Leitsatz (amtlich)

Die Höhe des Arbeitsentgelts hat sich gemäß § 112 Abs 3 S 2 Nr 2 AFG (Fassung: 1979-07-23) dann weitgehend nach dem erzielten Umsatz gerichtet, wenn der umsatzbezogene Anteil des Arbeitsentgelts bei mindestens 30 vH lag.

 

Orientierungssatz

Zum Begriff "weitgehend" iS von § 112 Abs 3 S 2 Nr 2 (Fassung: 1979-07-23).

 

Normenkette

AFG § 112 Abs 3 S 2 Nr 2 Fassung: 1979-07-23

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 12.07.1983; Aktenzeichen L 5 Ar 305/83)

SG Stuttgart (Entscheidung vom 12.01.1983; Aktenzeichen S 1 Ar 2815/82)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg) des Klägers.

Der Kläger ist am 1. April 1982 arbeitslos geworden. In den drei Jahren davor war er als Verkäufer und ab 1. Juli 1981 als Einrichtungsberater beschäftigt. Von diesem Zeitpunkt an erhielt er ein monatliches Fixum und Provision. In dem letzten vor seinem Ausscheiden abgerechneten Monat (März 1982) hatte er ein Arbeitsentgelt von 2.327,69 DM brutto. In den beiden davor liegenden Monaten war das Bruttoentgelt 2.265,64 DM bzw 2.139,99 DM. Das Fixum betrug in allen drei Monaten 1.900,-- DM zuzüglich einer vermögenswirksamen Leistung von jeweils 52.-- DM.

Mit Bescheid vom 16. April 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 1982 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg. Bei dessen Berechnung legte sie gemäß § 112 Abs 3 Satz 2 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) idF des 5. AFG-Änderungsgesetzes (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) den Durchschnitt des Arbeitsentgelts der letzten drei Monate (2.244,44 DM) zugrunde, weil sich dieses weitgehend nach dem erzielten Umsatz gerichtet habe.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte antragsgemäß unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger Alg nach einem Arbeitsentgelt von monatlich 2.327,69 DM zu gewähren. Es hat die Berufung zugelassen (Urteil vom 12. Januar 1983). Dieses von der Beklagten eingelegte Rechtsmittel hatte keinen Erfolg. Zur Begründung hat das Landessozialgericht (LSG) im Urteil vom 12. Juli 1983 im wesentlichen ausgeführt:

Nach § 112 Abs 3 Satz 1 AFG seien Bemessungszeitraum die letzten vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt zwanzig Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs. Sei der Arbeitslose im Bemessungszeitraum überwiegend gegen ein Arbeitsentgelt beschäftigt gewesen, dessen Höhe sich weitgehend nach dem erzielten Umsatz gerichtet habe, dann träten an die Stelle der in Satz 1 genannten zwanzig Tage sechzig Tage. Bemessungszeitraum sei hier der Monat März 1982 gewesen. In diesem Monat sei der Kläger nur gegen ein Arbeitsentgelt beschäftigt gewesen, dessen Höhe sich nach dem erzielten Umsatz gerichtet habe, also auch überwiegend. Die Höhe des Entgelts richte sich aber nicht weitgehend nach dem erzielten Umsatz. Was der Gesetzgeber unter weitgehend verstehe, habe er nicht näher bestimmt. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs ergebe sich, daß er damit eine gerechtere Bemessung des Alg auch um den Preis eines höheren Verwaltungsaufwandes erzielen und vermeiden wollte, daß der Bemessungszeitraum von einem Monat zu einer zu hohen oder zu niedrigen Bemessungsgrundlage führe. Dieses Ziel würde aber in zu wenig Fällen erreicht, wenn man verlangen wollte, daß der umsatzbezogene Anteil des Entgelts über 75 vH liege. Auch ein Anteil von mehr als 50 vH scheide aus, weil der Gesetzgeber sonst nicht den Begriff "weitgehend" hätte einführen müssen, da der von ihm bisher verwendete Begriff "überwiegend" klar mehr als 50 vH bedeute. Nach unten müsse man dort eine Grenze ziehen, wo der Bereich geringfügig beginne. Das könne von Fall zu Fall verschieden sein. Zu § 1247 Reichsversicherungsordnung (RVO), wonach für die Erwerbsunfähigkeit ua Voraussetzung sei, daß der Versicherte nicht mehr als geringfügige Einkünfte erzielen könne, habe die Rechtsprechung Einkünfte als geringfügig angesehen, wenn sie niedriger als ein Fünftel eines bestimmten Vergleichslohnes seien. Nach § 8 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IV aF habe eine geringfügige Beschäftigung vorgelegen, wenn das Arbeitsentgelt ein Fünftel der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteige. Wenn man diesen Begriff der Geringfügigkeit auch nicht uneingeschränkt für die Auslegung von Begriffen des AFG übernehmen könne, so zeige dies doch, daß sich die Beklagte mit der Festlegung von 15 % in ihrem Dienstblatt-Runderlaß 190/79 vom 17. Juli 1979 zumindest dem, was man im allgemeinen als geringfügig bezeichne, genähert habe. Dies könne aber der Gesetzgeber mit dem Begriff weitgehend nicht gemeint haben. Wenn er an 15 vH gedacht hätte, hätte es nahe gelegen, den Begriff "mehr als geringfügig" zu verwenden. Hiernach ergebe sich, daß sich die Höhe des Arbeitsentgelts dann nicht weitgehend nach dem erzielten Umsatz richte, wenn der Umsatzanteil weniger als 25 vH betrage. Der Kläger habe im Monat März 1982 eine Provision von 375,69 DM erzielt; das seien 16,14 % des gesamten Arbeitsentgelts. Damit stehe fest, daß er im Bemessungszeitraum nicht gegen ein Entgelt, dessen Höhe sich weitgehend nach dem erzielten Umsatz gerichtet habe, beschäftigt gewesen sei. Dies habe zur Folge, daß maßgeblicher Bemessungszeitraum der in § 112 Abs 3 Satz 1 AFG bestimmte bleibe. Das sei hier der Monat März. Das in diesem Monat erzielte Arbeitsentgelt von 2.327,69 DM sei daher der Berechnung des Alg zugrunde zu legen.

Mit der Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 112 Abs 3 Satz 2 Nr 2 AFG idF des 5. AFG-ÄndG.

Zur Begründung trägt sie vor, Ziel dieser Regelung sei es, untypisch hohe oder niedrige Bemessungsgrundlagen zu vermeiden. Bei Entlohnungen, die sich teilweise nach dem erzielten Umsatz richten, sei in der Regel ein im Bemessungszeitraum zu niedriges Arbeitsentgelt zu korrigieren. Umsatzabhängige Lohnteile seien typischerweise vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses geringer als in der übrigen Zeit der Beschäftigung, weil Kündigungen in der Regel erst ausgesprochen würden, wenn der Umsatz so weit zurückgegangen sei, daß die Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr zweckmäßig sei. Mit der Festsetzung des Richtwertes in dem vom LSG zitierten Runderlaß habe erreicht werden sollen, daß möglichst viele der vorstehend genannten typischen Fälle zugunsten der Betroffenen erfaßt würden. Ein Ausgangswert von 25 %, wie vom LSG angenommen, hätte zur Folge, daß ein großer Teil der Fälle, die durch die Einführung des neuen Satzes des § 112 Abs 3 AFG sozialer behandelt werden sollten, nicht erfaßt würde.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. Juli 1983 sowie das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Januar 1983 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

Das LSG hat zutreffend erkannt, daß die angefochtenen Bescheide rechtswidrig sind, weil die Beklagte mit ihnen dem Kläger ein zu geringes Alg bewilligt hat. Dies beruht darauf, daß sie das Arbeitsentgelt, das gemäß § 111 Abs 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des 4. Abschnittes Art 27 Nr 8 des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz (EG-EStRG) vom 21. Dezember 1974 (BGBl I 3656) für die Höhe des Alg maßgebend ist, unzutreffend festgestellt hat. Arbeitsentgelt im Sinne dieser Vorschrift ist gemäß § 112 Abs 2 Satz 1 AFG das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt. Bemessungszeitraum sind grundsätzlich gemäß § 112 Abs 3 Satz 1 AFG die letzten, am Tage des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt zwanzig Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten, die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs. Hiervon abweichend treten gemäß § 112 Abs 3 Satz 2 AFG idF des 5. AFG-ÄndG an die Stelle der in Satz 1 genannten zwanzig Tage sechzig Tage, wenn der Arbeitslose gemäß Nr 2 dieser Vorschrift, die hier allein einschlägig ist, im Bemessungszeitraum überwiegend gegen ein Arbeitsentgelt beschäftigt war, dessen Höhe sich weitgehend nach dem erzielten Umsatz richtete. Daran, daß der Kläger im Bemessungszeitraum, das ist hier der Monat März 1982, überwiegend ein Arbeitsentgelt erhielt, dessen Höhe sich nach dem erzielten Umsatz richtete, bestehen keine Zweifel. Der Kläger war in diesem Zeitraum sogar ausschließlich gegen ein solches Arbeitsentgelt beschäftigt. Streitig ist zwischen den Beteiligten lediglich, ob sich die Höhe dieses Arbeitsentgelts weitgehend nach dem Umsatz richtete. Bejahendenfalls hätte dies zur Folge, daß das für die Berechnung des Alg maßgebliche Arbeitsentgelt im vorliegenden Falle nach dem Durchschnitt der letzten drei Monate des Beschäftigungsverhältnisses, also mit 2.244,44 DM, anzusetzen ist. Anderenfalls ist Grundlage für die Bemessung des Alg das im März 1982 erzielte Arbeitsentgelt in Höhe von 2.327,69 DM, was zu einer höheren Leistung führt. Das ist hier der Fall. Der Kläger ist entgegen der Auffassung der Beklagten im Bemessungszeitraum nicht gegen ein Entgelt beschäftigt gewesen, dessen Höhe sich weitgehend nach dem erzielten Umsatz richtete.

Was unter weitgehend zu verstehen ist, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Soweit ersichtlich, hat der Gesetzgeber diesen Begriff auch in anderen Gesetzen nicht ausdrücklich definiert. Er ist daher nach seinem Wortsinn dem Bedeutungsinhalt und dem Zweck der Norm auszulegen. Nach dem Wortlaut soll mit dem Begriff "weitgehend" ein gewisses Maß festgelegt werden, dessen genaue Größe zunächst aus sich allein heraus nicht festgestellt werden kann. Der Wortsinn läßt, wie das LSG zutreffend dargelegt hat, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch durchaus den Schluß zu, daß damit ein Wert gemeint ist, der nicht weit von 100 vH entfernt ist. Einer solchen Auslegung steht jedoch der Gesetzeszweck entgegen. Hiernach dient die Regelung der gerechteren Bemessung des Alg, weil bei den von § 112 Abs 3 Satz 2 AFG erfaßten Arbeitnehmergruppen der Bemessungszeitraum von einem Monat zu einer zu hohen oder zu niedrigen Bemessungsgrundlage führen kann. Der mit der Verlängerung des Bemessungszeitraums verbundene höhere Verwaltungsaufwand wird durch die gerechtere Bemessung des Alg in diesen Fällen gerechtfertigt (siehe BT-Drucks 8/2624, S 27 Nr 31 zu a). Diesem Ziel würde es widersprechen, wenn erst bei einem Prozentsatz von über 50 vH die Verlängerung des Bemessungszeitraums in Betracht käme. Bei einem großem Teil der Arbeitslosen, die Arbeitsentgelt nach dem Umsatz erhalten haben, würde dies dazu führen, daß sich ihr Alg nach dem Arbeitsentgelt richtet, das im Vergleich zu dem davor bezogenen Entgelt erheblich niedriger oder höher ist. Diese Gefahr ist umso größer, je mehr das Arbeitsentgelt nicht vom Fixum sondern vom Umsatz abhängig ist.

Auch ein Wert, der knapp über 50 vH liegt, kommt nicht in Betracht. Der Gesetzgeber hätte dann anstelle des Begriffes "weitgehend" den schon im Gesetz verwandten Begriff "überwiegend" gewählt. Der Anteil des Umsatzes muß also nicht über 50 vH liegen.

Andererseits darf er, wie das LSG zutreffend erkannt hat, auch nicht geringfügig sein. Das folgt schon aus dem Wortsinn. Ein geringfügiger Anteil kann keinem weitgehenden entsprechen. Der Anteil des Umsatzes muß hiernach die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten, und zwar in einem erheblichen Umfange. Sonst hätte es nahe gelegen, daß der Gesetzgeber anstelle des Begriffes "weitgehend" die Definition "mehr als nur geringfügig" gewählt hätte, was sich aus § 1247 Abs 2 RVO ergibt. Hiernach ist ein Versicherter ua dann erwerbsunfähig, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann. Weitgehend bedeutet daher im vorliegenden Falle, daß der erzielte Umsatz in einem nicht unerheblichen Maße die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten muß.

Wo diese Geringfügigkeitsgrenze liegt, ist dem AFG nicht zu entnehmen. Nach § 102 Abs 1 AFG idF des EG-EStRG ist geringfügig eine Beschäftigung, die auf weniger als zwanzig Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt ist. Durch Art 2 § 9 SGB IV, das am 1. Juli 1977 in Kraft getreten ist, ist zwar das Wort "geringfügig" durch "kurzzeitig" ersetzt worden. Sachlich ändert sich dadurch jedoch nichts, wie der Senat bereits entschieden hat (SozR 4100 § 102 Nr 2). Dennoch kann diese Vorschrift nicht zur Definition des Begriffes "weitgehend" iSd § 112 Abs 3 Satz 2 Nr 2 AFG herangezogen werden. Mit ihm wird im Hinblick auf die normale wöchentliche Arbeitszeit von vierzig Stunden erreicht, daß ein Arbeitnehmer, der knapp bis zur Halbtagsgrenze arbeitet, als arbeitslos iSd § 101 AFG gilt. Die Grenze zur Geringfügigkeit liegt hier also nahe bei 50 vH. Weitgehend könnte demnach nur ein Umsatzanteil von 50 vH und höher sein. Das widerspricht jedoch den Zielen, die der Gesetzgeber mit der Erweiterung des Bemessungszeitraums verfolgt hat, wie bereits oben dargelegt wurde. Abgesehen davon wird in § 102 AFG auf die Dauer der Arbeitszeit und nicht auf die Höhe des Arbeitsentgelts abgestellt.

Dagegen war nach § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV idF vom 23. Dezember 1976 (BGBl I 3845) eine Beschäftigung als geringfügig anzusehen, wenn das Arbeitsentgelt im Monat ein Fünftel der monatlichen Bezugsgröße und bei höherem Arbeitsentgelt ein Fünftel des Gesamteinkommens nicht überschritt. Diese Regelung galt nur bis zum 31. Dezember 1978. Ab 1. Januar 1979 wurde durch das Einundzwanzigste Rentenanpassungsgesetz (RAG 21) vom 25. Juli 1978 - BGBl I 1089 - (Art 4 § 1 Nr 6) als monatliche Arbeitsentgeltgrenze ein Betrag von 390,- DM festgesetzt sowie bei höherem Arbeitsentgelt wie bisher ein Fünftel des Gesamteinkommens. Für die Zeit ab 1. Januar 1981 kam es für die Frage, ob eine geringfügige Beschäftigung vorlag, ua darauf an, ob das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat ein Sechstel der monatlichen Bezugsgröße oder bei höherem Einkommen ein Sechstel des Gesamteinkommens nicht überstieg. Ab 1. Januar 1982 wurde in § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV neben der Arbeitszeitgrenze nur noch auf eine monatliche Entgeltgrenze von 390,- DM abgestellt (Art 3 und Art 18 Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz -AFKG- vom 22. Dezember 1981 - BGBl I 1497 -). Seine jetzige Fassung erhielt § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV durch Art II § 16 Nr 2 SGB X, 3. Kapitel, vom 4. November 1982 (BGBl I 1450). Hiernach ist bei höherem Arbeitsentgelt wieder die Sechstel-Grenze eingeführt worden. Die 390,- DM-Grenze bei monatlichem Arbeitsentgelt wurde bis 31. Dezember 1984 fortgeschrieben. Seit dem 1. Januar 1985 beträgt sie ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße.

Hiernach ist also in der Zeit seit dem 1. August 1979, an dem das 5. AFG-ÄndG gemäß seinem Art 10 in Kraft getreten ist, die Geringfügigkeitsgrenze in der Sozialversicherung - soweit auf einen Bruchteil der monatlichen Arbeitsentgelte abgestellt ist - auf ein Fünftel, ein Sechstel oder ein Siebtel festgelegt worden. Erst bei dem am tiefsten angesetzten Wert von einem Siebtel, der ab 1. Januar 1985 gilt, liegt die Beklagte mit ihrem Ansatz von 15 % überhaupt über der Geringfügigkeitsgrenze, und dann nur knapp. Berücksichtigt man außerdem, daß der Gesetzgeber mit der Regelung des § 8 SGB IV und seinen zahlreichen Änderungen vorwiegend den Zweck verfolgt, den Versicherungsschutz in der Sozialversicherung bei Personen, die nur kurzfristig beschäftigt sind oder Teilzeitarbeiten verrichten, auszudehnen (s Hauck-Haines, SGB IV, Erl 1 zu § 8), so erscheint es nicht angebracht, den Wert von einem Siebtel für die Geringfügigkeitsgrenze als Abgrenzungskriterium heranzuziehen. Der § 112 Abs 3 Nr 2 AFG ist keine Schutzvorschrift zugunsten des Arbeitslosen. Er dient vielmehr, wie bereits ausgeführt wurde, der gerechteren Bemessung des Alg, was sowohl zugunsten als auch zum Nachteil des Arbeitslosen ausschlagen kann. Abgesehen davon steht einer Festlegung der Grenze bei einem Siebtel auch entgegen, daß diese erst weit nach Inkrafttreten des 5. AFG-ÄndG erfolgt ist. Als Anknüpfungspunkt für die Frage, was weitgehend ist, kommt daher hinsichtlich der Geringfügigkeitsgrenze nur ein Wert in Betracht, der etwa bei einem Sechstel - das sind 17 vH - liegt.

Dem steht nicht entgegen, daß der Große Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Beschluß vom 10. Dezember 1976 (BSGE 43, 75, 85 = SozR 2200 § 1247 Nr 14) als geringfügig iS des § 1247 Abs 2 RVO Einkünfte angesehen hat, die ein Achtel der Beitragsbemessungsgrenze (§ 1385 Abs 2 RVO) nicht überschreiten. Davor hatte die Rechtsprechung, auch die des Großen Senats, als geringfügig iS von § 1247 Abs 2 RVO Einkünfte angesehen, die niedriger als ein Fünftel des durchschnittlichen Bruttotariflohnes eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten sind (BSGE 19, 147; BSGE 30, 192, 208 = SozR Nr 20 zu § 1247 RVO). Hieran hat der Große Senat deshalb nicht festgehalten, weil in der Verwaltungspraxis nach diesen Grundsätzen die Unschädlichkeit geringfügiger Einkünfte für die Feststellung der Erwerbsunfähigkeit nur unter großen Schwierigkeiten ermittelt werden konnte. Damit sollte verhindert werden, daß Versicherte durch die Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Sachverhalts benachteiligt wurden. Diese Schwierigkeiten stellen sich jedoch bei der Ermittlung des Arbeitsentgelts gemäß § 112 Abs 3 Satz 2 AFG längst nicht in diesem Maße. Die Beklagte hat, falls die Voraussetzungen dieser Bestimmung vorliegen, das Arbeitsentgelt in dem verlängerten Bemessungszeitraum zu ermitteln. Hierbei könnte in Einzelfällen die Feststellung nicht ganz einfach sein, welches vom Umsatz abhängige Arbeitsentgelt in diesem verlängerten Bemessungszeitraum abgerechnet worden ist. Jedoch erfordert diese Feststellung allgemein einen erhöhten Verwaltungsaufwand, den der Gesetzgeber im Interesse der Gerechtigkeit für gerechtfertigt hält. Eine gewisse Schwankungsbreite, die erfahrungsgemäß nicht ins Gewicht fällt, wird hingenommen. Das ist dann der Fall, wenn der umsatzbezogene Anteil des Arbeitsentgelts sich nicht erheblich auf den Gesamtbetrag auswirkt. In solchen Fällen rechtfertigen etwaige Abweichungen von dem vor dem Regelbemessungszeitraum erzielten Arbeitsentgelt nach der Auffassung des Gesetzgebers nicht den erhöhten Verwaltungsaufwand für eine Feststellung gemäß § 112 Abs 3 Satz 2 Nr 2 AFG. Daher ist der Senat, ausgehend von einer Geringfügigkeitsgrenze von etwa 17 vH, die erheblich überschritten sein muß, unter Berücksichtigung der vorstehend aufgeführten Umstände der Auffassung, daß sich die Höhe des Arbeitsentgelts dann weitgehend nach dem erzielten Umsatz richtet, wenn der umsatzbestimmte Anteil 30 vH und mehr beträgt. Er hält insoweit den vom LSG angenommenen Wert von 25 vH noch für zu niedrig. Dem entspricht auch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 27. Februar 1969 (NJW 1969, 1789), wonach ein weitgehend geförderter Ausbildungsabschnitt dann vorliegt, wenn mindestens ein Drittel der vorgeschriebenen oder erforderlichen Ausbildungszeit zurückgelegt ist.

Wenn demgegenüber die Beklagte vorträgt, mit ihrem Richtwert von 15 vH solle erreicht werden, daß möglichst viele Fälle erfaßt werden, in denen sich für den Betroffenen bei der Anwendung des § 112 Abs 3 Satz 2 Nr 2 AFG ein günstigeres Ergebnis ergibt, dann verkennt sie den Zweck des Gesetzes. Dieses hat, worauf bereits hingewiesen wurde, keine soziale Schutzfunktion. Vielmehr soll eine gerechtere Bemessung des Alg erreicht werden, die sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Betroffenen ausgehen kann. Außerdem muß der erhöhte Verwaltungsaufwand gerechtfertigt erscheinen. Das ist nach dem Willen des Gesetzgebers erst dann der Fall, wenn sich die Gefahr einer ungerechten Bemessung des Alg, die nicht mehr hingenommen werden soll, konkret abzeichnet, dh, wenn der Anteil des Arbeitsentgelts, der sich nach dem erzielten Umsatz richtet, weitgehend ist. Deshalb ist auch der Vortrag der Beklagten unerheblich, es sei typisch, daß umsatzabhängige Lohnteile vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses geringer seien als in der übrigen Zeit der Beschäftigung, weil Kündigungen in der Regel erst ausgesprochen würden, wenn der Umsatz so weit zurückgegangen sei, daß die Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr zweckmäßig sei.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG beträgt der umsatzabhängige Anteil des Arbeitsentgelts des Klägers im Bemessungszeitraum 16,14 vH des gesamten Arbeitsentgelts. Dieses richtet sich daher nicht weitgehend nach dem erzielten Umsatz; der umsatzbezogene Anteil des Arbeitsentgelts lag nicht mindestens bei 30 vH des Gesamtentgelts. Die Vorinstanzen sind daher zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß bei der Berechnung des Alg des Klägers ein Arbeitsentgelt von monatlich 2.327,69 DM zugrunde zu legen ist.

Die Revision der Beklagten ist somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660818

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