Leitsatz (amtlich)

Ist über den Anspruch des Versorgungsberechtigten bereits erstmalig nach den Vorschriften des BVG entschieden worden, so kann BVG § 85 bei Erlaß eines Neufeststellungsbescheides nicht mehr angewendet werden.

 

Normenkette

BVG § 85 Fassung: 1950-12-20

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Oktober 1959 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger wurde während des ersten Weltkrieges als Soldat am 20. August 1918 am Hals verwundet. Wegen der Schädigungsfolge, deren Leidensbezeichnung nicht gleichbleibend war, erhielt er Versorgung in wechselnder Höhe. In dem Rentenänderungsbescheid des Versorgungsamts (VersorgA) Soest vom 27. Mai 1931 wurde als Schädigungsfolge lediglich noch "Halssteckschuß" anerkannt und die Rente von 40 auf 30 v. H. herabgesetzt, weil bei einer fachärztlichen Nachuntersuchung ein Kehlkopfkatarrh nicht mehr festgestellt werden konnte. Auf die Berufung des Klägers verurteilte das Versorgungsgericht Dortmund durch Urteil vom 23. September 1932 den Reichsfiskus als damaligen Versorgungsträger, dem Kläger über den 30. Juni 1931 hinaus die bisherige Rente in Höhe von 40 v. H. weiterzuzahlen. In den Gründen des Urteils wird ausgeführt, daß ein Kehlkopfkatarrh nach wie vor bestehe und somit eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen nicht eingetreten sei. In Ausführung dieses Urteils erging die Benachrichtigung des VersorgA Soest vom 27. Oktober 1932, mit der als Versorgungsleiden "Halssteckschuß, Kehlkopfkatarrh" anerkannt und die bisherige Rente in Höhe von 40 v. H. über den 30. Juni 1931 hinaus weitergezahlt wurde. Der Kläger erhielt in der Folgezeit entsprechende Versorgungsleistungen bis zum Jahre 1945.

Im August 1947 stellte der Kläger erneut Antrag auf Gewährung von Versorgung nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27. Durch Bescheid vom 4. Februar 1948 erkannte die Ruhrknappschaft in Bochum, die damals für die Festsetzung von Renten nach der SVD Nr. 27 zuständig war, ohne ärztliche Untersuchung als Schädigungsfolge "Halssteckschuß" an und gewährte dafür eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v. H. In dem Umanerkennungsbescheid vom 21. Januar 1952 übernahm das VersorgA Soest die Leidensbezeichnung und die Höhe der Rente unverändert nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Diese Bescheide nach der SVD Nr. 27 und dem BVG hat der Kläger nicht angefochten.

Im Dezember 1957 stellte der Kläger einen Erhöhungsantrag, den er mit einer zunehmenden Entzündung der Schleimhäute im Bereich von Rachen und Kehlkopf begründete. Das VersorgA Soest holte daraufhin ein Gutachten von der Hals-Nasen-Ohrenklinik der Städtischen Krankenanstalten Dortmund vom 11. März 1958 ein. Die Sachverständigen dieser Klinik, Chefarzt Prof. Dr. T und Assistenzarzt Dr. E, stellten einen Granatsplittersteckschuß in der linken Halsseite fest und führten hierzu aus, daß Lage und Bedeutung des Fremdkörpers im Verlauf von 40 Jahren offensichtlich keine wesentliche Veränderung erfahren hätten; man könne annehmen, daß von dem Splitter gewisse, in die linke Schulter ausstrahlende Reizerscheinungen ausgehen. Hinsichtlich der Klagen über Katarrh des Rachens und des Kehlkopfes handle es sich um eine von der Wehrdienstbeschädigung völlig unabhängige Schleimhauterkrankung, die vorwiegend auf einer konstitutionellen Schwäche beruhe und zusätzlich von der direkten Beeinflussung durch eine chronisch eitrige Mandelerkrankung abhängig sei. Eine wesentliche Befundänderung gegenüber dem Vorgutachten sei nicht feststellbar; die MdE um 40 v. H. sei sicherlich gut bemessen. Im Hinblick auf dieses Gutachten lehnte das VersorgA Soest durch Bescheid vom 15. Juli 1958 den Erhöhungsantrag des Klägers ab. Der Widerspruch gegen diesen Bescheid hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid des LVersorgA Westfalen vom 9. Oktober 1958).

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Dortmund durch Urteil vom 24. Februar 1959 die Bescheide des Beklagten vom 15. Juli und 9. Oktober 1958 aufgehoben. Das SG hat die Auffassung vertreten, daß die letzte Entscheidung über den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Schädigung und dem Kehlkopfkatarrh in dem Bescheid vom 27. Oktober 1932 getroffen worden sei, in dem der Zusammenhang bejaht worden ist. Dieser Bescheid sei nach § 85 BVG bindend, da der Bescheid nach der SVD Nr. 27 vom 4. Februar 1948 den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Kehlkopfkatarrh und der Geschoßverletzung im ersten Weltkrieg nicht beurteilt habe.

Gegen dieses Urteil haben der Beklagte Berufung und der Kläger Anschlußberufung eingelegt. Der Beklagte hat im Berufungsverfahren beantragt, unter Abänderung des Urteils des SG die Klage abzuweisen. Der Kläger hat beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und auf die Anschlußberufung den Beklagten zu verurteilen, "Rachen- und Kehlkopfkatarrh" als Schädigungsfolge anzuerkennen und Rente nach einer MdE um 50 v. H. zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 16. Oktober 1959 auf die Berufung des Beklagten und die Anschlußberufung des Klägers das Urteil des SG Dortmund vom 24. Februar 1959 abgeändert. Es hat den Beklagten verurteilt, "Kehlkopfkatarrh" bei dem Kläger als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen; im übrigen hat es die Berufung und die Anschlußberufung zurückgewiesen. Das LSG hat die Revision zugelassen.

In den Entscheidungsgründen hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, daß die letzte Entscheidung über die Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der beim Kläger noch bestehenden Kehlkopferkrankung und Einflüssen des Wehrdienstes vor Stellung seines Rentenerhöhungsantrages vom 6. Dezember 1957 im Jahre 1932 ergangen sei. Weder der Bescheid der Ruhrknappschaft nach der SVD Nr. 27 vom 4. Februar 1948 noch der Umanerkennungsbescheid des VersorgA Soest vom 21. Januar 1952 nach dem BVG enthielten eine erneute Entscheidung über die Frage, ob die Kehlkopferkrankung des Klägers mit Einflüssen des Wehrdienstes in ursächlichem Zusammenhang steht. Aus dem Fehlen eines Ausspruchs über die Anerkennung dieses Leidens in diesen Bescheiden könne nicht geschlossen werden, daß der Kehlkopfkatarrh nicht als Schädigungsfolge anerkannt werden sollte. Bei dem angefochtenen Bescheid vom 15. Juli 1958 handle es sich daher um einen Ergänzungsbescheid, mit dem der Beklagte über den Antrag des Klägers auf Anerkennung des Kehlkopfkatarrhs erstmalig nach dem BVG zu befinden hatte. Der Beklagte sei hierbei nach § 85 BVG an die letzte Entscheidung über den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Kehlkopfkatarrh des Klägers und Einflüssen des Wehrdienstes durch den Bescheid des VersorgA Soest vom 27. Oktober 1932 gebunden, da zu den bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften i. S. des § 85 BVG nicht nur die unmittelbar vor dem Inkrafttreten des BVG bestehenden Vorschriften, sondern alle Rechtsvorschriften versorgungsrechtlichen Inhalts gehörten. Ein Anspruch auf Erhöhung der Rente stehe dem Kläger allerdings auch nach zusätzlicher Anerkennung des Kehlkopfkatarrhs als Schädigungsfolge im Hinblick auf die einschränkenden Voraussetzungen des § 57 BVG nicht zu.

Gegen dieses ihm am 22. Dezember 1959 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 14. Januar 1960, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 15. Januar 1960, Revision eingelegt; er beantragt,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 16. Oktober 1959 aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 22. März 1960 hat der Beklagte die Revision mit Schriftsatz vom 17. März 1960, eingegangen beim BSG am 21. März 1960, begründet. Er rügt wesentliche Verfahrensmängel wegen Verletzung der §§ 54, 103, 106, 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); er macht ferner in materiell-rechtlicher Hinsicht eine Verletzung der §§ 1 und 85 BVG sowie eine Verletzung des § 40 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) geltend. Der Beklagte will aus dem angefochtenen Urteil entnehmen, das LSG sei von der Feststellung ausgegangen, daß bei dem Kläger ein Kehlkopfkatarrh noch bestehe. Für eine solche Feststellung enthalte das angefochtene Urteil jedoch keine nähere Begründung. Im übrigen sei der Sachverhalt insoweit nicht hinreichend aufgeklärt; auch stehe eine solche Feststellung im Widerspruch zu dem Gutachten des Prof. Dr. T, so daß das LSG die Grenzen seines Rechts zur freien Beweiswürdigung überschritten habe. Zudem sei der Inhalt der Versorgungsakten nicht hinreichend ausgewertet worden.

Zu der gerügten Verletzung des § 85 BVG führt der Beklagte aus, daß es sich bei dieser Vorschrift um eine Übergangsvorschrift für die Überleitung des Versorgungsverhältnisses in das Recht des BVG im Wege der Umanerkennung handle. Die Überleitung sei grundsätzlich durch den Erlaß des Umanerkennungsbescheides oder im Falle des § 86 Abs. 3 BVG mit Erlaß eines Bescheides nach dieser Vorschrift oder mit Ablauf der dort vorgesehenen Frist endgültig abgeschlossen. Spätestens von diesem Zeitpunkt an bestehe keine Veranlassung und kein Bedürfnis mehr, auf frühere Entscheidungen zurückzugreifen. Im übrigen habe der Versorgungsberechtigte die Möglichkeit gehabt, den Umanerkennungsbescheid anzufechten und dabei auf die Beachtung des § 85 BVG hinzuweisen. Wolle man bei einem zweiten Bescheid nach dem BVG noch § 85 BVG anwenden, so würde dies darauf hinauslaufen, die Überleitung zu korrigieren und dem Kläger einen versäumten Rechtsbehelf zu eröffnen. Im vorliegenden Falle sei durch den Umanerkennungsbescheid vom 21. Januar 1952 bereits über § 85 BVG entschieden worden. Da dieser Bescheid bindend geworden sei, komme die Anwendung dieser Vorschrift auf den angefochtenen Bescheid vom 15. Juli 1958 nicht mehr in Betracht. In den Umanerkennungsbescheid nach dem BVG sei nach § 85 BVG nur zu übernehmen gewesen, was in dem SVD-Bescheid der Ruhrknappschaft anerkannt war, nämlich der "Halssteckschuß" als Schädigungsfolge. Vom Umanerkennungsbescheid aus gesehen habe keine Veranlassung bestanden, auf frühere Rentenbescheide zurückzugreifen, weil die Entscheidung nach der SVD Nr. 27 überhaupt nicht unter Bindungen stand, die dem § 85 BVG entsprechen. Da jeder Rentenbescheid das Versorgungsverhältnis abschließend und erschöpfend regele, könne § 85 BVG stets nur auf den letzten, der Umanerkennung vorhergehenden Bescheid bezogen werden. Es gehe nicht an, einen bindenden Bescheid - hier den Bescheid nach der SVD Nr. 27 - gleichsam zu überspringen und Entscheidungen über den Kausalzusammenhang aus vorhergehenden Bescheiden heranzuziehen. Dies ergebe sich auch aus dem der Vorschrift des § 85 BVG zugrunde liegenden Gesichtspunkt der Rechtskontinuität, die nur gewahrt sei, wenn sich § 85 BVG lediglich auf den letzten bindenden Bescheid beziehe. Endlich spreche diese Vorschrift von den "bisherigen" versorgungsrechtlichen Vorschriften. In Beziehung zum BVG gesetzt, könne der Wortlaut nur dahin verstanden werden, daß versorgungsrechtliche Vorschriften gemeint sind, die "bis hierher", also unmittelbar vor dem Inkrafttreten des BVG gegolten haben. Es könne daher nicht angenommen werden, daß § 85 BVG unter "bisherigen" Vorschriften alle "früheren" Versorgungsgesetze gemeint hat.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision des Beklagten als unbegründet; er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die durch Zulassung nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision des Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Sie ist daher zulässig; sie ist auch begründet.

Das LSG ist in dem angefochtenen Urteil davon ausgegangen, daß weder der Bescheid der Ruhrknappschaft nach der SVD Nr. 27 vom 4. Februar 1948 noch der Umanerkennungsbescheid des VersorgA Soest vom 21. Januar 1952 nach dem BVG eine Entscheidung über die Frage enthielten, ob die Kehlkopferkrankung des Klägers mit schädigenden Einflüssen des Wehrdienstes in ursächlichem Zusammenhang steht. Die letzte Entscheidung über die Frage des ursächlichen Zusammenhangs sei im Jahre 1932 ergangen und nach § 85 BVG insoweit für den Beklagten bindend, da zu den bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften nicht nur die unmittelbar vor dem Inkrafttreten des BVG bestehenden Vorschriften, sondern alle Rechtsvorschriften versorgungsrechtlichen Inhalts gehörten.

Nach § 85 BVG sind frühere Entscheidungen auch nach dem BVG rechtsverbindlich, soweit nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften über die Frage des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang i. S. des § 1 BVG entschieden worden ist. Es handelt sich hierbei um eine Übergangsvorschrift, die den allgemeinen Grundsatz, daß durch das BVG der Versorgungsgrund auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt wird, durchbricht, um bei Ansprüchen auf Versorgungsleistungen in der Übergangszeit hinsichtlich der Beurteilung des medizinischen Zusammenhangs die Rechtssicherheit zu wahren und Verwaltungsarbeit zu ersparen (vgl. BSG 4, 21 und 116). Aus diesem Gedanken der Rechtskontinuität kann jedoch nicht ohne weiteres gefolgert werden, daß bei Vorliegen einer bindend gewordenen Entscheidung nach der SVD Nr. 27, in welcher der ursächliche Zusammenhang einer von dem Versorgungsberechtigten nach dem BVG geltend gemachten Gesundheitsstörung nicht ausdrücklich beurteilt worden ist, auf weiter zurückliegende Entscheidungen nach dem Reichsversorgungsgesetz zurückgegriffen werden kann. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 21. September 1962 - 10 RV 963/59 - bereits angedeutet, daß in einem solchen Falle der Charakter des § 85 BVG als Übergangsvorschrift außer acht gelassen würde, wenn auf weiter zurückliegende Entscheidungen, in denen irgendwann einmal die Zusammenhangsfrage beurteilt worden ist, zurückgegriffen werden könnte. Der Senat hat in diesem Urteil weiter ausgeführt: "Darüber hinaus würde bei einer solchen Anwendung des § 85 BVG aber auch eine Rechtsunsicherheit statt der beabsichtigten Kontinuierlichkeit der Entscheidung über den Versorgungsanspruch eintreten, denn es würde dann irgendeine Entscheidung aus der Vergangenheit deshalb Wirkungen äußern, weil in ihr zuletzt über die Zusammenhangsfrage entschieden worden ist, obwohl spätere, anderslautende Entscheidungen zum Anspruch des Klägers vorliegen, nur daß in diesen die Zusammenhangsfrage nicht beurteilt worden ist." Im vorliegenden Falle hat das LSG das Urteil des Versorgungsgerichts Dortmund vom 23. September 1932 und die in Ausführung dieses Urteils ergangene Benachrichtigung des VersorgA Soest vom 27. Oktober 1932, in der als Versorgungsleiden ein "Kehlkopfkatarrh" angeführt worden war, nach § 85 BVG als rechtsverbindlich für die Entscheidung nach dem BVG angesehen, obwohl ein bindend gewordener Bescheid nach der SVD Nr. 27 vom 4. Februar 1948 vorlag. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob dieser Rechtsauffassung des LSG im Hinblick auf die angeführte Entscheidung des erkennenden Senats vom 21. September 1962 zugestimmt werden kann; denn § 85 BVG kann im vorliegenden Falle schon aus einem anderen Grunde keine Anwendung finden.

Bei dem im Streit befindlichen Bescheid des VersorgA Soest vom 15. Juli 1958 handelt es sich nicht um die erste Entscheidung nach dem BVG, da bereits der Umanerkennungsbescheid vom 21. Januar 1952, mit dem ein Halssteckschuß anerkannt und Rente nach einer MdE um 40 v. H. gewährt wurde, ergangen ist. Der erkennende Senat hat schon in seinem Urteil vom 13. November 1956 (BSG 4, 116) ausgeführt, daß § 85 Satz 1 BVG eine bindend gewordene Entscheidung über die Frage des ursächlichen Zusammenhangs nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften in dem Zeitpunkt voraussetzt, in dem die Verwaltungsbehörde oder ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit nach dem Inkrafttreten des BVG "erstmals" unter Anwendung dieses Gesetzes über die Zusammenhangsfrage entscheidet. Der erkennende Senat hat diese Rechtsauffassung in seinem Urteil vom 21. September 1962 - 10 RV 1059/59 - aufrechterhalten und die Anwendung des § 85 BVG bei Erlaß eines späteren Bescheides nach diesem Gesetz verneint, wenn bereits erstmalig über den Anspruch des Klägers nach den Vorschriften des BVG entschieden worden ist. Die Bindungswirkung des § 85 BVG hinsichtlich der Zusammenhangsfrage erstreckt sich somit lediglich auf die erste Entscheidung nach den Vorschriften des BVG, im vorliegenden Falle also auf den vom Kläger nicht angefochtenen Umanerkennungsbescheid vom 21. Januar 1952. Dies folgt insbesondere aus dem Übergangscharakter des § 85 BVG, der eine Ausstrahlung einer nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften ergangenen Entscheidung über den ursächlichen Zusammenhang lediglich auf die erste Entscheidung nach dem BVG vorsieht. Der Kläger hätte also den Umanerkennungsbescheid vom 21. Januar 1952 anfechten müssen, um die erste Feststellung seines Versorgungsanspruchs nach dem BVG hinsichtlich der Frage nachprüfen zu lassen, ob in Bezug auf die jetzt von ihm begehrte Anerkennung eines Kehlkopfkatarrhs gegebenenfalls die Vorschrift des § 85 BVG zu beachten gewesen wäre. Da er dies nicht getan hat, steht diese Vorschrift im vorliegenden Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 15. Juli 1958 nicht der erneuten Prüfung darüber entgegen, ob der Kehlkopfkatarrh mit schädigenden Einflüssen des vom Kläger im ersten Weltkrieg geleisteten Wehrdienstes in ursächlichem Zusammenhang steht.

Das LSG hat somit den § 85 BVG verletzt, so daß das angefochtene Urteil schon aus diesem Grunde aufzuheben ist. Da das LSG - entsprechend seiner Rechtsauffassung - keine ausreichenden Feststellungen zu der Frage getroffen hat, ob bei dem Kläger überhaupt ein Kehlkopfkatarrh vorliegt und ob ein solches Leiden gegebenenfalls auf schädigende Vorgänge i. S. des BVG zurückzuführen ist, mußte die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Bei dieser Sach- und Rechtslage bedurfte es keiner Entscheidung über die von dem Beklagten erhobenen Verfahrensrügen einer Verletzung der §§ 54, 103, 106, 128 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2375125

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