Leitsatz (amtlich)

1. AFG § 117 Abs 2 und 3 idF des 4. Gesetzes zur Änderung des AFG vom 1977-12-12 (BGBl I 1977, 2557) verstoßen nicht gegen GG Art 3 Abs 1.

2. Ein Anspruch auf Abfindung kann wegen der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses iS von AFG § 117 Abs 2 auch dann entstanden sein, wenn der Arbeitslose in den Betrieb des Arbeitgebers bei Eintritt der Arbeitslosigkeit noch nicht eingegliedert war.

3. AFG § 117 Abs 2 und 3 stellen eine die Anwendung des AFG § 127 ausschließende Sonderregelung dar.

4. Die BA hat gegen den Arbeitslosen weder nach AFG § 117 Abs 2 noch nach AFG § 127 einen Anspruch auf Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge, die sie für ihn während der Zeit eines zu Unrecht gezahlten Alg entrichtet hat.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Arbeitsverhältnis iS von AFG § 117 Abs 2 liegt auch dann vor, wenn ein Arbeitsvertrag geschlossen wurde, es jedoch nicht zur Aufnahme einer tatsächlichen Beschäftigung gekommen ist.

Ruht in einem solchen Falle der Anspruch auf Alg, ist bei der Berechnung des Ruhenszeitraums AFG § 117 Abs 3 entsprechend anzuwenden.

Auch Zuwendungen aus sozialen Gründen sind als Leistungen iS des AFG § 117 Abs 2 zu berücksichtigen, wenn sie in Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehen.

2. Neben AFG § 117 Abs 4 ist eine Anwendung des AFG § 127 nicht möglich.

3. AFG § 152 Abs 2 beschränkt die Rückforderung auf das Alg; hierzu gehören nicht die Krankenversicherungsbeiträge, die von der BA im Zusammenhang mit der Gewährung von Leistungen an Berechtigten zu erbringen sind.

4. Die BA kann einen Bewilligungsbescheid nach AFG § 151 mit der Begründung aufheben, daß der Anspruch auf Alg nach einem der Tatbestände der AFG §§ 116 bis 119 ruhe oder geruht habe.

5. Zur Zulässigkeit der Berufung, wenn ein Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid im Streit ist.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; AFG § 117 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1977-12-12, Abs. 3 Fassung: 1977-12-12, § 127 Fassung: 1969-06-25, § 117 Abs. 4 Fassung: 1969-06-25, § 152 Abs. 2 Fassung: 1969-06-25, § 151 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25; SGG § 144 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03, § 147 Fassung: 1958-06-25

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 10.02.1976; Aktenzeichen L 5 Ar 1004/75)

SG Heilbronn (Entscheidung vom 19.06.1975; Aktenzeichen S 3 Ar 1883/74)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. Februar 1976 wird zurückgewiesen, soweit es die Rückforderung von Krankenversicherungsbeiträgen betrifft.

Im übrigen wird das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Abfindungssumme, die der Kläger bei vergleichsweiser Aufhebung eines Arbeitsvertrages erhalten hat, auf seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) anzurechnen und ob deshalb die Beklagte berechtigt ist, bereits gewährtes Alg zurückzufordern und hinsichtlich der für den Kläger gezahlten Krankenversicherungsbeiträge Erstattung zu verlangen.

Der im Jahre 1916 geborene Kläger ist von Beruf Schriftsetzermeister. Im September 1973 schloß er mit der Firma "W Drucke" (Fa. W.), Inhaber Wilfried W (W.), einen Vertrag, demzufolge er ab 1. April 1974 bei dieser Firma, die ihren Geschäftsbetrieb erst zu dieser Zeit aufnehmen wollte, als Geschäftsführer und technischer Betriebsleiter tätig werden sollte. Der Kläger sollte ein Monatsgehalt von 3.500,- DM brutto zuzüglich 10% Gewinnbeteiligung erhalten. Das Arbeitsverhältnis sollte für unbestimmte Zeit abgeschlossen und jeweils am Ende eines Kalenderjahres mit einer Frist von einem Jahr schriftlich kündbar sein. Darauf kündigte der Kläger zum 31. März 1974 sein bei den "F Nachrichten" bestehendes Arbeitsverhältnis.

Spätestens Anfang März 1974 wurde dem Kläger bekannt, daß die Fa. W. ihre Tätigkeit nicht aufnehmen würde.

Am 28. März 1974 meldete sich der Kläger, der bei seinem bisherigen Arbeitgeber nicht weiter beschäftigt werden konnte, arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bescheid vom 8. Mai 1974 bewilligte die Beklagte ihm Alg für die Dauer von 234 Wochentagen ab 1. April 1974. Mit Schreiben vom gleichen Tage an die Fa. W. machte die Beklagte den Forderungsübergang gemäß § 117 Abs 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) geltend.

Der Kläger erhob gegen W. Klage beim Arbeitsgericht mit dem Antrag, ihn zu verurteilen, an ihn, den Kläger, für die Zeit vom 1. April 1974 bis 31. Dezember 1975 monatlich 3.500,- DM zu zahlen. In der Güteverhandlung vom 10. Juni 1974 schlossen die Parteien des Arbeitsgerichtsverfahrens einen Vergleich, wonach sich der Beklagte W. verpflichtete, an den Kläger ohne Anerkennung einer Rechtspflicht 40.000,- DM zu zahlen, während der Kläger auf alle irgendwie gearteten Rechte gegen die Eheleute W. verzichtete. Der Betrag von 40.000,- DM wurde dem Kläger ausbezahlt.

Ab 1. November 1974 war der Kläger wieder in Arbeit. Die Beklagte forderte von dem Kläger das bereits ausgezahlte Alg zurück und verlangte, daß er ihr die Krankenversicherungsbeiträge erstatte, die sie inzwischen für ihn geleistet hatte ("Aufhebungs- und Rückzahlungsbescheid" vom 2. August 1974; Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 1974).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 10. Februar 1976 das angefochtene Urteil sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben.

Es hat im wesentlichen ausgeführt:

§ 117 Abs 2 Satz 1 AFG setze voraus, daß der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen habe. Im Falle des Klägers habe kein Arbeitsverhältnis vorgelegen. Der Abschluß eines Arbeitsvertrages reiche allein nicht aus, um ein Arbeitsverhältnis zu begründen. Hinzukommen müßten die Eingliederung in den Betrieb und die Willenseinigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, daß letzterer in einer bestimmten Weise nunmehr beschäftigt und von den Weisungen des Arbeitgebers abhängig sein solle. Ihrem Wesen nach sei die Abfindung, die der Kläger erhalten habe, Schadensersatz für die möglicherweise nicht wiedergutzumachenden Folgen, welchen sich der Kläger gegenübergesehen hätte, nachdem er durch die Nichterfüllung des Arbeitsvertrages ohne berufliche Existenz gewesen sei.

Ebensowenig könne eine Anrechnung der Abfindung nach § 127 AFG erfolgen. Nur Schadensersatzansprüche, die auf gesetzlichen Vorschriften beruhten, gingen auf die Beklagte über. Der Kläger habe gegen seinen Vertragspartner W. aber nur vertragliche Ansprüche erworben.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 117, 127, 151 und 152 AFG. Sie trägt vor:

Der Anspruch des Klägers auf Alg habe gemäß § 117 Abs 2 Satz 1 AFG geruht. Der Kläger habe einen rechtsgültigen Arbeitsvertrag mit der Fa. W. geschlossen und damit ein Arbeitsverhältnis begründet. Nach der heute herrschenden Vertragstheorie sei ein Arbeitsverhältnis das Rechtsverhältnis zwischen dem einzelnen Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber, aufgrund dessen der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Leistung von Arbeit verpflichtet sei. Davon zu unterscheiden sei das tatsächliche Verhältnis, das von der herrschenden Meinung als Beschäftigungsverhältnis oder als faktisches Arbeitsverhältnis bezeichnet werde. Im übrigen sei § 117 Abs 2 Satz 1 AFG selbst dann erfüllt, wenn in dieser Bestimmung nicht ein Arbeitsverhältnis, sondern ein Beschäftigungsverhältnis gefordert sein sollte. Das Bundessozialgericht (BSG) habe wiederholt entschieden, daß ein (versicherungspflichtiges) Beschäftigungsverhältnis auch in Zeiten bestehen könne, in denen tatsächlich nicht gearbeitet würde, sofern ein rechtsgültiger Arbeitsvertrag vorliege und grundsätzliche Dienstbereitschaft auf Seiten des Arbeitnehmers sowie Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers vorhanden sei.

Wenn der § 117 Abs 2 AFG nicht einschlägig sei, sei § 127 AFG anzuwenden. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe in seiner Entscheidung vom 20. Februar 1958 - VII ZR 76/57 (KG) - ausgeführt, daß es für den Übergang von Schadensersatzansprüchen nach der insoweit gleichlautenden Vorschrift des § 1542 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ohne Bedeutung sei, ob die Ansprüche aus einer Vertragsverletzung entstanden seien oder sich unmittelbar aus dem Gesetz ergäben. Auch nach § 127 AFG gingen vertragliche Ansprüche auf sie, die Beklagte, über.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben sowie die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Juni 1975 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist hinsichtlich der Rückforderung des Alg in dem Sinne begründet, daß das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist. Bezüglich der Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen ist sie unbegründet.

Das LSG hat zutreffend angenommen, daß die Berufung gegen das Urteil des SG zulässig ist. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten enthalten zwei Verfügungssätze. Zum einen wird der Bescheid aufgehoben, mit dem das Alg bewilligt worden war, zum anderen werden die bereits geleisteten Zahlungen und die entrichteten Krankenversicherungsbeiträge zurückgefordert. Die Beklagte hat demgemäß ihren Bescheid vom 2. August 1974 als "Aufhebungs- und Rückzahlungsbescheid" bezeichnet. Auch ohne daß das im Wortlaut des Bescheides deutlich zum Ausdruck kommt, ist in der Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs regelmäßig auch gleichzeitig die entsprechende Rücknahme des bewilligenden Verwaltungsaktes zu sehen (BSGE 29, 6, 9; 37, 155, 157). Beide Aussprüche sind gesondert auf ihre Berufungsfähigkeit zu prüfen. Es ist allgemein anerkannt und ständige Rechtsprechung des BSG, daß bei der Geltendmachung mehrerer selbständiger prozessualer Ansprüche, die Zulässigkeit des Rechtsmittels jeweils gesondert zu prüfen ist (BSGE 3, 135, 139; 5, 222, 225; 6, 11, 15; 10, 264, 266, 267; SozR 1500 § 144 Nr 4). Zwei selbständige prozessuale Ansprüche sind von der Rechtsprechung auch dann angenommen worden, wenn ein Bescheid aus einem Teil bestanden hat, der einen früheren Bescheid aufgehoben und einen weiteren Teil, der die aufgrund des aufgehobenen Bescheides ergangene Leistung zurückgefordert hat (BSGE 6, 11, 15).

Soweit der Bescheid vom 2. August 1974 inhaltlich den früher ergangenen Bewilligungsbescheid aufhebt, regelt er die Zahlung des Alg, also Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen. Der Berufungsausschluß des § 144 Abs 1 Nr 2 SGG greift im vorliegenden Fall jedoch nicht ein, weil die Berufung einen Zeitraum von mehr als 13 Wochen (3 Monate) erfaßt. Auch nach § 147 SGG ist die Berufung im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen. Danach ist die Berufung nicht zulässig, falls sie in Angelegenheiten der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe Beginn oder Höhe der Leistung betrifft. Ein Streit über den Beginn einer Leistung liegt vor, wenn die Leistung als solche unstreitig zu gewähren, aber streitig ist, von welchem Tage an sie gewährt werden darf (BSGE 1, 111, 114; BSG Breithaupt 1963, 726; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 147, 2).

In seinem Urteil vom 17. September 1964 hat der 7. Senat des BSG unter Aufgabe seiner bis dahin anders lautenden Meinung (vgl Urteil vom 19. Dezember 1962 - 7 RAr 69/61 - Breithaupt 1963, 726) im Hinblick auf § 96 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG), dem Vorgänger des § 117 AFG, ausgesprochen, daß bei der Entscheidung darüber, ob und wie lange das Alg wegen Bezuges von Urlaubsgeld ruhe, es sich regelmäßig um einen Beginnstreit im Sinne des § 147 SGG handele (BSGE 21, 292). Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, daß im Gegensatz zu Sperrfristverfügungen, die einen nach damaligem Recht (§§ 78, 79 AVAVG idF vom 3. April 1957 - BGBl I S. 321 -) bestehenden Alg-Anspruch um die Zahl der Sperrtage verkürzten und verbrauchten, die Ruhensanordnung nach § 96 AVAVG keine Verkürzung des Leistungsanspruches an sich, sondern lediglich eine "Hinausrückung des Zahlungsbeginns" bewirke, die die Anspruchsdauer unangetastet lasse (BSG aaO, S. 295; im Ergebnis ebenso Peters/Sautter/Wolff, aaO; Meyer/Ladewig, Sozialgerichtsgesetz § 147 Rdnr 3).

Alle genannten Entscheidungen des BSG ergingen in Fällen, in denen dem Arbeitslosen, der sich zu einem bestimmten Zeitpunkt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hatte, Leistungen erst von einem späteren Zeitpunkt an bewilligt wurden; dagegen war ein früherer Beginn der Zahlung abgelehnt worden, weil der Kläger anläßlich der Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses bestimmte Zahlungen von seinem früheren Arbeitgeber erhalten hatte.

Abweichend hiervon ist der vorliegende Fall dadurch gekennzeichnet, daß die Beklagte bereits bewilligte Leistungen aufgehoben hat. Das bedeutet aber nichts anderes, als daß der Anspruch dem Kläger völlig entzogen worden ist, mithin auch dem Grunde nach nicht mehr besteht.

Daß die Entziehung des Alg möglich ist, wenn der Alg-Anspruch ruht, entspricht der Rechtsprechung des Senats. In seinem Urteil vom 3. Juni 1975 - 7 RAr 10/73 - hat er ausgeführt, ein Ruhen des Alg-Anspruchs bedeute lediglich die das Stammrecht unberührt lassende vorübergehende Aussetzung der Zahlung. Die sich hieraus ergebende Folge, daß der Anspruch nach Wegfall des Ruhenstatbestandes in vollem Umfange und ohne weiteres wiederauflebe, trete dann nicht ein, wenn die Beklagte den Anspruch entziehe. Nur dann, wenn von der Möglichkeit der Aufhebung kein Gebrauch gemacht werde, bleibe der Anspruch bestehen. Hat die Aufhebung (Entziehung) des Anspruchs dessen gänzliche Beseitigung zur Folge, so betrifft die Berufung des Klägers nicht den Beginn eines Anspruchs, sondern (auch) seinen Grund. Es ist - in der Terminologie des Senats - das Stammrecht selbst betroffen, die Gewährung einer Leistung überhaupt ist umstritten. Um die gänzliche Aufhebung des Alg-Anspruchs und nicht bloß um die Hinausschiebung seines Beginns geht es im vorliegenden Fall deshalb, weil der Kläger ab 1. November 1974 wieder in Arbeit war. Sein Alg-Anspruch würde daher auf keinen Fall entsprechend der Ruhenszeit verlängert werden. Aus diesem Grunde liegt ein Beginnstreit, der gemäß § 147 SGG von der Berufung ausgeschlossen ist, nicht vor.

Gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen ferner keine Bedenken, soweit es sich um den zweiten Teil des Bescheides vom 2. August 1974 - die Rückforderung des gewährten Alg - handelt. Die Voraussetzungen des Berufungsausschlusses liegen nicht vor. Wenn auch die Beklagte die Rückzahlung in einem Betrage begehrt, so handelt es sich doch nicht um eine einmalige Leistung im Sinne des § 144 Abs 1 Nr 1 SGG (BSGE 3, 234; Urteil vom 27. Januar 1977 - 7 RAr 121/75). Ebenso findet § 147 SGG keine Anwendung, weil diese Norm unter dem Begriff der Leistung nur Ansprüche Einzelner gegen die öffentliche Hand versteht, nicht dagegen umgekehrt Ansprüche dieser gegen den Bürger (BSGE 22, 181, 182; 30, 230, 232 jeweils zu § 144 SGG; Meyer/Ladewig, § 147 Rdnr 3). Bei der geltend gemachten Rückforderung handelt es sich um die Rückerstattung von Leistungen im Sinne von § 149 SGG. Da der Betrag der Rückforderung über der seit dem 1. Januar 1975 gültigen Grenze von 1.000,- DM liegt, war die Berufung zulässig.

Der Aufhebungsbescheid ist nicht etwa schon deshalb rechtswidrig, weil - entgegen der Praxis der Beklagten und der Rechtsprechung des Senats - Bewilligungsbescheide nicht mit der Begründung aufgehoben werden können, der Leistungsanspruch ruhe.

Als belastender Verwaltungsakt bedarf die Aufhebung des Bewilligungsbescheides allerdings einer besonderen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Als solche kommt die Vorschrift des § 151 AFG in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind Entscheidungen, durch die Leistungen nach dem AFG bewilligt worden sind, insoweit (also ganz oder teilweise) aufzuheben, als die Voraussetzungen für die Leistungen (von Anfang an) nicht vorgelegen haben oder (später) weggefallen sind.

Da der Kläger die Voraussetzungen des § 100 Abs 1 AFG für den Anspruch auf Alg zu Beginn der Alg-Zahlungen und auch später unstreitig erfüllt hat, hängt die Frage der Rechtmäßigkeit des die Aufhebung verfügenden Teils des angefochtenen Bescheides zunächst davon ab, ob ein Ruhenstatbestand (§ 117 AFG) die Beklagte überhaupt zur - gänzlichen - Aufhebung der Bewilligung berechtigt. Das ist zu bejahen.

Die Bundesanstalt für Arbeit (BA) macht von der Möglichkeit der Aufhebung regelmäßig Gebrauch, wenn der Leistungsanspruch des Berechtigten aus irgendeinem gesetzlichen Grunde (§§ 116 bis 119 AFG) ruht. Sie stützt sich auf die Rechtsprechung des BSG zu § 77 AVAVG (BSGE 21, 286, 287), wonach ua das Zusammentreffen von Alg- und Krankengeldanspruch zum Ruhen des ersteren führte, und zu § 87 Abs 5 AVAVG (BSGE 14, 280, 282), der das Ruhen des Alg-Anspruchs unter bestimmten Voraussetzungen im Falle der Zuerkennung eines Rentenanspruchs oder ähnlicher öffentlich-rechtlicher Bezüge vorsah. Durch die Entscheidung des Senats vom 3. Juni 1975 - 7 RAr 10/73 -, in der ausdrücklich für den Fall des Vorliegens eines Ruhenstatbestandes die Möglichkeit der gänzlichen Entziehung des Anspruchs (= Aufhebung gemäß § 151 Abs 1 AFG) anerkannt worden ist, hat der Senat seine frühere Rechtsansicht bestätigt.

Soweit ersichtlich, war bisher diese Rechtsprechung des Senats im Schrifttum unbestritten und anerkannt, daß das Ruhen eines Anspruchs die Aufhebung eines Bewilligungsbescheides rechtfertigt (Hennig/Kühl/Heuer, Komm. zum AFG, § 151 Anm 6; Krebs, Komm. zum AFG, § 151 Rdnr 8; Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm. zum AFG, § 151 Rdnr 7). Demgegenüber vertritt neuerdings Henrich im Hinblick auf die Ruhensvorschrift des § 118 AFG, die neben anderem das Verhältnis zwischen Alg und Krankengeld regelt, die Meinung, der § 151 Abs 1 AFG sei in den Fällen nicht anwendbar, in denen - bei Vorliegen der Ruhensbestimmung - trotz Arbeitsunfähigkeit die Verfügbarkeit des Arbeitslosen zu bejahen sei (Henrich, Ganze Aufhebung der Entscheidung bei Ruhen des Anspruchs, AuB 1976, 103, 104). In diesem Falle bestünden die Leistungsvoraussetzungen weiter.

Diese gegen die bisherige Rechtsprechung des BSG gerichtete Ansicht beruht auf einer Verkennung dessen, was § 151 Abs 1 AFG unter dem Begriff "Voraussetzungen für die Leistungen" versteht. Darunter fallen nicht nur die anspruchsbegründenden Merkmale, im Falle des Alg-Anspruchs demnach allein die einzelnen Voraussetzungen des § 100 Abs 1 AFG. Eine solche Beschränkung auf anspruchsbegründende Voraussetzungen wäre nicht gerechtfertigt; ein Ruhen von Ansprüchen bewirkt nämlich gleichermaßen, daß Zahlungen zu Unrecht erfolgen würden, der Bewilligungsbescheid der materiellen Rechtslage insofern nicht entspräche, als der Anspruchsberechtigte bei dieser Rechtslage "keinen Anspruch auf Auszahlung des zuerkannten Betrages" hätte (BSGE 14, 280, 283; vgl auch Urteil vom 21. Juli 1977 - 7 RAr 45/76). Da § 151 Abs 1 AFG gerade ein Auseinanderfallen von materieller Rechtslage und Bewilligungsbescheid vermeiden will, widerspräche die Nichtanwendung dieser Vorschrift im Falle des Ruhens des Anspruchs ihrem Zweck. Daher gehören zu den Leistungsvoraussetzungen im Sinne der genannten Vorschrift sowohl solche "positiver als auch negativer Art" (Schönefelder/Kranz/Wanka, aaO). Das Vorliegen etwa anspruchshemmender oder anspruchsändernder Voraussetzungen führt danach ebenfalls zur Anwendung des § 151 Abs 1 AFG (Hennig/Kühl/Heuer, aaO; Schönefelder/Kranz/Wanka, aaO).

Gleichermaßen geht die Ansicht von Henrich fehl, wenn er davon spricht, daß in solchen Fällen, in denen angesichts der Arbeitsunfähigkeit die Verfügbarkeit - und damit eine anspruchsbegründende Voraussetzung - verneint werden muß, die in § 118 AFG getroffene Spezialregelung "Vorrang vor der ganzen Aufhebung" haben müsse, da die vollständige Aufhebung gegenüber dem Ruhen des Anspruchs den schwereren Eingriff in die Rechte des Leistungsempfängers darstelle (Henrich aaO). Dies müsse um so mehr gelten, als die vollständige Aufhebung der Entscheidung nicht notwendig sei, weil schon das von Gesetzes wegen eintretende Ruhen des Anspruchs die BA berechtige, die Zahlungen für den Ruhenszeitraum einzustellen.

Diese Erwägungen sind nicht geeignet, der BA im Falle des Ruhens eines Anspruchs das Recht zur vollständigen Aufhebung der früheren Bewilligung zu versagen. Das Gesetz selbst geht davon aus, daß das Vorliegen eines Ruhenstatbestandes zur gänzlichen Beseitigung des Bewilligungsbescheides berechtigt. Gemäß § 152 Abs 1 Ziff 3 AFG ist nämlich eine Leistung insoweit zurückzuzahlen, als der Empfänger einen Anspruch auf eine der in § 118 AFG genannten Leistungen hat und "die Entscheidung aus diesem Grunde aufgehoben worden ist". Diese Bestimmung bestätigt nicht nur, daß mit dem Eintritt des Ruhens eine Leistungsvoraussetzung im Sinne des § 151 Abs 1 AFG weggefallen ist, aus ihr ergibt sich ferner, daß eine sich darauf gründende Aufhebung auch in vollem Umfang rechtlich zulässig ist.

Im übrigen sprechen auch verwaltungspraktische Erwägungen für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides in Ruhensfällen. Häufig mangelt es an einer Leistungsvoraussetzung sowohl wegen Fehlens oder Wegfalls einer anspruchsbegründenden Tatsache als auch wegen des Eintritts eines Ruhenstatbestandes. Die konsequente Anwendung der Auffassung Henrichs würde dazu führen, daß selbst in Fällen, in denen die Leistung wegen Ruhens eindeutig nicht (mehr) gewährt werden darf und ferner Zweifel darüber bestehen, ob sie auch wegen des Fehlens eines anspruchsbegründenden Tatbestandmerkmals (zB mangelnder Verfügbarkeit bei Krankengeldbezug) zu unterbleiben hat, die BA verpflichtet wäre, unter Umständen langwierige und nicht zu rechtfertigende Ermittlungen anzustellen.

Die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 2. August 1974 kann, soweit er die Aufhebung betrifft, nicht bereits auf Abs 1 des § 117 AFG gestützt werden. Nach § 117 Abs 1 AFG ruht der Anspruch auf Alg in der Zeit, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhalten oder zu beanspruchen hat.

Die Zahlung der Summe von 40.000,- DM, die der Kläger erhalten hat, stellt jedoch keine Leistung von Arbeitsentgelt dar. Sie ist nicht eine Vergütung für geleistete Arbeit, da der Kläger zu keinem Zeitpunkt bei der Fa. W. tätig gewesen ist. Ebenso findet sie ihren Rechtsgrund nicht in einem Arbeitsvertrag bzw Arbeitsverhältnis - nur noch in diesem Fall handelte es sich um Arbeitsentgelt -, sondern in dem Prozeßvergleich vom 10. Juni 1974. Etwas anderes könnte lediglich dann gelten, wenn der Vergleich erkennen ließe, daß der vereinbarte Betrag (oder ein Teil davon) "als" Arbeitsentgelt gezahlt werden sollte. Hierfür bestehen jedoch keine Anhaltspunkte.

Es kann offenbleiben, ob der Kläger sich vor Vergleichsabschluß auf einen echten Vergütungsanspruch oder auf einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung der sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Pflichten berufen konnte. Durch den Abschluß des Vergleiches ist auf jeden Fall jeder etwa für die fragliche Zeit bestehende Anspruch erloschen mit der Folge, daß der Kläger kein Arbeitsentgelt beanspruchen kann. Somit ist auch der Ruhenstatbestand der 2. Alternative von § 117 Abs 1 AFG ("zu beanspruchen hat") nicht erfüllt.

Vergleichsweise begründete Leistungen werden von § 117 Abs 2 AFG erfaßt. Inwieweit aber aufgrund des § 117 Abs 2 AFG die Beklagte den Bewilligungsbescheid aufheben und die schon erbrachten Leistungen zurückfordern darf, kann vom Senat aufgrund der vom LSG getroffenen Feststellungen noch nicht abschließend entschieden werden.

Anzuwenden ist § 117 Abs 2 AFG in der Fassung, die er durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 12. Dezember 1977 (BGBl I 2557) erhalten hat (Art 6 Abs 3 S. 2 iVm Art 8 des Vierten Änderungsgesetzes). Diese Neufassung des § 117 Abs 2 AFG, die in Verbindung mit dem ebenfalls neu gefaßten § 117 Abs 3 AFG zu sehen ist, ist - anders als der bisherige § 117 Abs 2 AFG (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 12. Mai 1976 - 1 BvL 31/73 -, SozR 4100 § 117 Nr 1) - mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar.

Die Neufassung von § 117 Abs 2 und 3 AFG entspricht Art 3 GG und trägt den Bedenken Rechnung, die das BVerfG gegen § 117 Abs 2 AFG aF hatte.

Das BVerfG hat die bisherige Fassung des § 117 Abs 2 AFG aus zwei Gründen als nicht mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar angesehen, die beide hinsichtlich der Neufassung nicht mehr vorliegen:

Die Regelung des § 117 Abs 2 AFG aF war schon deshalb mit Art 3 Abs 1 GG unvereinbar, "weil Arbeitnehmer, die auf Grund eines Vergleichs bei vorzeitiger Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses eine Abfindung erhalten hatten, im Falle ihrer Arbeitslosigkeit gezwungen waren, diese Abfindung voll aufzuzehren, bevor sie Arbeitslosengeld erhielten, während andere Arbeitnehmer Abfindungen, die sie aus ähnlichen Motivationen bei fristgerechter Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses erhalten hatten, ohne Anrechnung auf das Alg behielten" (BVerfG aaO). Auch bei der alten Fassung des § 117 Abs 2 AFG mußte der Arbeitnehmer, der nach vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Ablösung erhalten hatte, nicht stets die Abfindung für den Verlust des sozialen Besitzstandes aufzehren, jedoch bot § 117 Abs 2 AFG aF keinen Schutz gegen diese Gefahr. Ob der Arbeitnehmer den Teil seiner Abfindung behalten konnte, der dazu bestimmt war, ihm einen Ersatz für den Verlust des sozialen Besitzstandes zu bieten, hing von der Höhe der Abfindung und der Dauer der Arbeitslosigkeit ab. Gerade das war, wie das BVerfG ausgeführt hat, mit Art 3 Abs 1 GG unvereinbar. Berechtigt ist es, Alg soweit nicht zu gewähren, als Arbeitsentgelt bezogen wird. Diesem Gedanken dient nicht nur § 117 Abs 1 AFG, sondern auch § 117 Abs 2 und 3. Wie das BVerfG ausgeführt hat, enthält auch die Abfindung, die nach einer fristgerechten Kündigung gewährt wird, nicht selten einen Anteil, der zur Abgeltung noch geschuldeten Arbeitsentgeltes bestimmt ist. Eine Abfindung, die nach vorangegangener fristloser Kündigung vergleichsweise gewährt wird, unterscheidet sich von den anderen Abfindungen dadurch, daß bei ihrer Bemessung das Element des Arbeitsentgeltes in aller Regel eine höhere Bedeutung hat als bei den Abfindungen, die erst gewährt werden, wenn der Lohn für die ordentliche Kündigungszeit bereits gezahlt ist.

Es verstößt daher nicht schon gegen das Gebot der Gleichbehandlung (Art 3 Abs 1 GG), wenn die Neufassung des § 117 Abs 2 und 3 AFG zwischen den Fällen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist und den Fällen unterscheidet, in denen diese Frist nicht eingehalten wurde (BVerfG aaO).

Der Gesetzgeber darf, wie das BVerfG ausgeführt hat, typisieren (BVerfGE 17, 1, 23; SozR 4000 § 117 Nr 1) und bei den notwendigen typisierenden Regelungen müssen auch gewisse Härten und Ungerechtigkeiten hingenommen werden (BVerfGE 17, 1, 23f; 26, 265, 275, 276; SozR 4100 § 117 Nr 1). Die Typisierung darf aber nicht so weit gehen, daß dadurch eine große Zahl der Fälle unter Verstoß gegen den Grundsatz, daß Gleiches gleich zu behandeln ist, ungerecht betroffen werden. Das geschieht hinsichtlich der Anrechnung von Abfindungsbeträgen auf das Alg dann, wenn der Gesetzgeber bei vergleichsweise gewährter Abfindung im Falle vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses davon ausgeht, daß sie nur Arbeitsentgelt enthalten, was zur Folge hat, daß die Abfindung in voller Höhe durch Ruhen des Versicherungsanspruches auf Alg verbraucht wird, während bei den anderen Abfindungen das auch in ihnen enthaltene Arbeitsentgelt zugunsten der Entschädigung für den Verlust des sozialen Besitzstandes ganz vernachlässigt wird.

Diese Ungleichbehandlung hat § 117 Abs 2 iVm § 117 Abs 3 AFG nF vermieden, indem er in mehrfacher Weise Sorge getragen hat, daß dem Arbeitnehmer ein angemessener Teil der Abfindung verbleibt, so daß in typisierender Weise geregelt ist, welcher Teil der Abfindung für den Ersatz des Verlustes von sozialem Besitzstand bestimmt ist und dem Arbeitnehmer erhalten bleiben muß. So ruht der Anspruch auf Alg nach § 117 Abs 3 S. 1 AFG nF längstens sechs Monate. Er ruht nicht über den Tag hinaus, bis zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von 70% der Abfindung als Arbeitsentgelt verdient hätte (§ 117 Abs 3 Nr 1 AFG nF).

Einen weiteren Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip hat das BVerfG darin gesehen, daß § 117 Abs 2 AFG aF alle Arbeitnehmer, die der vorzeitigen Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses wegen eine Abfindung erhalten haben, gleich behandelt hat, obwohl sich diese Arbeitnehmer untereinander in sehr ungleichen sozialen Situationen befinden. Diesem Erfordernis, die Ungleichheiten unter den verschiedenen Situationen zu berücksichtigen, in denen sich Arbeitnehmer bei Ausscheiden aus einem Arbeitsverhältnis befinden, hat die neue Gesetzesfassung dadurch Rechnung getragen, daß sie den Teil der Abfindung, der dem Arbeitnehmer verbleibt, in dem Maße erhöht hat, in dem der Arbeitnehmer sich durch längere Betriebszugehörigkeit einen höheren sozialen Besitzstand verdient hat oder infolge höheren Alters durch ein Ausscheiden aus dem Betrieb stärker belastet wird.

Nach § 117 Abs 2 und 3 AFG nF ruht der Alg-Anspruch, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist. Diese Bestimmung ist nicht schon deshalb unanwendbar, wie das LSG gemeint hat, weil zwischen dem Kläger und der Fa. W. kein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Ein Arbeitsverhältnis wäre im vorliegenden Fall nicht entstanden, falls man - so die sog. Eingliederungstheorie - den entscheidenden Akt der Begründung eines Arbeitsverhältnisses in der tatsächlichen Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb des Arbeitgebers erblickte. Nach dieser Lehre (vgl Nikisch, Arbeitsrecht, Bd I, 2. Aufl, 1955, § 19 III S. 140 ff) begründet der Arbeitsvertrag als solcher kein Arbeitsverhältnis; er ist vielmehr ein rein schuldrechtlicher Vertrag, der den Arbeitgeber zur Einstellung, den Arbeitnehmer zum Eintritt in die Dienste des Arbeitgebers verpflichtet. Aus dem Arbeitsvertrag entspringen deshalb keine Ansprüche auf Arbeitsleistung, Lohnzahlung und Beschäftigung; seine Verletzung hat lediglich Schadensersatzansprüche zur Folge.

Da der Kläger nicht tatsächlich beschäftigt war, seine Eingliederung in einen Betrieb somit nicht erfolgt ist, könnte bei strikter Zugrundelegung der Eingliederungstheorie ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Arbeitsvertragspartner (Fa. W.) nicht entstanden sein. Selbst wenn an das Merkmal der Eingliederung keine strengen Anforderungen gestellt würden und man die Rechtsprechung des BSG zum Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Sozialrechts, wonach abweichend vom Grundsatz unter bestimmten Umständen eine tatsächliche Beschäftigung (Eingliederung) entbehrlich ist, auf den Begriff des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 117 Abs 2 AFG übertrüge, könnte nicht von einem Arbeitsverhältnis gesprochen werden. Wohl hat das BSG anerkannt, daß ein die Versicherungspflicht begründendes Beschäftigungsverhältnis bei Vorliegen eines Arbeitsvertrages auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung bestehen könne (BSGE 26, 124, 126; SozR Nr 73 zu § 165 RVO; BSGE 29, 30, 31).

Auch nach dieser Rechtsprechung wäre jedoch auf jeden Fall zur Begründung des Beschäftigungsverhältnisses eine "Einstellung" des Arbeitnehmers in den Betrieb des Arbeitgebers in dem Sinne erforderlich, daß der vertraglich gebundene Arbeitswillige sich der Verfügungsgewalt des neuen Arbeitgebers unterstellte (BSG aaO; SozR Nr 73 zu § 165 RVO). An dieser Voraussetzung fehlt es aber entgegen der Ansicht der Beklagten im vorliegenden Falle. Dem Kläger war nämlich bereits vor dem vereinbarten Arbeitsbeginn, spätestens Anfang März 1973, bekannt, daß eine Beschäftigung mangels eines vorhandenen Druckereibetriebes unmöglich begonnen werden konnte. Eine irgendwie geartete Einstellung war also nicht durchführbar. Aus diesem Grunde meldete er sich bereits am 28. März - drei Tage vor dem Zeitpunkt der vertraglich vorgesehenen Arbeitsaufnahme - beim Arbeitsamt arbeitslos, woraus folgt, daß der Kläger nicht mehr daran dachte, sich am 1. April 1974 der Verfügungsgewalt des Arbeitsvertragspartners (Fa. W.) zu unterstellen.

Aus diesen Gründen ist weder ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Sozialrechts entstanden noch eine Eingliederung erfolgt, die - im Sinne der Eingliederungstheorie - die Annahme des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigt.

Der Eingliederungstheorie ist jedoch nicht zu folgen.

Im Gegensatz zur Eingliederungstheorie wird nach der herrschenden Vertragstheorie, der auch die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte im Prinzip folgt, das Arbeitsverhältnis nicht durch einen tatsächlichen Akt, sondern durch den Abschluß des Arbeitsvertrages begründet (vgl BAGE 5, 58, 65; 6, 232; 16, 204, 209; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 3. Aufl, S. 95). Diese Betrachtungsweise entspricht einer Privatrechtsordnung, die die Begründung und Gestaltung von Rechtsverhältnissen regelmäßig von einem privatautonomen Rechtsgeschäft abhängig macht (§ 305 BGB). Selbst Nikisch, der Hauptvertreter der sog. Eingliederungstheorie, verweist nunmehr darauf, daß man auch das reine Schuldverhältnis als Arbeitsverhältnis bezeichnen könne, das mit dem Eintritt in den Betrieb nur in eine neue Phase trete, die gemeinschaftsrechtliche Züge annehme (Nikisch, Bd I, 3. Aufl, 1961, § 19 I 4, S. 162 ff).

Das LSG stützt seine Ansicht zur Frage, ob ein Arbeitsverhältnis die Ausübung der Tätigkeit voraussetzt, zu Unrecht auf § 5 ArbGG und § 306 RVO. Erstere Bestimmung bestimmt allein den Begriff des Arbeitnehmers, sagt aber nichts aus über die zu entscheidende Frage nach den Entstehungsbedingungen eines Arbeitsverhältnisses. § 306 RVO stellt für den Beginn der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung auf den Tag des Eintritts in die versicherungspflichtige Beschäftigung ab, äußert sich demnach ebenfalls nicht zum arbeitsrechtlichen Begriff des Arbeitsverhältnisses.

Daß allein die Vertragstheorie das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zutreffend erklärt, zeigen dagegen andere gesetzliche Regelungen.

Nach § 1 Abs 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) in der alten, am 10. August 1951 verkündeten Fassung (BGBl I 499) galt der Schutz des Gesetzes nur für einen Arbeitnehmer, der länger als sechs Monate in demselben Betrieb oder Unternehmen beschäftigt war. Dies war nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht schon dann der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis rechtlich diesen Zeitraum überschritten hatte; erforderlich war danach auch eine tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers während der sechs Monate (BAG 16, 345, 347f). Um diese Rechtsprechung zugunsten eines höheren Schutzes des Arbeitnehmers zu korrigieren, hat der Gesetzgeber nunmehr in der neuen Fassung des § 1 Abs 1 KSchG vom 23. August 1969 (BGBl I 1317) bestimmt, daß die Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, besonderer Rechtfertigung bedarf. Wenn also nach der Intention des Gesetzes eine Beschäftigung des Arbeitnehmers gänzlich ohne Belang, vielmehr allein die Dauer des Arbeitsverhältnisses maßgebend ist, dann kann es für den Beginn der Wartefrist nicht mehr auf die tatsächliche Arbeitsaufnahme ankommen; eine solche ist daher auch für den Beginn des Arbeitsverhältnisses irrelevant (vgl Hueck, Kündigungsschutzgesetz, 9. Aufl, § 1 Rdnr 31).

Ferner läßt § 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) (BGBl 1963 I 2) erkennen, daß ein Arbeitsverhältnis auch ohne Beschäftigung zustande kommen kann. Bei den Beratungen zu dieser Vorschrift, wonach der volle Urlaubsanspruch erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben wird, ist ausdrücklich betont worden, daß auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses abgestellt werden soll und unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer während des Laufes der Wartezeit die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt hat. Gleichgültig soll es danach insbesondere sein, ob der Arbeitnehmer während der Wartezeit an der Arbeitsleistung schuldhaft oder unverschuldet verhindert war, solange das Arbeitsverhältnis nicht gelöst ist (so Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit, BT-Drucks IV/785 zu § 4 S. 3).

Somit ist festzuhalten, daß entgegen der Meinung des LSG das Vorhandensein eines Arbeitsverhältnisses nicht wegen Fehlens einer tatsächlichen Beschäftigung geleugnet werden kann. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger einen Arbeitsvertrag geschlossen. Dadurch ist ein Arbeitsverhältnis begründet worden.

An der Wirksamkeit des Arbeitsvertrages zwischen dem Kläger und der Fa. W. bestehen keine Zweifel. Die vertragliche Abrede kann angesichts des eindeutig im Wortlaut zutage getretenen Willens der Vertragspartner nicht als Vorvertrag auf Abschluß eines Arbeitsvertrages oder dahin verstanden werden, daß ein Arbeitsverhältnis lediglich unter der Bedingung einer tatsächlich erfolgten Gründung der Druckerei zur Entstehung gelangen sollte. Unerheblich ist ferner, daß im Arbeitsvertrag als Arbeitgeber die Fa. W. erscheint; denn diese Firmenbezeichnung, die lediglich der handelsrechtliche Name eines Kaufmanns ist (§ 17 Abs 1 Handelsgesetzbuch), ändert nichts an der materiell-rechtlichen Verpflichtung des ebenfalls im Arbeitsvertrag genannten Inhabers W. Weiterhin ist der Arbeitsvertrag nicht gem. § 306 BGB nichtig, da dem Kläger die Arbeitsleistung - die Bereitstellung eines Arbeitsplatzes seitens des Vertragspartners W. unterstellt - nicht von Anfang an objektiv unmöglich war.

Allerdings ist das Arbeitsverhältnis entgegen der Meinung der beklagten BA nicht zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses entstanden; entscheidend ist vielmehr der Zeitpunkt, an dem nach der getroffenen Vereinbarung die Beschäftigung beginnen, dh der Arbeitnehmer zur Verfügung des Arbeitgebers stehen sollte (Palandt, BGB, 35. Aufl, Einführung vor § 611, 1e; Hueck aaO). Dies ist im Falle des Klägers der 1. April 1974.

Stand mithin der Kläger in einem Arbeitsverhältnis, so könnte der Tatbestand des § 117 Abs 2 AFG nur dann verneint werden, wenn diese Vorschrift - unabhängig vom Begriff des Arbeitsverhältnisses - erkennen ließe, daß sie eine tatsächliche Beschäftigung zur Voraussetzung des Ruhens von Alg-Ansprüchen macht. Das ist jedoch nicht der Fall.

Nach Abs 3 Satz 2 Nr 1 des § 117 Abs 2 AFG nF bestimmt sich die Ruhensdauer des Alg-Anspruches nach der Höhe der Abfindungszahlung und nach der Höhe des kalendertäglich verdienten Arbeitsentgeltes während der letzten Beschäftigungszeit. Das Gesetz stellt es hier also auf die "Beschäftigung" ab. Daraus läßt sich aber nicht schließen, daß § 117 Abs 2 AFG die Ausübung einer tatsächlichen Beschäftigung für das Ruhen des Alg-Anspruches fordert. Dem § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 1 AFG nF ist lediglich zu entnehmen, wie in den Fällen, in denen eine tatsächliche Beschäftigung des Arbeitslosen erfolgt ist, eine - besondere und zeitnähere - Berechnungsweise des Ruhenszeitraumes angestellt werden soll.

Auch ist nicht erkennbar, daß unabhängig vom Wortlaut, Sinn und Zweck der Vorschrift nur faktisches Beschäftigtsein die Annahme eines Arbeitsverhältnisses iS von § 117 Abs 2 AFG nF rechtfertigt.

Für das Verständnis von Sinn und Zweck des Absatzes 2 von § 117 AFG ist dessen Abs 1 in die Betrachtung einzubeziehen. Durch Abs 1 soll der Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Alg verhindert werden: Solange der Arbeitslose noch keinen Lohnausfall hat, bedarf er nicht der Leistungen der Versichertengemeinschaft (BVerfG aaO; Hennig/Kühl/Heuer, aaO, § 117 Anm 1; Schönefelder/Kranz/Wanka, aaO, § 117 Rdnr 1). Dieses Ziel könnte - gäbe es nur § 117 Abs 1 AFG - umgangen werden; denn da als Arbeitsentgelt begrifflich nur Leistungen für die Zeit bis zur wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses angesehen werden können (vgl BAG AP Nr 5 zu § 96 AVAVG), würden die Parteien des Arbeitsvertrages das Arbeitsverhältnis zu einem frühest möglichen Termin beenden und dafür eine erhöhte, als Abfindung oder Entschädigung ausgewiesene Arbeitgeberleistung vereinbaren. Diese (gerichtlichen oder außergerichtlichen) Vergleiche, die auf Kosten der Versichertengemeinschaft gehen, will § 117 Abs 2 AFG verhindern (BVerfG aaO; Reinecke, Die Anrechnung von Arbeitgeberleistungen auf das Arbeitslosengeld bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, AuR 1977, 193, 194f). Diese Funktion des § 117 AFG, nämlich die Verhinderung des Doppelbezuges von Alg und Arbeitsentgelt oder ähnlichen Leistungen einerseits, die Erschwerung von Manipulationen zum Nachteil der Arbeitslosenversicherung andererseits, rechtfertigt es nicht, die Anwendung der Vorschrift auf solche Sachverhalte zu beschränken, in denen das Arbeitsverhältnis nicht nur rechtlich bestanden hat, sondern auch in die Tat umgesetzt worden ist. Die Anrechnung von Arbeitgeberleistungen auf das Alg davon abhängig zu machen, ob der Arbeitnehmer - möglicherweise nur für ein paar Stunden - beschäftigt worden ist, müßte im Hinblick auf den Zweck der in Frage stehenden Bestimmung als sinnwidrig bezeichnet werden.

Aus der Begründung des Regierungsentwurfes zum AFG kann entgegen der Ansicht des LSG nicht das Erfordernis einer tatsächlich ausgeübten Beschäftigung entnommen werden. Wenn dort (BT-Drucks V/2291 zu § 106 Abs 2 S. 82) von dem vorzeitigen Ausscheiden des Arbeitnehmers die Rede ist, so ist dies nicht zwingend als Ausscheiden aus einem Beschäftigungsverhältnis, sondern als Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zu verstehen, auf das in § 117 Abs 2 AFG abgestellt ist und das - wie dargelegt - ohne Einstellung des Arbeitnehmers entstehen kann.

Das zwischen den Parteien des Arbeitsgerichtsverfahrens bestehende Arbeitsverhältnis ist durch den Prozeßvergleich, in welchem der Kläger auf alle "irgendwie gearteten" Rechte verzichtete, ohne Einhaltung einer Frist beendet worden. Am Ursachenzusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Zahlung der Abfindung - für den Verzicht des Klägers auf alle Rechte (Beendigung des Arbeitsverhältnisses) verpflichtete sich der Arbeitsvertragspartner des Klägers zur Zahlung von 40.000,- DM - bestehen keine Zweifel. Die Meinung des Klägers, es liege eine nicht unter § 117 Abs 2 AFG fallende Zuwendung aus sozialen Gründen vor, ist unzutreffend. Nach Schönefelder/Kranz/Wanka (§ 117 Rdnr 13), auf dessen Kommentierung der Kläger sich beruft, stehen Zuwendungen aus sozialen Gründen entweder in keinem Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (zB Beihilfen zur Eheschließung oder zur Abwendung einer wirtschaftlich nicht durch das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bedingten Notlage) oder, sofern - wie vorliegend - ein solcher Zusammenhang doch besteht, sind sie als Leistungen im Sinne des § 117 Abs 2 AFG zu berücksichtigen.

Zwischen dem Kläger und der Fa. W. hat somit ein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 117 Abs 2 AFG bestanden. Es ist ohne Einhaltung einer Frist beendet worden, und wegen dieser Beendigung hat der Kläger eine Abfindung erhalten. Als Rechtsfolge bestimmt Abs 2 S. 1 des § 117 AFG nF das Ruhen des Alg-Anspruches von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist geendet hätte. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch den Vergleich, der am 10. Juni 1974 abgeschlossen wurde, rückwirkend zum 1. April 1974 beendet worden. Das ergibt sich daraus, daß durch den Vergleich nicht nur ein Zahlungsanspruch des Klägers, sondern alle irgendwie gearteten Ansprüche für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verneint worden sind, also zB auch ein möglicher Anspruch auf Beschäftigung.

Der Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der Fa. W. bestimmte, daß das Arbeitsverhältnis jeweils am Ende eines Kalenderjahres mit einer Frist von einem Jahr kündbar sein sollte. Das bedeutet, daß nach § 117 Abs 2 AFG nF der Ruhenszeitraum Ende 1975 geendet hätte.

Dieser Ruhenszeitraum wird durch § 117 Abs 3 AFG nF eingeschränkt. Diese Vorschrift ist auch auf den vorliegenden Fall anwendbar, da der Anspruch des Klägers vor dem 12. Mai 1976 (dem Tag der Entscheidung des BVerfG über die Verfassungswidrigkeit des § 117 Abs 2 Satz 1 AFG aF) entstanden ist und die Entscheidung über das Ruhen des Anspruchs zu diesem Zeitpunkt anfechtbar war (Art 6 Nr 3 Satz 1 des Vierten Änderungsgesetzes zum AFG). Das war hier der Fall. Die Entscheidung ist zudem tatsächlich angefochten worden.

Eine zeitliche Höchstgrenze der Dauer des Ruhens legt § 117 Abs 3 Satz 1 AFG nF fest; auf keinen Fall ruht der Anspruch auf Alg länger als sechs Monate. Hieraus folgt, daß der Alg-Anspruch längstens auf die Dauer von sechs Monaten, gerechnet vom 1. April 1974 an, also bis zum 30. September 1974 geruht hat.

Eine weitere Verkürzung der genannten Höchstdauer ist bei Vorliegen eines der Tatbestände des § 117 Abs 3 Satz 2 AFG nF möglich. Nach der hier allein in Betracht kommenden Ziff 1 ruht der Anspruch auf Alg nicht über den Tag hinaus, bis zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von 70 vH der Arbeitgeberleistung als Arbeitsentgelt verdient hätte. Der hiernach zu berücksichtigende Anteil der Arbeitgeberleistung vermindert sich sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres um je 5 vH, beträgt jedoch nicht weniger als 30 vH (§ 117 Abs 3 Satz 3 AFG nF).

Diese die allgemeine Ruhensdauer des Abs 1 abkürzende Regelung setzt nach ihrem Wortlaut eine tatsächliche Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis voraus, so daß sie jedenfalls im vorliegenden Fall nicht unmittelbar angewandt werden kann. Jedoch ist ihre analoge Anwendung geboten, da das Gesetz für Fälle vorliegender Art, die durch die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ohne tatsächliche ausgeübte Beschäftigung gekennzeichnet sind, eine Lücke enthält. § 117 Abs 3 Satz 2 Ziff 1 AFG nF bezweckt, den Arbeitslosen wirtschaftlich so zu stellen, als würde das Arbeitsverhältnis weiter bestehen und als würde die dem Arbeitslosen zustehende Vergütung gezahlt.

Mit diesem Sinn und Zweck der Regelung wäre nicht zu vereinbaren, denjenigen Arbeitslosen, der allein aus bei dem Arbeitgeber liegenden Gründen nicht tatsächlich beschäftigt wird, auf den regelmäßig längeren Ruhenszeitraum des § 117 Abs 2 Satz 1 AFG nF zu verweisen. Wenn § 117 Abs 3 Satz 2 Ziff 1 AFG nF auf die letzte Beschäftigungszeit abstellt, so geschieht dies einzig, um eine möglichst aktuelle und zeitnahe Berechnung des Ruhenszeitraumes zu ermöglichen.

Diese Auffassung wird dadurch bestätigt, daß bei strenger Beachtung des Wortlauts der fraglichen Bestimmung nicht einmal für alle Arbeitslosen, die beschäftigt gewesen sind, eine Verkürzung der allgemeinen Ruhensdauer in Betracht kommen könnte. In Anbetracht der Definition der "letzten Beschäftigungszeit" in § 117 Abs 3 Satz 4 AFG nF fiele eine Beschäftigung, die sich lediglich auf weniger als 20 Tage erstreckte, nicht mehr unter Abs 3 Satz 2 von § 117 AFG nF. Bei diesen nur kurze Zeit beschäftigten Arbeitnehmern ausschließlich den längeren Ruhenszeitraum (ohne Verkürzungsmöglichkeit) anzuwenden, fehlt ebenso wie für die in einem Arbeitsverhältnis stehenden nichtbeschäftigten Arbeitnehmer ein vernünftiger Grund. Für diese Personengruppen richtet sich das für die Berechnung der Ruhensdauer maßgebende Arbeitsentgelt nach arbeits- oder tarifvertraglichen Regelungen.

Die Anwendung des § 117 Abs 3 Satz 2 und 3 AFG nF ergibt somit für den vorliegenden Fall, daß für die Berechnung der Ruhensdauer des Alg-Anspruchs vom vertraglich vereinbarten Arbeitsentgelt in Höhe von 3.500,- DM auszugehen ist. Da der Kläger das 55. Lebensjahr überschritten hat, sind vom grundsätzlich anzurechnenden Anteil der Abfindung (70 vH) weitere 20 vH abzuziehen, so daß die erhaltene Abfindung von 40.000,- DM lediglich in Höhe von 20.000,- DM angerechnet werden kann. Zwar ließe der Wortlaut des § 117 Abs 3 Satz 3 AFG nF auch die Deutung zu, daß pro fünf Lebensjahre über das fünfunddreißigste Lebensjahr hinaus nicht 5 vH der Gesamtabfindung, sondern der bereits nach § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 1 AFG nF geminderten Entschädigung abgezogen werden sollen. Wie die Materialien des Gesetzes jedoch ergeben (Drucks 8/1053, Zusammenstellung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des AFG mit den Beschlüssen des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, S 13 zu Art 1 Nr 8 Buchstabe b) waren jeweils 5 vH der Gesamtabfindung gemeint.

Da der Kläger 3.500,- DM im Monat verdiente, betrug das tägliche Gehalt, das er zur Zeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erhalten hatte,

3.500,- DM x 12 Monate / 365 Tage also 115,06 DM.

Mit den anzurechnenden 20.000,- DM wäre der Kläger bei einem täglichen Gehalt von 115,06 DM 173,8 Tage zu entlohnen gewesen. Da das Gesetz das Ruhen des Alg-Anspruchs nur für volle Tage vorschreibt, ruhte der Alg-Anspruch des Klägers gemäß § 117 Abs 3 Nr 1 höchstens für 173 Tage.

Die Beklagte hat den angefochtenen Bescheid nicht allein auf § 117 AFG, sondern darüber hinaus auf § 127 AFG gestützt. Nach dessen Satz 1 geht ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens, der durch Arbeitslosigkeit erwachsen ist, insoweit auf die BA über, als dieser durch die Gewährung von Leistungen nach dem AFG an den Entschädigungsberechtigten Aufwendungen erwachsen. Hat der Entschädigungsberechtigte trotz dieses Rechtsübergangs von dem Dritten die Schadensersatzleistung erhalten, so gilt § 152 Abs 2 AFG entsprechend (§ 127 Satz 2 AFG).

Gegenüber dieser Regelung ist jedoch § 117 AFG eine Sonderregelung (vgl Hennig-Kühl-Heuer, aaO, § 127 Anm 1). In § 117 Abs 4 AFG ist nämlich erschöpfend geregelt, unter welchen Voraussetzungen Ansprüche auf Arbeitsentgelt oder Leistungen, die mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Zusammenhang stehen, auf die BA übergehen. Für die allgemeine Überleitungsvorschrift des § 127 AFG bleibt in dem geregelten Bereich kein Raum mehr (vgl BAG AP Nr 5 zu § 96 AVAVG), weshalb eine Anwendung dieser Norm bereits aus Gründen der Subsidiarität auszuscheiden hat.

Soweit der angefochtene Bescheid mit seinem zweiten Verfügungssatz Leistungen zurückfordert, ist § 152 Abs 2 Satz 1 AFG anzuwenden. Nach dieser Vorschrift hat derjenige, der Leistungen im Sinne des § 117 Abs 1 oder 2 AFG trotz eines Rechtsübergangs nach § 117 Abs 4 AFG erhalten hat, das nach § 117 Abs 4 AFG gewährte Alg insoweit zurückzuzahlen. Diese Voraussetzungen liegen, soweit es sich um die 173 Ruhenstage handelt, vor. Da das LSG jedoch nicht festgestellt hat, welche Leistungen der Kläger in dieser Zeit bezogen hat, eigene Tatsachenfeststellungen aber dem Revisionsgericht verwehrt sind, ist die Sache insoweit an das LSG zurückzuverweisen.

Das Verlangen der Beklagten, der Kläger solle ihr die Krankenversicherungsbeiträge erstatten, die Sie für ihn entrichtet hat, ist unbegründet. Gemäß § 117 Abs 2 AFG nF ruht nur der Anspruch auf Alg. Nur in Höhe des gezahlten Algs geht der Anspruch des Arbeitslosen auf Leistungen nach § 117 Abs 4 Satz 2 AFG auf die BA über. Auch § 152 Abs 2 AFG beschränkt die Rückforderung auf das Alg. Zum Alg gehören aber nicht die Krankenversicherungsbeiträge, die von der BA im Zusammenhang mit der Gewährung von Leistungen an den Berechtigten zu erbringen sind (§§ 155, 157 AFG).

Auch auf §§ 127, 152 Abs 2 AFG kann die Beklagte ihre Forderung auf Erstattung der Krankenkassenbeiträge nicht stützen. Gemäß § 127 AFG geht der Anspruch des Arbeitslosen auf Ersatz eines Schadens der durch Arbeitslosigkeit erwachsen ist, auf die BA über, soweit diese ihm Leistungen gewährt hat. Hat der Arbeitslose den Schadenersatz selbst erhalten, hat er insoweit die Leistungen an die BA weiterzuleiten. Es kann dahinstehen, ob der Anspruch, den der Kläger gegen die Fa. W. hatte, als ein Anspruch betrachtet werden kann, der "durch Arbeitslosigkeit erwachsen ist". Die Forderung, die der Kläger durch den Vergleich erworben hat, ist auf jeden Fall ein Anspruch eigener Art, die Zahlung der 40.000,- DM deshalb keine Schadenersatzleistung iSd § 127 AFG (vgl BAG AP Nr 5 zu § 96 AVAVG).

Daß eine Erstattung der von der Beklagten für Arbeitslose entrichteten Krankenversicherungsbeiträge nach dem Gesetz nicht vorgesehen ist, ergibt sich auch aus den §§ 155, 157 Abs 4, 160 Abs 1 AFG. Nach § 155 Abs 1, Abs 2 Satz 1 AFG wird die Krankenversicherung bei Bezug von Alg, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld nach den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt. Die Krankenversicherungspflicht wird durch den Anspruch auf Zahlung dieser Leistungen oder durch deren tatsächlichen Bezug begründet. Ob die Leistungen zu Unrecht bezogen wurden, ist unerheblich. Auch in diesem Fall bleibt die Versicherungspflicht bestehen (Hennig/Kühl/Heuer aaO, § 155 Anm 2, 4). Daraus folgt, daß die Leistungspflicht der Beklagten für die Beitragszahlungen unabhängig vom Bestand ihrer Verpflichtung zur Erbringung der Lohnersatzleistungen gegenüber dem Arbeitslosen bzw Unterhaltsgeldempfängern ist. Aus den §§ 157 Abs 4 und 160 Abs 1 AFG, die hinsichtlich der Krankenversicherungsbeiträge Erstattungspflichten der Rentenversicherungsträger und des Arbeitgebers begründen, ergibt sich ferner, daß das AFG im Verhältnis der BA zum Empfänger von Alg, Arbeitslosenhilfe und Unterhaltsgeld insoweit keine Erstattungspflicht begründen wollte.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654560

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