Leitsatz (amtlich)

Ist eine Rente, die einem Versicherten der Arbeiterunfallversicherungsanstalt für Böhmen in Prag zustand und grundsätzlich von einem Träger der Reichsversicherung nach dem Protektoratsabk SV Art 5 Abs 1 vom 1940-03-14 = RGBl 2 1940, 107 zu übernehmen war, weggefallen, weil die MdE weniger als 20 % betrug (SudetenV SV § 22 Abs 7 vom 1940-06-27 = RGBl 1 1940, 957), so ist die Rentenzahlung aufzunehmen, sobald die MdE durch Verschlimmerung der Unfallfolgen 20 % erreicht oder übersteigt.

 

Normenkette

SVSudetenV § 22 Abs. 7 Fassung: 1940-06-27; SVProtektoratsAbk Art. 5 Abs. 1 Fassung: 1940-03-14

 

Tenor

Das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. September 1955 wird mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Der in Unterhütte (Böhmen) geborene Kläger ist sudetendeutscher Flüchtling. Er hat seit dem 12. März 1946 seinen Wohnsitz in Bayern und ist Heimatvertriebener im Sinne des § 1 des Flüchtlingsgesetzes vom 19. Februar 1947 (Bayer. GVBl. S. 51). Im Jahre 1949 wandte er sich sowohl an die den beklagten ... vertretende S als auch an die B B mit der Bitte um Gewährung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Zur Begründung seines Anspruchs brachte er vor: Er habe am 23. Juli 1929 in dem Bauunternehmen ... und ... in Asch (Böhmen) einen Unfall erlitten. Er sei bei Erdarbeiten bis in Brusthöhe verschüttet worden und habe sich dadurch einen Beckenbruch zugezogen. Deswegen habe er von der Arbeiterunfallversicherungsanstalt für Böhmen in Prag zunächst eine Heilverfahrensrente (Vollrente) und vom 7. November 1929 an eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) von 10 v.H. bezogen. Seit der Eingliederung der sudetendeutschen Gebiete in das Deutsche Reich sei ihm die Rente nicht mehr gewährt worden, obwohl er durch Inanspruchnahme der Deutschen Arbeitsfront versucht habe, wieder in den Genuß der Rente zu kommen. Nach seiner Flucht nach Bayern hätten sich die Folgen des Unfalls von 1929 so verschlimmert, daß er seinen Beruf als Bauarbeiter nicht mehr ausüben könne.

Zum Nachweis seiner gesundheitlichen Schädigung legte der Kläger ärztliche Bescheinigungen des Dr. S vom 24. November 1948 und des Kreiskrankenhauses O. vom 27. Januar 1949 vor. Die StAfU. holte ein Gutachten vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Regensburg ein. Darin sind die Unfallfolgen wie folgt zusammengefaßt:

"Druck- und Stauchungsempfindlichkeit im Bereich der unteren LWS, glaubhafte subjektive Beschwerden. Röntgenologisch Spangenbildung im Bereich des 5. LW, durch Deformierung im Bereich der Symphyse noch deutlich nachweisbarer früherer Beckenbruch".

Die MdE. ist in diesem Gutachten - ohne Rücksicht auf die vorherige Festsetzung - vom 1. März 1948 an mit 30 v.H. angegeben.

Durch Bescheid vom 28. August 1951 lehnte die StAfU. den Antrag des Klägers mit folgender Begründung ab: Die Voraussetzungen des § 1 des Bayerischen Gesetzes Nr. 93 über die Regelung der Ansprüche der Flüchtlinge aus der Sozialversicherung (Flüchtlingsrentengesetz vom 3. Dezember 1947 - FlüRG -, Bayer. GVBl. S. 215) seien nicht gegeben. Außerdem könne die geltend gemachte Verschlimmerung nicht überprüft werden, weil der Verletzungsfolgezustand sich nicht mehr feststellen lasse.

Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers ist vom Oberversicherungsamt (OVA.) Landshut durch Urteil vom 24. Februar 1953 zurückgewiesen worden. Das weitere Rechtsmittel des Klägers ist mit dem Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vom Bayerischen Landesversicherungsamt (LVAmt) auf das Bayerische Landessozialgericht (LSG.) übergegangen. In diesem Verfahren ist die Bayerische Bau-Berufsgenossenschaft beigeladen worden. Als Grund für die Beiladung hat das LSG. angeführt: "Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Wiedergewährung einer früher in der Tschechoslowakei vorübergehend bezogenen Unfallrente hat. Die Beiladung ist erforderlich, weil nach Mitteilung der Staatlichen Ausführungsbehörde für Unfallversicherung in München vom 12. Oktober 54 die Akten nach§ 7 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes vom 7.8.1953 (BGBl. I S. 848) zur zuständigen Weiterbehandlung abgegeben wurden."

Durch Urteil vom 7. September 1955 hat das LSG. die weitere Berufung des Klägers zurückgewiesen, ohne die Revision zuzulassen. Die Entscheidung ist wie folgt begründet: Die Entschädigungspflicht des Beklagten könne nur auf § 1 FlüRG beruhen. Dessen Voraussetzungen seien jedoch nicht gegeben, weil der Kläger zu keiner Zeit von einem deutschen Versicherungsträger eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bezogen habe. Im übrigen hätten die Vorinstanzen zutreffend festgestellt, daß eine Verschlimmerung der Unfallfolgen heute umso weniger wahrscheinlich sei, als eine solche gegebenenfalls schon zu einem früheren Zeitpunkt geltend gemacht worden wäre. Somit stehe dem Kläger weder gegen den Beklagten noch gegen die Beigeladene ein Anspruch zu.

Dieses Urteil ist dem Kläger am 25. Oktober 1955 zugestellt worden. Am 22. November 1955 hat er durch den vor dem Bundessozialgericht nicht zugelassenen Bevollmächtigten R Revision eingelegt und gleichzeitig die Bewilligung des Armenrechts nachgesucht. Am 19. Januar 1956 hat der Kläger durch Rechtsanwalt M erneut Revision eingelegt und am 26. Januar 1956 durch denselben Prozeßbevollmächtigten den Antrag gestellt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm die nachgesuchte Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

Am 11. Februar 1956 hat er unter Hinweis darauf, daß er infolge seiner Armut nicht in der Lage gewesen sei, rechtzeitig einen beim Bundessozialgericht (BSG.) zugelassenen Prozeßbevollmächtigten mit seiner Vertretung zu beauftragen, durch Rechtsanwalt M Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisions- und Revisionsbegründungsfrist nachgesucht und das Rechtsmittel folgendermaßen begründet: Das LSG. habe die vergleichsweise Heranziehung eines weiteren Gutachtens unterlassen und bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs der neu aufgetretenen Gesundheitsschädigung mit dem Arbeitsunfall von 1929 das FlüRG und die Reichsversicherungsordnung (RVO) verletzt. Es habe zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 FlüRG verneint. Diese Voraussetzungen hätte es prüfen müssen. Ferner hätte es die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die geltend gemachte Verschlimmerung der Unfallfolgen prüfen und bejahen müssen.

Durch Beschluß vom 27. Januar 1958 ist dem Kläger das Armenrecht bewilligt und Rechtsanwalt M als Prozeßbevollmächtigter beigeordnet worden.

Der Beklagte beantragt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückverweisung der Revision.

Die Beigeladene sieht die Begründung, mit der das LSG. dem Kläger Ansprüche gegen sie - die Beigeladene - versagt hat, als unzureichend an. Soweit sich das Verfahren gegen den Beklagten richtet, hält sie die Revision für unstatthaft, weil die Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 SGG nicht gegeben seien.

Sie beantragt demgemäß,

die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. September 1955 insoweit als unzulässig zu verwerfen, als durch dieses Urteil das Urteil des Oberversicherungsamts Landshut vom 24. Februar 1953 mit Bezug auf den Ablehnungsbescheid der Staatlichen Ausführungsbehörde für Unfallversicherung, Bayern, vom 28. August 1951 zurückgewiesen worden ist, im übrigen aber, was die Beigeladene, ... angeht, das Urteil des Landessozialgerichts mit den ihm insoweit zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

II

Die am 22. November 1955 eingegangene Revisionsschrift entspricht nicht den Erfordernissen des Gesetzes, weil sie nicht von einem vor dem BSG. zugelassenen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet ist (§ 166 SGG ). Die von Rechtsanwalt M am 19. Januar 1956 eingelegte und am 26. Januar 1956 ergänzte Revision genügt zwar den Formvorschriften des Gesetzes, ist aber nicht innerhalb der Monatsfrist des § 164 Abs. 1 SGG angebracht worden. Gleichwohl hat die Versäumung dieser Frist für den Kläger keine Rechtsnachteile zur Folge, weil er Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat (§ 67 Abs. 1 und 2 SGG). Er war infolge seiner durch behördliches Zeugnis nachgewiesenen Armut ohne sein Verschulden verhindert, die Revisionsfrist einzuhalten. Der Hinderungsgrund bestand bis zu dem Zeitpunkt, in welchem Rechtsanwalt M - ohne daß er damals schon als Prozeßbevollmächtigter im Armenrecht beigeordnet worden war - sich bereitfand, auch ohne Leistung eines Kostenvorschusses das Rechtsmittel einzulegen und zu begründen. Daraus, daß es dem Kläger nach Ablauf der Revisionsfrist gelungen ist, einen vertretungsbereiten Prozeßbevollmächtigten schon vor der Beiordnung durch das Gericht zu finden, kann nicht gefolgert werden, daß ihm das ebensowohl innerhalb der Revisionsfrist möglich gewesen wäre (vgl. RGZ. 167 S. 203 (206)). Dem Kläger war daher die nachgesuchte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Soweit dem Kläger Ansprüche gegen die Beigeladene versagt worden sind, hat das LSG. seine Entscheidung ausschließlich damit begründet, die Vorinstanzen hätten zutreffend festgestellt, daß eine Verschlimmerung der Unfallfolgen heute umso weniger wahrscheinlich sei, als eine solche gegebenenfalls schon zu einem früheren Zeitpunkt geltend gemacht worden wäre. Diese Ausführungen hat die Revision mit der Rüge angegriffen, es fehle an einer ausreichenden Stütze der getroffenen Feststellung durch ärztliche Gutachten. Hierin hat der Senat die Rüge gesehen, das LSG. habe den Sachverhalt nicht ausreichend erforscht (§ 103 SGG ) und seine Entscheidung nicht auf das Gesamtergebnis des Verfahrens gegründet (§ 128 Abs. 1 SGG ). Diese Rüge ist gerechtfertigt. Das LSG. hätte, wenn ihm das von der StAfU. eingeholte Gutachten der Barmherzigen Brüder vom 9. Dezember 1950 zum Nachweis einer Verschlimmerung der Unfallfolgen nicht ausreichend erschien, den Kläger durch einen anderen Arzt untersuchen und begutachten lassen müssen. Jedenfalls hätte es sich mit dem angeführten Gutachten, das die StAfU. mit ihren Verwaltungsakten vorgelegt hatte und in dem die durch einen "noch deutlich nachweisbaren früheren Beckenbruch" verursachte MdE. mit 30 v.H. beurteilt worden war, bei seiner Urteilsfindung und auch bei der schriftlichen Niederlegung der Entscheidungsgründe auseinander setzen müssen. Da zumindest nicht erkennbar ist, daß der Vorderrichter in einem nach seiner sachlich-rechtlichen Auffassung wesentlichen Punkt seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gebildet hat, liegt ein Verstoß gegen § 128 Abs. 1 SGG und damit ein wesentlicher Mangel des Verfahrens vor (vgl. BSG. in SozR.SGG § 128 Bl. Da 4 Nr. 10). Hinsichtlich der Beigeladenen ist die Revision somit nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft.

Die Revision wäre, auch wenn sich die Unfallfolgen in dem von dem Kläger behaupteten Maße verschlimmert haben sollten, nicht begründet, wenn - was das LSG. ungeprüft gelassen hat - keine gesetzlichen Vorschriften beständen, die als Anspruchsgrundlage für die vom Kläger begehrte Verletztenrente dienen könnten. Eine in diesem Sinne negative Feststellung läßt sich indessen nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen nicht treffen, vielmehr liegt die Möglichkeit nahe, daß der Kläger zu dem berechtigten Personenkreis des§ 1 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes vom 7. August 1953 (FAG - BGBl. I S. 848) gehört und demgemäß auf Grund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 FAG einen Leistungsanspruch gegen die Beigeladene hat. Nach dem FAG sind die Ansprüche des Klägers zu beurteilen, soweit er Leistungen für die Zeit vom 1. April 1952 an begehrt, während das Flüchtlingsrentengesetz auf Ansprüche für die frühere Zeit anzuwenden ist (§ 20 Abs. 2 Buchst. c und Abs. 3 FAG). Ein Leistungsanspruch nach § 1 Abs. 1 FAG besteht nicht nur, wenn der Versicherte zur Zeit des Unfalls bei einem nicht mehr bestehenden, einem stillgelegten oder einem außerhalb des Bundesgebietes und des Landes Berlin befindlichen deutschen Versicherungsträger versichert war, sondern auch, wenn die aus dem Versicherungsverhältnis entstandenen Verpflichtungen eines nicht deutschen Versicherungsträgers nach Reichsrecht auf einen deutschen Versicherungsträger übergegangen sind (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 FAG ). Da der vom Kläger als solcher bezeichnete Unfallort Asch im früheren Sudetenland liegt, könnten etwaige aus dem Versicherungsverhältnis des Klägers zur Arbeiterunfallversicherungsanstalt in Prag entstandene Verpflichtungen nach Art. 5 Abs. 1 des Abkommens über die Auseinandersetzung auf dem Gebiet der Sozialversicherung aus Anlaß der Eingliederung von ehemaligen tschecho-slowakischen Gebieten in das Deutsche Reich vom 14. März 1940 (RGBl. II S. 107) auf einen Träger der Reichsversicherung übergegangen und gemäß § 22 der Verordnung über die endgültige Regelung der Reichsversicherung in den ehemaligen tschechoslowakischen, dem Deutschen Reich eingegliederten Gebieten vom 27. Juni 1940 (Sudetenverordnung - RGBl. I S. 957) von dem zuständigen Träger der Reichsunfallversicherung grundsätzlich umzurechnen gewesen sein. Dies wäre allerdings nicht der Fall, wenn der Kläger - was zwar unwahrscheinlich, aber bisher nicht aufgeklärt ist - vor dem 1. Januar 1940 seinen Wohnsitz aus dem Sudetenland in das Protektorat Böhmen und Mähren verlegt haben sollte (vgl. Art. 5 Abs. 2 des o.a. Abkommens vom 14. März 1940 und§ 3 Abs. 2 FAG ; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand 15. Januar 1958, Bd. I S. 294 u II und 294 w). Ein Übergang auf Grund der angeführten Vorschriften ist als ein solcher nach Reichsrecht im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 FAG anzusehen (vgl. BSG. 3 S. 50 (53, 54)). Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 1 FAG wird auch zu beachten sein, daß von einem "nicht mehr bestehenden" oder einem "stillgelegten" deutschen Versicherungsträger nicht gesprochen werden kann, wenn lediglich eine für einen mittel- oder ostdeutschen Bezirk zuständige Sektion eines noch vorhandenen deutschen Unfallversicherungsträgers zu bestehen aufgehört hat (vgl. Brackmann a.a.O., S. 294 f).

Sind die Voraussetzungen für einen Übergang der Verpflichtungen nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 FAG im übrigen gegeben, so wird der mit der Klage geltend gemachte Anspruch des Klägers nicht dadurch beeinträchtigt, daß die von der Arbeiterunfallversicherungsanstalt in Prag gewährte Rente nach § 22 Abs. 7 der Sudetenverordnung nicht umzurechnen war, weil sie weniger als 20 v.H. betrug. Der angeführten Vorschrift kommt nach der Auffassung des Senats nur die Bedeutung zu, daß Renten nicht umzurechnen waren, solange sie weniger als 20 v.H. betrugen; sobald infolge Verschlimmerung der Unfallfolgen die MdE. 20 v.H. erreicht oder übersteigt, erlangt der Übergang der Verpflichtungen Wirksamkeit.

Sind die Verpflichtungen der Arbeiterunfallversicherungsanstalt in Prag zwar auf einen deutschen Versicherungsträger übergegangen, besteht der nach § 23 der Sudetenverordnung zu ermittelnde Versicherungsträger aber noch im Bundesgebiet oder im Lande Berlin, so stehen dem Kläger keine Ansprüche auf Grund des FAG zu. In diesem Falle könnten aber Ansprüche unmittelbar nach der RVO bestehen und wäre der in Betracht kommende Versicherungsträger, falls er nicht mit der beigeladenen Bau-Berufsgenossenschaft identisch ist, beizuladen.

Ist der Anspruch des Klägers gegen die Arbeiterunfallversicherungsanstalt in Prag nicht auf einen deutschen Versicherungsträger übergegangen, so bleibt zu prüfen, ob der Kläger dem nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 FAG berechtigten Personenkreis angehört, wobei vor allem das Merkmal des Buchst. a (Deutscher im Sinne desArt. 116 Abs. 1 GG ) in Betracht kommt.

Hiernach ist die Revision, soweit das Verfahren die Beigeladene betrifft, begründet.

Soweit Ansprüche gegen den durch die StAfU. vertretenen Beklagten in Betracht kommen - dies gilt für die Zeit bis zum 1. April 1952 (§§ 1, 4 FlüRG,§ 20 Abs. 3 FAG ) -, hat das LSG., wie die Revision mit Recht rügt, nicht ausreichend geklärt, ob dem Kläger für den Fall, daß die Unfallfolgen sich verschlimmert haben, ein Anspruch gegen einen nicht mehr vorhandenen oder nicht erreichbaren Sozialversicherungsträger im Sinne des § 1 FlüRG zusteht. Die bloße Feststellung, daß der Kläger zu keiner Zeit eine Rente von einem deutschen Versicherungsträger bezogen habe, reicht zur Klärung dieser Frage nicht aus. Selbst wenn die Begründung des LSG. so zu verstehen ist - und dies zutrifft -, daß § 1 FlüRG einen deutschen Versicherungsträger voraussetzt (vgl. hierzu BSG. 3 S. 50 (53); Bayer. LSG. in Amtsbl. des Bayer. Arb.- und SozMin. 1955 S. 6 B; LSG. Baden-Württemberg in Breithaupt 1956 S. 47; Brackmann a.a.O., S. 294 d II), hätte das LSG. Ermittlungen darüber anstellen müssen, ob im Zuge der Einführung der Reichsversicherung im ehemaligen Sudetenland und der Oberleitung früherer Versicherungsverhältnisse auf die deutsche Sozialversicherung durch das oben angeführte Abkommen vom 14. März 1940 und die Sudetenverordnung vom 27. Juni 1940 ein Träger der deutschen Unfallversicherung an die Stelle der Arbeiterunfallversicherungsanstalt für Böhmen in Prag getreten ist. Ist dies nämlich der Fall, so könnte, wie oben ausgeführt wurde, dem Kläger unter bestimmten weiteren Voraussetzungen ein Anspruch gegen einen nicht mehr vorhandenen oder nicht erreichbaren deutschen Sozialversicherungsträger zustehen. Die unzureichende Sachaufklärung bedeutet einen Mangel im Verfahren des LSG., der die Revision auch hinsichtlich des Beklagten statthaft macht (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG ). Es bedurfte deshalb keiner Prüfung, ob die Statthaftigkeit der Revision hinsichtlich des Beklagten und der Beigeladenen nicht schon deshalb einheitlich zu beurteilen ist, weil der Kläger einen einheitlichen Rentenanspruch geltend macht.

Auch hinsichtlich des Beklagten ist die Revision begründet, denn es besteht die Möglichkeit, daß die noch erforderliche weitere Sachaufklärung zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung führt.

Da der Rechtsstreit nicht zur Entscheidung reif ist, mußte das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG ).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem abschließenden Urteil des LSG. vorbehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 16373472

BSGE, 71

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