes des Klägers vom Sitz des Gerichts hätte auch kein Anlaß bestanden, das persönliche Erscheinen des Klägers mit der Terminsladung oder auf seine Nachricht vom 14. März 1963 hin anzuordnen. Das übrige Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründung betreffe nicht das Verfahren des SG in dem vorliegenden Rechtsstreit, sondern das frühere oder andere nebenher laufende Verfahren. So sei das Gutachten vom 11. Juli 1962 in dem Rechtsstreit S 9 KnR 156/61 eingeholt worden, das einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit betreffe. Das von Dr. L am 28. Oktober 1959 erstattete Gutachten sei in dem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren S 4 KnR 379/59 eingeholt worden, dessen Wiederaufnahme der Kläger nunmehr begehre. Soweit der Kläger aus diesem Gutachten in Verbindung mit dem ersten Auftreten seiner Zuckerkrankheit im Jahre 1953 auf einen Verfahrensmangel schließe, greife er allenfalls die Beweiswürdigung im Urteil des SG vom 19. Januar 1960 an. Dieses Vorbringen enthalte aber keinen der gesetzlich zugelassenen Wiederaufnahmegründe. Mit der Behauptung, es sei eine falsche Laboreintragung vorgenommen worden, greife der Kläger schließlich das im Verwaltungsverfahren der Beklagten eingeholte Gutachten des Dr. L vom 7. Juli 1958 an. Da der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG keinen wesentlichen Verfahrensmangel gerügt habe, sei die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Das LSG hat die Revision zugelassen. Gegen das am 2. April 1964 verkündete und am 21. Juli 1964 zugestellte Urteil hat der Versicherte am 29. April 1965 zugleich mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Revision eingelegt und begründet, nachdem ihm durch Beschluß des Senats vom 29. März 1965 das Armenrecht bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet worden war.

Die Revision rügt unrichtige Anwendung des § 146 SGG. Das LSG habe die Berufung zu Unrecht als unzulässig verworfen, statt sachlich über die Klage zu entscheiden. Unmittelbarer Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sei ein prozeßrechtliches Begehren, nämlich die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens; allein hiermit befasse sich auch das mit der Berufung angefochtene Urteil des SG vom 22. März 1963. Die Berufung gegen ein solches Urteil sei nicht gesetzlich ausgeschlossen. Die Berufung sei auch begründet. Bei dem Urteil des SG vom 19. Januar 1960 handele es sich um ein Schiedsurteil im Sinne von § 510 c der Zivilprozeßordnung (ZPO). Maßgeblich für diese Einordnung sei der Gesichtspunkt, daß das Gericht als einzige Instanz entscheide und kein Rechtsmittel gegeben sei. Da die Wiederaufnahme im sozialgerichtlichen Verfahren sich nach den Vorschriften der ZPO richte, sei auch die Vorschrift anzuwenden, wonach gegen ein Schiedsurteil die Nichtigkeitsklage stattfindet, wenn der Partei in dem Verfahren das rechtliche Gehör nicht gewährt worden ist. Dieser Vorwurf sei aber vom Kläger bereits im ersten Verfahren erhoben worden. Das SG habe seiner damaligen Entscheidung nämlich ein von den Ärzten der Beklagten erstattetes Gutachten zugrunde gelegt, das dem Kläger nicht abschriftlich, sondern nur während der Verhandlung in Stichworten mitgeteilt worden sei. Der Kläger habe somit nicht die Möglichkeit gehabt, sich gegen dieses für ihn ungünstige Gutachten wirksam zu verteidigen, sich insbesondere durch einen Arzt beraten zu lassen. Das SG habe auch den Sachverhalt damals nicht hinreichend aufgeklärt; mit Rücksicht auf den Befund im Gutachten von Dr. L und eine Bescheinigung über eine Harnzuckeruntersuchung aus 1953 hätte es zu dem genannten Gutachten aus 1958 noch weitere Ermittlungen anstellen müssen.

Die Wiederaufnahmeklage sei auch rechtzeitig erhoben worden. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil vom 19. Januar 1960 sei durch Beschluß als unzulässig mit der Belehrung verworfen worden, daß gegen diesen Beschluß kein Rechtsmittel gegeben sei. Der Versuch des Klägers, mit seinen Anträgen auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und vorgezogenes Altersruhegeld in den Verfahren S 9 KnR 156/61 und S 9 KnR 63/63 des SG Gelsenkirchen auch die Frage der Rente für die zurückliegende Zeit zu regeln, sei erfolglos geblieben. Sobald er das erkannt habe, habe er die Wiederaufnahmeklage erhoben.

Dem Kläger seien auch zu Unrecht sowohl in dem Urteil vom 19. Januar 1960 wie auch in dem Urteil vom 22. März 1963 Mutwillenskosten auferlegt worden, obgleich er in beiden Fällen in gutem Glauben an die Berechtigung der für ihn lebenswichtigen Ansprüche eine gerichtliche Entscheidung begehrt habe.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des SG Gelsenkirchen vom 22. März 1963 - S 9 KnR 193/62 - der Klage stattzugeben und die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen, hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Nordrhein-Westfalen bzw. an das SG Gelsenkirchen zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig. Sie weist darauf hin, daß der damalige Kläger sich in den beiden Vorinstanzen nicht auf die Versagung des rechtlichen Gehörs als Wiederaufnahmegrund berufen habe. Auch habe er es in dem früheren Verfahren unterlassen, die Versagung des rechtlichen Gehörs als Verfahrensmangel mit der Berufung gegen das Urteil des SG vom 19. Januar 1960 zu rügen. Die Rüge sei auch unbegründet, da der Kläger auf das Gutachten von 1958 und seinen wesentlichen Inhalt durch den Ablehnungsbescheid und das gerichtliche Gutachten des Sachverständigen Dr. L hingewiesen worden sei und es ihm freigestanden habe, Akteneinsicht zu nehmen oder sich eine Abschrift fertigen zu lassen.

II

Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist formgerecht eingelegt und begründet worden. Wegen der Revisionsfrist war die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG zu gewähren, da das rechtzeitig beantragte Armenrecht dem damaligen Revisionskläger erst nach Ablauf der Revisionsfrist bewilligt und der Wiedereinsetzungsantrag binnen eines Monats nach der Armenrechtsbewilligung unter Nachholung der versäumten Rechtshandlungen gestellt worden ist.

Die Revision ist jedoch unbegründet; das LSG hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen. Gemäß § 179 Abs. 1 SGG richtet sich das Wiederaufnahmeverfahren in der Sozialgerichtsbarkeit nach den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozeßordnung. Dort ist in § 591 bestimmt, daß im Wiederaufnahmeverfahren Rechtsmittel insoweit zulässig sind, als sie gegen die Entscheidungen der mit den Klagen befaßten Gerichte überhaupt stattfinden. Das bedeutet zunächst, daß in den Fällen, in denen - wie hier - das SG über die Wiederaufnahmeklage entschieden hat, die Berufung an das LSG nach § 143 SGG grundsätzlich stattfindet, daß aber auch die einschränkenden Bestimmungen der §§ 144 ff anzuwenden sind. Nach § 146 SGG ist in Angelegenheiten der Rentenversicherungen die Berufung ua nicht zulässig, soweit sie nur die Rente für bereits abgelaufene Zeiträume betrifft. Im vorliegenden Fall betrifft aber die Berufung hinsichtlich des materiellen Anspruchs nur Rente für bereits abgelaufene Zeiträume. Wenn darüber hinaus im Berufungsantrag verlangt wird, die Wiederaufnahme zuzulassen und die in dem früheren Verfahren ergangene Entscheidung aufzuheben, so handelt es sich dabei um die kennzeichnende Besonderheit des Wiederaufnahmeverfahrens. Ist aber speziell für das Wiederaufnahmeverfahren bestimmt, daß ua § 146 SGG auch hier anzuwenden ist, so kann eben der Umstand, daß es sich um ein Wiederaufnahmeverfahren handelt, dieser Anwendung nicht entgegenstehen. Denn die Vorschrift des § 591 ZPO, daß im Wiederaufnahmeverfahren die allgemeinen Vorschriften über die Statthaftigkeit von Rechtsmitteln gelten, bedeutet ja auch, daß sie so anzuwenden sind, als ob es sich eben nicht um ein Wiederaufnahmeverfahren handeln würde. Läßt man aber im vorliegenden Fall die Besonderheit, daß es sich um eine Wiederaufnahmeklage handelt, außer Betracht, so betrifft die Berufung nur Rente für bereits abgelaufene Zeiträume. Demgemäß ist die Berufung nach § 146 SGG unstatthaft. Das entspricht auch dem Sinn und Zweck des Berufungsausschlusses nach § 146 SGG, durch den der Rechtszug in solchen Angelegenheiten beschränkt werden soll, die für den Versicherten im allgemeinen von geringerer Bedeutung sind; für diese Bewertung kann es aber allein auf den Inhalt des materiellen Anspruchs ankommen. Die diese Frage betreffenden Ausführungen der Klägerin liegen daher neben der Sache. Es ist entgegen der Ansicht der Klägerin insofern vor allem ohne jede Bedeutung, daß das SG sich mit der Begründetheit des materiellen Anspruchs überhaupt nicht befaßt hat. Ebenso verkennt die Klägerin, daß es, anders als nach der vor dem 1. Juli 1958 geltenden Fassung des § 146 SGG, für die Frage der Statthaftigkeit der Berufung auf deren Gegenstand und nicht auf den Inhalt des angefochtenen Urteils ankommt.

Die Berufung des damaligen Klägers ist auch nicht nach den Ausnahmetatbeständen des § 150 SGG statthaft. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen (§ 150 Nr. 1 SGG). Das LSG hat zutreffend erkannt, daß der die Rechtsmittelbelehrung einleitende Satz: "Gegen dieses Urteil kann ... Berufung eingelegt werden" keine gerichtliche Entscheidung über die besondere Zulassung nach § 150 Nr. 1 SGG darstellt. Auch kommt der Tatbestand nach § 150 Nr. 3 SGG hier nicht in Betracht, weil weder der ursächliche Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit im Streit ist, noch das SG in dem angefochtenen Urteil eine Gesundheitsstörung nicht als feststellbar erachtet hat. Nach § 150 Nr. 2 SGG ist die Berufung statthaft, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens vorliegt und gerügt wird, und zwar ein Mangel des Verfahrens, in dem das mit der Berufung angefochtene Urteil ergangen ist. Auch hierfür sind die Voraussetzungen nicht erfüllt; die Rügen des damaligen Klägers greifen nicht durch. Das LSG hat zutreffend erkannt, daß es keinen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt, daß das SG bei seinem Ausbleiben im Termin auf Antrag der Beklagten nach Lage der Akten entschieden hat, nachdem der Kläger in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 126 SGG). Bei der verhältnismäßig geringen Entfernung bestand für das SG auch kein hinreichender Anlaß, das persönliche Erscheinen des Klägers bei der Ladung oder nachträglich anzuordnen, zumal der Kläger in dem Schreiben, in dem er auf seine schlechte wirtschaftliche Lage hinwies, selbst zum Ausdruck brachte, es müsse "nach Lage" entschieden werden. Alles übrige Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz bezieht sich, wie in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt wird, nicht auf Mängel des sozialgerichtlichen Verfahrens in diesem Rechtsstreit. Nun würde es allerdings bereits als wesentlicher Mangel dieses Verfahrens anzusehen sein, wenn das SG zu Unrecht die Klage als unzulässig abgewiesen hätte, anstatt in der Sache selbst zu entscheiden. Allerdings hat der damalige Kläger eine Rüge dieser Art nicht ausdrücklich erhoben und es mag zweifelhaft sein, ob man sie bereits seinem erkennbaren Streben nach einer Sachentscheidung in Verbindung mit seiner Unzufriedenheit mit der sozialgerichtlichen Entscheidung inhaltlich entnehmen könnte. Ein solcher Verfahrensmangel liegt jedenfalls nicht vor, da keine nach § 179 SGG i. V. m. §§ 578 ff ZPO zugelassenen Wiederaufnahmegründe gegeben sind.

Wenn die Revision als Wiederaufnahmegrund nach § 579 Abs. 3 ZPO die Versagung des rechtlichen Gehörs in dem früheren Verfahren geltend macht, so verkennt sie, daß diese Vorschrift im sozialgerichtlichen Verfahren schon deshalb nicht zur Anwendung kommen kann, weil es hier kein Schiedsurteil im Sinne der ZPO gibt. Das Schiedsurteil nach § 510 c ZPO ist ein in einem besonders frei gestalteten Verfahren - dem sog. "Kleinverfahren" - ergehendes und ausdrücklich so bezeichnetes Endurteil, das einem im ordentlichen Verfahren ergangenen rechtskräftigen Urteil gleichsteht, also überhaupt keinem ordentlichen Rechtsmittel unterliegt. Die Sozialgerichtsbarkeit kennt kein solches "Kleinverfahren"; alle Urteile ergehen im ordentlichen Verfahren, sind grundsätzlich rechtsmittelfähig und werden daher erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist oder erfolgloser Durchführung des Rechtsmittels rechtskräftig. Da in einem solchen Verfahren die Rüge vorliegender wesentlicher Verfahrensmängel die Berufung stets statthaft macht, besteht auch kein Anlaß, gesetzlich einen besonderen Wiederaufnahmegrund wegen bestimmter Verfahrensmängel zuzulassen.

Da das SG somit die Wiederaufnahmeklage zu Recht als unzulässig angesehen hat, liegt kein Verfahrensmangel darin, daß es nicht sachlich neu entschieden hat. Die Berufung ist daher auch nicht nach § 150 Nr. 2 SGG statthaft.

Soweit sich der Kläger gegen die Auferlegung von Mutwillenskosten wendet, wäre die Berufung nur statthaft, wenn auch die Berufung in der Hauptsache zulässig wäre, da die Kostenentscheidung allein nicht berufungsfähig ist (§ 144 Abs. 2 SGG).

Das LSG hat daher die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen.

Demgemäß ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

NJW 1967, 1984

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