Entscheidungsstichwort (Thema)
Hauspflege. Einzelabrechnung. Pauschalabgeltung. Gesetzeslücke. öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Hauspflegekosten sind den KK nicht nach BVG § 19 Abs 1 mittels Einzelabrechnung gesondert zu ersetzen, sondern pauschal abzugelten.
Orientierungssatz
1. Aus der Gegenüberstellung der Krankenhausbehandlung in BVG § 11 Abs 1 S 1 Nr 5 und der Hauspflege in Nr 7 ist ersichtlich, daß die Hauspflege nicht mit der Krankenhausbehandlung identisch ist und auch nicht als ein Sonder- oder Unterfall der Krankenhausbehandlung aufgefaßt werden kann. Die Hauspflege ist vielmehr eine rechtlich getrennte Leistung eigener Art, die zur ambulanten ärztlichen Behandlung hinzutritt.
2. Die Hauspflege kann dem Begriff der Krankenhauspflege nach nicht mit der Begründung zugeordnet werden, das BSG habe sogar die Krankentransportkosten der Krankenhauspflege zugerechnet. Die gesonderte Erstattung für Transportkosten ist bejaht worden, weil es sich bei dem Transport um eine unselbständige Nebenleistung und damit einen Teil der Krankenhauspflege handelt (vgl BSG vom 1969-12-09 9 RV 790/ 68 = SozR Nr 8 zu § 19 BVG). Die Krankenhausbehandlung beginnt mit dem notwendigen Hintransport und endet mit der notwendigen Rückfahrt. Eine ähnliche Beziehung besteht zwischen Hauspflege und Krankenhausbehandlung nicht.
3. Die Entstehungsgeschichte des BVG § 19 schließt eine Gesetzeslücke aus, die eine entsprechende Anwendung des BVG § 19 Abs 1 S 1 und 2 auf die Hauspflegekosten rechtfertigen könnte. Als notwendige Voraussetzung dafür fehlt eine anfängliche oder nachträgliche Lücke im BVG. Bei einer Lücke handelt es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes (vgl BSG vom 1975-02-12 12 RJ 184/73 = BSGE 39, 143, 145 f). Ob sie besteht, beurteilt sich nach der dem Gesetz zugrunde liegenden Regelungsabsicht, dem mit ihm verfolgten Zweck und dem Plan des Gesetzgebers. BVG § 19 enthält aber erkennbar eine abschließende Regelung, wie insbesondere die Rechtsentwicklung erkennen läßt.
4. Ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch leitet sich als eigenständiges Rechtsinstitut aus dem Rechtsgrundsatz ab, daß eine mit der Rechtslage nicht übereinstimmende Vermögenslage auszugleichen ist (vgl BSG vom 1975-02-12 9 RV 376/74 = BSGE 39, 137, 138 und BSG vom 1978-02-02 12 RK 29/77 = BSGE 45, 296, 300). Diese Forderung geht auf Rückgewähr des rechtsgrundlos erhaltenen Betrages und kann ua einem Träger öffentlicher Verwaltung gegenüber einem anderen zustehen. Ein derartiger ungeschriebener Ersatzanspruch scheidet hier jedoch aus, weil die BVG §§ 19 und 20 die finanzielle Abwicklung des gesetzlichen Auftragsverhältnisses zwischen Krankenkassen und Versorgungsverwaltung abschließend und erschöpfend regeln (vgl BSG vom 1978-03-14 9 RV 16/77 = SozR 3100 § 19 Nr 6, BSG vom 1978-09-06 10 RV 59/77 = SozR 3100 § 19 Nr 7 und BSG vom 1979-03-16 9 RV 53/78).
Normenkette
BVG § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, § 19 Abs. 1 Fassung: 1964-02-21; BVG§19Abs1DV; RVO § 185 Fassung: 1924-12-15; BVG § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, § 19 Abs. 1 Sätze 1-2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Oktober 1977 sowie das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17. August 1972 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin übernahm die Kosten von 273,- DM für die Hauspflege ihrer Versicherten G... B... in der Zeit vom 5. Februar bis 18. März 1968. Diese häusliche Pflege war nach ärztlicher Verordnung wegen eines Nervenleidens, das als Schädigungsfolge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannt ist, an Stelle einer Krankenhausbehandlung notwendig. Die Krankenhauspflege war infolge Bettenmangels nicht möglich. Die Versorgungsverwaltung lehnte eine gesonderte Erstattung der 273,- DM nach § 19 Abs 1 Satz 1 und 2 BVG ab.
Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten verurteilt, der Klägerin 273,- DM zu erstatten, und ihm die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens auferlegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat, nachdem sein erstes Urteil vom Bundessozialgericht (BSG) nicht aufgehoben worden war, die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind. Der Klägerin stehe ein Erstattungsanspruch nach § 19 Abs 1 Satz 1 und 2 BVG idF des 3. Neuordnungsgesetzes (NOG) vom 28. Dezember 1966 (BGBl I 750) zu. In dieser Bestimmung sei zwar die Hauspflege nicht ausdrücklich genannt. Sie könne auch nicht der Krankenhauspflege zugeordnet werden, weil sie Merkmale sowohl der Krankenhaus als auch der bloßen Krankenpflege in sich trage und somit eine Heilbehandlung besonderer Art darstelle (BSGE 30, 144, 146).
Es liege jedoch eine unbewußte ursprüngliche Regelungslücke in § 19 Abs 1 Satz 1 BVG vor. Aus dem Entwurf des 2. NOG (BT-Drucks 4/1305 S. 16 zu Nr 9 - § 19 BVG -) ergebe sich das Prinzip des vollen Kostenersatzes. Die Krankenversicherung solle nicht durch Krankheitsrisiken belastet werden, die wegen ihrer besonderen Art die Allgemeinheit zu tragen habe. Deshalb sei die Regelungslücke dahin zu schließen, alle nachweisbaren Kosten und somit auch die der Hauspflege einzeln zu erstatten. Diese Lücke sei nicht durch spätere Gesetzesänderungen geschlossen worden. Wenn auch die Fälle der Einzelabrechnung durch die Hinzunahme der Haushaltshilfe mit Art 4 § 3 Abs 2 des 7. Anpassungsgesetzes (AnpG) in der Kriegsopferversorgung (KOV) vom 13. Juni 1975 (BGBl I 1321) erweitert worden seien, so ergebe sich nichts dafür, daß der Gesetzgeber die Lücke erkannt und von einer Ergänzung des Gesetzes gewollt abgesehen habe. Wenn schon die bloße Haushaltshilfe einzeln abgerechnet werden könne, dann müsse das erst recht für die Hauspflege gelten. Der Grundsatz der vollen Kostenerstattung gehe der Vereinfachung des Erstattungsverfahrens vor, soweit die Kosten wie hier nachweisbar seien. Dem Gesetzeswortlaut könne auch deshalb keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden, weil es an der - an sich selbstverständlichen - Abstimmung der miteinander korrespondierenden §§ 11 und 19 BVG fehle. In § 11 Abs 1 Nr 7 BVG werde die Hauspflege genannt, jedoch nicht in § 19 BVG. Andererseits sei die Haushaltshilfe in § 19 BVG nF, dagegen nicht in § 11 BVG erwähnt. Zugunsten der Einzelabrechnung spreche schließlich noch, daß die Aufwendungen für Hauspflege bei der Ermittlung des Pauschbetrages dem Gesamtbetrag der nach der Durchführungsverordnung (DV) vom 5. August 1965 zu § 19 Abs 1 BVG maßgebenden Aufwendungen nicht hinzugerechnet würden. Falls man die Möglichkeit der Einzelabrechnung verneine, bekomme die Klägerin trotz der Neufassung des § 19 BVG überhaupt keinen Ersatz für Hauspflegekosten.
Der Beklagte und die Beigeladene haben die zugelassene Revision eingelegt und rügen die Verletzung des § 19 Abs 1 BVG. Kosten der Hauspflege seien pauschal zu ersetzen. Die Hauspflege sei kein Teil der Krankenhauspflege, sondern eine in § 11 Abs 1 Nr 7 BVG eigenständig geregelte Leistungsart der Heilbehandlung. § 19 Abs 1 BVG weise keine Lücke auf. Der Gesetzgeber habe die volle Kostenerstattung ausdrücklich auf die in § 19 Abs 1 Satz 1 BVG genannten Fälle beschränkt (BSGE 31, 294, 295; SozR 3100 § 19 Nr 6). Die Neuregelung der Kostenerstattung durch das 2. NOG habe neben der Einführung der vollen Kostenerstattung eine Vereinfachung des Abrechnungsverfahrens bezweckt. Eine wirksame Verwaltungsvereinfachung sei nur durch eine möglichst weitgehende Pauschalierung der Kostenerstattung zu erreichen. Im Einzelfall erhebliche finanzielle Leistungen der Krankenkassen sollten gesondert abgegolten werden, für die ein alsbaldiger und angemessener Ausgleich durch die Pauschbeträge nicht gewährleistet sei. Der Gesetzgeber habe die Kosten für Hauspflege den pauschal abzugeltenden Aufwendungen zurechnen wollen. Diese Kosten seien auch nach den bis zum 31. Dezember 1963 geltenden Fassungen des § 19 BVG nicht gesondert ersetzt worden. Entgegen der Ansicht des LSG seien die §§ 11 und 19 BVG miteinander abgestimmt. Das LSG habe übersehen, daß in § 11 Abs 4 BVG - 7. AnpG - die Haushaltshilfe als Heilbehandlungsmaßnahme aufgeführt werde. Es sei unbeachtlich, daß die Kosten für Hauspflege bei der Ermittlung der Pauschbeträge nach der DV zu § 19 Abs 1 BVG nicht berücksichtigt würden. Ob diese Aufwendungen gesondert zu ersetzen seien, richte sich allein nach § 19 Abs 1 BVG. Abgesehen davon sei die DV nicht gleichzeitig mit der ab 1. Januar 1964 in Kraft getretenen Neufassung des § 19 BVG ergangen, sondern erst am 5. August 1965 (BGBl I 755) und könne schon aus diesem Grunde nicht als Argument für eine Regelungslücke in § 19 BVG - 2. NOG - angeführt werden. Laut der für das Jahr 1963 aufgestellten Statistik seien die Hauspflegekosten so gering gewesen (2.466, 80 DM für den der Pauschalierung zugrunde gelegten Personenkreis der Zugeteilten und Ausgesteuerten), daß außergewöhnliche finanzielle Auswirkungen bei einem Ausschluß von der Einzelerstattung nicht zu befürchten gewesen seien. Wären die Aufwendungen für Hauspflege berücksichtigt worden, so hätte sich der erste Pauschbetrag nur auf 40.754,- DM, dh um 0,8 Pfennig erhöht. Durch die Zugrundelegung der statistisch erfaßten Kosten für Zugeteilte und Ausgesteuerte sei der Pauschbetrag so günstig bemessen worden, daß den Krankenkassen im ganzen gesehen ein Erstattungsbetrag gezahlt werde, der die tatsächlichen Aufwendungen für Hauspflege miterfassen dürfte. Die in § 2 Abs 2 DV zu § 19 Abs 1 BVG festgelegte zeitliche Grenze zum 31. August 1966 habe zugunsten der Krankenkassen zu einem Pauschbetrag geführt, der um ein Vielfaches von 0,8 Pfennig über dem Betrag liege, der sich aufgrund endgültiger Zahlen ergäbe.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Klage unter Abänderung des Urteils des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Oktober 1977 und des Urteils des SG Düsseldorf vom 17. August 1972 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die gegen das Berufungsurteil eingelegten Revisionen zurückzuweisen.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, es handele sich bei dem Vortrag der Beigeladenen über den Umfang der Aufwendungen für Hauspflege um neue Tatsachenbehauptungen, die in der Revisionsinstanz gemäß § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht berücksichtigt werden könnten. Abgesehen davon sei dieser Tatsachenvortrag nicht entscheidungserheblich. Die Hauspflege müsse der Krankenhauspflege zugerechnet werden. Sie sei nämlich eine teilweise Ersatzleistung für Krankenhauspflege und nicht etwa eine Leistung der Krankenpflege im Sinne des & 182 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Die Pauschalabgeltungsregelung betreffe jedoch nur Krankenpflegeleistungen im letztgenannten Sinn. Wenn bereits die Krankentransportkosten der Krankenhauspflege zugeordnet würden (BSG SozR Nr 8 zu § 19 BVG), so müsse dies erst recht für die an die Stelle der Krankenhauspflege tretende Hauspflege gelten. Die Einbeziehung des Krankentransports in die Krankenhauspflege zeige, daß die Höhe der Forderung nicht ausschlaggebend dafür sei, ob die Leistung gesondert erstattet werden müsse. Der Gesetzgeber sei bei der Fassung des § 19 BVG davon ausgegangen, daß die Krankenkassen vollen Ersatz für ihre Aufwendungen erhalten sollten. Die Pauschalregelung umfasse nur die nicht oder nur auf kompliziertem Wege nachweisbaren Ausgaben. Kosten für Hauspflege könnten jedoch ohne Schwierigkeiten nachgewiesen und abgerechnet werden.
II
Die Revision ist begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz der für die Hauspflege gezahlten 273,- DM. Als Anspruchsgrundlage ist § 19 Abs 1 Satz 1 und 2 BVG idF des 3. NOG (BGBl I 1966, 750) ausgeschlossen. Danach wurden den Krankenkassen lediglich die Aufwendungen für Krankenhauspflege und kleinere Heilmittel ersetzt, wenn sie nicht nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes verpflichtet waren, Heilbehandlung wegen anerkannter Schädigungsfolgen (Satz 2) zu gewähren. Nach Satz 3 werden die übrigen Aufwendungen für die Krankenpflege versicherter Beschädigter wegen Schädigungsfolgen pauschal abgegolten. Darunter fällt aber der Aufwand für Hauspflege.
Diese Leistung wird nicht vom Begriff der Krankenhauspflege mitumfaßt. Krankenhauspflege ist die gesamte stationäre Behandlung in einem Krankenhaus (§ 11 Abs 1 Nr 5 BVG, Verwaltungsvorschrift = VV Nr 1 zu § 19 BVG). Unter Hauspflege versteht man dagegen die Hilfe und Wartung zu Hause durch Krankenpfleger, Krankenschwestern oder andere Pflegekräfte (§ 11 Abs 1 Nr 7 BVG). Ihre Gewährung setzt voraus, daß die Aufnahme des Beschädigten in ein Krankenhaus geboten, aber nicht durchführbar ist, oder daß ein sonstiger wichtiger Grund vorliegt (§ 11 Abs 1 Satz 2, 2. Halbsatz BVG; Nr 6 VV zu § 11 BVG). Seit der Änderung des § 185 RVO durch das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1069) müssen die Krankenkassen "häusliche Krankenpflege", die mit dem Begriff der "Hauspflege" im Sinne des BVG inhaltlich übereinstimmt, außerdem dann gewähren, wenn Krankenhauspflege dadurch nicht erforderlich wird (§ 185 Abs 1 Satz 1 RVO). Die Hauspflege steht zwar in einem gewissen Zusammenhang mit der Krankenhauspflege und ergänzt sie (BSGE 30, 144, 146 = SozR Nr 1 zu § 185 RVO). Sie stellt im wesentlichen einen Ersatz für die Krankenhauspflege dar (BSGE 30, 144, 146; BSGE 44, 139, 140 = SozR 2200 § 185 Nr 1). Aus der Gegenüberstellung der Krankenhausbehandlung in § 11 Abs 1 Nr 5 BVG und der Hauspflege in Nr 7 ist jedoch ersichtlich, daß die Hauspflege nicht mit der Krankenhausbehandlung identisch ist und auch nicht als ein Sonder- oder Unterfall der Krankenhausbehandlung aufgefaßt werden kann. Die Hauspflege ist vielmehr eine rechtlich getrennte Leistung eigener Art, die zur ambulanten ärztlichen Behandlung hinzutritt.
Die Hauspflege kann dem Begriff der Krankenhauspflege nicht mit der Begründung zugeordnet werden, das Bundessozialgericht (BSG) habe sogar die Krankentransportkosten der Krankenhauspflege zugerechnet. Die gesonderte Erstattung für Transportkosten ist bejaht worden, weil es sich bei dem Transport um eine unselbständige Nebenleistung und damit einen Teil der Krankenhauspflege handelt (BSG SozR Nr 8 zu § 19 BVG). Die Krankenhausbehandlung beginnt mit dem notwendigen Hintransport und endet mit der notwendigen Rückfahrt. Eine ähnliche Beziehung besteht zwischen Hauspflege und Krankenhausbehandlung nicht.
Das Argument, dem Gesetzeswortlaut könne wegen der fehlenden Abstimmung der miteinander korrespondierenden §§ 11 und 19 BVG keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden, erscheint nicht verständlich. Gerade der systematische Zusammenhang dieser Bestimmungen spricht gegen die Auffassung des LSG.
Während in § 11 BVG der Katalog der Heilbehandlungsmaßnahmen (§ 11 Abs 1 BVG), ua auch die Hauspflege (§ 11 Abs 1 Nr 7 BVG), und die Haushaltshilfe (§ 11 Abs 4 BVG) aufgeführt sind, enthält § 19 Abs 1 Satz 1 BVG nF lediglich drei dieser Leistungen.
Allerdings sollen gemäß § 1 DV zu § 19 Abs 1 BVG mit dem jährlichen Pauschbetrag ausdrücklich allein die Aufwendungen für die ambulante ärztliche und zahnärztliche Behandlung sowie die Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln abgegolten werden. Auch trifft es zu, daß in der Begründung zum Entwurf der DV zu § 19 Abs 1 BVG nur diese Aufwendungen als übrige Aufwendungen für die Krankenpflege im Sinne des § 19 Abs 1 Satz 3 BVG aufgeführt sind (BR-Drucks 304/65, Begründung S. 1).
Ferner ist einzuräumen, daß die Kosten für Hauspflege bei der Ermittlung des Pauschbetrages dem Gesamtbetrag der nach §§ 2, 3 DV zu § 19 Abs 1 BVG maßgebenden Aufwendungen nicht hinzugerechnet werden.
Aber selbst wenn diese Kosten bei der Berechnung der Pauschalsumme nicht gesondert berücksichtigt worden sein sollten, könnte das nicht rechtfertigen, über sie einzeln abzurechnen. Denn nach dem Gesetz, das durch die Rechtsverordnung nicht abgeändert werden kann (Art 20 Abs 3, Art 80 GG), dürfen nur die konkret benannten Leistungen einzeln ersetzt werden. Dazu gehört die Hauspflege nicht. Im übrigen bestätigt gerade das während der Entstehung der Durchführungsverordnung vom Bundesverband der Ortskrankenkassen verschickte Rundschreiben, das die Beigeladene im Revisionsverfahren vorgelegt hat, daß selbst dieser Verband, zu dem auch die Klägerin gehört, damals von der Auslegung des § 19 Abs 1 BVG ausgegangen ist, die der Senat für zutreffend hält. Sonst hätte der Verband nicht zu den einzeln zu ersetzenden Leistungen ausschließlich die in jener Vorschrift genannten Aufwendungen gerechnet. Diese Tatsache, die nicht bestritten ist, darf im gegenwärtigen Rechtszug beachtet werden. Was nämlich die Beigeladene über den Verlauf der Rechtsentstehung im Revisionsverfahren vorgetragen hat, betrifft keine neuen Tatsachen im Sinn des Einzelfallsachverhalts. Nur diese wären im dritten Rechtszuge unbeachtlich. Vielmehr geht es um Gesichtspunkte, welche die dem Revisionsgericht uneingeschränkt obliegende Gesetzesauslegung bestimmen.
Die dargelegte Entstehungsgeschichte des § 19 BVG bestätigt diese Auslegung und schließt eine Gesetzeslücke aus, die eine entsprechende Anwendung des § 19 Abs 1 S 1 und 2 BVG auf die Hauspflegekosten rechtfertigen könnte. Als notwendige Voraussetzung dafür fehlt eine anfängliche oder nachträgliche Lücke im BVG (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Aufl, 1979, S. 354 ff). Bei einer Lücke handelt es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes (Larenz aaO, S. 358, BSGE 39, 143, 145 f). Ob sie besteht, beurteilt sich nach der dem Gesetz zugrunde liegenden Regelungsabsicht, dem mit ihm verfolgten Zweck und dem Plan des Gesetzgebers (Larenz aaO, S. 358). § 19 BVG enthält aber erkennbar eine abschließende Regelung, wie insbesondere die Rechtsentwicklung erkennen läßt.
Mit dem 2. NOG vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) hat der Gesetzgeber die gesonderte Abrechnung der Heilbehandlung auf Krankenhauspflege und kleinere Heilmittel beschränkt. Alle übrigen Aufwendungen für die Krankenpflege sollten nach § 19 Abs 1 Satz 3 BVG pauschal ersetzt werden. Die Hauspflege fällt unter den Oberbegriff der Krankenpflege (vgl § 182 Abs 1 Nr 1 f RVO). Der Gesetzgeber überließ es gemäß § 19 Abs 4 BVG idF des 2. NOG der Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Pauschale unter Berücksichtigung der Jahresrechnungen oder anderer Unterlagen der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zu berechnen und zu verteilen (DV zu § 19 Abs 1 BVG vom 5. August 1965, BGBl I 755; Entwurf mit Begründung BR-Drucks 304/65). Es kann nicht unterstellt werden, daß der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des 2. NOG die Hauspflege übersehen hat und anderenfalls die gesonderte Erstattung dieser Kosten in § 19 Abs 1 Satz 1 BVG aufgenommen hätte. Die Gesetzesgeschichte liefert für eine solche Ansicht keinen Anhalt.
Der von der Bundesregierung beschlossene Entwurf des 2. NOG geht zwar von dem Grundsatz der vollen Kostenerstattung aus; der Zweck der gesetzlichen Krankenversicherung und das Versicherungsrisiko erforderten es, den Krankenkassen alle nachweisbaren Aufwendungen einzeln zu erstatten (BT-Drucks IV/1305, S. 16 zu Nr 9 - § 19 BVG- und Schriftlicher Bericht des 22. Ausschusses - IV/1831, S. 4 zu Nr 15 - § 19 BVG -).
Gleichwohl hat der Gesetzgeber § 19 Abs 1 BVG nicht entsprechend dieser Begründung formuliert, sondern klar und unmißverständlich die Einzelerstattung auf Krankenhauspflege und kleinere Heilmittel (§ 19 Abs 1 Satz 1 BVG idF des 2. NOG) sowie Krankengeld und Hausgeld (§ 19 Abs 2 BVG idF des 2. NOG) beschränkt. Der Grundsatz der vollen Kostenerstattung ist durch § 19 Abs 1 Satz 1 BVG nicht schlechthin für alle tatsächlich entstandenen Kosten angeordnet (BSGE 31, 294, 295 = SozR Nr 9 zu § 19 BVG; BSG SozR 3100 § 19 Nr 6, S. 17). Dies wird besonders deutlich durch den Vergleich mit der Vorschrift des § 20 BVG, nach der die tatsächlichen Kosten der - gesamten - Heilbehandlung und ein Betrag von 8 vH dieser Kosten als Ersatz für Verwaltungskosten und für sonstige mit der Durchführung zusammenhängende Kosten zu erstatten sind. Da der Gesetzgeber die Einzelabrechnung nicht auf alle nachweisbaren Einzelkosten erstreckt hat, muß davon ausgegangen werden, daß er aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung im wesentlichen eine Pauschalabgeltung beabsichtigt hat. Denn mit der Neuregelung sollte neben dem Prinzip der vollen Kostenerstattung auch dem Interesse an einer Verwaltungsvereinfachung Rechnung getragen werden (BT-Drucks 4/1831, S. 4 zu Nr 15 - § 19 BVG -). Bei der Pauschalierung sollten die durchschnittlichen Aufwendungen für einen Versicherten berücksichtigt werden (BT-Drucks 4/1305, S. 16 zu Nr 9 - § 19 BVG -). Mit dieser Berechnung erwartete man eine Verminderung der Abrechnungsfälle nach § 19 BVG um wenigstens 70 vH (BT-Drucks 4/1305, S. 16 zu Nr 9 - § 19 BVG -).
Die Hauspflege war - neben der Krankenhausbehandlung und anderen Leistungen der Heilbehandlung - bereits in § 11 BVG idF des 1. NOG vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) aufgeführt, und zwar in Abs 3. Deshalb wird der Gesetzgeber diese Leistung bei der Neufassung des § 19 BVG durch das 2. NOG nicht übersehen haben können. Die Kosten der Hauspflege waren schon gemäß § 19 Abs 3 BVG vom 20. Dezember 1950 (BGBl I 791) nicht zu erstatten.
Nach dieser Bestimmung wurden als Ersatz bei der Krankenhausbehandlung 3/4 der aufgewendeten Krankenhauskosten, bei ambulanter Behandlung, wenn und solange Krankengeld gewährt wurde, das satzungsmäßige Krankengeld, sonst 3,-- DM für jeden Behandlungstag gewährt. Daneben wurde der Aufwand für kleinere Heilmittel ersetzt. Erkennbar wollte es der Gesetzgeber mit dem 2. NOG grundsätzlich bei der bisherigen Einzelabrechnung der Krankenhauspflege, der kleineren Heilmittel und des Krankengeldes belassen und lediglich das neben der Krankenhauspflege gemäß § 186 Abs 1 RVO idF des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 26. Juni 1957 (BGBl I 649) zu gewährende Hausgeld in die Einzelabrechnung einbeziehen (§ 19 Abs 2 BVG - 2. NOG -). Die Hinzunahme des Hausgeldes verdeutlicht, daß der Gesetzgeber konkret und umfassend geprüft hat, welche Leistungen der Krankenkassen gesondert abgerechnet werden sollten. Daß gerade § 19 BVG durch das 2. NOG aufgrund besonders sorgfältiger Überlegungen geändert wurde, ergibt sich aus dem Schriftlichen Bericht des 22. Ausschusses zum 1. NOG (BT-Drucks III/1825, S. 5 zu § 19 BVG). Danach wurde damals davon abgesehen, den materiellen Inhalt des § 19 BVG zu ändern, und die auf acht Jahre befristete Regelung bis zum 31. Dezember 1963 verlängert (§ 19 Abs 1 BVG idF des 1. NOG, BGBl I 1960, 453). Die Erstattungssätze und das Abrechnungsverfahren sollten erst nach eingehenden Voruntersuchungen neu geregelt werden. Diese grundlegende Änderung wurde dann durch das 2. NOG vorgenommen (BT-Drucks IV/1305, S. 16 zu Nr 9), und zwar auf Grund der in Aussicht genommenen Prüfung.
Selbst wenn der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des 2. NOG die Hauspflege - wider Erwarten - übersehen haben sollte, so wäre damit zu rechnen gewesen, daß er sie mit dem 3. NOG (BGBl I 1966, 750) in § 19 Abs 1 Satz 1 BVG eingefügt hätte, falls er insoweit eine Einzelabrechnung gewünscht hätte.
Durch das 3. NOG wurde die Hauspflege aus § 11 Abs 3 BVG unter die Heilbehandlung in Abs 1, und zwar in Nr 6 genommen. Außerdem wurde dem Beschädigten ein Rechtsanspruch auf diese Leistung eingeräumt (BT-Drucks V/1012, S. 23 zu Nr 5 - § 11 BVG -).
Der Gesetzgeber hätte § 19 Abs 1 BVG wohl auch mit dem Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I 1881) ergänzt. Durch § 27 dieses Gesetzes (BGBl I 1974, 1911) ist die Regelung über die Hauspflege aus Nr 6 des § 11 Abs 1 BVG in Nr 7 übernommen worden und in § 19 Abs 1 Satz 1 BVG das Wort "kleinere" vor "Heilmittel" gestrichen worden. Schließlich ist mit Art 1 Nr 9 des 7. AnpG (BGBl I 1975, 1321) die Leistung der Haushaltshilfe in § 19 Abs 1 Satz 1 BVG eingefügt worden. Die Aufwendungen hierfür sollten ersetzt werden, da die Krankenkassen nach § 185b RVO versicherten Beschädigten wegen der anerkannten Schädigungsfolgen Haushaltshilfe gewähren müssen (BT-Drucks 7/3415, S. 9 zu Nr 8 - § 19 BVG -). Auch in diesem Fall hätte der Gesetzgeber wohl zusätzlich die Hauspflege in § 19 Abs 1 Satz 1 BVG eingefügt, falls die Einzelerstattung seinen Vorstellungen entsprochen hätte. Da dies jedoch trotz wiederholter Änderungen der §§ 11, 19 BVG nicht geschehen ist, muß davon ausgegangen werden, daß die Aufwendungen für die Hauspflege nicht einzeln, sondern pauschal abgegolten werden sollen.
Der Klägerin steht auch kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, der nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt ist. Ein solcher Anspruch leitet sich als eigenständiges Rechtsinstitut aus dem Rechtsgrundsatz ab, daß eine mit der Rechtslage nicht übereinstimmende Vermögenslage auszugleichen ist (vgl BSGE 39, 137, 138; 45, 296, 300). Diese Forderung geht auf Rückgewähr des rechtsgrundlos erhaltenen Betrages und kann ua einem Träger öffentlicher Verwaltung gegenüber einem anderen zustehen. Ein derartiger ungeschriebener Ersatzanspruch scheidet hier jedoch aus, weil die §§ 19 und 20 BVG die finanzielle Abwicklung des gesetzlichen Auftragsverhältnisses zwischen Krankenkassen und Versorgungsverwaltung abschließend und erschöpfend regeln (BSG SozR 3100 § 19 Nr 6, S. 16; SozR 3100 § 19 Nr 7, S. 21; BSG vom 16. März 1979 - 9 RV 53/78 -).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen