Leitsatz (amtlich)
Die Landabgaberente mit Ehegattenanteil, die ein in Gütergemeinschaft lebender Landwirt erhält, ist in vollem Umfang als Bruttoeinkommen zur Bestimmung des schädigungsbedingten Einkommensverlustes (BVG § 30 Abs 4 S 1) und für die Berechnung des auf die Ausgleichsrente anzurechnenden Einkommens (BVG § 33 Abs 1) zu werten (Anschluß an BSG 1976-08-25 9 RV 172/75 = SozR 3100 § 30 Nr 15; BSG 1977-11-15 10 RV 77/76).
Normenkette
GAL § 41 Fassung: 1973-12-19; BVG § 30 Abs. 3 Fassung: 1971-12-16, Abs. 4 S. 1 Fassung: 1971-12-16, § 33 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1966-12-28, § 30Abs3u4DV § 9 Fassung: 1974-04-11, § 33DV § 1 Fassung: 1975-07-01
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 10.02.1977; Aktenzeichen L 7 V 342/76) |
SG Landshut (Entscheidung vom 13.05.1976; Aktenzeichen S 11 V 207/75) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Februar 1977 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger lebt mit seiner Ehefrau in Gütergemeinschaft. Bis Oktober 1970 betrieb er mit ihr gemeinsam eine Landwirtschaft. Bei der Berechnung seines Berufsschadensausgleichs und seiner Ausgleichsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) bewertete das Versorgungsamt die gesamten Einkünfte aus dem Betrieb als Einkommen (Bescheid vom 29. November 1968, Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 1969, Bescheid vom 30. Juli 1969). Weil die Eheleute nunmehr ihr gemeinschaftliches Grundeigentum verpachtet haben, bezieht der Kläger von der Landwirtschaftlichen Alterskasse Niederbayern-Oberpfalz (LAK) seit 1. Oktober 1970 Landabgaberente (LAR) in der für ein Ehepaar festgelegten Höhe (Bescheid vom 16. November 1970); er allein ist anspruchsberechtigt. Das Versorgungsamt berücksichtigte bei der Berechnung der einkommensabhängigen Versorgungsbezüge die Pachteinnahmen nur zur Hälfte, dagegen die LAR in voller Höhe (Bescheide vom 12. Januar 1971, 12. Februar 1971, 29. November 1971). Zur Erledigung des Rechtsstreits gegen diese Verwaltungsakte verpflichtete sich der Beklagte, die Einkünfte aus der Landwirtschaft von 1968 bis 1970 nur zur Hälfte als Einkommen anzurechnen und über die Berücksichtigung der LAR ab 1. Oktober 1970 neu zu entscheiden. Den Antrag, die LAR bloß zur Hälfte als Einkommen zu bewerten, lehnte das Versorgungsamt wiederum ab (Bescheid vom 23. Mai 1972). Der Kläger, der dies nicht angefochten hat, beantragte im Mai 1974, durch Zugunstenbescheid die Einkommensbewertung bei der LAR auf die Hälfte zu beschränken. Der Antrag blieb erfolglos (Bescheid vom 5. Juli 1974, Widerspruchsbescheid vom 18. März 1975). Das Sozialgericht (SG) hob die angefochtenen Verwaltungsakte auf und verurteilte den Beklagten, über die Anrechnung der LAR bei der Berechnung der Ausgleichsrente und des Berufsschadensausgleichs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Es vertrat die Ansicht, die LAR sei nur zur Hälfte als Einkommen anzusetzen (Urteil vom 13. Mai 1976). Das Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 10. Februar 1977): Der Beklagte habe den begehrten Zugunstenbescheid (§ 40 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung - KOVVfG -) nicht zu erteilen; denn der bindend gewordene Verwaltungsakt vom 23. Mai 1972 sei nicht rechtswidrig. Für diese Berechnungsweise sei das ehegüterrechtliche Schicksal der Einkünfte nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. August 1976 - 9 RV 172/75 - (SozR 3100 § 30 Nr 15) nicht erheblich. Was in diesem Urteil über das Altersgeld nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) entschieden worden sei, gelte auch für die LAR nach den §§ 41 ff GAL, die der Kläger als allein beitragspflichtig gewesener Unternehmer erhalte. Da sich die versorgungsrechtliche Bewertung dieser Rente allein nach der Beitragsentrichtung bestimme und die Mitarbeit der Ehefrau im gemeinsamen Unternehmen ohne Bedeutung sei, verstoße es nicht gegen Artikel 3 Abs 2 Grundgesetz, die volle LAR als Bruttoeinkommen des Klägers anzusetzen.
Der Kläger rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision eine Verletzung der §§ 41 ff GAL und des § 40 KOVVfG. Die LAR beruhe auf einer anderen anspruchsbegründenden Voraussetzung als das Altersgeld, das nach dem Urteil des BSG vom 25. August 1976 deshalb in vollem Umfang als Bruttoeinkommen versorgungsrechtlich zu bewerten sei, weil es aufgrund der berufsständischen Solidargemeinschaft der landwirtschaftlichen Unternehmer nach dem Grundsatz der Generationsvorsorge gezahlt werde. Hingegen setze die LAR eine Verpachtung der Betriebsflächen an einen anderen Landwirt zur Verbesserung der Agrar- und Infrastruktur voraus, diene also einem damit zusammenhängenden sozialpolitischem Ziel. Es wäre nicht verständlich und sozialpolitisch nicht gewollt, daß der der Ehefrau, der ehemaligen Mitunternehmerin zustehende Anteil in die Berechnung nur deshalb einbezogen werde, weil allein der Kläger von der LAK diese Leistung zu beanspruchen habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das LSG hat mit Recht die angefochtenen Verwaltungsakte bestätigt. Der Kläger könnte die begehrte Entscheidung zu seinen Gunsten nach § 40 KOVVfG nur dann erreichen, wenn die rechtsverbindliche Entscheidung über die Berücksichtigung der LAR bei den einkommensabhängigen Versorgungsleistungen (§ 24 KOVVfG, § 77 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) unrichtig wäre, was die Gerichte zu überprüfen haben (BSGE 40, 120, 121 = SozR 3100 § 30 Nr 8; BSGE 42, 283f = SozR 3100 40a Nr 4). Das ist jedenfalls für die Zeit seit Mai 1974, dem Antragsmonat, von dem ab grundsätzlich ein Zugunstenbescheid erteilt werden könnte (Nr 8 der Verwaltungsvorschriften zu § 40 KOVVfG; BSGE 40, 121 f), nicht der Fall.
Die LAR nach den §§ 41 ff GAL vom 14. September 1965 (BGBl I 1449) in der Fassung vom 29. Juli 1969 (BGBl I 1017)/ 21. Dezember 1970 (BGBl I 1774)/26. Juli 1972 (BGBl I 1293) ist im Fall des Klägers in vollem Umfang als sein aus früherer Tätigkeit erzieltes Bruttoeinkommen zu werten, das zur Bestimmung des schädigungsbedingten Einkommensverlustes, der Voraussetzung für einen Berufsschadensausgleich, dem Durchschnittseinkommen in dem ohne die Schädigung wahrscheinlich ausgeübten Beruf gegenüberzustellen ist (§ 30 Abs 3 und 4 BVG idF des 3. Neuordnungsgesetzes vom 28. Dezember 1966/ 20. Januar 1967 - BGBl 1967 I 141 - und des 3. Anpassungsgesetzes vom 16. Dezember 1971 - BGBl I 1985 -, § 9 Abs 2 Nr 5 der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs 3 und 4 BVG in der am 1. Januar 1974 in Kraft getretenen Fassung vom 11. April 1974 - BGBl I 927 -). Ebenfalls ist die volle LAR als anzurechnendes Einkommen zu berücksichtigen, um das die volle Ausgleichsrente (§ 32 BVG) zu mindern ist (§ 33 BVG; § 1 Abs 3 Satz 2 Nr 4 der Verordnung zu § 33 BVG in der am 1. Januar 1971 in Kraft getretenen Fassung vom 24. Januar 1972 - BGBl I 70 -). Gleiches hat der erkennende Senat bereits für das Altersgeld entschieden, das ein in Gütergemeinschaft lebender Landwirt mit Ehegattenanteil nach § 2 Abs 1, § 4 Abs 1 GAl erhält (SozR 3100 § 30 Nr 15). Der 10. Senat des BSG hat diese Rechtsprechung für das vorzeitige Altersgeld (§ 2 Abs 2 GAL) in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 15. November 1977 - 10 RV 77/76 - (VdK-Mitteilungen 1978, 32) fortgesetzt. Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigen und gebieten nicht etwa unterschiedliche Zweckbestimmungen des Altersgeldes und der LAR, diese Leistung anders als jene zu behandeln, dh sie in Fällen der vorliegenden Art nur zur Hälfte als Einkommen im Recht der Kriegsopferversorgung zu berücksichtigen.
Das Altersgeld dient sowohl dem sozialpolitischen Zweck, nicht mehr erwerbstätige Landwirte wirtschaftlich zu sichern, als dem agrarpolitischen Zweck, die rechtzeitige Abgabe von landwirtschaftlichen Unternehmen, eine Anspruchsvoraussetzung (§ 2 Abs 1 Buchstabe c, Abs 2 Buchstabe c, Abs 3 bis 8 GAL), zu erreichen (Noell/Rüller, Änderung der Altershilfe für Landwirte und Einführung der LAR, 1969, Erläuterung, Seite 44). Hingegen dient die LAR vor allem dem wirtschaft- und agrarpolitischem Ziel, die Agrar- und Infrastruktur zu verbessern (§ 41 Abs 1 Buchstabe c, § 42 GAL; Schriftlicher Bericht des Bundestags -BT-Ausschusses für Sozialpolitik, BT-Drucks V/4419, Seite 4; Noell/Rüller, aaO S 52, 66, 67; BSGE 38, 240 f = SozR 5850 § 42 Nr 1), und zwar mit einem sozialpolitischen Sicherungsmittel (Noell/Rüller, aaO, S 43, 44, 53; Noell, Altershilfe für Landwirte, 2. Auflage 1971, F, Vorbemerkung 2. Teil GAL, Seite 3 und 6) oder mit zusätzlichen sozialpolitischen Wirkungen (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des GAL - BR-Drucks 83/69 = BT-Drucks V 3970, Seite 5; Empfehlungen des BR-Ausschusses für Arbeit- und Sozialpolitik - Drucksache 83/1/69, Seite 5; Stellungnahme des Bundesrats, Anlage zur Drucksache 83/69, Seite 4; Stellungnahme des Bundesrats, zu BT-Drucks V/3970, Seite 3; Schriftlicher Bericht des BT-Ausschusses - BT-Drucks V/4419, Seite 2; Noell, aaO, Seite 3). Dieser Unterschied wirkt sich gerade nicht in der Weise rechtserheblich aus, wie sie die Revision annehmen zu können glaubt. Im Gegenteil, die Leistung, um die es hier geht, steht noch weniger in einem engen Zusammenhang mit den Eigentumsverhältnissen der abgebenden Unternehmer und mit ihren Beitragsleistungen aus dem Betriebseinkommen, das zur Gütergemeinschaft gehörte.
Zwar setzt auch der Anspruch auf LAR eine Beitragsleistung an die LAK für wenigstens 60 Kalendermonate voraus (§ 41 Abs 1 Buchstabe b GAL). Aber diese Mittel dienen - anders als für das Altersgeld - nicht einmal anteilig der Finanzierung. Die Aufwendungen für die LAR trägt ausschließlich der Bund (§ 45 GAL), der weitgehend die Strukturpolitik finanziert (Artikel 91 Abs 1 Nr 2 und 3, Abs 4 Grundgesetz). Die Beitragszeit ist eine reine Wartezeit (Noell/Rüller, aaO, Seite 60f; Noell, GAL, F, § 41, Anmerkung II, 1; III, 3, d), die eine ungerechtfertigte Bevorzugung von Landwirten, die sich von der Beitragspflicht haben befreien lassen, verhindern soll (Schriftlicher Bericht des BT-Ausschusses für Sozialpolitik, aaO, S 3). Wenn die Ehefrau eines Landwirts als Mitunternehmerin keine eigenen Beiträge zusätzlich gezahlt, mithin die Wartezeit nicht selbst erfüllt hat, erwirbt sie auch keinen Anspruch auf LAR.
Im übrigen gelten für diese Rente alle rechtlichen Gesichtspunkte, mit denen der erkennende Senat und der 10. Senat des BSG die volle Berücksichtigung des Altersgeldes, das einem in Gütergemeinschaft lebenden Landwirt gewährt wird, im Kriegsopferrecht begründet haben. Maßgebend ist allein das versorgungsrechtliche Rechtsverhältnis, nicht das ehegüterrechtliche Schicksal der ausschließlich dem Ehemann zustehenden Rentenbeträge. Insoweit wird auf die Begründungen der beiden Urteile, die das Altersgeld betreffen, hingewiesen. Gegen sie hat die Revision keine Bedenken erhoben. Die LAR ist, abgesehen von den dargelegten Unterschieden in der Zielsetzung und Finanzierung, grundsätzlich rechtlich ebenso zu beurteilen wie das Altersgeld: Das Unternehmen muß ebenfalls abgegeben sein (§ 41 Abs 2 GAL; BSGE 35, 115, 116 ff = SozR Nr 1 zu § 41 GAL 1965; SozR 5850 § 41 Nr 1; BSGE 41, 250, 251 ff = SozR 5850 § 41 Nr 6). Die Rentenhöhe ist gleichfalls nach dem Familienstand gestaffelt (§ 44 Abs 1 GAL); der Ehegattenzuschlag wird unabhängig vom Güterstand und von einer Beteiligung des Ehegatten am abgegebenen Unternehmen gewährt.
Wenn die privatrechtlichen Pachteinnahmen dem Kläger bloß zur Hälfte als Einkommen im versorgungsrechtlichen Sinn zugerechnet werden, so ist dies nicht etwa verbindlich für die Bewertung der LAR, die aus einer anderen Quelle stammt, eine völlig andere Rechtsnatur hat und in anderer Beziehung zu dem früher in Gütergemeinschaft betriebenen Unternehmen steht. Viel weniger ist die LAR ebenso wie nach rechtsverbindlichen Entscheidungen das Einkommen aus dem vom Kläger und seiner Ehefrau selbst bewirtschafteten Betrieb (vgl dazu die Zitate in BSG SozR 3100 § 30 Nr 15) versorgungsrechtlich zu behandeln.
Die Revision ist mithin als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen