Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des Art 69 Abs 2 EWGV 1408/71. Ausnahmefall iS von Art 69 Abs 2 S 2 EWGV 1408/71 und Fristverlängerung. revisionsgerichtliche Prüfung der Prozeßvoraussetzungen durch Freibeweis

 

Leitsatz (amtlich)

Ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach EWGV 1408/71 Art 69 Abs 2 S 1 verloren, kann ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe weder auf Beschäftigungen, die den Umfang des Arbeitslosengeld-Anspruchs bestimmt haben, noch auf den Arbeitslosengeldbezug selbst gestützt werden.

 

Orientierungssatz

1. Art 69 Abs 2 EWGV 1408/71 verstößt nicht gegen das GG, insbesondere nicht gegen Art 14 GG.

2. Zu den Ausnahmefällen iS des Art 69 Abs 2 S 2 EWGV 1408/71, die eine Fristverlängerung rechtfertigen können, können auch solche gehören, in denen der Arbeitslose nicht nur an der fristgerechten Rückkehr, sondern auch an der Stellung eines Verlängerungsantrags vor Ablauf der vorgeschriebenen Frist gehindert worden ist (vgl EuGH vom 1979-03-20 139/78 = SozR 6050 Art 69 Nr 3). Daher kommt auch nach Ablauf der Frist noch ihre Verlängerung in Betracht.

3. Ein Ausnahmefall iS des Art 69 Abs 2 S 2 EWGV 1408/71 liegt vor, wenn die rechtzeitige Rückkehr durch einen unvorhersehbaren Umstand wie Krankheit, Unfall, Streik oder ähnlich verhindert worden ist, den der Arbeitnehmer nicht zu vertreten hat, oder aus wichtigem Grunde unterblieb (vgl BSG 1980-11-13 7 RAr 44/78).

4. Prozeßvoraussetzungen, die von Amts wegen zu prüfen sind, kann das Revisionsgericht selbst feststellen, und zwar auch durch Freibeweis.

 

Normenkette

EWGV 1408/71 Art 69 Abs 2; EWGVtr Art 51; GG Art 14 Fassung: 1949-05-23; EWGV 1408/71 Art 69 Abs 2 S 2; SGG § 143

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 16.03.1978; Aktenzeichen L 9 Al 58/77)

SG München (Entscheidung vom 20.01.1977; Aktenzeichen S 33 Al 811/75)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld (Alg) und hilfsweise Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Er ist italienischer Staatsangehöriger und bezog vom 11. bis 18. Oktober 1974 von der Beklagten Alg. Auf seinen Antrag bescheinigte die Beklagte dem Kläger zur Arbeitsuche in Italien, daß er unter den Voraussetzungen des Art 69 Abs 1 Buchst b der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (vom 14. Juni 1971, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr L 149 vom 5. Juli 1971) - EWGV 1408/71 - Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit habe, die restliche Anspruchsdauer ab 19. Oktober 1974 301 Tage betrage, und er bis zum 18. Januar 1975 unter bestimmten Voraussetzungen Leistungen beziehen könne. Der Kläger erhielt bis zum 18. Januar 1975 Alg und kehrte Ende Januar 1975 in die Bundesrepublik Deutschland zurück, wo er vom 3. Februar bis 21. März 1975 einer Beschäftigung nachging. Am 2. April 1975 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Leistungen.

Die Gewährung von Alg lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 26. Mai 1975). Jedoch bewilligte sie dem Kläger ab 2. April 1975 Alhi (Bescheid vom 2. Juni 1975); diese Bewilligung hob die Beklagte später auf und lehnte auch die Gewährung von Alhi ab (Bescheid vom 26. Juni 1975). Widersprüche, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 11. November 1975, Urteil des Sozialgerichts München -SG- vom 20. Januar 1977, Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts -LSG- vom 16. März 1978).

Das LSG hat zur Begründung seines Urteils ausgeführt, der Kläger habe nach Art 69 Abs 2 EWGV 1408/71 alle Ansprüche auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit, die er aufgrund seiner Tätigkeit bis 1974 erworben habe, verloren, weil er nicht bis zum 18. Januar 1975 nach Deutschland zurückgekehrt sei, nachdem er ab 19. Oktober 1974 der Beklagten nicht mehr zur Verfügung gestanden habe. Aufgrund seiner Beschäftigung vom 3. Februar bis 21. März 1975 habe er keinen neuen Anspruch erworben. Art 69 EWGV 1408/71 habe die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft sicherstellen wollen, in dem die Vorschrift dem Arbeitslosen das Recht eingeräumt habe, seinen gegen einen Mitgliedstaat erworbenen Anspruch auf Alg für drei Monate in einen anderen Mitgliedstaat mitzunehmen. Die Regelung sei beschränkt worden, um einen Mißbrauch und eine übergebührliche Belastung der Versichertengemeinschaft des zur Leistung verpflichteten Staates zu unterbinden. Der besondere, für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft gültige Erlöschenstatbestand betreffe ebenso die Alhi. Das folge aus dem Wortlaut des Art 69 Abs 2, der Präambel und Art 4 Abs 1 Buchst g und Art 67 EWGV 1408/71. Auch die Alhi, die ohne Erfüllung einer neuen Anwartschaft an den Alg-Bezug anschließe oder sich auf den Bezug von Alg gründe, sei damit erfaßt. Die in Art 69 Abs 2 EWGV 1408/71 vorgesehene Möglichkeit, in Ausnahmefällen die Dreimonatsfrist, innerhalb der der Arbeitslose in das zuständige Land zurückgekehrt sein müsse, zu verlängern, verhelfe dem Kläger zu keiner günstigeren Entscheidung. Die Fristverlängerung müsse bei der Abreise, spätestens aber vor Ablauf der Dreimonatsfrist erfolgen. Auch habe der Kläger nichts vorgetragen, was der Beklagten Anlaß zur Verlängerung der Frist hätte geben können.

Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung des Art 69 EWGV 1408/71, der Art 48 bis 51, 177 des EWG-Vertrages und des Art 1 § 34 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - (SGB 1) und bringt hierzu vor: Art 69 EWGV 1408/71 widerspreche dem EWG-Vertrag. In ständiger Rechtsprechung habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) ausgesprochen, daß innerstaatlich erworbene Rechte durch Verordnungen des Rates nicht beeinträchtigt werden könnten. Indem Art 69 EWGV 1408/71 Wanderarbeitnehmern Rechte nehme, die deutschen Arbeitnehmern verblieben, sei zudem der Gleichheitsgrundsatz verletzt. Das LSG habe eine Vorabentscheidung des EuGH einholen müssen. Die Ausführungen des inzwischen wegen Art 69 EWGV 1408/71 angerufenen EuGH in dem Urteil vom 19. Juni 1980 (41/79, 121/79, 796/79) zu Art 14 des Grundgesetzes (GG) überzeugten nicht. Das Bundessozialgericht (BSG) habe daher, entsprechend seinem Beschluß vom 19. Juni 1979 - 7 RAr 44/78 -, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen. Zu beanstanden sei auch, daß die Beklagte nicht geprüft habe, ob die Dreimonatsfrist zu verlängern sei. Es sei Sache der Beklagten, diesbezüglich Nachforschungen anzustellen, zumal da nicht bekannt sei, welche Maßstäbe die Beklagte ansetze. Vor der Entziehung der Alhi sei der Kläger nicht gehört worden.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des SG und des LSG aufzuheben

und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide

vom 26. Mai und 26. Juni 1975 idF des

Widerspruchsbescheides vom 11. November 1975

zu verurteilen, ihm ab 2. April 1975 bzw

25. Juni 1975 Alg bzw Alhi zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie führt aus, eine Verletzung des Gleichheitssatzes liege nicht vor. Art 69 EWGV 1408/71 gelte auch für deutsche Arbeitnehmer, die zu spät von der Arbeitsuche in Italien zurückkehrten. Art 69 Abs 2 EWGV 1408/71 solle verhindern, daß sich Arbeitslose unter dem Vorwand der Arbeitsuche nach Italien begäben, in Wirklichkeit jedoch dort lediglich einen Urlaub verbringen wollten. Es müsse beachtet werden, daß besonders jeweils vor den Sommerferien und zu Weihnachten, mithin in Zeiten, die erfahrungsgemäß für eine Arbeitsuche nicht günstig seien, die Mitnahme von Leistungsansprüchen nach Italien erfolge. Die an sich mögliche Überprüfung der Erfolgsaussicht der Arbeitsuche vor der Mitnahme tangiere die Freizügigkeit, eine nachträgliche Überprüfung aber sei sanktionslos, weil eine Rückforderung der Leistungen in der Regel nicht möglich sei. Der Kläger habe bislang keine Gründe vorgetragen, weshalb eine Verlängerung der Dreimonatsfrist in Betracht komme. Die Frage einer Ermessensentscheidung habe sich daher nicht gestellt. Eine Verlängerung komme grundsätzlich nur in Betracht, wenn die rechtzeitige Rückkehr durch höhere Gewalt verhindert worden sei, und das Verbleiben im Land der Arbeitsuche bis zum Eintritt des Hinderungsgrundes durch eine erfolgversprechende Arbeitsuche gerechtfertigt sei. Die Dreimonatsfrist dürfe nur zur aussichtsreichen, erfolgversprechenden Arbeitsuche voll ausgeschöpft werden. Sobald der Arbeitslose erkenne, daß seine Arbeitsuche voraussichtlich erfolglos bleiben werde, müsse er zurückkehren. In der Regel sei dies der Fall, wenn der Arbeitslose in den ersten zwei Monaten keine Arbeit gefunden habe. Schöpfe der Arbeitslose trotz mangelnder Erfolgsaussicht seiner Arbeitsuche die Dreimonatsfrist voll aus, handele er dem Zweck der Regelung bewußt zuwider. Dieses pflichtwidrige Verhalten sei die wesentliche Ursache für eine verspätete Rückkehr, wenn später ein unverschuldetes Rückkehrhindernis hinzukomme. Dieses Risiko falle daher dem Arbeitslosen zur Last. Diese Verfahrensweise entspreche dem Urteil des EuGH vom 20. März 1979 - 139/78 (SozR 6050 Art 69 Nr 3); der EuGH habe ausdrücklich den Gesichtspunkt einer wirksamen Kontrolle bei der Verlängerung der Rückkehrfrist als erheblich angesehen. Das Risiko, durch verspätete Rückkehr den Leistungsanspruch zu verlieren, sei bei mißbräuchlicher Inanspruchnahme der Mitnahme des Anspruchs stets dem Schaden angemessen, der der Versichertengemeinschaft durch das Verhalten des Arbeitnehmers entstehe. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, auf den der EuGH in seinem Urteil vom 19. Juni 1980 (41/79, 121/79, 796/79) hingewiesen habe, sei daher gewahrt. Ob der Kläger Aussicht gehabt habe, in Italien innerhalb von drei Monaten vermittelt zu werden, sei bislang nicht festgestellt worden; allerdings bestehe aufgrund der jahreszeitlich ungünstigen Arbeitsmarktlage Grund zu der Annahme, daß ein weiteres Verbleiben des Klägers in Süditalien bis zur Überschreitung der zulässigen Dreimonatsfrist weder zweckdienlich noch notwendig gewesen sei. Art 1 § 34 SGB 1 sei nicht verletzt worden; die Vorschrift habe 1975 noch nicht gegolten. Im übrigen habe die Beklagte bei Aufhebung der Bewilligung lediglich die tatsächlichen Angaben des Klägers zugrunde gelegt und nur die fehlerhafte rechtliche Beurteilung geändert.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist mit der Maßgabe begründet, daß das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen wird.

Zu Recht hat das LSG die Berufung als zulässig angesehen. Der Zulässigkeit, die das Revisionsgericht bei einer zugelassenen Revision als eine von Amts wegen zu beachtende Verfahrensvoraussetzung zu prüfen hat (vgl für viele BSG SozR 1500 § 150 Nr 11 und 18 mwN), steht § 144 Abs 1 Nr 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht entgegen. Die Berufung des Klägers betrifft Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als 13 Wochen (drei Monaten). Aus der Akte der Beklagten ergibt sich, daß der durch den Alg-Bezug in Italien nicht verbrauchte Restanspruch etwa 200 Tage umfaßte und der Kläger zumindest mehr als drei Monate von dem Tage ab, an dem er sich wieder arbeitslos meldete (2. April 1975), arbeitslos war. Diese Feststellung kann der Senat anstelle des LSG treffen; denn die Prozeßvoraussetzungen, die von Amts wegen zu prüfen sind, kann das Revisionsgericht selbst feststellen, und zwar auch durch Freibeweis (vgl Meyer-Ladewig, SGG, § 163 RdNr 6).

Ob die Beklagte zu Recht die Gewährung von Alg ab 2. April 1975 abgelehnt hat, weil der Kläger den Anspruch auf Alg, der ihm nach den Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) noch zugestanden hätte, nach Art 69 Abs 2 Satz 1 EWGV 1408/71 verloren hat, läßt sich nach den Feststellungen des LSG nicht entscheiden.

Nach Art 69 Abs 2 Satz 1 EWGV 1408/71 verliert der Arbeitslose, der unter Mitnahme seines Leistungsanspruchs sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben hat, um dort eine Beschäftigung zu suchen, jeden Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates, wenn er nicht vor Ablauf des Zeitraums, in dem ihm der mitgenommene Leistungsanspruch in dem anderen Mitgliedstaat auszuzahlen ist, in den zuständigen Staat zurückkehrt. Der Senat hat zu prüfen, ob diese Vorschrift zutreffend angewendet worden ist. Die vom Rat der Europäischen Gemeinschaften erlassene Verordnung ist zwar kein von einem Organ des Bundes erlassenes Recht, ihr Geltungsbereich, die gesamte Gemeinschaft, erstreckt sich aber über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus. Schon aus diesem Grunde hat das BSG nach § 162 SGG zu prüfen, ob die Verordnung nach ihrem eindeutigen Inhalt bzw nach der Auslegung des EuGH, wie angenommen, Platz greift (vgl dazu Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 20. Aufl 1977, § 549 RdNr 57).

Art 69 Abs 2 EWGV 1408/71 ist, wie im Hinblick auf die im Vorlagebeschluß des Senats vom 19. Juni 1979 - 7 RAr 44/78 - geäußerten Bedenken zu prüfen ist, geltendes Recht. Das ergibt sich aus Art 51 und Art 189 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957 (EWG-Vertrag). Nach Art 51 Satz 1 EWG-Vertrag beschließt der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission die auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit für die Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen. Nach Art 189 Abs 1 und 2 EWG-Vertrag haben die von Rat und Kommission der EWG zur Erfüllung ihrer Aufgaben und nach Maßgabe des Vertrages erlassenen Verordnungen allgemeine Geltung; sie sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Das Erfordernis, Art 51 und Art 189 Abs 1 und 2 EWG-Vertrag anzuwenden, folgt aus Art 1 des Gesetzes zu den Verträgen vom 25. März 1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft vom 27. Juli 1957 (BGBl II 753); denn es ist dieses Zustimmungsgesetz zum Vertrag, das den Rechtsanwendungsbefehl für die Geltung des sogenannten primären Gemeinschaftsrechts für den Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland erteilt hat (BVerfGE 52, 187, 199). In seinem Vorlagebeschluß hat der Senat die Frage aufgeworfen, ob dem in Art 20 GG niedergelegten und nach Art 79 Abs 3 GG unverzichtbaren Grundsatz der Volkssouveränität Rechnung getragen sei, wenn der Rat der Europäischen Gemeinschaft als Exekutivorgan Gemeinschaftsrecht setzen könne, das das nationale, vom Parlament gesetzte Recht abändere. Die verfassungsrechtliche Prüfung dieser Frage muß, wie klarstellend zu bemerken ist, schon beim Zustimmungsgesetz ansetzen; denn die Maßgeblichkeit der vom Rat erlassenen Verordnungen sowie der im EWG-Vertrag intendierte Vorrang des Rechts der Gemeinschaft gegenüber nationalen Rechten gründet sich allein auf dieses Gesetz. Die Prüfung ergibt jedoch, daß sich die angedeuteten Bedenken angesichts der Rechtsprechung nicht aufrecht erhalten lassen.

Das GG hat dem Bundesgesetzgeber die Befugnis erteilt, durch Gesetz zwischenstaatliche Einrichtungen zur Rechtsetzung mit unmittelbarer Wirkung im Inland zu ermächtigen (Art 24 Abs 1 GG). Ein solches Gesetz öffnet die nationale Rechtsordnung derart, daß der ausschließliche Herrschaftsanspruch der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich des GG zurückgenommen und der unmittelbaren Geltung und Anwendbarkeit des Rechts aus anderer Quelle innerhalb des staatlichen Herrschaftsbereichs Raum gelassen wird (BVerfGE 37, 271, 280). Ein solches Gesetz, für das die besonderen Voraussetzungen eines verfassungsändernden Gesetzes nicht verlangt werden, erlaubt es allerdings nicht, die Grundstruktur der Verfassung der Bundesrepublik, auf der ihre Identität beruht, zu ändern (BVerfGE 37, 271, 279). Diese Grundstruktur wird ua durch die Prinzipien der Demokratie und der Gewaltenteilung begründet. Weil diese Prinzipien bei der Rechtsetzung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nicht gewahrt seien, ist vereinzelt in der Rechtsprechung Art 1 des Zustimmungsgesetzes iVm Art 189 EWG-Vertrag für verfassungswidrig gehalten worden (FG Rheinland-Pfalz EFG 1964, 23; vgl dazu BVerfGE 22, 134; FG Rheinland-Pfalz EFG 1965, 342). Die Rechtspraxis, insbesondere die der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ist dieser Ansicht nicht gefolgt. Der Bundesfinanzhof hat ihr ausdrücklich widersprochen (BFHE 88, 266; NJW 1969, 388). Die anderen obersten Bundesgerichte legen, ohne Bedenken zu äußern, sekundäres Gemeinschaftsrecht ihren Entscheidungen zugrunde (vgl BVerwGE 35, 268, 271; BGHZ 54, 145, 150; BAG 21, 356, 358; BSGE 47, 183, 184 f); dem entspricht die Praxis des Senats (vgl BSGE 43, 26, 28 = SozR 4100 § 118 Nr 3). Auch nach der Rechtsprechung des BVerfG lassen sich die in dem Vorlagebeschluß vom 19. Juni 1979 - 7 RAr 44/78 - angedeuteten Bedenken nicht aufrechterhalten. Das BVerfG hat nämlich in seinem Beschluß vom 29. Mai 1974 ausgeführt, dafür, daß Vorschriften des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, also primäres Gemeinschaftsrecht, mit Bestimmungen des GG kollidieren könnten, gebe es im Augenblick keinen Anhalt (BVerfGE 37, 271, 277). Dies bedeutet aber, daß es ebenso keinen Anhalt gibt, daß Art 189 EWG-Vertrag, dem im Rahmen des gesamten Vertrages große Bedeutung zukommt (BVerfGE 22, 134, 152), mit Art 79 Abs 3, Art 20 GG nicht vereinbar sein könnte.

Nach der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH, dem im Verhältnis zum BSG nach Art 177 EWG-Vertrag die abschließende Entscheidungsbefugnis über die Auslegung des Vertrages sowie über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft zukommt, verliert nach Art 69 Abs 2 EWGV 1408/71 der Arbeitnehmer, der, wie der Kläger, die Vergünstigungen des Art 69 Abs 1 EWGV 1408/71 wahrgenommen und sich unter Mitnahme seines bei der Beklagten erworbenen Leistungsanspruchs für drei Monate nach Italien begeben hat, um dort eine Beschäftigung zu suchen, jeden weiteren, nach den Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland an sich zustehenden Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit, wenn er nicht vor Ablauf des Zeitraums, für den er den Anspruch mitgenommen hat, in die Bundesrepublik zurückkehrt (vgl EuGH Urteil vom 19. Juni 1980 - 41/79, 121/79, 796/79 -). Ob und inwieweit die Anwendbarkeit sekundären Gemeinschaftsrechts im Bereich der Bundesrepublik (noch) am Maßstab deutschen Verfassungsrechts zu prüfen ist (vgl dazu BVerfGE 37, 271 ff einerseits, BVerfGE 52, 187, 202 f andererseits), läßt der Senat offen; denn Art 69 Abs 2 EWGV 1408/71 verstößt nicht gegen das GG, insbesondere nicht gegen Art 14 GG.

Art 69 EWGV 1408/71 nimmt dem Arbeitslosen keine Rechte, die ihm das AFG gewährt hat. Die Vorschrift steht nicht im Widerspruch zum AFG, mag sie auch sachlich als Ergänzung des Rechts der Leistungen bei Arbeitslosigkeit eine Rechtsänderung bewirkt haben. Das Schicksal des Leistungsanspruchs bei verspäteter Rückkehr nach Bezug der Leistung außerhalb des deutschen Arbeitsmarktes hat das AFG nicht geregelt, da es den Bezug von Alg oder Alhi im Ausland grundsätzlich nicht vorsieht. Die Regelung des Europäischen Rechts greift daher in eine andersartige Regelung des AFG nicht ein. Art 69 EWGV 1408/71 stellt sich vielmehr neben die Regelung des AFG und erweitert die Rechte des arbeitslosen Arbeitnehmers, indem ihm zur Arbeitsuche in einem Mitgliedstaat die Mitnahme seines Leistungsanspruchs ermöglicht wird. Dem arbeitslosen Arbeitnehmer verbleiben aber voll die Rechte, die das AFG vorsieht. Ob der Arbeitnehmer die Rechte aus Art 69 EWGV 1408/71 wahrnimmt, obliegt seiner eigenen Entscheidung. Verbleibt er in der Bundesrepublik, richten sich seine Ansprüche nach wie vor nach deutschem Recht. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer sich ohne Mitnahme seines Leistungsanspruchs ins Ausland begibt: Unterbricht der Arbeitslose durch den Auslandsaufenthalt den Bezug des Alg ohne wichtigen Grund, mindert sich die Dauer des Alg um die Tage bis zur erneuten Arbeitslosmeldung (§ 110 Nr 3 AFG in der hier anwendbaren Fassung des Gesetzes vom 25. Juni 1969, BGBl I 582); nach erneuter Arbeitslosmeldung steht dem Arbeitnehmer nur noch der Restanspruch zu. Lediglich bei Mitnahme seines Leistungsanspruchs zur Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft nach den Voraussetzungen des Art 69 EWGV 1408/71 unterfällt der Anspruch der Regelung des Abs 2. Es ist mithin die eigene Entscheidung des arbeitslosen Arbeitnehmers, wenn er die Vergünstigung des Art 69 EWGV 1408/71 in Anspruch nimmt, sich damit auch der Gefahr auszusetzen, bei nicht rechtzeitiger Rückkehr jeglichen Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zu verlieren.

Somit liegt eine Verletzung von Art 14 GG nicht vor, da Art 69 EWGV 1408/71 die Ansprüche nach dem AFG nicht beschränkt, sondern grundsätzlich erweitert. Verliert der arbeitslose Arbeitnehmer, der die Vergünstigung in Anspruch genommen hat, wegen nicht rechtzeitiger Rückkehr jeglichen Anspruch auf weitere Leistungen, ist der Verlust einerseits auf die von ihm vorgenommene Gestaltung seines Leistungsanspruchs und andererseits auf die Nichteinhaltung der Rückkehrfrist zurückzuführen. Die zur Vermeidung von Mißbräuchen vorgesehene Rückkehrfrist ist zumutbar; sie läßt sich bei ernsthafter Arbeitsuche unschwer einhalten. Der als Folge der Fristversäumnis vorgesehene Verlust aller Ansprüche auf Leistungen nach dem AFG ist nicht unangemessen; auch das AFG sieht den Verlust von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit vor, wenn der Arbeitslose nicht in zumutbarer Weise dazu beiträgt, seine Arbeitslosigkeit abzuwenden (vgl § 119 Abs 3 AFG). Liegt daher eine Verletzung von Art 14 GG nicht vor, kommt die vom Kläger angeregte Vorlage an das BVerfG nach Art 100 GG nicht in Betracht.

Ob der Kläger die Rückkehrfrist versäumt hat, steht nicht fest. Das LSG hat gemeint, der Kläger habe bis zum 18. Januar 1975 zurückkehren müssen. Dies trifft nicht zu.

Nach Art 69 Abs 2 Satz 1 EWGV 1408/71 verliert der Arbeitslose jeden Leistungsanspruch, wenn er nicht vor Ablauf des Zeitraums, in dem er nach Abs 1 Buchst c Anspruch auf Leistungen hat, zurückkehrt. Nach Abs 1 Buchst c wird der Leistungsanspruch während höchstens drei Monaten von dem Zeitpunkt an aufrechterhalten, von dem ab der Arbeitslose der Arbeitsverwaltung des Staates, den er verlassen hat, nicht mehr zur Verfügung stand. Nach den Feststellungen des LSG, die der Senat mangels tatsächlicher Rügen seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat (§ 163 SGG), stand der Kläger mit seiner Abreise am 19. Oktober 1974 der Beklagten nicht mehr zur Verfügung. Somit lief die Rückkehrfrist bis zum 20. Januar 1975. Dies folgt aus Art 3 Abs 1 Unterabs 2 und Abs 2 Buchst c der Verordnung (EWG, Euratom) Nr 1182/71 des Rates zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine (vom 3. Juni 1971, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr L 124 vom 8. Juni 1971) - EWGV 1182/71 -. Diese Verordnung gilt, soweit nichts anderes bestimmt ist, für die Rechtsakte, die der Rat und die Kommission aufgrund des EWG-Vertrages erlassen haben bzw erlassen werden (Art 1), ist in allen Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat (Art 6). Nach Art 3 Abs 1 Unterabs 2 EWGV 1182/71 wird, wenn für den Anfang einer nach Monaten bestimmten Frist der Zeitpunkt maßgebend ist, in welchem ein Ereignis eintritt oder eine Handlung vorgenommen wird, bei der Berechnung dieser Frist der Tag nicht mitgerechnet, in den das Ereignis oder die Handlung fällt. Der Tag, in den der Zeitpunkt fällt, von dem ab der Arbeitslose der Arbeitsverwaltung nicht mehr zur Verfügung steht, ist bei der Fristberechnung daher nicht mitzurechnen. Die Frist beginnt vielmehr mit dem nächsten Tag, dh, im Falle des Klägers mit dem 20. Oktober 1974, und endet gemäß Art 3 Abs 2 Buchst c EWGV 1182/71 mit Ablauf des Tages des letzten Monats, der dieselbe Zahl wie der Tag des Fristbeginns trägt. Die Frist, während der dem Kläger der Leistungsanspruch Aufrechterhalten wurde und während der der Kläger zurückkehren mußte, um sich den Leistungsanspruch in der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten, lief daher erst am 20. Januar 1975, einem Montag, ab. Das LSG hat zwar festgestellt, daß der Kläger nicht bis zum 18. Januar 1975 zurückgekehrt ist. Es hat aber keine Feststellungen darüber getroffen, wann genau der Kläger Ende Januar 1975 vor seiner Arbeitsaufnahme am 3. Februar 1975 in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt ist. Es steht daher nicht fest, daß der Kläger die Frist versäumt hat. Daher muß die Sache an das LSG zurückverwiesen werden, damit es die für die Entscheidung erforderlichen Tatsachen feststellt.

Das Urteil des LSG hält auch in einem weiteren Punkt einer Überprüfung nicht stand. Hat der Kläger die Rückkehrfrist versäumt, ist der einzige Fall, in dem der Arbeitnehmer seinen Leistungsanspruch gegen den zuständigen Staat behält, der des Art 69 Abs 2 Satz 2 EWGV 1408/71. Nach dieser Bestimmung kann die zuständige Arbeitsverwaltung oder der zuständige Träger die Frist in Ausnahmefällen verlängern. Die Beklagte hat die Frist nicht verlängert. Das LSG hat dies nicht beanstandet, weil die Fristverlängerung bei der Abreise, spätestens aber vor Ablauf der Dreimonatsfrist erfolgen müsse. Dem kann nicht beigetreten werden. Zu den Ausnahmefällen, die eine Fristverlängerung rechtfertigen können, können nämlich auch solche gehören, in denen der Arbeitslose nicht nur an der fristgerechten Rückkehr, sondern auch an der Stellung eines Verlängerungsantrags vor Ablauf der vorgeschriebenen Frist gehindert worden ist (EuGH SozR 6050 Art 69 Nr 3). Daher kommt entgegen der Ansicht des LSG auch nach Ablauf der Frist noch ihre Verlängerung in Betracht.

Ob die Frist verlängert wird, steht nach Art 69 Abs 2 Satz 2 EWGV 1408/71 im weiten Ermessen der zuständigen Arbeitsverwaltung bzw des zuständigen Trägers (vgl EuGH aaO); allerdings ist die Möglichkeit der Fristverlängerung auf Ausnahmefälle beschränkt. Ist aber ein Ausnahmefall gegeben, hat die Beklagte eine Ermessensentscheidung zu treffen. Lehnt die Beklagte in einem solchen Falle einen Antrag auf Alg (bzw Alhi) ab, ohne ihr Ermessen auszuüben, mag dazu nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung bekannten Sachverhalt Anlaß bestanden haben oder nicht, verletzt die Beklagte objektiv den Antragsteller in seinem Recht auf eine Ermessensentscheidung. Der Ablehnungsbescheid ist dann rechtswidrig; gegebenenfalls ist die Beklagte zu verurteilen, der Sache nach über die Gewährung des Alg bzw der Alhi durch Ausübung des Ermessens hinsichtlich der Fristverlängerung erneut zu befinden. Im Prozeß hat daher das Gericht zu entscheiden, ob ein Ausnahmefall gegeben war, dh, ob die rechtzeitige Rückkehr durch einen unvorhersehbaren Umstand wie Krankheit, Unfall, Streik oder ähnlich verhindert worden ist, den der Arbeitnehmer nicht zu vertreten hat, oder aus wichtigem Grunde unterblieb (vgl dazu das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des Senats vom 13. November 1980 - 7 RAr 44/78 -). Ob im Falle des Klägers ein Ausnahmefall gegeben ist, läßt sich nach den Feststellungen des LSG nicht entscheiden. Es ist nämlich nicht festgestellt worden, weshalb der Kläger erst nach dem 18. Januar 1975 in die Bundesrepublik zurückgekehrt ist. Der Kläger hat zwar weder bei der Beklagten noch im Prozeß Tatsachen behauptet, denen zufolge ein Ausnahmefall vorliegt. Hieraus folgt jedoch nicht, daß ein objektiv gegebener Ausnahmefall nicht mehr berücksichtigt werden darf. Den Sachverhalt erforscht das Gericht von Amts wegen (§ 103 Satz 1 SGG). Hierzu ist der Kläger zwar heranzuziehen; ihm obliegt auch eine Mitwirkungspflicht, nicht jedoch eine Behauptungslast in dem Sinne, daß er allein wegen Unschlüssigkeit seines bisherigen Vorbringens abgewiesen werden könnte. Eine Feststellung, daß der Kläger den Tatbestand eines Ausnahmefalles nicht vortragen könne, hat das LSG nicht getroffen. Auch insoweit wird das LSG daher, sollte sich die Rechtzeitigkeit der Rückkehr nicht feststellen lassen, Feststellungen zu treffen haben.

Die Entscheidung des Rechtsstreits im Hinblick auf den Alg-Anspruch hängt demnach davon ab, wann der Kläger tatsächlich zurückgekehrt ist und ob ein Ausnahmefall gegeben ist, der die Beklagte zu einer Ermessensentscheidung verpflichtet. Da insoweit die erforderlichen Feststellungen fehlen, ist das angefochtene Urteil gemäß § 170 Abs 2 SGG in vollem Umfange, dh auch hinsichtlich der Entscheidung des LSG über die hilfsweise erfolgte Anfechtung der Aufhebung der Alhi-Bewilligung, aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.

Ergibt die erneute Verhandlung und Entscheidung wiederum, daß dem Kläger Alg nicht zusteht, wird zu beachten sein, daß das LSG zu Recht die Aufhebung der Alhi-Bewilligung bestätigt hat.

Nach § 151 Abs 1 AFG werden Entscheidungen, durch die Leistungen bewilligt worden sind, insoweit aufgehoben, als die Voraussetzungen für Leistungen nicht vorgelegen haben. Nach § 134 Abs 1 AFG hat Anspruch auf Alhi, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alhi beantragt hat, keinen Anspruch auf Alg hat, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, bedürftig ist und innerhalb eines Jahres vor der Arbeitslosmeldung, die dem Antrag auf Alhi vorausgeht, Alg bezogen hat, ohne daß der Anspruch nach § 119 Abs 3 AFG erloschen ist, oder mindestens 10 Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden hat. Der Kläger hat zwar innerhalb des Jahres vor der Arbeitslosmeldung am 2. April 1975 Alg bezogen, ohne daß der Anspruch nach § 119 Abs 3 AFG erloschen ist; der Kläger dürfte zudem in diesem Jahr mindestens 10 Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden haben, sofern man die Beschäftigung mit einbezieht, der der Kläger vor dem Alg-Bezug ab 11. Oktober 1974 nachgegangen sein dürfte. Doch kann ein Alhi-Anspruch, wenn der Kläger den Alg-Anspruch nach Art 69 Abs 2 Satz 1 EWGV 1408/71 verloren hat, weder auf den Alg-Bezug noch auf die Beschäftigungszeiten, die die Anwartschaft auf Alg begründet haben, gestützt werden. Dies folgt aus Art 69 Abs 2 Satz 1 EWGV 1408/71.

Nach Art 69 Abs 2 Satz 1 EWGV 1408/71 verliert der arbeitslose Arbeitnehmer, der nicht rechtzeitig in den zuständigen Staat zurückkehrt "jeden Anspruch auf Leistung nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates". Gemeint ist damit jeder Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit, dh, auch ein Anspruch auf Alhi. Die Verordnung gilt nämlich für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die Leistungen bei Arbeitslosigkeit betreffen (Art 4 Abs 1); sie gilt sowohl für die auf Beiträgen beruhenden wie auch für beitragsfreie Systeme der sozialen Sicherheit (Art 4 Abs 2). Soll der Arbeitnehmer jeden Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit verlieren, so umfaßt der Verlust auch den Anspruch auf Alhi, der dem Arbeitnehmer erst infolge des Verlustes des Alg-Anspruchs zusteht. Es wäre, wie das LSG zutreffend ausführt, unverständlich, wenn der Arbeitnehmer statt des verlorengegangenen Alg-Anspruchs ohne Erwerb einer neuen Anwartschaft einen Anspruch auf Alhi geltend machen könnte. Art 69 Abs 2 Satz 1 EWGV 1408/71 bewirkt daher, daß nach dem Verlust eines Alg-Anspruchs wegen nicht rechtzeitiger Rückkehr ein Anspruch auf Alhi weder auf Beschäftigungen, die den Umfang des Alg-Anspruchs bestimmt haben, noch auf den Alg-Bezug selbst gestützt werden kann.

Da der Kläger nach einem etwaigen Verlust des Anspruchs auf Alg nicht zehn, sondern lediglich knappe neun Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden hat, hat er keine neue Anwartschaft auf Alhi erworben. Die somit zu Unrecht ausgesprochene Alhi-Bewilligung ist daher in einem solchen Falle gemäß § 151 Abs 1 AFG aufzuheben. Die Beklagte ist nicht gemäß Art 1 § 34 SGB 1 gehalten gewesen, den Kläger vor Erlaß des Entziehungsbescheides zu hören, da das SGB 1 1975 noch nicht in Kraft getreten war; im übrigen wäre ein entsprechender Mangel des Verwaltungsverfahrens geheilt, weil der Kläger im Widerspruchsverfahren seine Bedenken hat vorbringen können (vgl BSG SozR 1200 § 34 Nr 1).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1655629

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