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BSG Urteil vom 13.05.1982 - 10 RKg 30/81

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlängerung der Bezugsdauer von Kindergeld über das 27. Lebensjahr hinaus

 

Orientierungssatz

Eine Verlängerung der Bezugsdauer von Kindergeld über das 27. Lebensjahr hinaus kommt nur in Betracht, wenn nicht bereits während der gesamten Verzögerungszeit Kindergeld bezogen wurde (vgl BSG 1982-03-25 10 RKG 1/81).

 

Normenkette

BKGG § 2 Abs 3 S 2 Nr 4 Fassung: 1975-01-31

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 17.09.1981; Aktenzeichen L 1 Kg 1076/80)

Hessisches LSG (Entscheidung vom 17.09.1981; Aktenzeichen L 1 Kg 1023/80)

SG Fulda (Entscheidung vom 20.03.1980; Aktenzeichen S 3b Kg 2/79)

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt vom beklagten Land Kindergeld für seinen Sohn über dessen 27. Lebensjahr hinaus.

Der im November 1951 geborene Sohn A. des Klägers bestand im Juni 1970 die Reifeprüfung mit einem Notendurchschnitt von 2,5 und begann im Wintersemester 1970/71 das Studium der Chemie, das er nach dem Sommersemester 1977 mit der Diplomprüfung abschloß. Er leistete keinen Wehrdienst. Während des Chemiestudiums bewarb er sich nach Bestehen des Vordiploms im Wintersemester 1972/73 erstmals zum Sommersemester 1973, nochmals zum Wintersemester 1973/74 und weiter zum Sommersemester 1974 und Wintersemester 1974/75 bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) erfolglos um einen Studienplatz im Fachgebiet Humanmedizin. In den Monaten August und September 1973 arbeitete A. als Praktikant in einem Kreiskrankenhaus. Vom Sommersemester 1975 einschließlich Sommersemester 1977 bewarb er sich nicht um einen solchen Studienplatz. Nachdem A sich erneut um einen Studienplatz zum Wintersemester 1977/78 beworben hatte, wurde ihm ein Studienplatz für Medizin an der Universität Kiel zugeteilt, den er annahm; voraussichtlich wird er das Medizinstudium 1982 abschließen.

Bereits im August 1978 beantragte der Kläger, der für A. fortlaufend bis zu dessen vollendeten 27. Lebensjahr Kindergeld erhalten hat, ihm Kindergeld wegen verzögerter Berufsausbildung mangels Studienplatzes im Fachgebiet Medizin weiter zu gewähren.

Der Beklagte lehnte dies ab, weil eine Verzögerung des Medizinstudiums nicht nachgewiesen sei (Bescheid vom 14. Dezember 1978, Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 1979).

Das Sozialgericht (SG) Fulda hat eine Auskunft bei der ZVS vom 16. Mai 1979 eingeholt und den Beklagten verurteilt, dem Kläger für A. Kindergeld ab 1. Dezember 1978 für die Dauer von 30 Monaten zu zahlen; im übrigen wies es die Klage ab (Urteil vom 20. März 1980). Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat nach Einholung einer weiteren Auskunft der ZVS vom 27. April 1981, wonach A. frühestens zum Sommersemester 1975 zum Medizinstudium hätte zugelassen werden können, auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen; die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen (Urteil vom 17. September 1981).

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 2 Abs 3 Satz 2 Nr 4 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) aF und der §§ 103, 106 und 128 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Beklagten

gegen das Urteil des SG zurückzuweisen, das Urteil des SG und die

angefochtenen Bescheide abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,

dem Kläger Kindergeld für A. über den 31. Mai 1981 hinaus bis zum

Abschluß des Medizinstudiums zu zahlen, hilfsweise, den

Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LSG

zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Sie ist zurückzuweisen. Dem Kläger steht für den Sohn A. kein Kindergeld über das 27. Lebensjahr hinaus zu.

Nach § 2 Abs 2 Satz 2 Nr 4 BKGG aF (ersatzlos aufgehoben mit Wirkung vom 1. Januar 1982 durch Art 1 Nr 1 Buchst e des 9. Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 22. Dezember 1981 - BGBl I 1566 -) wird ein Kind, dessen Berufsausbildung sich mangels Studienplatzes verzögert hat, während der weiteren Berufsausbildung (§ 2 Abs 2 Nr 1 BKGG) für einen der nachgewiesenen Verzögerung entsprechenden Zeitraum über das 27. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.

Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 25. März 1982 - 10 RKg 1/81 - in einem gleichgelagerten Fall (Psychologie-Diplom - Medizinstudium) entschieden hat, steht Kindergeld über das 27. Lebensjahr hinaus nicht zu, wenn während der gesamten Verzögerungszeit Kindergeld bezogen wurde. So ist es auch hier. Deshalb ist das Urteil des LSG im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Zwar würde nach dem Gesetzeswortlaut der Bezug von Kindergeld während der Verzögerung der Berufsausbildung mangels Studienplatzes einem weiteren Anspruch auf Kindergeld nach dem 27. Lebensjahr nicht zwingend entgegenstehen (BSG SozR 5870 § 2 Nr 7 - krankheitsbedingte Verzögerung -). Die Herstellung des systematischen Zusammenhanges mit den ebenfalls eine Überschreitung der Höchstaltersgrenze rechtfertigenden Tatbeständen der Nrn 1 bis 3 des § 2 Abs 3 Satz 2 BKGG aF ist sachgerecht (BSG SozR 5870 § 2 Nr 23). Zeiten des Kindergeldausfalles vor dem 27. Lebensjahr können unter bestimmten Voraussetzungen später nachgeholt werden, wodurch eine Höchstgrenze der Gesamtbezugsdauer des Familienlastenausgleichs eingehalten wird. Das LSG hat entgegen der Auffassung der Revision zu Recht darauf abgehoben, daß § 2 Abs 3 Satz 2 Nr 4 BKGG aF ausdrücklich einen ursächlichen Zusammenhang "wegen mangelnden Studienplatzes" fordert, während die Verzögerung (Verlängerung) in den übrigen Ausnahmetatbeständen (Nrn 1 bis 3) gesetzlich vermutet wird.

Diese Ausnahmeregelungen sind gleich zu behandeln. Die Bezugsdauer des Kindergeldes wird entsprechend der Unterbrechungszeit über den grundsätzlichen Endzeitpunkt des 27. Lebensjahres hinaus verlängert. Eine solche Verlängerung kann nur in Betracht kommen, wenn nicht bereits während der Unterbrechung, aus welchen Gründen auch immer, Kindergeld gezahlt worden ist (BSG SozR 5870 § 2 Nr 20). Eine andere Auslegung würde in Verzögerungsfällen, gemessen an dem grundsätzlichen Endzeitpunkt, zu einem Doppelbezug und damit zu einer Ungleichbehandlung anderer Anspruchsberechtigter führen (BSG SozR 5870 § 2 Nr 14).

Zu bedenken ist vornehmlich noch folgendes: Durch die Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten (Wehrdienst, Zivildienst, Entwicklungshelferdienst usw) wird die Berufsausbildung unterbrochen; es ist dann kein Kindergeld zu zahlen. Diese Gruppe der Anspruchsberechtigten wäre ohne gerechtfertigten Grund eindeutig gegenüber den Empfängern von Kindergeld bei einem Park- oder Zweitstudium oder anderen Beschäftigungen, die den Bezug von Kindergeld erlauben, benachteiligt. Etwas anderes kann auch entstehungsgeschichtlich nicht aus § 18 Abs 4 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) aF hergeleitet werden (vgl BT-Drucks 7/2032 S 8 zu Nr 2 Abs 2). Ebenso erlaubt Nr 2.342 des Runderlasses des Präsidenten der Bundesanstalt Nr 375/74 zum "Parkstudium" während der Verzögerungszeit keine grundsätzliche Verlängerung des Kindergeldanspruchs über das 27. Lebensjahr hinaus.

Da der Kläger für A. während der "tatsächlichen oder möglichen Verzögerungszeit" laufend Kindergeld bezogen hat, steht ihm kein weiteres Kindergeld nach dem vollendeten 27. Lebensjahr des A. mehr zu. Auf die genaue Verzögerungszeit kommt es danach entgegen der Auffassung der Revision nicht an. Ergänzend wird auf die Begründung des Urteils des Senats vom 25. März 1982 - 10 RKg 1/81 - verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1657611

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