Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufschub der Nachentrichtung von Beiträgen im Falle der Nachversicherung
Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidungen der nach AVG § 6 Abs 2 (= RVO § 1229 Abs 2) zuständigen Stellen, daß die Entrichtung der Beiträge aufgeschoben wird (AVG § 125 Abs 3 S 1 = RVO § 1403 Abs 3 S 1), haben, wenn sie im Einzelfalle nach dem Ausscheiden des Beschäftigten aus der versicherungsfreien Beschäftigung ergehen, rückwirkende Kraft. Dem steht nicht entgegen, daß die Nachversicherungsbeiträge inzwischen bereits entrichtet sind.
Beim Vorliegen eines Aufschubgrundes iS des AVG § 125 Abs 1 (= RVO § 1403 Abs 1) bewirken sie, daß die Nachentrichtung der Beiträge kraft Gesetzes aufgeschoben ist und die Beiträge als zu Unrecht entrichtet nach AVG § 146 (= RVO § 1424) zurückgefordert werden können.
Leitsatz (redaktionell)
Im Falle der Nachversicherung kommt ein Aufschub der Beitragsnachentrichtung nur dann in Betracht, wenn ein Aufschubgrund iS des RVO § 1403 Abs 1 (AVG § 125 Abs 1) vorliegt und die nach RVO § 1229 Abs 2 (AVG § 6 Abs 2) zuständige Stelle hierüber eine entsprechende Entscheidung getroffen hat (RVO § 1403 Abs 3 S 1, AVG § 125 Abs 3 S 1).
Normenkette
AVG § 6 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1229 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; AVG § 125 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1965-06-09; RVO § 1403 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1965-06-09; AVG § 125 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1403 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; AVG § 146 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1424 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. September 1972, das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 9. Dezember 1971 und der Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 1968 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 1971 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 4.428,82 DM zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Entscheidung der nach § 6 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) (= § 1229 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) zuständige Stelle, daß die Entrichtung der Beiträge aufgeschoben wird (§ 125 Abs. 3 Satz 1 AVG = § 1403 Abs. 3 Satz 1 RVO), noch nach Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge mit rückwirkender Kraft getroffen werden kann.
Die Beigeladene war bei dem Kläger vom 1. Oktober 1957 an mit Unterbrechungen im öffentlichen Schuldienst als Studienreferendarin und Studienassessorin versicherungsfrei beschäftigt. Sie war ab 1. November 1962 ohne Dienstbezüge beurlaubt und wurde am 31. März 1963 ohne Anspruch auf beamtenrechtliche Versorgung aus den Diensten des Landes entlassen. Seit dem 1. April 1963 steht sie bei der Protestantischen Landeskirche der Pfalz, zuletzt als Oberstudienrätin, wieder in einem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis.
Am 30. April 1963 überwies der Kläger an die Beklagte zur Durchführung der Nachversicherung der Beigeladenen für die Jahre 1957 bis 1963 Nachversicherungsbeiträge im Betrage von 4.428,82 DM. Mit Schreiben vom 10. August 1964 forderte er die Beiträge zurück; sie seien zu Unrecht entrichtet, weil ein Aufschubgrund bestanden habe. Die Beklagte lehnte die Rückzahlung ab; Klage und Berufung blieben ohne Erfolg; das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz entschied durch rechtskräftiges Urteil vom 24. Mai 1967, daß die Nachversicherung rechtmäßig durchgeführt worden sei; da es an einer Entscheidung der zuständigen Behörde über den Aufschub der Beitragsentrichtung fehle, könnte der von der Beklagten geltend gemachte Aufschubgrund zur Zeit noch nicht zum Tragen kommen.
Am 28. Juli 1967 erteilte die Bezirksregierung der Pfalz der Beigeladenen und der Beklagten eine "Bescheinigung über den Aufschub der Nachversicherung (Nachentrichtung von Beiträgen in der Rentenversicherung der Angestellten - § 125 Abs. 4 AVG -)", in der es ua hieß, die Nachentrichtung der Beiträge werde nach § 125 Abs. 1 AVG aufgeschoben, weil die Beschäftigte in eine andere in der Rentenversicherung der Angestellten versicherungsfreie Beschäftigung übergetreten sei; die Entscheidung über den Aufschub habe die gemäß § 6 Abs. 2 AVG zuständige Stelle getroffen. Damit war eine Entscheidung des Ministeriums für Unterricht und Kultus des Landes Rheinland-Pfalz in Mainz vom 21. Juli 1967 gemeint. Gleichzeitig beantragte der Kläger erneut die Rückzahlung der Beiträge, was die Beklagte mit Schreiben vom 19. Januar 1968 ablehnte.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Die Beklagte hat durch Bescheid ihrer Widerspruchsstelle vom 18. Oktober 1971 den Widerspruch gegen ihren Bescheid vom 19. Januar 1968 zurückgewiesen. Das Sozialgericht (SG) Speyer hat durch Urteil vom 9. Dezember 1971 die Klage abgewiesen. Das LSG Rheinland-Pfalz hat die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil unter Zulassung der Revision zurückgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für den Aufschub der Nachentrichtung der Beiträge nach § 125 AVG seien im Zeitpunkt der Beitragsentrichtung durch den Kläger im April 1963 nicht erfüllt gewesen, weil damals noch keine Aufschubentscheidung im Sinne des § 125 Abs. 3 AVG vorgelegen habe. Die Nachversicherungsbeiträge seien daher zu Recht entrichtet worden. Die Pflicht des Klägers zur Nachversicherung der Beigeladenen sei mit der Zahlung der Beiträge im April 1963 durch Erfüllung erloschen. Die spätere Aufschubentscheidung des Ministers für Unterricht und Kultus vom 21. Juli 1967 sei nach Erfüllung der Nachversicherungspflicht durch Entrichtung der Beiträge gegenstandslos und ohne rechtliche Wirksamkeit.
Gegen das Urteil hat der Kläger Revision eingelegt; er rügt unrichtige Anwendung der §§ 146, 125 AVG und beantragt,
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1. |
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das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 9. Dezember 1971 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 1968 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 1971 und das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. September 1972 aufzuheben; |
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2. |
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.428,82 DM nebst 4% Zinsen vom 1. März 1968 an zu zahlen. |
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Mit dem der Klage zugrunde liegenden Sachverhalt war der Senat in seinem Urteil vom 25. Juni 1971 (BSG in SozR Nr. 3 zu § 1403 RVO) bereits insofern befaßt, als die Beklagte gegen die am 28. Juli 1967 erteilte Bescheinigung der Bezirksregierung der Pfalz Klage erhoben hatte mit dem Antrag, diesen "Bescheid" aufzuheben. Der Senat hat diese Klage als unzulässig abgewiesen. Auf das Urteil wird verwiesen.
II
Die Revision des Klägers ist im wesentlichen begründet.
Der Kläger kann von der Beklagten die Nachversicherungsbeiträge im Betrage von 4.428,82 DM nach § 146 AVG zurückfordern, weil sie zu Unrecht entrichtet worden sind.
Unter den Beteiligten besteht mit Recht kein Streit darüber, daß für die Beigeladene durch ihr unversorgtes Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung bei dem klagenden Land der Nachversicherungsfall gemäß § 9 Abs. 1 AVG kraft Gesetzes eingetreten ist (Urteil des erkennenden Senats vom 17.11.1970 in BSG 32, 76, 79) und zunächst infolge ihrer Beurlaubung ohne Fortzahlung der Dienstbezüge vom 1. November 1962 an wegen vorübergehender Unterbrechung der versicherungsfreien Beschäftigung (§ 125 Abs. 1 Buchst. b AVG) und sodann infolge ihres Übertritts in eine andere ebenfalls versicherungsfreie Beschäftigung am 1. April 1963 ein Grund für den Aufschub der Nachentrichtung der Beiträge im Sinne des § 125 Abs. 1 Buchst. d aa AVG gegeben ist. Der Senat hat - wie das LSG zutreffend hervorgehoben hat - in seinem schon erwähnten Urteil vom 17. November 1970 ebenfalls dargelegt, daß auch der Aufschub der Nachentrichtung der Beiträge kraft Gesetzes eintritt und gemäß § 125 AVG davon abhängt, daß zwei Voraussetzungen erfüllt sind; einmal muß ein Aufschubgrund im Sinne des § 125 Abs. 1 AVG vorliegen, was hier der Fall ist; zum anderen muß die nach § 6 Abs. 2 AVG zuständige Stelle gemäß § 125 Abs. 3 Satz 1 AVG entschieden haben, daß die Entrichtung der Beiträge aufgeschoben wird. Auch diese zweite Voraussetzung ist entgegen der Auffassung des LSG erfüllt; denn die Entscheidung des Ministeriums für Unterricht und Kultus des Landes Rheinland-Pfalz vom 21. Juli 1967, daß in dem hier gegebenen Fall die Nachentrichtung der Beiträge nach § 125 Abs. 1 aufgeschoben wird, genügt den Anforderungen des § 125 Abs. 3 Satz 1 AVG, weil diese Entscheidung auch mit rückwirkender Kraft ergehen kann. Die bereits erfolgte Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge steht einer nachträglichen Aufschubentscheidung der nach § 6 Abs. 2 AVG zuständigen Stellen nicht entgegen. Auch eine solche nachträgliche Aufschubentscheidung erfüllt mit rückwirkender Kraft die Voraussetzung, daß die für den Aufschub der Nachentrichtung der Beiträge notwendige Entscheidung nach § 125 Abs. 3 Satz 1 AVG vorliegt.
Nach § 125 Abs. 3 Satz 1 AVG steht die Entscheidung darüber, ob beim Vorliegen eines Nachversicherungsfalles und eines Aufschubgrundes für den aus der versicherungsfreien Beschäftigung Ausgeschiedenen die Zahlung der Nachversicherungsbeiträge an den Träger der Rentenversicherung erfolgen soll oder aufgeschoben wird, für die beim Bund oder bei einer der Aufsicht des Bundes unterstehenden Körperschaft Beschäftigten dem zuständigen Bundesminister zu und für die bei sonstigen Körperschaften Beschäftigten der obersten Verwaltungsbehörde des Landes, in dessen Betrieben oder Dienst die Beschäftigung stattfindet oder in dessen Gebiet die Körperschaft ihren Sitz hat. Die Versicherungsträger sind an diese Aufschubentscheidungen der nach § 6 Abs. 2 AVG zuständigen Stellen grundsätzlich in gleicher Weise gebunden, wie an deren Gewährleistungsentscheidungen nach § 6 Abs. 2 AVG (SozR Nr. 3 zu § 1403 AVG).
In dem Wortlaut des § 125 Abs. 3 Satz 1 AVG ist nichts darüber gesagt, daß die Aufschubentscheidungen den Aufschub der Nachentrichtung der Beiträge erst von dem Zeitpunkt an begründen, in dem sie tatsächlich ergangen sind, also nur dann rechtliche Wirkung haben, wenn sie vor Eintritt des Nachversicherungsfalles und des Aufschubgrundes oder jedenfalls vor Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge getroffen sind, und daß ihnen eine rückwirkende Kraft nicht zukommt. Aus dem Sinn und Zweck der Regelung läßt sich eine solche Absicht des Gesetzes auch nicht herleiten.
Wie in den Nachversicherungsfällen des § 9 AVG der Aufschub der Nachentrichtung der Beiträge gemäß § 125 AVG nicht bereits dann eintritt, wenn die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale eines Aufschubgrundes im Sinne des § 125 Abs. 1 AVG erfüllt sind, sondern der Aufschub des weiteren davon abhängt, daß die nach § 6 Abs. 2 AVG zuständige Stelle die in § 125 Abs. 3 Satz 1 AVG vorgesehene Aufschubentscheidung getroffen hat, so ist auch die Versicherungsfreiheit in den in § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 4 AVG geregelten Fällen nicht ohne weiteres gegeben, wenn ein die Versicherungsfreiheit begründender Sachverhalt vorliegt, sondern die Versicherungsfreiheit hängt auch hier des weiteren davon ab, daß die nach § 6 Abs. 2 AVG zuständige Stelle die Gewährleistungsentscheidung getroffen hat (vgl. hierzu BSG 11, 278, 280; 32, 76, 80). Nach dem Recht, das bis zum 31. Dezember 1956 gegolten hat, bewirkte die Gewährleistung der Anwartschaften die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung erst von dem Zeitpunkt an, in dem sie tatsächlich verliehen wurde; sie hatte keine rückwirkende Kraft (§ 11 Abs. 4 AVG aF, § 1 AVG aF iVm § 169 Abs. 3 RVO, § 1234 Abs. 3 RVO aF). Die Versicherungsfreiheit trat demnach nicht vor dem Zeitpunkt ein, in dem die Verleihung ausgesprochen war, wobei es unerheblich war, ob ihr Rückwirkung beigelegt wurde (BSG 15, 65, 70; 24, 45, 48; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 320 b). Für das Recht der Neuregelungsgesetze in der Arbeiterrentenversicherung (ArV) und der Angestelltenversicherung (AV) hatte der Gesetzentwurf der Bundesregierung im letzten Halbsatz des § 1229 Abs. 1 Nr. 4 RVO (BT-Drucks. II/2437 S. 8) ebenfalls vorgesehen, daß der Zeitpunkt der tatsächlichen Gewährleistung maßgebend sein sollte. Dieser Halbsatz ist aber aufgrund des Änderungsvorschlages des Bundesrates (zu BT-Drucks. II/2437 Anl. 1 Nr. 6) gestrichen worden. Der Bundesrat hatte zur Begründung seines Änderungsvorschlages darauf hingewiesen, das bisher geltende Recht habe insofern zu Schwierigkeiten geführt, als die Auffassung vertreten worden sei, der Zeitpunkt der tatsächlichen Verleihung müsse in einem besonderen Verwaltungsakt erkennbar sein und könne keine Wirkung für eine zurückliegende Zeit haben. Es erscheine jedoch erforderlich, den zuständigen Behörden die alleinige Entscheidung sowohl über das Vorliegen der Voraussetzungen als auch über die Feststellung des Zeitpunktes, von dem an die Voraussetzungen bestehen, zu übertragen. Hierauf beruht die Gesetz gewordene Fassung des § 6 Abs. 2 AVG (= § 1229 Abs. 2 RVO), wonach die dort genannten Verwaltungsbehörden darüber entscheiden, "ob und seit wann" Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen gewährleistet ist.
Hiernach können die Gewährleistungsentscheidungen nach dem geltenden Recht für die Rentenversicherungen auch mit rückwirkender Kraft ergehen, und zwar - wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind - mit der rechtlichen Wirkung, daß die Versicherungsfreiheit von dem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt an eintritt, von dem an die Versorgungsanwartschaften nach der Entscheidung der in Betracht kommenden Stellen gewährleistet sind (Brackmann aaO. S. 320 b; Elsholz - Theile, Die gesetzliche Rentenversicherung, Syn. Komm., Nr. 10 Rdnr. 9; Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 2. Aufl., Anm. zu § 1229, S. 127; RVO - Gesamtkommentar § 1229 Anm. 4). Die Versicherungsfreiheit tritt also rückwirkend ein. Die aufgrund der ursprünglich versicherungspflichtigen Beschäftigung seit Beginn der Versicherungsfreiheit entrichteten Beiträge zur Rentenversicherung sind im Sinne des § 146 AVG zu Unrecht entrichtet, weil der Rechtsgrund für die Entrichtung - das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis - nachträglich entfallen ist. Diese Beiträge können nach § 146 AVG zurückgefordert werden (Jantz/Zweng aaO. Anm. zu § 1229 S. 127).
Das Gesetz selbst sieht hier also bereits eine Ausnahme von dem sonst im Rentenversicherungsrecht geltenden Grundsatz vor, daß in schon begründete und sogar zum Teil abgewickelte Versicherungsverhältnisse nicht rückwirkend ändernd oder aufhebend eingegriffen werden darf (vgl. hierzu BSG 20, 162, 165; 24, 45, 48). Die zunächst in Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht entrichteten Beiträge zur Rentenversicherung werden aufgrund einer Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde rückwirkend zu Unrecht entrichtete Beiträge und können als solche zurückgefordert werden. Diese besondere Regelung trägt dem Zweck des Gesetzes Rechnung, daß den dafür zuständigen Verwaltungsbehörden die alleinige Entscheidung darüber zustehen soll, von welchem Zeitpunkt an die Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit eintreten sollen, wenn die Versorgungsanwartschaften z. B. in einem Beamtenverhältnis auch tatsächlich bereits bestanden haben (vgl. hierzu Hanow/Lehmann/Bogs, Rentenversicherung der Arbeiter, 5. Aufl. § 1229 Rdnr. 14; BSG 24, 45, 48).
Dieser Rechtsgedanke, daß die öffentlich-rechtlichen Dienstherrn (Arbeitgeber) nicht verpflichtet sein sollen, Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen für solche Zeiten zu entrichten, in denen wegen bestehender Versorgungsanwartschaften die Voraussetzungen für eine versicherungsfreie Beschäftigung erfüllt gewesen sind, liegt aber in gleicher Weise der Regelung zugrunde, daß beim Ausscheiden aus einer solchen versicherungsfreien Beschäftigung ein Nachversicherungsfall zwar gegeben, die Nachentrichtung der Beiträge aber aus besonderen Gründen aufgeschoben ist. Ob beim Vorliegen eines Aufschubgrundes die Nachversicherung durch Entrichtung der Beiträge an den Träger der Rentenversicherung unter Aufwendung der entsprechenden Geldbeträge durchgeführt oder ob die Nachentrichtung der Beiträge unter Einsparung der dafür notwendigen Aufwendungen aufgeschoben wird, ist durch § 125 Abs. 3 Satz 1 AVG ebenfalls der alleinigen Entscheidung der nach § 6 Abs. 2 AVG zuständigen Verwaltungsbehörde übertragen (BSG 32, 76 ff). Dieser alleinigen Entscheidungsbefugnis würde aber die ihr vom Gesetz beigemessene Bedeutung und Wirkung genommen, wenn sie nach Eintritt des Nachversicherungsfalles trotz Vorliegens eines Aufschubgrundes oder nach Entrichtung der Beiträge nicht mehr mit rückwirkender Kraft zulässig sein sollte. Daß das Gesetz ebenso wie bei den Gewährleistungsentscheidungen auch für die Aufschubentscheidungen der nach § 6 Abs. 2 AVG zuständigen Stellen davon abgesehen hat, ausdrücklich vorzuschreiben, ob sie mit rückwirkender Kraft ergehen können oder nicht, erscheint auch im Hinblick auf die besondere Ausgestaltung der Aufschubgründe allein sinnvoll.
Für die Beurteilung, ob ein Grund für den Aufschub der Nachentrichtung der Beiträge i. S. des § 125 Abs. 1 AVG besteht, kommt es zwar grundsätzlich auf die Verhältnisse an, die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung gegeben sind. Die Entscheidung nach § 125 Abs. 3 Satz 1 AVG, daß die Entrichtung der Beiträge aufgeschoben wird, hat die zuständige Stelle in der Regel auch unverzüglich nach dem Ausscheiden des Versicherten zu treffen (vgl. hierzu Hanow/Lehmann/Bogs, aaO § 1403 Rndnr. 15). Jedoch setzt dies voraus, daß ihr der Eintritt des Nachversicherungsfalles und das Vorliegen eines Aufschubgrundes bekannt sind. Zudem muß dieser Stelle, wenn die Aufschubentscheidung - wie hier - für den Einzelfall ergeht, für eine angemessene Zeit die Möglichkeit eingeräumt werden, zu prüfen und zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für den Eintritt des Nachversicherungsfalles und des Aufschubgrundes auch vorliegen, ob also z. B. der ausgeschiedene Beschäftigte unmittelbar in eine andere ebenfalls in der Rentenversicherung versicherungsfreie oder zu einer probeweisen Beschäftigung i. S. des § 125 Abs. 1 Buchst. d bb) AVG übergetreten ist oder spätestens ein Jahr nach dem Ausscheiden in eine andere in der Rentenversicherung versicherungsfreie Beschäftigung übertritt (§ 125 Abs. 1 Buchst. d aa) AVG). Die dafür erforderlichen Feststellungen kann die zuständige Stelle naturgemäß erst nach dem Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung treffen. Es widerspricht deshalb jedenfalls nicht dem Gesetz, wenn die nach § 6 Abs. 2 AVG zuständige Stelle die ihr allein zustehende Entscheidung nach § 125 Abs. 3 Satz 1 AVG für den Einzelfall und erst nach dem Ausscheiden des Beschäftigten aus der versicherungsfreien Beschäftigung und nach Vorliegen des konkreten Aufschubgrundes fällt. Schon hieraus folgt, daß diesen Entscheidungen eine auf den Zeitpunkt des Ausscheidens rückwirkende Kraft nicht abgesprochen werden kann. Aber selbst die bereits vollzogene Entrichtung der Beiträge auf Grund einer zunächst bestehenden Pflicht zur Nachentrichtung steht der Rückwirkung der in § 125 Abs. 3 Satz 1 AVG vorgesehenen Entscheidungen der zuständigen Verwaltungsbehörden nicht entgegen, weil andernfalls der dieser Stellen vom Gesetz eingeräumten alleinigen Entscheidungsbefugnis nicht Rechnung getragen würde. Es handelt sich hier also - was die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) nicht hinreichend beachtet - um einen weiteren Fall einer durch das Gesetz geregelten Ausnahme von dem Grundsatz, daß in schon begründete und sogar zum Teil abgewickelte Versicherungsverhältnisse nicht rückwirkend ändernd oder aufhebend eingegriffen werden darf.
Der Gesichtspunkt, daß das klagende Land mit der Zahlung der Nachversicherungsbeiträge am 30. April 1963 aufgrund einer gesetzlich bestehenden Pflicht zur Nachentrichtung der Beiträge eine bestehende Schuld erfüllt hat, weil mangels Vorliegens der Aufschubentscheidung der zuständigen Stelle nach § 125 Abs. 3 Satz 1 AVG zu diesem Zeitpunkt die Nachentrichtung der Beiträge nicht aufgeschoben war, worauf es das LSG bei seiner Entscheidung im wesentlichen abgestellt hat, schließt es nicht aus, daß es sich bei den zunächst zu Recht entrichteten Beiträgen nach Vorliegen dieser Aufschubentscheidung um zu Unrecht entrichtete Beiträge im Sinne des § 146 AVG handelt. Die Aufschubentscheidung des Ministeriums für Unterricht und Kultus vom 21. Juli 1967 wirkt auf den Zeitpunkt des unversorgten Ausscheidens der Beigeladenen aus der versicherungsfreien Beschäftigung des Landes Rheinland-Pfalz am 31. Oktober 1962 zurück. Durch sie ist die Rechtslage rückwirkend dahin geändert worden, daß die Nachentrichtung der Beiträge bereits seit dem 1. November 1962 aufgeschoben und die Pflicht des klagenden Landes zur unverzüglichen Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge entfallen ist.
Zwar wird auch zu den Gewährleistungsentscheidungen die Auffassung vertreten, das im neuen Recht weggefallene Rückwirkungsverbot gebe den obersten Verwaltungsbehörden nicht die Freiheit, eine bisher eindeutig anerkannte und durch Entrichtung von Beiträgen erfüllte Versicherungspflicht, aus der der Versicherungsträger das Wagnis getragen habe, rückwirkend in das Gegenteil zu verkehren. Das Beitragsrecht der Rentenversicherung sei formstreng und vertrage kein sogenanntes Gefälligkeitsrecht. Wer Angestellte mit dem Ziel beschäftige, sie bei Bewährung in das Beamtenverhältnis zu berufen, ohne sie schon vorzeitig mit einem Gewährleistungsbescheid zu decken, dürfe nicht nachträglich die Beiträge zurückfordern, sofern der Beschäftigte die Probezeit erfolgreich ablege; denn ein Gewährleistungsbescheid binde ungeachtet des § 6 Abs. 2 AVG nicht, soweit er mißbräuchlich ergehe. Damit beschränke sich die Rückwirkung auf bloße Formfehler und kurze Zeiträume und habe vor allem übergangsrechtlich seine besondere Bedeutung (so Koch/Hartmann/v. Altrock/Fürst AVG Band IV § 6 AVG Anm. B II 4 c). Diese Gesichtspunkte werden zum Teil auch vom LSG und der beklagten BfA dafür angeführt, daß die hier ergangene Aufschubentscheidung vom 21. Juli 1967 keine rückwirkende Kraft haben könne. Sie tragen jedoch dem geltenden Recht und dem Zweck des Gesetzes nicht Rechnung. Ebenso wie die zuständigen Stellen nach § 6 Abs. 2 AVG die Gewährleistung der Versorgungsanwartschaften für eine zurückliegende Zeit insoweit verleihen dürfen, als die Versorgungsanwartschaften kraft des tatsächlich begründeten und gestalteten Beschäftigungsverhältnisses wirklich bestanden haben (so Hanow/Lehmann/Bogs aaO § 1229 Rdnr. 14), so dürfen die nach § 6 Abs. 2 AVG zuständigen Stellen auch nach § 125 Abs. 3 Satz 1 AVG die Aufschubentscheidungen rückwirkend für den Zeitpunkt des unversorgten Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung treffen, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen eines gesetzlichen Aufschubgrundes wirklich bestehen. Es ist nicht zu erkennen, in welchen Fällen derartige Aufschubentscheidungen, mit denen nur das den Verwaltungsbehörden vom Gesetz ausdrücklich eingeräumte Recht ausgeübt wird und die deshalb dem Gesetz entsprechen, mißbräuchlich ergehen können. Auf keinen Fall aber trifft es für die Rückwirkung von Aufschubentscheidungen im Sinne des § 125 Abs. 3 Satz 1 AVG zu, daß sie sich auf bloße Formfehler und kurze Zeiträume beschränken.
Selbst solchen Aufschubentscheidungen im Sinne des § 125 Abs. 3 Satz 1 AVG, die erst lange Zeit nach dem unversorgten Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung ergehen, kann die rückwirkende Kraft nicht abgesprochen werden. Hier hat das klagende Land die Durchführung der Nachversicherung der Beigeladenen bei der Beklagten am 6. März 1963 in einem Zeitpunkt beantragt, als die Beigeladene infolge ihrer Beurlaubung ohne Fortzahlung der Dienstbezüge wegen vorübergehender Unterbrechung der versicherungsfreien Beschäftigung aus der versicherungsfreien Beschäftigung des Landes zwar schon am 31. Oktober 1962 unversorgt ausgeschieden und der Nachversicherungsfall i. S. des § 9 Abs. 1 AVG eingetreten war und auch ein vorübergehender gesetzlicher Aufschubgrund für die Nachentrichtung der Beiträge i. S. des § 125 Abs. 1 Buchst. b AVG vorlag (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 14.2.1973 - 1 RA 121/72 -). Die Beigeladene ist aber erst am 1. April 1963 in eine wiederum versicherungsfreie Beschäftigung übergetreten. Der Kläger hat sodann am 30. April 1963 die Nachversicherungsbeiträge entrichtet, offensichtlich ohne daß er und die Beklagte wußten, daß inzwischen am 1. April 1963 der weitere und endgültige gesetzliche Aufschubgrund des § 125 Abs. 1 Buchst. d aa AVG eingetreten war. Die Aufschubentscheidung ist deshalb erst am 21. Juli 1967 durch die oberste Verwaltungsbehörde getroffen worden, weil erst nach einem Streitverfahren durch das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 24. Mai 1967 geklärt worden ist, daß es an dieser Aufschubentscheidung fehlt. Wenn schließlich das klagende Land erst am 28. Juli 1967 nochmals die Nachversicherungsbeiträge als zu Unrecht entrichtet zurückgefordert hat, so ist dies vor allem darauf zurückzuführen, daß - wie das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 24. Mai 1967, die inzwischen zum Nachversicherungsrecht ergangenen Entscheidungen des BSG, der hier anhängige Rechtsstreit sowie das einschlägige Schrifttum zeigen - die mit dem Nachversicherungsrecht zusammenhängenden Rechtsfragen lange Zeit umstritten und ungeklärt gewesen sind. Der Kläger verlangt die hier gezahlten Nachversicherungsbeiträge als zu Unrecht entrichtet aber bereits seit dem 10. August 1964 zurück. Seit dieser Zeit ist - wie allen Beteiligten bekannt - ihre Rechtsgültigkeit in Frage gestellt. Auch die erst mehrere Jahre nach dem Ausscheiden der Beigeladenen aus der versicherungsfreien Beschäftigung und nach dem Vorliegen des endgültigen Aufschubgrundes ergangene Aufschubentscheidung vom 21. Juli 1967 trifft in gesetzlich vorgesehener Weise die Entscheidung der zuständigen Stelle, daß die Nachentrichtung der Beiträge aufgeschoben wird. Sie ist sachgerecht und trägt den Belangen aller Beteiligten, der Beigeladenen als Versicherten, der Beklagten als Versicherungsträger und dem Land Rheinland-Pfalz als Arbeitgeber dem erkennbaren Zweck des Gesetzes entsprechend, Doppelleistungen auf Grund derselben Zeiten zu vermeiden (vgl. hierzu Hanow-Lehmann-Bogs aaO § 1403 Rndnr. 15; Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 1. Aufl. § 1403 RVO Anm. I 2 a S. 239), Rechnung. Der zeitliche Abstand allein gibt in dem gegenwärtigen Fall mithin keinen Anlaß, der Aufschubentscheidung vom 21. Juli 1967 die rechtliche Bedeutung und Wirkung einer Entscheidung im Sinne des § 125 Abs. 3 Satz 1 AVG zu versagen.
Hat das klagende Land sonach die Nachversicherungsbeiträge für die Beigeladene im Betrage von 4.428,82 DM zu Unrecht entrichtet, so kann er sie nach der Vorschrift des § 146 AVG zurückfordern, die auch auf zu Unrecht entrichtete Nachversicherungsbeiträge anzuwenden ist (BSG 32, 76, 78). Die in § 146 AVG vorgesehenen Fristen sind eingehalten. Hier folgt dies bereits aus § 146 Abs. 1 AVG, wie das LSG entgegen der vom SG vertretenen Auffassung zutreffend dargelegt hat. Die Beiträge sind zwar schon am 30. April 1963 entrichtet; die Frist von zwei Jahren wäre danach am 31. Dezember 1965 abgelaufen gewesen, so daß der am 28. Juli 1967 erneut gestellte Rückforderungsantrag nicht fristgerecht wäre. Da aber der Lauf der Frist durch die Zeit des Vorverfahrens und des sozialgerichtlichen Verfahrens aufgrund des ersten Rückforderungsantrages vom 10. August 1964 unterbrochen worden ist (§ 142 Abs. 2 und 3 AVG; BSG in SozR Nr. 5 zu § 1420 RVO), hat der Lauf der neuen Frist mit dem Ende der Unterbrechung durch das rechtskräftige Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 24. Mai 1967 begonnen (BSG 25, 136). Der neue Antrag vom 28. Juli 1967 ist demnach schon hiernach fristgerecht gestellt. Auf die Vorschrift des § 146 Abs. 2 AVG braucht deshalb nicht eingegangen zu werden.
Die Beklagte ist aus diesen Gründen verpflichtet, den Betrag von 4.428,82 DM an den Kläger zu zahlen, so daß sie entsprechend zu verurteilen ist.
Der mit der Klage verfolgte Anspruch auf Prozeßzinsen ist dagegen nicht begründet. Das BSG hat schon wiederholt entschieden, daß im Beitrags- und Leistungsrecht der Sozialversicherung ein Anspruch auf Prozeßzinsen nicht besteht (BSG 22, 150; 24, 16). Die Klage ist insoweit abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen