Leitsatz (amtlich)
Zur Anwendung und Abgrenzung der §§ 102, 104 und 105 SGB 10.
Leitsatz (redaktionell)
Die Rentenversicherung ist für psychosomatische Klinikbehandlung leistungspflichtig.
Orientierungssatz
1. Nach Art 2 § 21 SGB 10 sind bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen, wobei diese Vorschrift auch noch nicht zu Ende geführte Gerichtsverfahren erfaßt, in denen Leistungsträger gegeneinander Erstattungsansprüche geltend machen.
Gegen die insoweit rückwirkende Anwendung der §§ 102 ff SGB 10 bestehen keine begründeten verfassungsrechtlichen Bedenken.
2. "Auf Grund gesetzlicher Vorschriften" iS von § 102 Abs 1 SGB 10 sind nicht nur Vorleistungen erbracht, zu deren Gewährung eine Verpflichtung besteht, sondern auch solche, die auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruhen. Gemeinsames Kriterium beider Fallgruppen ist aber, daß der zuerst angegangene Träger praktisch im Vorgriff die Leistung erkennbar für einen anderen Träger erbringt.
3. Die Subsumierung unter § 104 SGB 10 erfordert das Bestehen von Ansprüchen gegen (mindestens) zwei Leistungsträger. Im Verhältnis des § 184a RVO zu § 1236 RVO fehlt es gerade an einer solchen Anspruchskonkurrenz.
Liegen die Voraussetzungen des § 1236 RVO vor, so entfällt die Verpflichtung der Kasse nach § 184a RVO. Es kann die lediglich subsidiäre Zuständigkeit nach dieser Vorschrift nicht der nachrangigen Verpflichtung iS des § 104 SGB 10 gleichgesetzt werden.
4. Die Anwendung des § 105 SGB 10 scheitert nicht daran, wenn der Anspruch des Berechtigten kein Rechtsanspruch, sondern nur ein sogenannter Ermessensanspruch, gerichtet auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens ist.
5. Krankenhauspflege (§ 184 RVO) liegt vor, wenn die pflegerische Tätigkeit der ärztlichen Behandlung untergeordnet ist. Maßnahmen iS von § 184a RVO sind dagegen - obwohl ebenfalls unter ärztlicher Leitung, stationär und unter Beteiligung ausgebildeten Personals - vorwiegend darauf gerichtet, den Zustand des Patienten durch seelische und geistige Einwirkung und durch Anwendung von Heilmitteln zu beeinflussen, ihm Hilfestellung zur Entwicklung eigener Abwehrkräfte zu geben; die pflegerische Betreuung des Patienten ist hier der ärztlichen Betreuung eher nebengeordnet (vgl BSG vom 24.3.1983 8 RK 2/82 = SozR 2200 § 184a Nr 5).
Normenkette
SGB 10 § 102 Abs. 1 Fassung: 1982-11-04, § 104 Fassung: 1982-11-04, § 105 Fassung: 1982-11-04; RVO §§ 184, 184a, 1236; SGB 10 Art. 2 § 21 Fassung: 1982-11-04; GG Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 23.11.1983; Aktenzeichen L 14 Ar 553/82) |
SG Augsburg (Entscheidung vom 15.11.1982; Aktenzeichen S 4 Ar 267/81) |
Tatbestand
Die klagende Innungskrankenkasse (IKK) verlangt für die dem Beigeladenen Rudolf C. vom 17. Mai bis zum 2. November 1979 gewährte stationäre Heilbehandlung sowie das gleichzeitig gezahlte Krankengeld von der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) Kostenerstattung.
Der bei der Klägerin krankenversicherte und bei der Beklagten rentenversicherte Beigeladene war vom 19. Februar bis zum 11. November 1979 arbeitsunfähig krank. In einer Bescheinigung vom 27. März 1979 befürwortete der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. von L., Augsburg, den an einer neurotischen Depression leidenden Beigeladenen in der Psychosomatischen Klinik W./A. zu behandeln, da andere Behandlungsmaßnahmen keinen Erfolg gebracht hätten. Nachdem auch der vertrauensärztliche Dienst der Beklagten die Maßnahme empfohlen hatte, übernahm die IKK die Kosten der stationären Behandlung, die vom 17. Mai bis zum 2. November 1979 durchgeführt wurde.
Mit Schreiben vom 12. Januar 1981 forderte die IKK die LVA auf, die Krankenhauspflegekosten in Höhe von 18.615,50 DM und das dem Beigeladenen für die Zeit des stationären Aufenthalts gezahlte Krankengeld von 5.149,24 DM zu erstatten. Die Beklagte verweigerte dies, weil die Maßnahme ohne ihre Zustimmung durchgeführt worden sei und Krankenkassen auf dem Rehabilitationssektor zur Vorleistung weder berechtigt noch verpflichtet seien.
Das Sozialgericht (SG) Augsburg hat die Beklagte durch Urteil vom 15. November 1982 verpflichtet, der Klägerin die verauslagten Heilbehandlungskosten sowie das Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu erstatten. Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat im angefochtenen Urteil vom 23. November 1983 die Berufung der Beklagten mit Ausnahme der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten zurückgewiesen und ausgeführt: Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch sei § 104 des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - (SGB 10), da die Krankenkasse in Fällen des § 184a der Reichsversicherungsordnung (RVO) nur subsidiär zu leisten habe. Bei der durchgeführten Maßnahme handele es sich jedoch im Hinblick auf deren Art und die Ausrichtung der Psychosomatischen Klinik W. um ein Rehabilitationsverfahren, für das - worüber zwischen den Beteiligten kein Streit bestehe - die Beklagte zuständig gewesen sei. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, daß der Ermessensbereich der Rentenversicherungsträger durch keine Vorentscheidung anderer Sozialleistungsträger eingeschränkt werden dürfe. Daß der Rentenversicherungsträger nur auf Grund einer Kann-Vorschrift verpflichtet sei, könne allenfalls beachtlich sein, wenn Ermessensgründe im einzelnen vorgetragen würden, die Beklagte behaupte aber nicht, sie hätte im Falle ihrer Zuständigkeit die stationäre Behandlung versagt.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision trägt die beklagte LVA vor, sie halte ihre Ansicht, daß es sich um eine Rehabilitationsmaßnahme iS der §§ 184a, 1236 RVO gehandelt habe, nicht mehr aufrecht; es sprächen mehr Argumente für die im Vordergrund stehende intensive ärztliche Behandlung und Überwachung des Beigeladenen, also für eine Krankenhauspflege iS des § 184 RVO, so daß sie - die Beklagte - davon ausgehe. Diese neue Einlassung scheitere auch nicht an § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da diese Vorschrift sich ausschließlich auf tatsächliche Feststellungen beziehe, nicht dagegen auf rechtliche Wertungen. Allerdings habe das LSG nicht im einzelnen dargelegt, weshalb nach seiner Meinung § 184 RVO ausscheide und § 184a RVO zutreffe, so daß dies noch geklärt werden müsse. Im übrigen sei eine rückwirkende Anwendung des § 104 SGB 10 nicht möglich. Gegen eine Rückwirkung der §§ 102 bis 105 SGB 10 ergäben sich auch verfassungsrechtliche Bedenken.
Die Beklagte beantragt, die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. November 1983 und des Sozialgerichts Augsburg vom 15. November 1982 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält dem Vorbringen der Revision entgegen, die Beklagte habe bis zum Abschluß des Berufungsverfahrens selbst ihre Leistungszuständigkeit sowie die Einordnung der Klinik W. als Rehabilitationsklinik iS des § 184a RVO bejaht und den Rechtsstreit ausschließlich wegen der Nichtanerkennung einer rechtlichen Erstattungsgrundlage geführt. Bestätigt werde dies durch den an Dr. von L. gerichteten Entlassungsbericht dieser Klinik.
Der Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil des LSG aufgehoben und der Rechtsstreit an dieses Gericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden muß. Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen zu einer abschließenden Entscheidung nicht aus.
Die Klägerin verlangt Erstattung für eine Leistung (Heilbehandlung nebst Krankengeld), die sie - zunächst - in der Annahme ihrer Zuständigkeit gewährt hatte, von der Beklagten als derjenigen, die sie - hernach - für tatsächlich zuständig (gewesen) hält.
Erstattungsansprüche zwischen Sozialleistungsträgern sind jetzt in den §§ 102 ff des Dritten Kapitels des SGB 10 vom 4. November 1982 (BGBl I 1450) geregelt. Mit den dadurch mit Wirkung vom 1. Juli 1983 eingeführten Bestimmungen hat der Gesetzgeber die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander neu geregelt und damit das bisherige Recht abgelöst. Nach Art II § 21 des Gesetzes vom 4. November 1982 sind bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen, wobei diese Vorschrift auch noch nicht zu Ende geführte Gerichtsverfahren erfaßt, in denen Leistungsträger gegeneinander Erstattungsansprüche geltend machen. Dies hat der erkennende Senat durch Urteil vom 1. Dezember 1983 (SozR 1300 Art 2 § 21 SGB 10) sowie mehrere Urteile vom 13. September 1984 (4 RJ 37/83, 63/83, 39/83, 45/83, 57/83 und 41/83) in Übereinstimmung mit dem 9a Senat (Urteil vom 28. März 1984 = SozR 1300 § 102 Nr 1), dem 7. Senat (Urteil vom 24. Mai 1984 - 7 RAr 97/83 -), dem 8. Senat (Urteil vom 22. Mai 1984 - 8 RK 45/83 -) und dem 1. Senat (Urteile vom 14. November 1984 - 1/4 RJ 57/84 - und vom 30. Januar 1985 - 1/4 RJ 107/83 -) entschieden.
Entgegen der Revision bestehen gegen die insoweit rückwirkende Anwendung der §§ 102 ff SGB 10 auch keine begründeten verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere wird damit nicht das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit verletzt; denn dieser Grundsatz dient in erster Linie dem Vertrauensschutz des Bürgers (vgl Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 51, 356, 362 f), dessen Belange hier gerade nicht tangiert werden, und setzt darüber hinaus einen entwertenden, nicht vorhersehbaren Eingriff voraus, an dem es hier fehlt, zumal mit den §§ 102 ff SGB 10 im wesentlichen lediglich bereits bestehende Ansprüche kodifiziert worden sind und - wie noch auszuführen sein wird - der von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachte Erstattungsanspruch durch die Neuregelung keine substantielle Änderung erfahren hat.
Bei der Untersuchung der einzelnen Anspruchsnormen hat das LSG zutreffend die Anwendbarkeit des § 102 SGB 10 auf den vorliegenden Sachverhalt verneint. § 102 Abs 1 dieser Vorschrift regelt den Erstattungsanspruch des Leistungsträgers, der auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat, gegen den (endgültig) zur Leistung verpflichteten Träger. "Auf Grund gesetzlicher Vorschriften" sind dabei nicht nur Vorleistungen erbracht, zu deren Gewährung eine Verpflichtung besteht, sondern auch solche, die auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruhen (vgl VDR-Komm SGB X, § 102 Anm 4). Gemeinsames Kriterium beider Fallgruppen ist aber, daß der zuerst angegangene Träger praktisch im Vorgriff die Leistung erkennbar für einen anderen Träger erbringt (im Ergebnis ebenso: BSG SozR 1300 § 102 SGB 10 Nr 1; Schroeder-Printzen/Engelmann, SGB X Ergänzungsband, § 102 Anm 2; vgl auch Amtliche Begründung zu § 108 des Regierungsentwurfs, BT-Drucks 9/95 S 24 und die dort beispielsweise für eine derartige Vorleistung genannten Vorschriften § 1735 RVO, § 43 Abs 1 SGB 1, § 6 Abs 2 Rehabilitations-Angleichungsgesetz -RehaAnglG-, §§ 44, 59 des Bundessozialhilfegesetzes -BSHG-). Das trifft auf den vorliegenden Sachverhalt nicht zu. Als die Klägerin die Kosten für den Aufenthalt des Beigeladenen in der Psychosomatischen Klinik übernahm, hielt sie sich selbst für verpflichtet und zuständig, die Leistung zu gewähren (Gewährung von Krankenhauspflege nach § 184 Abs 1 RVO idF des Gesetzes vom 19. Dezember 1973, BGBl I 1925). Erst wesentlich später gelangte sie zu der Annahme, daß nicht sie, sondern die Beklagte zuständig gewesen sei.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt allerdings als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch auch nicht § 104, sondern § 105 SGB 10 in Betracht. § 104 aaO regelt den Erstattungsanspruch des (nur) nachrangig verpflichteten Trägers gegen denjenigen Träger, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte (Abs 1 Satz 1 der Vorschrift). Vorausgesetzt wird also ua - von den Fällen einmal abgesehen, in denen kraft materiell-rechtlicher Einzelvorschrift auf § 104 SGB 10 Bezug genommen wird - ein Vorrang/Nachrang-Verhältnis zwischen den Trägern, das auf einer generellen Regelung - wie im Sozialhilferecht § 2 BSHG - beruhen oder aus der Systematik der Leistungsverpflichtung im Verhältnis zueinander folgen kann (vgl zB Schroeder-Printzen aaO § 104 Anm 2.1). Daraus ergibt sich, daß dem Berechtigten dem Grunde nach zwei Leistungsträger "verpflichtet" sind. Dies verdeutlicht zusätzlich § 104 Abs 1 Satz 2 aaO, wonach nachrangig verpflichtet ein Leistungsträger ist, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet wäre. Das LSG hat die Anwendung des § 104 SGB 10 auf den vorliegenden Sachverhalt damit begründet, daß die Krankenversicherungsträger in Fällen des § 184a RVO nur subsidiär verpflichtet seien. Nun kann zwar nach dieser Vorschrift, auf die sich die Klägerin beruft, in der Tat der Krankenversicherungsträger nur subsidiär, nämlich dann zu einer "Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in Kur- oder Spezialeinrichtungen" ua verpflichtet sein, "wenn nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften mit Ausnahme des § 1305 Abs 1 (RVO) ... solche Leistungen nicht gewährt werden können." Liegen also die Voraussetzungen des § 1236 RVO vor, so entfällt die Verpflichtung der Kasse nach § 184a RVO. Indessen kann die lediglich subsidiäre Zuständigkeit nach dieser Vorschrift nicht der nachrangigen Verpflichtung iS des § 104 SGB 10 gleichgesetzt werden. Denn während - wie oben dargelegt - die Subsumierung unter § 104 SGB 10 das Bestehen von Ansprüchen gegen (mindestens) zwei Leistungsträger erfordert, fehlt es im Verhältnis des § 184a RVO (ähnlich: § 182d RVO) zu § 1236 RVO (oder anderen Vorschriften, nach denen eine entsprechende Leistung gewährt werden kann) gerade an einer solchen Anspruchskonkurrenz: sofern hier überhaupt die Begriffe "vorrangig" und "nachrangig" angebracht sind, verdrängt von vornherein dem Grunde nach der vorrangige Anspruch den nachrangigen, so daß nur ein Anspruch gegeben und nur ein Träger für die Leistung zuständig ist (ebenso insbesondere Gerlach, DOK 1983, 393, 400; vgl auch Schellhorn in Gemeinschaftskommentar -GK-SGB X 3, § 104 Rz 25).
Als Anspruchsgrundlage bietet sich § 105 SGB 10 an: Die Klägerin behauptet, als (sachlich) unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht zu haben, und verlangt von der beklagten LVA als dem nach ihrer Ansicht zuständigen oder zuständig gewesenen Leistungsträger Erstattung (vgl Abs 1 Satz 1 aaO). Denn wenn es sich bei dem Aufenthalt des Beigeladenen in der Psychosomatischen Klinik nicht um eine Krankenhauspflege iS von § 184 Abs 1 RVO, sondern um die Behandlung in einer Kur- oder Spezialeinrichtung nach § 184a RVO (nach Anfügung eines Absatzes durch Gesetz vom 20. Dezember 1982, BGBl I 1857: Abs 1 der Vorschrift) gehandelt hat und auch die Voraussetzungen des § 1236 RVO vorgelegen haben, wäre die Krankenkasse von Anfang an für die Leistungen (Rehabilitationsmaßnahme) nicht zuständig gewesen; sie hätte ohne Rechtsgrund (zu Unrecht, rechtswidrig) geleistet. Es kommt weder auf ein Verschulden des leistenden Trägers an, noch wird an dessen "pflichtwidriges Verhalten" angeknüpft (aA anscheinend Schellhorn in GK SGB X 3 § 105 Rz 20). Auch nach bisherigem Recht war seit langem anerkannt, daß nach allgemeinen Grundsätzen, unabhängig von ausdrücklichen Regelungen, dem vorleistenden gegen den verpflichteten Sozialleistungsträger ein Erstattungsanspruch (Abwälzungsanspruch) zustehen müsse (vgl SozR 2200 § 184a Nr 5 zum Verhältnis § 184/§ 184a RVO; BSGE 47, 296 = SozR 3100 § 10 Nr 12 mit Rechtsprechung; SozR 3100 § 18c Nr 3 S 10: unmittelbarer Ausgleich nach mittelbarer rechtsgrundloser Vermögensverschiebung zwischen zwei Trägern). Ob § 105 auch in Extremfällen - etwa bei rechtsmißbräuchlichem Verhalten oder wenn bei offensichtlicher Unzuständigkeit zum Nachteil eines anderen Trägers geleistet wurde - anwendbar ist, kann für den vorliegenden Rechtsstreit unerörtert bleiben; Anhaltspunkte für eine derartige besondere Fallgestaltung sind nicht erkennbar.
Die Anwendung des § 105 SGB 10 scheitert auch nicht daran, daß der von der Klägerin behauptete Anspruch des Beigeladenen (Berechtigten) gegen die beklagte LVA kein Rechtsanspruch, sondern nur ein sogenannter Ermessensanspruch, gerichtet auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB 1) ist (vgl Schroeder-Printzen/Engelmann aaO § 104 Anm 2.4., VDR-Komm § 104 Anm 6; für das bisherige Recht: zB SozR 2200 § 182c Nr 4 und § 187 Nr 5).
Voraussetzungen und Zuständigkeit für einen Anspruch des Versicherten gegen den Rentenversicherungsträger regelt § 1236 iVm § 1237 RVO. Nach § 1236 Abs 1 Satz 1 in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem Gesetz vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1523) kann der Rentenversicherungsträger Leistungen zur Rehabilitation erbringen, wenn die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte gefährdet oder gemindert ist und voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann. Soweit Träger anderer Zweige der Sozialversicherung zuständig sind, bleibt deren Verpflichtung unberührt (Abs 3). Medizinische Leistungen der Rehabilitation umfassen insbesondere "ärztliche Behandlung" (§ 1237 Nr 1 RVO) sowie "Belastungserprobung und Arbeitstherapie" (aaO Nr 5) "vor allem in Kur- und Spezialeinrichtungen." Wie dargelegt, ist im Verhältnis dazu der Anspruch nach § 184a RVO gegenüber der Krankenkasse subsidiär; gleiches gilt nach § 182d RVO hinsichtlich Belastungserprobung und Arbeitstherapie. Da aber andererseits für Krankenhauspflege (§ 184 RVO) die Krankenkasse allein zuständig ist, der von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch also nur bestehen kann, wenn die stationäre Behandlung des Beigeladenen in der Psychosomatischen Klinik keine Krankenhauspflege iS von § 184 RVO, sondern eine Rehabilitationsleistung gewesen ist, wird damit zugleich verdeutlicht, daß es wesentlich ist, ob die Behandlung unter die eine oder die andere Vorschrift zu subsumieren ist. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hat sich in einer Reihe von Entscheidungen damit befaßt, Kriterien zur Unterscheidung aufzustellen, gleichzeitig aber betont, daß die Abgrenzung im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen besonderen Umstände erfolgen muß. Dabei wird weniger auf die Ausgestaltung und Einrichtung der Behandlungsstätte als vielmehr auf die Art der Behandlung abgehoben: Krankenhauspflege (§ 184 RVO) liegt vor, wenn die pflegerische Tätigkeit der ärztlichen Behandlung untergeordnet ist. Maßnahmen iS von § 184a RVO sind dagegen - obwohl ebenfalls unter ärztlicher Leitung, stationär und unter Beteiligung ausgebildeten Personals - vorwiegend darauf gerichtet, den Zustand des Patienten durch seelische und geistige Einwirkung und durch Anwendung von Heilmitteln zu beeinflussen, ihm Hilfestellung zur Entwicklung eigener Abwehrkräfte zu geben; die pflegerische Betreuung des Patienten ist hier der ärztlichen Betreuung eher nebengeordnet (vgl BSGE 46, 41, 43, 45 = SozR 2200 § 184a Nr 1; BSGE 51, 44, 45, 47 = SozR aaO Nr 4; SozR aaO Nr 5; ferner SozR aaO Nr 3).
Zu diesem Fragenkomplex heißt es im angefochtenen Urteil lediglich, es sei "zwischen den Beteiligten unstreitig", daß die Beklagte "für die Durchführung des Reha-Verfahrens die zuständige Trägerin war (§§ 184a, 1236 RVO)"; hieran bestünden "im Hinblick auf die Ausrichtung der Psychosomatischen Klinik W./A. und die Art der durchgeführten Maßnahme auch keine Zweifel", die fehlende Belegungsvereinbarung habe die Beklagte nicht gerügt.
Zunächst kann keinem Zweifel unterliegen, daß Tatsachenfeststellung und deren rechtliche Einordnung Aufgabe des Gerichts und eine "Einigung" der Beteiligten über ein Anspruchselement oder sogar einen Fragenkomplex für die von ihm zu treffende Entscheidung unbeachtlich ist; die Beteiligten könnten sonst im Ergebnis von dem Gericht anstatt der gebotenen Entscheidung des Einzelfalls ein Rechtsgutachten herbeiführen.
Soweit sich nun die Beklagte erstmals in der Revisionsinstanz auf eine Verletzung des § 103 SGG beruft und vorträgt, das LSG habe es unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, weswegen es sich um eine Rehabilitationsmaßnahme und keine Krankenhausbehandlung handele, und soweit sie bemängelt, ihr hätten bisher die Behandlungsunterlagen einschließlich des Entlassungsberichts der Psychosomatischen Klinik überhaupt noch nicht zur Verfügung gestanden, handelt es sich freilich um Rügen, mit denen sie sich zu ihrem früheren Verhalten in Widerspruch setzt und die deshalb nach dem auch das Verfahrensrecht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen sein könnten. Denn die Beklagte hatte zB am 28. Juli 1982 zu Protokoll des SG "klargestellt", daß die Durchführung der (zuvor als Rehabilitationsmaßnahme bezeichneten) Behandlung einer anerkannten Einrichtung, ihre Geeignetheit sowie ihr Erfolg nicht bestritten werde. Indessen kann dies für die Entscheidung des Senats auf sich beruhen. Die Nachprüfung durch das Revisionsgericht setzt nämlich voraus, daß das angefochtene Urteil eindeutige und ausreichende Feststellungen enthält, die unter die auf den geltend gemachten Anspruch anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen zu subsumieren sind (vgl §§ 162, 163 SGG); fehlt es daran, so muß bei der zugelassenen Revision - auch wenn insoweit keine, nur unzulässige oder unbegründete Rügen erhoben worden sind - das Urteil der Tatsacheninstanz aufgehoben werden; das BSG darf die fehlenden tatsächlichen Feststellungen weder selbst treffen noch aus Beiakten entnehmen (BSG SozR Nrn 6 und 9 zu § 163 SGG). So ist es hier. Das Berufungsgericht hat allenfalls "im Hinblick auf die Ausrichtung der Klinik" sowie die "Art der durchgeführten Maßnahme" in dem Urteil seine Schlußfolgerung wiedergegeben, ohne aber die Tatsachen zu nennen, die es dem Revisionsgericht ermöglichen könnten, die Entscheidung der Vorinstanz nachzuvollziehen. Da es auf die besonderen Umstände des Einzelfalles ankommt, um entscheiden zu können, ob der stationäre Aufenthalt unter § 184 oder § 184a RVO fällt, ist es gerade in einem solchen Fall unerläßlich, klare Feststellungen zu treffen. Diese müssen nunmehr nachgeholt werden. Wesentliche Anhaltspunkte dafür wird das Berufungsgericht bereits dem Entlassungsbericht entnehmen können und dann zu prüfen haben, ob eine weitere Klärung durch ergänzende Fragen beispielsweise an den Verfasser des Berichts erforderlich sind. Ergibt sich danach, daß es sich um eine Rehabilitationsmaßnahme gehandelt hat, werden sodann auch die Voraussetzungen des § 1236 RVO zu untersuchen sein.
Nicht entscheidungserheblich ist - entgegen der Auffassung der Beklagten -, ob der Versicherte einen auf Einleitung der Maßnahme gestellten Antrag gestellt hat, und zwar schon deshalb nicht, weil Rehabilitationsmaßnahmen nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen zu gewähren sind (vgl BSGE 52, 239, 244 = SozR 2200 § 1236 Nr 15). Auch der Einwand der Beklagten, sie habe das ihr eingeräumte Ermessen nicht ausüben können, so daß aus diesem Grunde der Erstattungsanspruch entfalle, kann nicht durchgreifen. Zwar dürfte die in BSGE 50, 47, 50 f (= SozR 2200 § 184a Nr 3) geäußerte Auffassung, die Kann-Vorschrift des § 1236 RVO sei weitgehend zu einer Muß-Vorschrift erstarkt, nicht mehr aufrechtzuerhalten sein, seitdem das BVerfG im Beschluß vom 9. Februar 1983 (SozR 2200 § 1236 Nr 39) den Charakter der Rehabilitationsmaßnahme iS des § 1236 RVO als Ermessensleistung im Gegensatz zum Rechtsanspruch betont hat. Auch sind zB Fallgruppen denkbar, für die der Rentenversicherungsträger in Richtlinien, die ihrerseits nicht ermessensfehlerhaft sein dürfen, eine Rehabilitationsmaßnahme ausgeschlossen hat; dann bestünden erhebliche rechtssystematische Bedenken, gleichwohl einen Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger zu bejahen. Wie das LSG aber mit Recht ausgeführt hat, könnte sich der beklagte Rentenversicherungsträger im Erstattungsstreit auf das ihm grundsätzlich eingeräumte Ermessen allenfalls berufen, wenn er überhaupt Ermessensgründe im einzelnen vorträgt (vgl SozR 2200 § 184a Nr 5); ihn trifft also insofern eine Darlegungslast. Derartiges ist indessen im vorliegenden Rechtsstreit nach den Feststellungen des LSG nicht vorgetragen worden.
Sollte sich schließlich der Anspruch auf Kostenerstattung als begründet erweisen, stünde der Klägerin dem Grunde nach auch ein Erstattungsanspruch wegen des gezahlten Krankengeldes zu. Dies folgt aus § 1240 RVO, wonach während einer medizinischen Maßnahme Übergangsgeld nach Maßgabe der §§ 1241 bis 1241f RVO für den Fall der Arbeitsunfähigkeit des Berechtigten zu gewähren ist. Sofern - ausnahmsweise - das Übergangsgeld niedriger als das von der Klägerin gewährte Krankengeld wäre, müßte sich der Erstattungsanspruch insoweit nach der Höhe des Übergangsgeldes richten (vgl § 105 Abs 2 SGB 10).
Das LSG wird auch über die außergerichtlichen Kosten zu entscheiden haben.
Fundstellen