Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des § 579 RVO und des § 6 RAG 1986
Orientierungssatz
§ 579 RVO und § 6 RAG 1986 sind nicht verfassungswidrig. Sie verstoßen weder gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG noch gegen die Eigentumsgarantie des Art 14 GG.
Normenkette
RVO § 579 Abs 1; RAG 1986 § 6; GG Art 3 Abs 1; GG Art 14 Abs 1 S 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger bezieht wegen einer unfallbedingten Erblindung des rechten Auges bei vorangegangener, nicht unfallbedingter Erblindung des linken Auges die Vollrente, ein Pflegegeld, Leistungen für fremde Führung und eine Entschädigung für Mehrverschleiß.
Die Beklagte teilte unter dem 19. Juni 1986 dem Kläger mit, daß sie die vorstehend genannten Leistungen entsprechend dem Rentenanpassungsgesetz 1986 (RAG 1986) angepaßt habe. Der Widerspruch, mit dem der Kläger begehrte, die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht entsprechend § 579 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und nicht gemindert um den Beitrag zur Krankenversicherung und damit nur um 2,15 vH, sondern um 2,9 vH anzupassen, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1986).
Im Klageverfahren hat der Kläger die Verfassungswidrigkeit des § 579 RVO geltend gemacht. Er ist damit ohne Erfolg geblieben (Urteile des Sozialgerichts vom 27. Mai 1987 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 25. Februar 1988).
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision ist der Kläger weiterhin der Ansicht, § 579 RVO verletze Art 14 und Art 3 des Grundgesetzes (GG). Die Anpassung der Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend denen in der gesetzlichen Rentenversicherung sei nicht im Interesse des Schutzes der Funktions-und Leistungsfähigkeit des Sozialversicherungssystems geboten. Unfallversicherung und Rentenversicherung seien eigenständige Zweige der Sozialversicherung mit jeweils unterschiedlicher Aufgabenstellung, Leistungsstruktur und Finanzierung. Die Unfallversicherung löse die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber ab. Sie nehme darüber hinaus eine soziale Schutzfunktion wahr. Die Gleichschaltung des Rentenanpassungssatzes in der gesetzlichen Unfallversicherung mit dem der gesetzlichen Rentenversicherung habe keinen verfassungslegitimen Eingriffsgrund. Durch die Neufassung des § 579 RVO werde auch der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG verletzt. Die Ankoppelung der Anpassung der Renten aus der Unfallversicherung an die Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage der Rentenversicherung sei sachfremd und systemwidrig. Mit dem Abzug des Krankenversicherungsbeitrags der Rentner habe der Gesetzgeber Maßstäbe aus der Rentenversicherung übernommen, von denen die Renten in der gesetzlichen Unfallversicherung in keiner Weise berührt würden.
Der Kläger beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen und die Bescheide der Beklagten vom 19. Juni 1986 und 29. Juli 1986 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Verletztenrente des Klägers, das Pflegegeld sowie die Leistungen für fremde Führung und Mehrverschleiß ab dem 1. Juli 1986 um 2,9 vH anzuheben, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Beklagte hat, wie unter den Beteiligten unstreitig ist, die Anpassung der Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung an den Kläger entsprechend § 579 RVO idF des Art 1 Nr 21 Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1532 - HBegleitG 1984) iVm § 6 RAG 1986 vom 13. Mai 1986 (BGBl I 697) vorgenommen. Umstritten ist, ob diese Gesetze insoweit verfassungswidrig sind, als sie die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im gleichen Umfange wie die der gesetzlichen Rentenversicherung anpassen. Der Senat hat deshalb nicht nur die Verfassungsmäßigkeit des § 579 RVO, sondern wegen des für den Kläger erst maßgebenden Vollzugs der Rentenanpassung durch das RAG und wegen der Minderung der Anpassung um den Beitrag zur Krankenversicherung der Rentner durch § 6 RAG 1986 auch die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift geprüft. § 579 RVO und § 6 RAG 1986 sind jedoch, wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben, nicht verfassungswidrig.
Ein Verstoß gegen Art 14 GG liegt auch dann nicht vor, wenn - wovon der Senat zugunsten des Klägers ausgeht - nicht nur die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung selbst, sondern auch die Anpassung dieser Leistungen in den Schutz dieser Verfassungsnorm mit einbezogen sind (s zur Rentenversicherung BVerfGE 64, 87, 97).
Die konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie ergibt sich erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums; dies ist nach Art 14 Abs 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 53, 257, 292; 58, 81, 109; 72, 9, 22; 76, 220, 238). Allerdings ist der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums nicht gänzlich frei. Vielmehr sind Regelungen, die zu Eingriffen in eigentumsrechtlich geschützte Positionen führen, nur zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind (BVerfGE 76, 220, 238). Dabei müssen die Eingriffe zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sein, insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (vgl BVerfGE 58, 137, 148; 72, 9, 23; 76, 220, 238). Diesen Anforderungen genügen die zur Prüfung gestellten Vorschriften. Sie sind als Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art 14 Abs 1 Satz 2 GG gerechtfertigt, weil sie zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele als geeignet und erforderlich angesehen werden können und noch zumutbar sind (BVerfGE 76, 220, 239).
Das insoweit maßgebende Ziel des HBegleitG 1984 ist die Harmonisierung der Rentenanpassung auf der Grundlage einer gleichgewichteten Entwicklung der Renten und der verfügbaren Arbeitsentgelte (BT-Drucks 10/335, S 58). Gemessen an der Bedeutung des gesetzlichen Zieles einer möglichst rasch greifenden Verbesserung der Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung auch durch eine gleichgewichtige Entwicklung der Renten mit den verfügbaren Arbeitsentgelten und der in diesem Rahmen erstrebten Harmonisierung der Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Renten- und aus der gesetzlichen Unfallversicherung sind die Eingriffe in die bisherige Gestaltung der Rentenanpassung in der gesetzlichen Unfallversicherung zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich. Für die Anpassung der Renten unter stärkerer Berücksichtigung der Entwicklung der verfügbaren Arbeitsentgelte können auch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung die gleichen Gründe des öffentlichen Interesses angeführt werden wie in der gesetzlichen Rentenversicherung, denn auch entsprechende zivilrechtliche - durch die gesetzliche Unfallversicherung abgelöste - Schadenserstattungsansprüche werden grundsätzlich nach der Erhöhung der verfügbaren Arbeitsentgelte neu festgestellt. Die geringere Anpassung ist auch nicht, wie der Kläger argumentiert, verfassungswidrig, weil maßgebend für den Zeitpunkt der Änderung der Rentenanpassungsvorschriften die angestrebte Verbesserung der Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen ist, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung aber bei Erlaß des HBegleitG 1984 und der hier angegriffenen Rentenanpassung 1986 keine mit den anderen Sozialversicherungsträgern vergleichbare Finanzierungsschwierigkeiten hatten und haben (BVerfG SozR 2200 § 568 Nr 9). Dabei ist zu berücksichtigen, daß nicht die von unterschiedlichen Grundlagen gekennzeichneten Verletztenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach Art und/oder Umfang an die gesetzlichen Renten wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung selbst angeglichen oder auch nur angenähert wurden. Die hier verfassungsrechtlich umstrittenen Regelungen sollen vielmehr die Renten aus diesen beiden Zweigen der Sozialversicherung unter Beibehaltung des Entschädigungscharakters der Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung nur einheitlich an die Entwicklung der verfügbaren Arbeitsentgelte anpassen. Diese Erhöhung wirkt sich - wie bereits dargelegt - auf die Renten aller Versicherungszweige gleich aus. Im Interesse der beabsichtigten möglichst einheitlichen Erhöhung der Sozialversicherungsleistungen durch die Rentenanpassungen ist es jedenfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber auf dieser Grundlage der gesetzlichen Zielsetzung zugleich einheitliche Regelungen für die Bereiche der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung getroffen hat. Aus diesen Gründen führen die aufgezeigten Zielsetzungen des § 579 RVO iVm § 6 RAG 1986 auch nicht deshalb zur Verfassungswidrigkeit der maßgebenden Normen, weil für die gesetzliche Unfallversicherung der Anpassungsprozentsatz niedriger als in der gesetzlichen Rentenversicherung war. Damit wurde der durch die Änderungen bei den Beiträgen zur Rentnerkrankenversicherung für die Rentner geringere Anpassungsbetrag in den gesetzlichen Rentenversicherungen zur Sicherung der Harmonisierung der Anpassung der Renten aus der Sozialversicherung auch für die Renten der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend festgelegt (vgl auch BVerfG SozR 3100 § 56 Nr 2). Ob diese vom Gesetzgeber angestrebte Harmonisierung wirklich notwendig oder auch nur rechts- und sozialpolitisch erstrebenswert war, ist im Rahmen des Art 14 GG ebensowenig zu prüfen wie die - im Rahmen des Art 3 Abs 1 GG noch zu beantwortende - Frage, ob die vom Kläger für zutreffend erachtete Differenzierung systematisch richtig gewesen wäre.
Der gesetzliche Eingriff ist auch nicht unverhältnismäßig, da die Anpassung der Renten entsprechend § 579 RVO und § 6 RAG 1986 die Funktion der Rente nicht so ernsthaft berührt hat, daß sich daraus verfassungsrechtliche Bedenken ergeben könnten. Der Kläger macht für das Jahr 1986 eine um 0,75 vH höhere Rentenanpassung geltend. Die um diesen Prozentsatz niedrigere Ausgestaltung der Anpassung durch die angegriffenen Normen steht nicht in einem unangemessenen Verhältnis zu den mit ihr verfolgten Zwecken und ist auch in ihrer Höhe für den Kläger zumutbar.
Soweit der Kläger sich darauf beruft, die von ihm angegriffenen Regelungen verletzten sein Vertrauen auf den Fortbestand der sie begünstigenden Rechtslage, ist ebenfalls allein Art 14 GG Prüfungsmaßstab (BVerfGE 76, 220, 244). Unterstellt man - wie im vorliegenden Revisionsverfahren -, daß die Aussicht auf die Anpassung von Bestandsrenten den Schutz der Eigentumsgarantie genießt, ist daher anhand dieser Verfassungsnorm zu prüfen, ob das Vertrauen der vom Kläger repräsentierten Personengruppe verletzt ist. Anderenfalls kämen für die Prüfung die verfassungsrechtlichen Maßstäbe in Betracht, welche die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur unechten Rückwirkung entwickelt hat, also für Fälle, in denen eine Norm auf gegenwärtig noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfGE 64, 87, 104). Nach beiden in Betracht kommenden Maßstäben führt die verfassungsrechtliche Beurteilung der angegriffenen Regelungen zu einer Abwägung zwischen dem Ausmaß des - oben aufgezeigten - Vertrauensschadens des einzelnen und der Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit. Sie ergibt, daß das öffentliche Interesse an der angegriffenen Regelung das Interesse des betroffenen Personenkreises an der Rentenanpassung in der vor dem geübten Weise überwiegt. Die vom Gesetz angestrebte möglichst gleichgewichtige Entwicklung der Renten mit den verfügbaren Arbeitsentgelten und die Harmonisierung im Bereich der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung sind von solchem Gewicht, daß sie dem Vertrauen des einzelnen auf unveränderte Fortgeltung einer gesetzlichen Regelung bei der gebotenen Abwägung mit dem oben aufgezeigten Umfang der geringeren Anpassung keine verfassungsrechtlich maßgebende Bedeutung zumessen (vgl BVerfGE 64, 87, 105; 76, 220, 245).
Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG ist gleichfalls nicht festzustellen. Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 55, 72, 88; 71, 146, 154; Beschluß vom 9. November 1988 - 1 BvL 22/84, 71/86 und 9/87). Hier wird der Kläger mit den in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten bei der Rentenanpassung gleich behandelt. Es ist deshalb zu prüfen, ob der Kläger als ein durch einen Arbeitsunfall Verletzter gegenüber den Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Anpassung der Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung anders zu behandeln ist als die Empfänger von Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung. Das könnte der Fall sein, wenn zwischen diesen beiden Gruppen von Normadressaten hinsichtlich der Rentenanpassung Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie verfassungsrechtlich unterschiedliche Behandlungen bei der Rentenanpassung erfordern. Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Angleichung der Rentenanpassung in der gesetzlichen Unfallversicherung an die der gesetzlichen Rentenversicherung in der Systematik nach § 579 RVO und im RAG 1986 darüber hinaus nach dem Ergebnis der Rentenerhöhung hat im Rahmen des Art 3 Abs 1 GG auch zu beachten, ob diese Regelung im Einklang mit dem Gesamtkonzept, insbesondere des Dritten Buches der RVO, steht und nicht in unvertretbarem Maß der vom Gesetz selbst statuierten Sachgerechtigkeit widerspricht (vgl ua BVerfGE 34, 103, 105; 55, 72, 88; 59, 36, 49). Solange sich für die Entscheidung des Gesetzgebers jedoch aus der Eigenart des Gegenstandes der Regelung heraus ein plausibler, vernünftiger Grund ersehen läßt, kann die Verfassungsmäßigkeit nicht deshalb verneint werden, weil eine andere Regelung für die gesetzliche Unfallversicherung zweckmäßiger und systemgerechter gewesen wäre (s BVerfGE 27, 364, 371; 68, 237, 253). Nach welchem System der Gesetzgeber eine Materie - hier das Verhältnis zwischen gesetzlicher Unfallversicherung und gesetzlicher Rentenversicherung im Rahmen der Rentenanpassung - ordnen will, obliegt ebenso wie die Zweckmäßigkeit einer Regelung seiner Entscheidung (BVerfGE 76, 130, 140).
Die Vorinstanzen haben auch unter diesen Gesichtspunkten zu Recht einen Verfassungsverstoß nicht angenommen.
Dabei wird einerseits nicht übersehen, daß die gesetzliche Unfallversicherung nicht nur ein selbständiger Zweig der Sozialversicherung ist, der sich in Ziel, Aufgaben und Leistungen auch von der gesetzlichen Rentenversicherung wesentlich unterscheidet, sondern daß durch die Unfallversicherung im Rahmen der §§ 636, 637 RVO die Haftung des Unternehmers und der in demselben Betrieb tätigen Betriebsangehörigen abgelöst worden ist. Der Verlust dieser Schadensersatzansprüche ist von solchem Gewicht, daß er bei der Normsetzung im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gegenüber der auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen ist.
Soweit durch die hier umstrittenen Regelungen die Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung stärker der Entwicklung der verfügbaren Arbeitsentgelte beachtet werden soll, stehen dem - wie bereits aufgezeigt - auch nach der Systematik dieses Zweiges der Sozialversicherung keine wesentlichen Bedenken entgegen. Soweit darüber hinaus nach § 6 RAG 1986 der Anpassungsprozentsatz in der gesetzlichen Unfallversicherung niedriger als in der gesetzlichen Rentenversicherung war, um den durch die Änderungen bei den Beiträgen zur Rentnerkrankenversicherung für die Rentner geringeren Anpassungsbetrag zur Sicherung der Harmonisierung der Anpassung der Renten aus der Sozialversicherung auch entsprechend für die Renten der gesetzlichen Unfallversicherung festzulegen, steht dies mit der Systematik der gesetzlichen Unfallversicherung selbst zwar nicht im Einklang. Das Bestreben der Harmonisierung der Rentenanpassung in der Sozialversicherung ist aber für die in der gesetzlichen Unfallversicherung selbst an sich nicht systemkonforme Regelung jedoch ein plausibler, vernünftiger und insoweit einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG ausschließender Grund iS der aufgezeigten Rechtsprechung des BVerfG (s auch BVerfG SozR 3100 § 56 Nr 2). Dabei ist wesentlich, daß die gesetzliche Unfallversicherung nicht nur Leistungen entsprechend den abgelösten zivilrechtlichen Haftungsansprüchen gegenüber dem Unternehmer und den in demselben Betrieb tätigen Betriebsangehörigen erbringt, sondern darüber hinaus eine soziale Schutzfunktion übernommen hat (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 469, 469 c). Dies verbindet sie mit den anderen Bereichen der Sozialversicherung (s. auch § 1278 RVO, § 55 AVG), was ebenfalls für die gesamtsystematische Beurteilung innerhalb der Sozialversicherung von Bedeutung ist. Die soziale Schutzfunktion zeigt sich vor allem in der Unfallverhütung, der Art und dem Umfang der Rehabilitation sowie in der Gestaltung der Verletztenrente. So wird in der gesetzlichen Unfallversicherung ua nicht lediglich der tatsächlich eingetretene Einkommensverlust entschädigt, sondern die Verletztenrente wird als Ausgleich für die geminderte Erwerbsfähigkeit und bei gleichem oder nahezu gleichem Arbeitsentgelt dafür gewährt, daß durch die Unfallfolgen der Versicherte das bisherige Arbeitsentgelt nur durch entsprechend seiner geminderten Erwerbsfähigkeit höhere Kraftanstrengungen erreichen kann. Allerdings ist nicht zu übersehen, daß gerade diese Schutzfunktion der Rente sich bei dem erblindeten Kläger nicht entsprechend auswirkt. An der Entschädigung seiner Unfallfolgen zeigt sich jedoch eine weitere Ausbildung der sozialen Schutzfunktion der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Kläger hatte vor seinem Arbeitsunfall bereits die Sehkraft an einem Auge verloren. Trotzdem erhält er wegen des unfallbedingten Verlustes des anderen Auges die Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 100 vH, da grundsätzlich davon ausgegangen wird, daß die Erwerbsfähigkeit eines durch einen Arbeitsunfall Verletzten für die Zeit vor Eintritt des Arbeitsunfalles mit 100 % angesetzt wird (BSG SozR 2200 § 622 Nr 21; Brackmann aaO S 568 b). Somit gewährt die gesetzliche Unfallversicherung nicht nur in Rahmen der Unfallverhütung und der Rehabilitation, sondern auch bei den Rentenleistungen einen sozialen Schutz, der die Verletzten in vielen Regelungen günstiger als bei zivilrechtlichen Haftungsansprüchen stellt (s Brackmann aaO S 558 m, 566 y ff). Deshalb können im Hinblick auf ihre Verfassungsmäßigkeit einzelne Regelungen der gesetzlichen Unfallversicherung - wie zB die Anpassung der von der abstrakten Schadensberechnung bestimmten Renten - nicht losgelöst von dem gesamten Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung mit entsprechenden einzelnen zivilrechtlichen Ansprüchen - zB auf Erhöhung wegen wesentlicher Änderung des tatsächlich entgangenen Arbeitsentgelts - verglichen werden. Dies gilt jedenfalls insoweit, als bei Beibehaltung der eigenständigen Entschädigungsleistungen nach Art und Umfang nur bei der Anpassung der Renten im Interesse einer Harmonisierung Leistungsverluste im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung auch bei der Anpassung in der gesetzlichen Unfallversicherung zumutbar berücksichtigt werden.
Da der Senat somit in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Vorinstanzen nicht von der Verfassungswidrigkeit der vom Kläger angegriffenen Gesetzesregelungen ausgeht, war nicht nur die Revision als unbegründet zurückzuweisen, sondern auch dem Hilfsantrag nicht zu entsprechen, die Sache dem BVerfG zur Entscheidung vorzulegen, weil eine Vorlage nach Art 100 GG nur dann in Betracht kommt, wenn das Gericht die Verfassungswidrigkeit einer Regelung annimmt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen