Orientierungssatz

Der "Vorbehalt" einer LVA, die Rente erst anzupassen, wenn die richtig berechnete und richtig angepaßte Rente den bisherigen Zahlbetrag übersteige, ist keine "Entscheidung" oder "Regelung". Wie der Senat wiederholt dargelegt hat (zuletzt vergleiche BSG 1967-11-28 11 RA 129/66), handelt es sich dabei um keinen - selbständigen oder zusätzlichen - Verwaltungsakt.

Die LVA läßt ausdrücklich offen, ob sie wirklich künftig so verfahren wird, und hat im Augenblick gerade noch keine Regelung für die Zukunft getroffen; von einer Gestaltung der künftigen Rechtsbeziehungen kann deshalb keine Rede sein. Aus diesem Grunde braucht auch niemand gegen solche Anpassungserklärungen etwas zu unternehmen, um eine nachteilige Bindungswirkung (SGG § 77) für künftige Anpassungsjahre abzuwenden.

 

Normenkette

SGG § 77 Fassung: 1953-09-03; RVO § 1272 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; SGG § 55 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23. August 1966 aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat. Insoweit wird der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Durch Bescheid vom 11. Januar 1960 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Witwenrente aus der Rentenversicherung ihres im Oktober 1959 verstorbenen Ehemannes. Die Rente wurde mehrfach den Änderungen der allgemeinen Bemessungsgrundlage angepaßt; im Jahre 1965 betrug sie nach der Anpassung auf Grund des 7. Rentenanpassungsgesetzes (RAG) 316,90 DM monatlich.

Am 16. Juni 1965 erließ die Beklagte einen "Ergänzungsbescheid", darin erklärte sie, die Rente werde hinsichtlich der Höhe neu festgestellt, weil der für 1923 entrichtete Pfl.-Beitrag von 1 mal Kl. C ohne Werteinh . (Infl.21) zu berücksichtigen sei. Anstelle von dreizehn seien nur neun Mon. an Infl.-Beiträgen anzurechnen. Hierdurch verringerten sich die anrechnungsfähigen Versicherungsjahre von 32,0 auf 31,5 Jahre.

Die Neufeststellung ergab für die gesamte Bezugszeit geringere Beträge (für 1965 einen Monatsbetrag von 312,- DM). Die Beklagte erklärte zusätzlich: "Den bisher überzahlten Betrag fordern wir nicht zurück. Da der derzeitige monatliche Zahlbetrag besitzgeschützt ist, wird die Rente in der bisherigen Höhe weitergezahlt. Wir behalten uns aber vor, Ihre Rente in Zukunft erst dann anzupassen, wenn die richtig berechnete und angepaßte Rente den derzeitigen zu hohen monatlichen Zahlbetrag übersteigt".

Die Klägerin erhob Klage und bat um gerichtliche "Stellungnahme", sie sei sich "nicht im sicheren, ob die Kürzung der Witwenrente zu Recht besteht". Anträge stellte sie nicht, sie gab auch später keine Erklärungen zur Sache mehr ab. Durch Urteil vom 14. Oktober 1965 hob das Sozialgericht (SG) Itzehoe den Bescheid vom 16. Juni 1965 auf; zugleich stellte es fest, "daß die Beklagte für den Geltungsbereich des 1. bis 7. RAG an die dem Bescheid vom 11. Januar 1960 zugrunde liegenden Berechnungsfaktoren gebunden ist". Der Berufung der Beklagten gab das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 23. August 1966 teilweise statt. Es änderte das Urteil des SG ab, hob den Bescheid vom 16. Juni 1965 nur insoweit auf, "als die Beklagte entschieden hat, die Rente der Klägerin werde in Zukunft erst angepaßt, wenn die richtig berechnete und angepaßte Rente den derzeitigen zu hohen monatlichen Zahlbetrag übersteige" und wies im übrigen die Klage ab und die Berufung zurück. In der Begründung bezeichnete das LSG den Bescheid vom 16. Juni 1965 schon deshalb als Verwaltungsakt, weil die Beklagte darin die Witwenrente ausdrücklich neu festgestellt habe; aber auch ohne Neufeststellung sei ein solcher Bescheid - im Gegensatz zu der vom Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 15. Februar 1966 (BSG 24, 236) vertretenen Auffassung - als Verwaltungsakt zu werten, weil er einen konkreten Einzelfall regele und unmittelbare Rechtswirkungen äußere; er gestalte das zwischen den Beteiligten bestehende Rechtsverhältnis dahin, daß sich die Höhe der Rente bis zu einem künftigen Zeitpunkt, der ungewiß und nicht näher bestimmbar sei, nicht mehr ändern könne. Der Bescheid vom 16. Juni 1965 enthalte mehrere Regelungen; von diesen sei rechtswidrig nur die die künftige Anpassung betreffende "Entscheidung". Die Anpassung erfolge auf der Grundlage der zuletzt bindend gewährten Rente; daran habe sich seit dem 4. RAG nichts geändert. Der gegenteiligen Auffassung des BSG im Urteil vom 15. Februar 1966 könne das LSG nicht folgen. Der maßgebende Wortlaut der einschlägigen Anpassungsvorschriften des 4. bis 8. RAG ("ohne Änderung der übrigen Berechnungsfaktoren", vgl. § 2 Abs. 1 des 8. RAG) sei wegen seiner Eindeutigkeit keiner Auslegung zugänglich; das BSG übersehe auch, daß die Rentenanpassungen "eben doch ... durch die fortschreitende Geldentwertung bedingte allgemeine Rentenerhöhungen sind"; ferner unterliege das BSG bei seinen Ausführungen zum Vertrauensschutz einem Trugschluß, weil sich der Vertrauensschutz nicht auf den nominellen Rentenbetrag, sondern auf dessen Kaufkraft beziehe. Abschließend stellte das LSG fest, daß der während des Berufungsverfahrens erlassene Bescheid vom 5. Januar 1966 über den der Klägerin ab Juli 1965 zustehenden Ausgleichsbetrag nach § 37b des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) - i.d.F. des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1965 - nicht zu beanstanden sei.

Mit der zugelassenen Revision beantragte die Beklagte, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage gegen ihre "Mitteilung" vom 16. Juni 1965 als unzulässig abzuweisen.

Sie rügte eine Verletzung des § 54 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Während des Revisionsverfahrens hat die Beklagte der Klägerin am 14. März 1967 einen Bescheid über die Anpassung ihrer Rente nach dem 8. und 9. RAG erteilt; darin ist sie von 31,5 Versicherungsjahren ausgegangen. Durch einen der Klägerin bekanntgegebenen Schriftsatz vom 10. Juni 1967 hat sie schließlich ihren Bescheid vom 16. Juni 1965 aufgehoben.

Die Klägerin ließ sich im Revisionsverfahren nicht vertreten.

II

Mit der zulässigen Revision wendet sich die Beklagte gegen das Urteil des LSG, soweit sie dort unterlegen ist. Das war der Fall, soweit das LSG den Bescheid vom 16. Juni 1965 teilweise, nämlich hinsichtlich der "Anpassungsentscheidung" aufgehoben hat. Darüber hinaus hat das Berufungsurteil die Beklagte nicht beschwert; im Berufungsurteil findet sich kein Anhalt dafür, daß das LSG (außer der teilweisen Aufhebung des Bescheides vom 16. Juni 1965) etwa auch noch die vom SG "für den Geltungsbereich des 1. bis 7. RAG" getroffene Feststellung übernehmen und bestätigen wollte.

An sich wäre deshalb im Revisionsverfahren (nur) zu prüfen, ob der Bescheid vom 16. Juni 1965 hinsichtlich der "Anpassungsentscheidung" aufgehoben werden durfte. Zwar hat die Beklagte inzwischen durch ihren Schriftsatz vom 10. Juni 1967 den gesamten Bescheid vom 16. Juni 1965 zurückgenommen. Die Klage wäre daher gegenstandslos geworden, wenn das LSG die im Bescheid vom 16. Juni 1965 enthaltene Anpassungserklärung mit Recht als "Regelung" und die erhobene Klage mit Recht als Anfechtungsklage gewertet hätte. Der Senat kann dem LSG insoweit jedoch nicht folgen und daher den Rechtsstreit nicht als erledigt betrachten, zumal auch die Klägerin keine Erledigungserklärung abgegeben hat (sie hat auf entsprechende Anfragen überhaupt nicht geantwortet).

Der Vorbehalt der Beklagten, die Rente erst anzupassen, wenn die richtig berechnete und richtig angepaßte Rente den bisherigen Zahlbetrag übersteige, war keine "Entscheidung" oder "Regelung". Wie der Senat wiederholt dargelegt hat (zuletzt im Urteil vom 28. November 1967, 11 RA 129/66), handelt es sich dabei um keinen - selbständigen oder zusätzlichen - Verwaltungsakt; diese Erklärung gehört nicht zum "Verfügungssatz" des Bescheides vom 16. Juni 1965. Der Senat hat schon früher ausgeführt, daß die Beklagte damit nicht im Vorgriff auf künftige, damals noch unbekannte RAG'e die Rentenhöhe vorab für spätere Anpassungsjahre geregelt hat. Sie hätte das auch gar nicht tun können, weil damals noch nicht bekannt gewesen ist, wie die Rentenanpassungen der späteren Jahre gesetzlich geregelt werden. Gegen die Auffassung des LSG spricht schon der Umstand, daß die Geltungsdauer der vom LSG angenommenen Regelung völlig im unklaren bliebe. Vor allem aber übersieht das LSG, daß sich die Beklagte das in der Anpassungserklärung bezeichnete künftige Verhalten (zeitweise Nichtanpassung) ausdrücklich nur "vorbehalten" hat. Damit hat die Beklagte offengelassen, ob sie wirklich künftig so verfahren wird, und im Augenblick gerade noch keine Regelung für die Zukunft getroffen; von einer Gestaltung der künftigen Rechtsbeziehungen kann deshalb keine Rede sein. Aus diesem Grunde braucht auch niemand gegen solche Anpassungserklärungen etwas zu unternehmen, um eine nachteilige Bindungswirkung (§ 77 SGG) für künftige Anpassungsjahre abzuwenden. Eine Anfechtungsklage gegen die Anpassungserklärung wäre vielmehr unzulässig.

Unter diesen Umständen ist jedoch zu prüfen, ob hier nicht andere Möglichkeiten des Rechtsschutzes in Betracht kamen. Dabei bieten sich zwei Möglichkeiten an. Wenn nach der Klageerhebung während des Verfahrens vor den Tatsacheninstanzen Anpassungsbescheide (-Mitteilungen) aufgrund der inzwischen erlassenen weiteren RAG'en ergangen sind, dann sind diese Anpassungsbescheid (-Mitteilungen) nach § 96 SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden (vgl. BSG 24, 237); in diesem Fall ist ihre Rechtmäßigkeit sachlich zu prüfen. Wenn dagegen - wie hier - bis zum Zeitpunkt des Berufungsurteils kein Anpassungsbescheid ergangen ist, dann ist die Klage als Feststellungsklage zu deuten (vgl. Urteil des Senats vom 27. September 1967, SozR Nr. 44 zu § 55 SGG). Sofern der Rentner die Unrichtigkeit der bisherigen Berechnungsfaktoren nicht bestreitet und nur die Meinung vertritt, der Versicherungsträger müsse bei den künftigen Rentenanpassungen weiterhin die ursprünglichen (falschen) Berechnungsfaktoren zugrunde legen, kann allerdings das Rechtsschutzbedürfnis der Feststellungsklage nur für die Anpassungsjahre bejaht werden, für die die Rentenanpassung bereits gesetzlich geregelt ist; denn die Rentenanpassungsgesetze müssen nicht zwangsläufig Jahr für Jahr den gleichen Wortlaut haben, und kein Gericht kann seine Entscheidung auf vermutete Vorschriften künftiger Gesetze gründen.

Sonach war die vorliegende Klage, soweit sie die künftige Rentenanpassung betraf, als Feststellungsklage im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zu verstehen. Diese Auslegung darf noch das Revisionsgericht vornehmen (BSG 21, 168). Für die Feststellungsklage bestand zur Zeit des Berufungsurteils ein Rechtsschutzbedürfnis im Sinne des § 55 Abs. 1 SGG, d.h. ein berechtigtes Interesse an baldiger Feststellung insoweit, als es sich um die Rentenanpassung nach dem damals bereits vorliegenden 8. RAG - für das Anpassungsjahr 1966 - handelte. Die Klägerin hatte also vor dem LSG sinngemäß die Feststellung begehrt, daß die Beklagte die Rente auch nach dem 8. RAG unter Zugrundelegung der im Bescheid vom 11. Januar 1960 angerechneten Beiträge (Inflationsbeiträge) anzupassen hat.

Diese Feststellungsklage aber hat sich weder durch die Rücknahme des Bescheides vom 16. Juni 1965 noch dadurch erledigt, daß die Beklagte während des Revisionsverfahrens (am 14. März 1967) über die Anpassung der Rente nach dem 8. RAG einen besonderen Anpassungsbescheid erteilt hat. Zwar dürfte dieser Bescheid als mit der Klage beim SG angefochten gelten (§ 171 Abs. 2 SGG), so daß die Klägerin an sich auch dort ihr Begehren weiterverfolgen könnte. Gleichwohl bleibt für die im Revisionsverfahren anhängige Feststellungsklage das Rechtsschutzbedürfnis bestehen und die Feststellungsklage weiterhin zulässig (vgl. Baumbach-Lauterbach, ZPO, 29.Aufl. Anm. 5 zu § 256 ZPO, Stichwort: Leistungsklage); die Klägerin muß sich nicht auf einen zweiten Rechtsstreit vor dem SG verweisen lassen, solange die Möglichkeit einer sachlichen Entscheidung im ersten Rechtsstreit besteht und zu erwarten ist, daß die Beklagte auch einem Feststellungsurteil Rechnung trägt.

Soweit danach eine sachliche Nachprüfung des Berufungsurteils geboten ist, kann der Senat ebenfalls nicht der Auffassung des LSG folgen. Dabei kann, weil die Beklagte den Bescheid vom 16. Juni 1965 inzwischen in vollem Umfange zurückgenommen hat, nicht mehr geprüft werden, ob etwa schon die - vom LSG nicht aufgehobene - "Neufeststellung" der Rente im Bescheid vom 16. Juni 1965 vom Standpunkt des LSG aus einen Rückgriff auf die Berechnungsfaktoren des Bescheides vom 11. Januar 1960 hätte ausschließen müssen. Für die sachliche Entscheidung sind die Anpassungsvorschriften für die Gruppe der nach §§ 30 ff AVG berechneten Renten (1. Rentengruppe) im 8. RAG maßgebend. Für die gleichlautenden Vorschriften des 6. und 7. RAG hat der Senat im Urteil vom 15. Februar 1966 entschieden, daß der Versicherungsträger bei der Anpassung der Renten dieser Gruppe an unzweifelhaft falsche frühere Berechnungsfaktoren der Rente nicht gebunden ist, daß er vielmehr die falschen durch die richtigen Berechnungsfaktoren ersetzen kann, jedoch in jedem Falle mindestens den bisherigen Zahlbetrag der Rente weitergewähren muß. Dasselbe gilt nach dem Urteil des Senats vom 28. Juni 1966 (SozR Nr. 1 zum 7. RAG, § 3) und nach dem Urteil des 1. Senats vom 30. August 1966 (BSG 25, 181) für die Anpassung der nach Art. 2 §§ 31 bis 34 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) umgestellten Renten (2. Rentengruppe). Mit den gegen diese Rechtsprechung vom LSG - und auch von anderen Berufungsgerichten - erhobenen Einwänden hat sich der Senat inzwischen besonders in seinem Urteil vom 23. Mai 1967 (BSG 26, 267) auseinandergesetzt; auf die Begründung wird verwiesen. Die Darlegungen des LSG geben dem Senat keinen Grund, seine auch für die Auslegung des § 2 des 8. RAG geltende Auffassung zu ändern. Es trifft nicht zu, daß ein eindeutiger Gesetzeswortlaut jede Auslegung des Gesetzes ausschließe; dem ist erst neuerdings wieder der 8. Senat des BSG in seinem Urteil vom 19. Oktober 1967 entgegengetreten (bei der Auslegung der Worte: "abgelegte Meisterprüfung" in § 5 Abs. 1 der DOV vom 30. Juli 1964 zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG, SozR Nr. 2 zu dieser Vorschrift; vgl. auch Urteil des 1. Senats vom 14. Dezember 1967 - 1 RA 133/66 - zum Inkrafttreten des § 9 Abs. 7 AVG, SozR Nr. 1 zu dieser Vorschrift). Weiter wird es weder der allgemeinen Anpassungsregelung in § 49 AVG noch der Erfahrungswirklichkeit gerecht, die Anpassungen als durch fortschreitende Geldentwertung bedingte allgemeine Rentenerhöhungen zu erklären; das wird nicht zuletzt dadurch widerlegt, daß z.B. von 1957 bis 1965 der Realwert der Renten trotz der im Jahre 1958 unterbliebenen Anpassung um 24% gestiegen ist. Die Rentenanpassungen dienen ferner weder ganz noch auch nur in erster Linie der Erhaltung der Rentenkaufkraft; dieser Gedanke darf daher nicht Richtschnur für die Auslegung der Anpassungsvorschriften werden. Schließlich überdehnt das LSG auch das Prinzip des Vertrauensschutzes, wenn es meint, der Vertrauensschutz beziehe sich auf die Kaufkraft der Renten; Ansatzpunkt des Vertrauensschutzes ist vielmehr grundsätzlich nur der festgestellte (bindend gewordene) Rentenbetrag.

Zu einer Änderung seiner Rechtsprechung sieht sich der Senat auch nicht durch die neuerdings von Erlenkaemper erhobenen Einwände (Sozialgerichtsbarkeit 1968, 52) veranlaßt. Sie betreffen im wesentlichen die "Ausgangsthese" des Senats, daß die Berechnungsfaktoren einer Rente nicht an der Bindungswirkung des Feststellungsbescheides nach § 77 SGG teilnehmen. An dieser "Ausgangsthese" ist jedoch festzuhalten. Auch der Senat geht davon aus, daß sich die Bindungswirkung eines Rentenfeststellungsbescheides - entsprechend der Rechtskraftwirkung bei gerichtlichen Urteilen - auf die Rechtsfolge bezieht und beschränkt, die vom Versicherungsträger für den geltend gemachten Anspruch aus dem konkreten Sachverhalt abgeleitet wird; die Entscheidung über den geltend gemachten Rentenanspruch ist es, die in Bindung erwächst. Zu dieser Entscheidung gehört die Feststellung des Rentenanspruchs nach Art, Dauer und Höhe; nicht dazu gehören dagegen die Berechnungsfaktoren der Rente. Welche Beitragszeiten der Versicherte zurückgelegt hat und wie sie zu bewerten sind, sind nur Vorfragen für die Entscheidung über den Rentenanspruch. Die Beurteilung von Vorfragen nimmt aber an der Bindungswirkung eines Bescheids nicht teil. Das muß hier im Auge behalten werden. Bei der Anpassung geht es darum, ob die Rente anzupassen und um welchen Betrag sie zu erhöhen ist. Die Entscheidung darüber - diese festzustellende Rechtsfolge - ist mit der im Bewilligungsbescheid getroffenen Entscheidung - der damals festgestellten Rechtsfolge - nicht identisch; es handelt sich vielmehr um zwei verschiedene "Ansprüche" im verfahrensrechtlichen Sinn (im Sinne des "Streitgegenstandes"). Daß die Entscheidung über die Anpassung die gleiche Rente betrifft und daß für das Ergebnis der Anpassung zum Teil die gleichen Berechnungsfaktoren maßgebend bleiben wie bei der erstmaligen Rentenfeststellung, steht dem nicht entgegen; die Bindungswirkung des früheren Feststellungsbescheides hindert jedenfalls nicht, bei der Entscheidung über die Anpassung die richtigen Berechnungsfaktoren zugrundezulegen, wenn die ursprünglichen Berechnungsfaktoren falsch gewesen sind. Im übrigen ist hier nochmals auf die Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 1 Satz 3 des 9. RAG hinzuweisen, die klar den Willen des Gesetzgebers bestätigt, bei keiner Rentenanpassung mehr die Übernahme unzweifelhaft falscher Berechnungsfaktoren in die Anpassungsberechnung zuzulassen.

Sonach bedarf es der Prüfung, ob die von der Beklagten geänderten Berechnungsfaktoren "ohne Zweifel" falsch gewesen sind. Die Beklagte hat die Versicherungsjahre gekürzt, sie hat andererseits den für die persönliche Bemessungsgrundlage maßgebenden Prozentsatz geringfügig erhöht, was sich allerdings erst bei der Festsetzung des Ausgleichsbetrages nach § 37b AVG (zugunsten der Klägerin) ausgewirkt hat. Für die hier zu treffende Entscheidung bedarf es nur der Klärung, ob die Versicherungsjahre zu Recht gekürzt worden sind. Dazu fehlen im Urteil des LSG ausreichende tatsächliche Feststellungen. Die erforderlichen Feststellungen kann das BSG nicht selbst treffen. Deshalb muß das Urteil des LSG im angefochtenen Teil, d.h. soweit es der Klage stattgegeben hat, aufgehoben und der Rechtsstreit insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.

Bei der neuen Entscheidung wird das LSG prüfen müssen, ob der während des Revisionsverfahrens nach dem 8. und nach dem 9. RAG erteilte Anpassungsbescheid vom 14. März 1967 Gegenstand des wieder beim LSG anhängigen Verfahrens geworden ist (vgl. BSG 9, 78 f). Dabei ist zu beachten, daß nach dem Urteil des Senats vom 15. Februar 1966 § 96 SGG sinngemäß anzuwenden ist, wenn einer Anpassungserklärung der hier vorliegenden Art später Anpassungsbescheide (-Mitteilungen) nach den inzwischen erlassenen Rentenanpassungsgesetzen folgen und daß die Beklagte den Bescheid vom 16. Juni 1965, der die Anpassungserklärung enthielt, erst nach ihrem Anpassungsbescheid vom 14. März 1967 zurückgenommen hat. Der Anpassungsbescheid vom 14. März 1967 dürfte daher nach § 96 SGG Gegenstand des vor dem LSG wieder rechtsanhängigen Verfahrens geworden sein; das hätte zur Folge, daß für das weitere Verfahren eine Deutung der Klage als eine auf das 8. RAG bezogene Feststellungsklage entbehrlich wäre; das LSG hätte also über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 14. März 1967 zu entscheiden.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2374976

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