Leitsatz (amtlich)

1. Für einen Leistungsausschluß nach § 12 Abs 4 Nr 2 ZVALG genügt die eigene anderweitige Versorgung der dort genannten Art; der Zusicherung einer Witwenversorgung bedarf es daneben nicht.

2. Ein Einzelvertrag über eine Altersversorgung des Arbeitnehmers ist keine einer Ruhelohnordnung entsprechende Bestimmung iS des § 12 Abs 4 Nr 3 ZVALG.

 

Normenkette

ZVALG § 12 Abs. 4 Nrn. 2-4

 

Verfahrensgang

SG Dortmund (Entscheidung vom 18.01.1977; Aktenzeichen S 8(6) Z 29/76)

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 26.09.1980; Aktenzeichen L 14 Z 13/80)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine dem Kläger gezahlte betriebliche Versorgung den Anspruch auf Ausgleichsleistungen nach dem Gesetz über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft (ZVALG) ausschließt.

Der 1908 geborene Kläger war von 1938 bis 1967 Förster in einem privaten Forstbetrieb. Im Dienstvertrag vom 30. Juni 1940 war vereinbart, daß er bei "verwaltungsseitig angeordneter Zurruhesetzung 3/4 der derzeitigen Barbezüge" erhalten sollte; hierauf sollten "Bezüge aus sozialen Kassen" voll angerechnet werden. Ab Dezember 1949 erhielt der Kläger das Gehalt nach den Bestimmungen der Tarifordnung für die in den Privatforsten beschäftigten Forstangestellten; 1963 gestanden ihm die Arbeitgeber zu, daß sich sein Gehalt in Anlehnung an die staatliche Besoldungsgruppe A 9 (Grundgehalt ohne Ortszuschlag) berechne. Aufgrund eines 1969 geschlossenen arbeitsgerichtlichen Vergleichs wird ihm eine Altersversorgung gezahlt, die "s ich nach der Besoldungsgruppe A 10 LBesG-NW richtet und 68 % vom Grundgehalt, 68 % des Ortszuschlags sowie Kindergeld nach den gesetzlichen Bestimmungen umfaßt". Im Vergleich ist ferner bestimmt, daß die Witwe des Klägers 60 % der Versorgungsbezüge erhält und auf beider Versorgung die Renten aus der Angestelltenversicherung angerechnet werden.

1974 beantragte der Kläger, der seit 1970 Altersruhegeld aus der Angestelltenversicherung bezieht, Ausgleichszahlungen nach dem ZVALG; dabei verneinte er die Frage nach einem Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen. Die Beklagte gab dem Antrag statt und zahlte zugleich einen Jahresbetrag an Ausgleichsleistungen von 600,-- DM aus. Mit Bescheid vom 1. Juni 1976 nahm sie den bindend gewordenen Bescheid zurück mit der Begründung, nach § 12 Abs 4 Nr 2 ZVALG habe der Kläger keinen Anspruch, weil er Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen erhalte; dies habe sie erst 1975 erfahren.

Die Klage blieb vor dem Sozialgericht (SG) und dem Landessozialgericht (LSG) zunächst erfolglos. Das Bundessozialgericht (BSG) hob am 15. November 1979 (11 RZLw 1/79) jedoch das Urteil des LSG vom 6. April 1979 auf und verwies den Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurück, da der festgestellte Sachverhalt eine abschließende Entscheidung über den Anspruch nicht zuließ.

Das LSG hat von den ehemaligen Arbeitgebern des Klägers die schriftliche Auskunft vom 3. März 1980 über die Altersversorgung eingeholt, in der ua vermerkt ist, daß der Kläger als Oberförster zuletzt das Grundgehalt ohne Ortszuschlag der Besoldungsgruppe A 10 Stufe 10 erhalten habe; als Beamten hätte ihm das Grundgehalt A 10 Stufe 12 mit Ortszuschlag zugestanden. Weiter hat das LSG den Rentmeister H F als Zeugen vernommen. Er hat bekundet, dem Kläger sei in dem arbeitsgerichtlichen Vergleich erstmalig eine Zusage über die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung gemacht worden; für alle Bediensteten des Betriebes gäbe es keine Ruhelohnordnung.

Mit der erneuten Entscheidung vom 26. September 1980 hat das LSG das vorinstanzliche Urteil abgeändert und den Bescheid vom 1. Juni 1976 aufgehoben. § 12 Abs 4 Nr 2 ZVALG sei nicht anwendbar. Eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen liege nicht vor; sie müsse außer ihrem Umfang auch ihrer Voraussetzung und Art nach dem Beamtenrecht entsprechen, dh im Falle des Todes des Begünstigten auf Versorgung seiner Witwe gerichtet sein. Eine Witwenversorgung sei dem Kläger aber nicht während des Arbeitsverhältnisses, sondern erst nach dem Ausscheiden aus dem Dienst zugestanden worden. Auch § 12 Abs 4 Nr 3 ZVALG schließe den Anspruch auf die Ausgleichsleistungen nicht aus. Weder stehe die Altersversorgung dem Kläger aufgrund einer "Ruhelohnordnung" zu noch erhalte er sie aufgrund einer "entsprechenden Bestimmung". Hinsichtlich der letzteren deute die gesetzliche Formulierung gleichermaßen auf Ruhegeldzusagen hin, die eine Vielzahl von Arbeitnehmern des betreffenden Betriebes begünstigten.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision beantragt die Beklagte,

das angefochtene Urteil aufzuheben und

die Berufung des Klägers zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit

an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Sie hält § 12 Abs 4 ZVALG für verletzt. Entgegen dem LSG setze eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nicht voraus; dies zeige der Vergleich mit der in § 4 Abs 2 Nr 1 des Tarifvertrages über eine Zusatzversorgung der Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft vom 20. November 1973 (TV) enthaltenen parallelen Regelung. Überdies sei dem Kläger 1953 die Berechnung des Gehalts nach staatlichen Grundsätzen zugesichert worden; das habe die Hinterbliebenenversorgung eingeschlossen; insoweit fehle es im Urteil an einer tatsächlichen Feststellung. Bedenken begegneten die Ausführungen des LSG zu der Nr 3 des § 12 Abs 4 ZVALG. Es habe insbesondere nicht überzeugend begründet, inwiefern eine einzelvertragliche Abmachung nicht unter das Gesetz falle.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

Wie der Senat in dieser Sache in seinem ersten Urteil vom 15. November 1979 (SozR 5866 § 12 Nr 5) bereits dargelegt hat, war die Beklagte auf der Grundlage des § 1744 Abs 1 Nr 6 Reichsversicherungsordnung (RVO) zur Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 19. Dezember 1974 befugt, wenn die dem Kläger von seinen ehemaligen Arbeitgebern gewährte Versorgung Ausgleichsleistungen nach § 12 Abs 4 ZVALG ausschließt. Hieran hat sich nichts dadurch geändert, daß am 1. Januar 1981 das Zehnte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB X) in Kraft getreten ist. Zwar regelt seitdem § 45 SGB X die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes. Gem Art II § 40 Abs 2 SGB X ist diese Vorschrift aber erstmals auf Rücknahmebescheide (Aufhebungsbescheide) anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1980 ergehen. Der hier angefochtene Aufhebungsbescheid stammt indessen vom 1. Juni 1976; es ist deshalb weiterhin § 1744 RVO als Rechtsgrundlage für ihn maßgebend (vgl Urteile vom 5. März 1981 - 9 RV 39/80 - und vom 19. März 1981 - 4 RJ 1/80 -).

Von den in § 12 Abs 4 ZVALG angeführten Ausschlußgründen kommen nach dem Sachverhalt allein die in den Nrn 2 und 3 in Betracht. Das LSG hat das Vorliegen dieser Ausschlußgründe im Ergebnis zu Recht verneint.

Nach der Nr 2 haben keinen Anspruch auf Ausgleichsleistung Personen, denen Versorgung nach beamten- oder kirchenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen zusteht. Um eine Versorgung in diesem Sinne, dh hier: um eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen handelt es sich bei den dem Kläger gezahlten Bezügen nicht. Hierzu hatte der Senat im ersten Urteil bereits gefordert, daß die Versorgung aufgrund einer früheren Zusicherung nach Voraussetzung, Art und Umfang (ungeachtet gewisser Abweichungen) dem Beamtenrecht entsprechen muß. Das LSG hat daraus abgeleitet, dementsprechend müsse schon während des Dienstverhältnisses (Arbeitsverhältnisses) ebenfalls eine Witwenversorgung zugesichert gewesen sein. Das entspricht zwar dem üblichen Verständnis einer nach beamtenrechtlichen Grundsätzen ausgerichteten Versorgung. Vergleiche mit weiteren Bestimmungen im ZVALG sowie dem von der Beklagten angeführten Tarifvertrag ergeben jedoch, daß § 12 Abs 4 Nr 2 ZVALG die vorherige Zusicherung einer Witwenversorgung nicht mit voraussetzt.

Die Ausgleichsleistungen nach dem ZVALG sind über § 11 ZVALG mit den tarifvertraglichen Regelungen über die Gewährung von Beihilfen an land- und forstwirtschaftliche Arbeitnehmer verknüpft (vgl SozR 5866 § 2 Nr 1). Solche Beihilfen dürfen nach § 11 Abs 2 Buchst b ZVALG tariflich nicht gewährleistet werden, wenn die Arbeitnehmer "Anwartschaft oder Anspruch auf lebenslängliche Versorgung nach beamten- oder kirchenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen haben und ihnen eine Versorgung ihrer Witwen oder Witwer gewährleistet ist". Für diesen Fall schreibt § 4 Abs 2 Nr 1 TV deshalb die Beitragsfreiheit zum Zusatzversorgungswerk vor, so daß spätere Beihilfen an die Arbeitnehmer sowie ihre Witwen (Witwer) mangels geleisteter Beiträge entfallen (§ 9 TV).

Von diesen Regelungen hebt sich § 12 Abs 4 Nr 2 ZVALG dadurch ab, daß hier der Zusatz für die Hinterbliebenenversorgung fehlt (vgl auch Nr 3 im Verhältnis zu § 11 Abs 2 Buchst c ZVALG). Der Senat muß daraus schließen, daß es in § 12 Abs 4 Nr 2 ZVALG nur auf die eigene Versorgung - und nur deren vorherige Zusicherung - ankommt. Diese Auslegung erscheint auch sinnvoll, weil § 12 ZVALG im Gegensatz zu § 11 nicht zukünftige, sondern gegenwärtige Ansprüche betrifft. Für zukünftige Ansprüche muß im voraus mit auf die Sicherung der Witwe geachtet werden; bei gegenwärtigen Ansprüchen genügt es dagegen, sie schon, aber auch nur bei einer eigenen anderweitigen Versorgung der in § 12 Abs 4 ZVALG genannten Art auszuschließen. Das muß allerdings dann folgerichtig ebenso für die spätere Witwe gelten, der § 12 Abs 4 Nr 2 ZVALG nur mit der Begründung entgegengehalten werden kann, es stehe ihr (Hinterbliebenen-)Versorgung iS der Vorschrift zu.

Gleichwohl kann der Ausschlußgrund des § 12 Abs 4 Nr 2 ZVALG nicht aufgrund der eigenen Versorgung des Klägers für durchgreifend erachtet werden. Dabei ist zwar davon auszugehen, daß dem Kläger nach den Feststellungen des LSG die eigene Versorgung schon während des Arbeitsverhältnisses zugesichert war. Diese Zusicherung war jedoch im Umfang ungenügend. Sie bezog sich beim Ausscheiden des Klägers aus dem Dienst auf eine Versorgung in Anlehnung an ein Grundgehalt nach A 9 ohne Ortszuschlag. War das letztere schon ein Mangel, so ist der Kläger jedoch außerdem mit einem Grundgehalt nach der Besoldungsgruppe A 10 ausgeschieden. Dieses wurde ihm überdies nur nach der Stufe 10 gezahlt, obwohl ihm als Beamten nach der Dauer der Beschäftigung die Stufe 12 gebührt hätte. Aus diesen nicht angefochtenen Feststellungen ergibt sich, daß dem Kläger beim Ausscheiden eine Versorgung nach dem letzten Arbeitsentgelt und nach der Dauer der Beschäftigung weder zugesichert war noch gewährt worden ist. Beides wäre aber, wie der Senat in seinem ersten Urteil klargestellt hat, zur Annahme einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen erforderlich gewesen. Daß der spätere arbeitsgerichtliche Vergleich dem Kläger insoweit gewisse Verbesserungen gebracht hat, konnte den schon der Zusicherung anhaftenden Mangel nicht mehr beheben.

Zutreffend hat das LSG im weiteren entschieden, daß auch § 12 Abs 4 Nr 3 ZVALG den Anspruch auf Ausgleichsleistungen nicht ausschließt. Nach dieser Bestimmung haben keinen Anspruch auf Ausgleichsleistung Personen, denen nach einer Ruhelohnordnung oder einer entsprechenden Bestimmung Ruhegeld oder Ruhelohn zusteht. Das ist beim Kläger nicht der Fall. Das LSG hat festgestellt, daß die ehemaligen Arbeitgeber eine Altersversorgung nur einzelnen Arbeitnehmern, so dem Kläger, vertraglich zugebilligt haben. Damit beruht die Versorgung nicht auf einer Ruhelohnordnung, denn darunter ist in aller Regel eine Gesamtzusage an die Betriebsangehörigen zu verstehen. Die Versorgung des Klägers gründet sich aber ebenfalls nicht auf eine "entsprechende Bestimmung". Als solche können tarifliche oder betriebliche Vereinbarungen bzw Übungen, nicht jedoch individuelle Vertragsregelungen verstanden werden, weil diese nicht mehr einer Ruhelohnordnung "entsprechen". Ihr würden sie nur dann entsprechen, wenn sie ebenfalls wie diese einen allgemeinen Charakter tragen. Insoweit fügt sich § 12 Abs 4 Nr 3 ZVALG sinnvoll in die übrigen Ausschlußgründe ein (Nr 1: andere Zusatzversorgungseinrichtungen, Nr 2: Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen, Nr 4: Anspruch auf Altersgeld oder Landabgaberente). Denn auch diese basieren auf allgemeinen Regelungen, welche von vornherein für den Regelfall einen bestimmten Umfang der anderweitigen Versorgung garantieren. Bei individuellen Versorgungen wäre dagegen der Umfang der Zuwendung ganz dem Einzelfall überlassen, so daß hier jede geringfügige Zuwendung zum Ausschluß der Ausgleichsleistung führen müßte.

Hiernach war, wie geschehen, zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI925837

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