Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 28. Juli 1994 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU).
Die im März 1937 geborene Klägerin schloß im März 1955 erfolgreich eine Lehre als Verkäuferin im Nahrungsmittelhandwerk ab. Seither war sie mit Unterbrechungen als Fleischereifachverkäuferin tätig; im November 1989 wurde sie krank und arbeitsunfähig. Im August 1989 hatte sie bereits die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen BU bei der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) beantragt.
Ihre Fähigkeit, Erwerbseinkommen oder Arbeitsentgelt durch eine versicherte Erwerbstätigkeit oder Beschäftigung zu erzielen, ist eingeschränkt durch Veränderungen an den Knien, an der Wirbelsäule, an den Schultern und an den Händen. Außerdem ist sie auf dem rechten Auge praktisch erblindet; das Dämmerungssehvermögen des linken Auges ist vermindert. Trotz der Seheinbußen kann sie in beliebigen Berufszweigen vollschichtig bei ausreichender, blendungsfreier Beleuchtung tätig sein. Im übrigen kann sie vollschichtig zumindest leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung verrichten; häufige Überkopfarbeiten mit gleichzeitigem Anheben von Lasten über 10 kg muß sie vermeiden; rein stehende Arbeiten sind ihr nicht mehr möglich. Ihre Ohrengeräusche (Tinnitus) beeinträchtigen ihr Leistungsvermögen nicht. Wegen des praktischen Verlustes der Fähigkeit zum räumlichen Sehen ist die Arbeit als Fleischereifachverkäuferin für sie mit einer Gefährdung ihrer Gesundheit verbunden. Sie kann als Kassiererin an Sammelkassen der Art arbeiten, wie die Fa… K… AG sie eingerichtet hat. Hierbei können die Kassiererinnen zwischen Sitzen, Stehen und Gehen wechseln. Es handelt sich um leichte Arbeiten.
An Aufgaben fallen im wesentlichen das Kassieren (Bargeld, Bankschecks, Kreditkarten, Personalkäufe), Geldwechseln, Ausstellen von Rechnungen und Quittungen, Behandlung von Warenrückgaben, Behandlung von Auswahlen, Verpakkungsservice, Kontrolltätigkeiten und der Informationsservice für die Kunden, an.
Die Klägerin bedarf bis zur vollwertigen Ausübung der Arbeit einer Kassiererin an einer solchen Sammelkasse nur einer kurzen Einweisung, die jedenfalls unter drei Monaten liegt. Eine frühere Fleischereifachverkäuferin wird als Kassiererin an der Sammelkasse sofort in die Tarifgruppe II des Lohn- und Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel Niedersachsen eingestuft, nach der auch eine gelernte Verkäuferin bezahlt wird. Die Fa… K… AG hat 350 derartige Arbeitsplätze eingerichtet. Die Vergabe dieser Arbeitsplätze ist nicht leistungsgeminderten Angehörigen der Betriebe der Fa… K… AG vorbehalten.
Die BfA lehnte den Rentenantrag der Klägerin durch den streitigen Bescheid vom 25. Oktober 1989, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 19. März 1990, ab. Das Sozialgericht (SG) Hannover hat die Beklagte durch Urteil vom 22. Juni 1993 verurteilt, der Klägerin ab 1. Mai 1991 eine Rente wegen BU zugewähren; die Klage auf Bewilligung einer Rente wegen EU ist abgewiesen worden. Das SG hat die Ansicht vertreten, die Klägerin könne seit der Beendigung ihres letzten Beschäftigungsverhältnisses noch vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein, so daß sie nicht erwerbsunfähig (eu) sei; BU liege aber vor, weil sie als Gelernte mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren nicht auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden dürfe. Angelernte Tätigkeiten, zB als Kassiererin an einer Sammelkasse, könne sie gesundheitsbedingt, wegen der altersbedingten Umstellungsschwierigkeiten und mangels kaufmännisch-verwaltend organisatorischer Vorkenntnisse nicht verrichten. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage (in vollem Umfang) abgewiesen. Das Berufungsgericht ist folgender Ansicht: Die Klägerin sei nicht berufsunfähig (bu) iS des hier noch gemäß § 300 Abs 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) anzuwendenden § 23 Abs 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Zwar sei ihr die Ausübung ihres bisherigen Berufs als Fleischereifachverkäuferin wegen der mit der Einschränkung der Sehfähigkeit verbundenen Gefährdung nicht mehr zuzumuten. Sie sei aber gesundheitlich noch in der Lage, als Kassiererin an einer Sammelkasse der von der Fa… K… AG beschriebenen und eingerichteten Art vollschichtig zu arbeiten. Dies sei ihr auch zumutbar. Als Fleischereifachverkäuferin sei sie in die dritte Stufe (von unten) des vom Bundessozialgericht (BSG) gebildeten Mehrstufenschemas einzureihen; sie müsse sich auf die der zweiten Stufe dieses Schemas zuzuordnende Tätigkeit der Kassiererin an der Sammelkasse verweisen lassen. Sie könne diese Arbeit auf Dauer in der vollen Zeit verrichten; diese Verweisungstätigkeit sei auch tariflich erfaßt; daher komme es nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Hinweis ua auf BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 137 und 139) nicht auf die Zahl der Arbeitsplätze der Kassiererinnen an der Sammelkasse an. Tariflich erfaßt sei nach dem BSG (Hinweis auf Urteil vom 8. September 1982 – 5b RJ 28/81) eine Tätigkeit in einer Lohnordnung mit abstrakter Gruppendefinition auch dann, wenn die Zuordnung zur Lohngruppe anhand der von den Vertragsparteien bestimmten Kriterien einwandfrei möglich sei. Dies sei hier im Blick auf den Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel Niedersachsen gegeben. Es liege auch kein sog Seltenheitsfall vor. Das komme in Betracht, wenn die Berufstätigkeit trotz ihrer tariflichen Erfassung nur in ganz geringer Zahl vorkomme (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 82, 84, 137, 139). Bei 350 Arbeitsplätzen, welche allein von der Fa… K… AG angeboten würden, könne nicht von einer “ganz geringen Zahl” gesprochen werden. Bei der Beschäftigung als Kassiererin an der Sammelkasse handele es sich nicht um Schonarbeitsplätze, nämlich nicht um Tätigkeiten, die leistungsgeminderten Angehörigen des eigenen Betriebes vorbehalten seien. Im übrigen komme es für die Frage, ob nur eine ganz geringe Zahl an Arbeitsplätzen mit zumutbaren Tätigkeiten vorhanden sei, nicht auf das Verhältnis der Zahl der Bewerber zu der Zahl der angebotenen Arbeitsplätze an (Hinweis auf BSG Großer Senat ≪GS≫ vom 11. Dezember 1969 ≪BSGE 30, 167≫, Urteil des 13. Senats des BSG vom 12. Oktober 1993 ≪13 RJ 41/92≫, Urteil des 5. Senats des BSG vom 4. August 1981 ≪5a/5 RKn 22/79≫ und vom 19. Februar 1981 ≪5b RJ 28/81≫). Hierauf könne es auch deshalb nicht ankommen, weil es nicht möglich sei, die den Arbeitsplätzen der Verweisungstätigkeit gegenüberzustellende Zahl von Bewerbern verläßlich zu ermitteln.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 23 Abs 2 AVG (= § 43 Abs 2 SGB VI). Der Arbeitsmarkt sei ihr verschlossen. Sie habe keine Chance, eine zumutbare vollschichtige Verweisungstätigkeit auszuüben. Da es aus praktischen Gründen kaum möglich sei, eine Feststellung zu treffen, inwieweit Stellen und Bewerber gegenüberzustellen seien, könne hieraus allerdings nicht geschlossen werden, daß eine reale Chance hinsichtlich der Verweisungstätigkeit gegeben sei, auch einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden. Jedenfalls könnten derartige Feststellungsschwierigkeiten nicht zur Verweigerung der Rentenzahlung führen. Ferner rügt die Klägerin, das LSG habe seine Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 103 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫ iVm § 106 Abs 3 SGG) verletzt, weil es keine umfassende Sachverhaltsermittlung hinsichtlich der Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit nach objektiven Kriterien durchgeführt habe. Die Mitarbeiter an Sammelkassen seien schwerpunktmäßig ua mit der Behandlung von Warenrückgaben und Verpakkungsservice betraut. Dies sei mit Bücken und Heben verbunden; hierbei sei durchaus möglich, daß Überkopfarbeiten anfielen. Außerdem müsse eine ausreichende und blendungsfreie Beleuchtung gegeben sein. Das LSG habe auch nicht geklärt, welche Leistungseinschränkungen mit dem Tinnitus der Klägerin verbunden sei. Ermessensfehlerhaft habe das LSG die Einholung eines nach § 109 SGG beantragten Gutachtens von der Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 2.000 DM abhängig gemacht. Es fehle vor allem an einer gutachterlichen Beurteilung der aktuellen Auswirkungen des Tinnitus, insbesondere im psychischen Bereich, die nur einzelfallbezogen festgestellt werden könnten. Wegen des Vorbringens der Klägerin im übrigen wird auf den Schriftsatz vom 20. Oktober 1994 (Bl 16 bis 21 der BSG-Akte) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 28. Juli 1994 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 22. Juni 1993 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, falls die Verfahrensrügen überhaupt zulässig erhoben worden seien, seien sie unbegründet. Das Berufungsgericht habe sich nicht zu weiterer Sachaufklärung gedrängt sehen müssen. Anhaltspunkte dafür, der Tinnitus könne sozialmedizinisch durch eine deutliche Beeinträchtigung des Hörvermögens oder durch eine gravierende psychische Beeinträchtigung erheblich geworden sein, seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Sachrüge sei unbegründet. Der Arbeitsmarkt sei nicht verschlossen. Das LSG habe die einschlägige Rechtsprechung des BSG zutreffend angewandt. Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten wird auf deren Schriftsatz vom 25. November 1994 (Bl 26 bis 33 der BSG-Akte) Bezug genommen.
Die Beklagte hat während des Revisionsverfahrens einen weiteren Antrag der Klägerin vom 5. August 1994, ihr eine Rente wegen EU, hilfsweise wegen BU zu gewähren, durch Bescheid vom 10. April 1995 abgelehnt.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat der Berufung der BfA gegen das dem Hilfsantrag der Klägerin stattgebende Urteil des SG mit Recht zum Erfolg verholfen. Da der ursprüngliche Hauptantrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen EU vor dem LSG nicht weiterverfolgt worden ist, ist er durch das insoweit Klageabweisende und rechtskräftig gewordene Urteil des SG beschieden. Das Revisionsgericht hat daher nur noch über die Aufhebung des SG-Urteils im übrigen und über die Abweisung des (ursprünglichen Hilfs-) Antrages auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Rente wegen BU zu entscheiden. Das LSG hat die zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage zutreffend abgewiesen. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte sind rechtmäßig; darin ist richtig festgestellt worden, daß die Klägerin kein subjektives Recht auf eine Rente wegen BU hat, aus dem monatlich Ansprüche (§ 194 Abs 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches ≪BGB≫) auf Zahlung jeweils eines bestimmten Betrages entstehen könnten. Der die Einstandspflicht der BfA begründende Tatbestand (sog haftungsbegründender Tatbestand) der BU-Versicherung ist nicht erfüllt; der Versicherungsfall der BU ist nämlich nicht eingetreten; vielmehr ist die Klägerin berufsfähig geblieben.
Das Berufungsgericht hat die für die Entscheidung des Rechtsstreits richtigen Maßstabsnormen (dazu unter A) herangezogen und diese auch zutreffend (dazu unter B) angewandt.
A: Das LSG hat seiner Beurteilung, dh der Versicherungsfall der BU liege nicht vor, das maßgebliche Recht zugrunde gelegt:
Gemäß § 23 Abs 1 AVG, der nach § 300 Abs 2 SGB VI für die Beurteilung der vor dem 1. Januar 1992 gelegenen streitigen Zeiträume weiterhin maßgeblich ist, hat derjenige Versicherte “Anspruch” auf Rente wegen BU gegen die BfA, der bei dieser versichert und berufsunfähig ist und zuletzt vor Eintritt der BU eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat, wenn die Wartezeit erfüllt ist. Dasselbe gilt gemäß § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI für die Zeiten ab 1. Januar 1992, für welche die Klägerin sinngemäß gleichfalls geltend macht, die Voraussetzungen für das subjektive Recht (sog Stammrecht) auf Rente wegen BU seien (jedenfalls) seither erfüllt worden.
1. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, von denen die Anwendung dieser Anspruchsnorm abhängt, liegen vor; denn die Klägerin ist (bei der BfA) “Versicherte” und hat “die Wartezeit erfüllt”:
Mit der Versicherteneigenschaft, die sie durch Beiträge aus rentenversicherter Beschäftigung erworben hat, ist ihre Mitgliedschaft zum beklagten Rentenversicherungsträger gegeben. Dieses gliedert sich in Leistungsverhältnisse sowie – hier ohne Belang – in Beitrags- und Mitgestaltungsverhältnisse (zB Wahlen). Nach den Vorschriften über die rentenversicherungsrechtlichen Leistungsverhältnisse (zB BU-Versicherung; EU-Versicherung; Altersversicherung; Hinterbliebenenversicherung) ist weitere Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der jeweiligen versicherungsrechtlichen Haftungsnorm, daß die maßgebliche, dh die für die Rentenart spezifische, Wartezeit (ggf fiktiv) vor Eintritt des Versicherungsfalls erfüllt ist. Da die Klägerin vor dem streitigen Zeitraum eine Versicherungszeit von mehr als 60 Kalendermonaten zurückgelegt hat, ist die Wartezeit der BU-Versicherung (§§ 50, 51 SGB VI, §§ 23 Abs 3, 27 AVG) erfüllt und die BU-Anspruchsnorm anwendbar.
Hingegen ist das LSG zu Recht nicht näher darauf eingegangen, ob die Klägerin zuletzt vor Eintritt der BU eine Versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt und in den letzten fünf Jahren zuvor drei Jahre Pflichtbeiträge für eine solche Beschäftigung oder Tätigkeit hat (§ 23 Abs 2a AVG; § 43 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB VI; sog. Drei-Fünftel-Belegung). Denn dieses Erfordernis ist keine versicherungsrechtliche Voraussetzung für die Anwendung der versicherungsrechtlichen Haftungsnorm, sondern schränkt lediglich deren persönlichen Geltungsbereich ein. Die Einstandspflicht des Versicherungsträgers wird nicht schon dann begründet, wenn der Versicherungsfall eingetreten ist; hinzukommen muß, daß der Versicherte in diesem Zeitpunkt zu dem Kreis der aktuell rentenversichert Beschäftigten oder Erwerbstätigen gehört. Diese zusätzliche Voraussetzung verhindert die Entstehung des Stammrechts trotz Eintritt des Versicherungsfalls. Sie ist erst nach hinreichender Bestimmung des Zeitpunktes feststellbar, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist; erst dann kann beurteilt werden, ob der Versicherte in den letzten fünf Jahren zuvor drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat.
2. Hierauf ist nicht weiter einzugehen, weil der Versicherungsfall der BU nicht eingetreten ist. Die soziale (gesetzliche) BU-Versicherung (vgl zur privaten BU-Versicherung stellvertretend: Bundesgerichtshof ≪BGH≫, NJW-RR 1996, 345 f; NJW-RR 1996, 88 ff; NJW-RR 1995, 20 f; NJW-RR 1993, 1370 f; BGHZ 119, 263 ff; jeweils mwN) gewährt Nachteilsausgleich durch Rente nur, falls das versicherte Gut, die Berufsfähigkeit des Versicherten, durch die in dieser Versicherung abgedeckten Risiken (Krankheit, Behinderung) in einem die gesetzliche Anspruchsschwelle (mehr als hälftige Einschränkung der Berufskompetenz) überschreitenden Maße dauerhaft beeinträchtigt, maW: der Versicherungsfall gegeben, ist. Dies trifft – wie das LSG richtig entschieden hat – bei der Klägerin nicht zu:
§ 23 Abs 2 und § 43 Abs 2 SGB VI umschreiben nur den Versicherungsfall der BU, dh den die Einstandspflicht des Rentenversicherungsträgers begründenden (“haftungsbegründenden”) Tatbestand der versicherungsrechtlichen Anspruchsnorm. Hiervon ist strikt zu unterscheiden der “haftungsausfüllende” Tatbestand, dh der Versicherungsgegenstand, also der – abstrakt unterstellte – Verlust an Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, das in der gesetzlichen Rentenversicherung nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze versichert ist (zur Umgrenzung dieses versicherten Nachteils durch sog Hinzuverdienstgrenzen sowie Anrechnungsvorschriften, vgl §§ 34 Abs 2, 43 Abs 5, 44 Abs 5, 45 Abs 5, 89 ff, 63 SGB VI und BSGE 66, 226 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 1; zum rentenversicherungsrechtlichen “Vorteilsausgleich” BSG SozR 2200 § 1246 Nr 154; zum Sicherungsziel, dh dem angestrebten Maß des Nachteilsausgleichs, der BU-Versicherung vgl §§ 63 Abs 4, 67 Nr 2 SGB VI).
Nach Satz 1 (jeweils) aaO ist ein Versicherter berufsunfähig (bu), wenn seine Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder Behinderung (bzw “anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte”) auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Die “Erwerbsfähigkeit” (nicht: Erwerbsmöglichkeit) des Versicherten (genauer: seine Berufsfähigkeit) muß also allein wesentlich wegen Krankheit oder Behinderung für die Dauer von mehr als 26 Wochen (§ 53 Abs 1 Satz 1 AVG, § 101 Abs 1 SGB VI) auf weniger als die Hälfte derjenigen eines gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken sein; die verbliebene Berufsfähigkeit darf somit nur noch für weniger als die Hälfte der entsprechenden Arbeit eines gleich qualifizierten gesunden Versicherten ausreichen.
Nach § 23 Abs 2 Satz 2 AVG, § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI umfaßt der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Berufsfähigkeit des Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Berufsfähigkeit iS der sozialen (gesetzlichen) BU-Versicherung ist also das Vermögen des Versicherten, dh die ihm zu Gebote stehende Fähigkeit, seine durch Ausbildung oder bisherige Berufstätigkeit erworbene berufliche Qualifikation (Berufskompetenz) im (inländischen) Arbeitsleben zur Erzielung von Entgelt/Einkommen einzusetzen; sie ist rechtlich nur bedeutsam, soweit sie bislang versichert betätigt, dh in einer rentenversicherten Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit eingesetzt wurde; damit ist sie der Versichertengemeinschaft infolge der (im Regelfall gemäß der Berufskompetenz jeweils höheren) Beiträge aus versichertem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugute gekommen. Der Versicherte wird ausschließlich gegen die Nachteile geschützt, die ihm aus Beeinträchtigungen seiner Berufsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung entstehen können. Die Einstandspflicht des Versicherungsträgers, einen Nachteilsausgleich durch Rente zu gewähren, setzt voraus, daß das gesundheitliche Vermögen des Versicherten bei keinem Beruf, der seiner geschützten Berufskompetenz entspricht (dh ihn also fachlich-qualitativ weder über- noch unterfordert) dafür ausreicht, ihn (zeitlich und inhaltlich) wenigstens hälftig auszuüben. In der Rentenversicherung ist hingegen nicht versichert die Gefahr, keinen geeigneten Arbeitsplatz zu erhalten; versichertes Gut ist also nicht die Erwerbsmöglichkeit und auch nicht die Vermittelbarkeit auf einen zumutbaren Arbeitsplatz (näher zu den Voraussetzungen des Versicherungsfalls der BU Urteil des Senats vom 14. Mai 1996, 4 RA 60/94, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die Klägerin kann – wie das LSG bindend festgestellt hat – ihren bisherigen Beruf als Fleischereifachverkäuferin wegen des praktischen Verlustes der Fähigkeit zum räumlichen Sehen nur noch unter unzumutbarer Gefährdung ihrer Gesundheit verrichten. Damit ist sie – wie das LSG richtig gesehen hat – iS des haftungsbegründenden BU-Tatbestandes allein wesentlich behinderungsbedingt nicht mehr fähig, ihren bisherigen Beruf auszuüben. Nach dem Gesetz ist sie aber nicht allein schon deswegen bu. Denn sie kann einen qualitativ gleichwertigen Beruf, nämlich den einer Kassiererin an einer Sammelkasse, vollwertig und vollschichtig verrichten, so daß die Anspruchsschwelle des Versicherungsfalls der BU nicht überschritten ist.
B: Das Berufungsgericht hat § 23 Abs 2 AVG und § 43 Abs 2 SGB VI richtig angewandt:
Nach diesen Vorschriften ist nur der Versicherte bu, dessen fachliches oder gesundheitliches Leistungsvermögen allein wesentlich bedingt durch Krankheit oder Behinderung dauerhaft, dh für mehr als 26 Wochen, derart herabgesunken ist, daß er – wie die Klägerin – seinen rentenversicherten bisherigen Beruf (sog Hauptberuf) nicht mehr vollwertig und vollschichtig ausüben kann. Nach der rechtlichen Struktur des Versicherungsfalls der BU handelt es sich insoweit um die im eigentlichen (rechtsdogmatischen) Sinn rechtsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen; hierfür trägt der Versicherte die Darlegungs- sowie die objektive Beweislast.
Liegen die genannten Voraussetzungen – wie bei der Klägerin – vor, ist die von Amts wegen zu beachtende materiell-rechtliche rechtshindernde Einwendung zu prüfen, ob der Versicherte fähig ist, einen Vergleichsberuf, der seinem bisherigen Beruf qualitativ gleichwertig ist, noch vollwertig und vollschichtig zu verrichten; hierfür obliegt dem Versicherungsträger sowohl die Darlegungs- als auch die objektive Beweislast. Kann der Versicherte den typischen Aufgaben eines qualitativ gleichwertigen und deshalb zumutbaren Verweisungsberufs (fachliches Anforderungsprofil) und den mit diesen Anforderungen üblicherweise verbundenen gesundheitlichen Belastungen (gesundheitliches Belastungsprofil) genügen, ist er grundsätzlich nicht bu.
Ausnahmsweise, dh dann, wenn das Verfahrensergebnis dazu drängt, ist sodann das – vom Senat in den sog “Katalogfällen” (Unüblichkeits- und Seltenheitsfälle) abschließend zusammengefaßte (SozR 3-2200 § 1246 Nr 41) – von Amts wegen zu beachtende Gegenrecht iS eines materiell-rechtlichen Einwendungsausschlusses zu prüfen und zu fragen, ob der Versicherte im Vergleichsberuf sonstigen Belastungen, die sich aufgrund allgemeiner, dh nicht von den berufstypischen fachlichen Anforderungen abhängiger Arbeitsbedingungen üblicherweise ergeben, gesundheitlich gewachsen ist (Unüblichkeitsfälle) oder ob der Vergleichsberuf arbeitsmarktgängig ist, dh, ob Arbeitsplätze in diesem Beruf nicht nur Betriebsintern vergeben werden oder nicht, nur in ganz geringer Zahl über den sog Arbeitsmarkt angeboten, besetzt und wiederbesetzt werden (Seltenheitsfälle); hierfür trägt der Versicherte die Darlegungs- und objektive Beweislast. Greift dieser Einwendungsausschluß, ist der geprüfte Vergleichsberuf ungeeignet, die Entstehung des subjektiven Rechts auf Rente wegen BU zu verhindern. Der Einwendungsausschluß hindert jedoch nicht, auf einen anderen Vergleichsberuf zurückzugreifen, dies gilt in den Unüblichkeitsfällen auch für Vergleichsberufe aus demselben Ausschnitt der Arbeitswelt (“Tätigkeitsfeld”), soweit der Beruf auch an arbeitsmarktgängigen Arbeitsplätzen ausgeübt wird, deren Arbeitsbedingungen der Versicherte gewachsen ist.
Der Senat weist darauf hin, daß die Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit auch bei der Prüfung von Entscheidungen der BfA über die Ablehnung der Bewilligung eines Rechts auf Rente wegen BU jeweils nach dem Stand des Verfahrensergebnisses, das sie in freier Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) zu beurteilen haben, entscheiden müssen, ob die vorgenannten rechtsbegründenden, rechtshindernden und einwendungsausschließenden Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Das Gebot zur Erforschung der materiellen Wahrheit (§ 103 Halbsatz 1 SGG) verpflichtet sie nicht dazu, Beweise “ins Blaue hinein” oder Ausforschungsbeweise zu erheben. Die Tatsacheninstanzen dürfen und müssen auch in “BU(EU)-Streitigkeiten” Beweise nur über solche Tatsachen erheben, die entscheidungserheblich und (noch) beweisbedürftig sind (siehe auch unten unter B.2.b) bb).
Nach den für das BSG verbindlichen (§§ 163, 164 Abs 2 Satz 3 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, daß es die Einwendung des zumutbaren Vergleichsberufs als durchgreifend und deshalb die Klägerin für berufsfähig erachtet hat. Es hat hierbei die Voraussetzungen des Versicherungsfalls der BU ordnungsgemäß geklärt:
Das LSG hat das Ausmaß der krankheits- und behinderungsbedingten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der Klägerin und damit ihr sog Restleistungsvermögen festgestellt (dazu unter 1.); es hat einen Vergleichsberuf (sog Verweisungsberuf) hinreichend “konkret” benannt (dazu unter 2.), dessen qualitative Gleichwertigkeit mit dem sog bisherigen Beruf bejaht (“soziale Zumutbarkeit”, “kein unzumutbarer sozialer Abstieg”; dazu unter 3.) und festgestellt, daß die Berufskompetenz der Klägerin ausreicht, den Vergleichsberuf vollwertig zu verrichten, dh seinem fachlich-qualitativen Anforderungsprofil gerecht zu werden (dazu unter 4.); sodann hat es das Restleistungsvermögen der Klägerin mit dem Belastungsprofil, dh den üblicherweise mit den fachlichen Anforderungen des Vergleichsberufs verbundenen gesundheitlichen Belastungen, verglichen und geklärt, daß sie diesen vollschichtig genügen kann (dazu unter 5.); ferner hat es zutreffend verneint, ein sog Katalogfall des Senats (siehe oben) liege vor, und deshalb den Einwendungsausschluß nicht als gegeben erachtet (dazu unter 6.).
Die tatsächlichen Feststellungen des LSG sind von der Klägerin mit keinem zulässigen oder begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden; insoweit wird von einer Begründung abgesehen (§ 170 Abs 3 Satz 1 SGG).
Die Rechtsanwendung des LSG auf den festgestellten Sachverhalt ist nicht zu beanstanden:
1. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Leistungsfähigkeit der Klägerin, also das Zusammenwirken ihrer geistigen, seelischen und körperlichen Funktionen, im Vergleich zu einer – worauf es ankommt – gleichaltrigen gesunden Versicherten herabgesetzt ist. Ferner sind die festgestellten Funktionseinschränkungen dauerhaft, dh sie bestehen mehr als 26 Wochen. Sie beruhen auch allein wesentlich auf Krankheiten oder Behinderungen der Versicherten. Nach Feststellung des LSG schränken die Krankheiten und Behinderungen (nicht aber die Ohrengeräusche) die Leistungsfähigkeit der Klägerin derart ein, daß sie vollschichtig zumindest leichte Arbeiten bei ausreichender blendungsfreier Beleuchtung in wechselnder Körperhaltung verrichten kann, bei denen sie nicht dauernd stehen oder häufige Überkopfarbeiten mit gleichzeitigem Anheben von Lasten über 10 kg leisten muß. Anhaltspunkte dafür, das Berufungsgericht könne im Blick auf die notwendige allein wesentliche Ursächlichkeit von Krankheit oder Behinderung für die BU den Rechtsbegriff der allein wesentlichen Bedingung verkannt haben, liegen nicht vor.
Geklärt wurde auch, daß die Krankheiten bzw Behinderungen die Klägerin nicht von vornherein und schlechthin, also unabhängig von dem Belastungsprofil eines bestimmten Berufes (“abstrakt”) zwingen, ihr Restleistungsvermögen täglich nur weniger als acht Stunden zu Erwerbszwecken nutzen zu können:
Zu Recht hat aber das LSG die Berufsfähigkeit der Klägerin nicht schon aus diesem Grunde bejaht. Zwar zieht die sog abstrakte Betrachtungsweise der Berufsfähigkeit nur den Gesundheitszustand des Versicherten in Betracht (so zutreffend der GS des BSG in BSGE 30, 167, 179). Für die oben umschriebene Berufsfähigkeit kommt es jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Senats (sog konkrete Betrachtungsweise) auf das Vermögen (nicht: die Möglichkeit) des Versicherten an, im inländischen Arbeitsleben Erwerb erzielen zu können. Deshalb ist seine gesundheitliche und fachliche Fähigkeit hierzu am typischen Anforderungs- und üblichen Belastungsprofil von Berufen zu messen, für die im inländischen Arbeitsleben Arbeitsplätze vorhanden sind (keine Phantasieberufe) und die – wovon im Regelfall auszugehen ist – arbeitsmarktgängig (zugänglich) sind, also über den Arbeitsmarkt angeboten, besetzt und wiederbesetzt werden.
Ob die Klägerin also in einem bestimmten, ihr qualitativ zumutbaren Beruf in den für diesen üblichen Zeiten einer vollen Schicht vollwertig arbeiten kann, ist – wie das LSG beachtet hat – durch Vergleich ihrer Berufskompetenz und ihres Restleistungsvermögens mit dem Anforderungs- und Belastungsprofil des konkreten Vergleichsberufs zu klären, hier also der Kassiererin an einer Sammelkasse.
2. Das LSG hat den Vergleichsberuf (Verweisungsberuf) einer Kassiererin an einer Sammelkasse der von der Firma K… AG eingerichteten Art hinreichend konkret benannt:
a) Das LSG hat sich in diesem Zusammenhang richtigerweise zunächst der Frage zugewandt, welche Berufskompetenz die Klägerin durch Ausbildung und/oder rentenversicherte Beschäftigung (Erwerbstätigkeit) erworben hat. Es hat festgestellt, sie verfüge über die Kenntnisse und Fähigkeit einer gelernten Fleischereifachverkäuferin. Es hat ferner zu Recht geprüft, ob sie diesen bisherigen Beruf noch vollschichtig verrichten kann. Mit der Feststellung, dies sei nur unter unzumutbarer Gefährdung der Gesundheit möglich, liegen – wie ausgeführt – zwar die im engeren Sinne für die Entstehung des Rechts auf Rente maßgeblichen, jedoch noch nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen vor; zu prüfen ist, ob die rechtshindernde Einwendung des zumutbaren Vergleichsberufs eingreift.
b) Das Gesetz verpflichtet den Rentenversicherungsträger, das sog Restleistungsvermögen des Versicherten “allen Tätigkeiten” gegenüberzustellen, die dessen versicherter Berufskompetenz und seinem Restleistungsvermögen “entsprechen”. Das sind aber (unter den mehr als 40.000 Berufen in der inländischen Arbeitswelt) nur diejenigen Berufe, die in der Arbeitswelt wirklich vorkommen (vorhanden sind) und den Versicherten mit ihren für sie typischen fachlich-qualitativen Anforderungen, dh mit ihrem Anforderungsprofil, fachlich weder über- noch unterfordern und ihn gesundheitlich nicht überfordern.
aa) Das Berufungsgericht hat richtig gesehen, daß die Prüfung des Eintritts von BU stets erfordert, einen bestimmten Verweisungsberuf (Vergleichsberuf) zu benennen, den es in der Arbeitswelt wirklich gibt. Hierzu hat es festgestellt, daß der Beruf der Kassiererin an einer Sammelkasse wenigstens an 350 Arbeitsplätzen im Inland ausgeübt wird, also kein Phantasieberuf ist. Nicht verkannt wurde hierbei, daß in der BU-Versicherung der Verweisungsberuf immer “konkret” zu benennen ist; denn die Prüfung seiner qualitativen Gleichwertigkeit mit dem bisherigen Beruf und der fachlichen und gesundheitlichen Über- oder Unterforderung des Versicherten durch den Vergleichsberuf setzt voraus, daß dessen Anforderungs- und Belastungsprofil hinreichend genau bekannt ist.
Die einzige Ausnahme vom Erfordernis der “konkreten” Benennung eines Vergleichsberufs bildet die Fallgruppe, daß dem Versicherten fachlich-qualitativ sog ungelernte Tätigkeiten (erforderliche Einarbeitung- oder Einweisungszeit bis zu drei Monaten) und jedenfalls leichte körperliche, seelische und geistige Belastungen zumutbar sind. Denn der entscheidende gemeinsame Faktor der ungelernten Berufe, die es im übrigen an hunderttausenden Arbeitsplätzen im inländischen Erwerbsleben gibt, ist, daß sie gerade kein (fachlich-qualitatives) Anforderungsprofil haben, das besondere Anforderungen an Kenntnisse, fachliche Fähigkeiten, Ausbildung und Berufserfahrung stellt. Ist der Versicherte qualitativ in vollem Umfang auf diesem Sektor der Arbeitswelt verweisbar und vollschichtig jedenfalls zu leichter Arbeit fähig, kann das Erfordernis der Benennung, eines konkreten (ungelernten) Vergleichsberufs sich nur daraus ergeben, daß besondere gesundheitliche Beeinträchtigungen sogar noch die Fähigkeit einschränken, leichte (ungelernte) Arbeiten vollschichtig zu verrichten (ständige Rechtsprechung, vgl dazu BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 41; Urteil vom 14. September 1995 – 5 RJ 50/94 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Hierauf ist nicht weiter einzugehen, weil das LSG die Klägerin auf einen ungelernten Beruf nicht verwiesen hat.
bb) Der Vergleichsberuf der Kassiererin an einer Sammelkasse der von der Firma K… AG eingerichteten Art wurde hinreichend deutlich beschrieben:
Die materiell-rechtlich gebotene Prüfung der Voraussetzungen der rechtshindernden Einwendung des zumutbaren Verweisungsberufs erfordert einen konkreten Vergleich der Berufskompetenz und des Restleistungsvermögens des Versicherten mit dem Anforderungs- und Belastungsprofil eines bestimmten, in der inländischen Arbeitswelt wirklich vorhandenen Vergleichsberufs. In der Begründung der Verwaltungsentscheidung, wie in den Entscheidungsgründen der Gerichtsentscheidungen muß daher hinreichend verdeutlicht werden, welcher Vergleichsberuf mit welchem Anforderungs- und Belastungsprofil dem bisherigen Beruf und dem Restleistungsvermögen des Versicherten gegenübergestellt worden ist. Dies hat das Berufungsgericht beachtet.
Dieses sich aus der Begründungspflicht ergebende Gebot der “konkreten” Benennung soll hauptsächlich den Versicherten in die Lage versetzen, die Einwendung des Versicherungsträgers, er könne einen entsprechenden Vergleichsberuf verrichten, zu überprüfen, sich ggf davon zu überzeugen oder sie mit Sachgründen anzufechten. Deshalb ist der Rentenversicherungsträger. Adressat dieses Benennungsgebots, wenn er den Rentenantrag aus dem Grund ablehnt, der Versicherte sei fähig, einen zumutbaren Vergleichsberuf auszuüben. Der Leistungsträger ist im Rahmen seiner verwaltungsverfahrensrechtlichen Begründungspflicht gehalten, bei Erlaß des Ablehnungsbescheides (nach § 35 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 iVm § 41 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB X≫), spätestens des Widerspruchsbescheides (nach § 85 Abs 3 Satz 1 Regelung 2 SGG iVm § 41 Abs 2 SGB X), den von ihm für zumutbar erachteten Verweisungsberuf im nachgenannten Sinn “konkret” zu benennen; im nachfolgenden Rechtsstreit trifft ihn – wie ausgeführt – die (nach § 103 Halbsatz 2 SGG durchsetzbare) Darlegungs- und die objektive Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich das Vorhandensein eines Vergleichsberufs in der Arbeitswelt sowie dessen (fachlich-qualitatives) Anforderungs- und sein (gesundheitliches) Belastungsprofil ergeben (vgl BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 8). Hingegen sind die zur Neutralität verpflichteten Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit nicht berechtigt oder verpflichtet, von Amts wegen Beweise zu erheben, wenn sich weder aus dem Beteiligtenvorbringen noch aus der Aktenlage oder aus Gerichts- oder Allgemeinkunde konkrete Anhaltspunkte dafür aufdrängen, ein bestimmter Vergleichsberuf könne dem Versicherten “sozial”, fachlich und gesundheitlich zumutbar sein.
Dem LSG ist darin beizupflichten, daß die BfA jedenfalls in der Berufungsinstanz ihrer Darlegungslast genügt hat. Sie hat vorgetragen, die Klägerin könne als Kassiererin an einer Sammelkasse eines Kaufhauses arbeiten, und hat das Anforderungs- und Belastungsprofil dieses Berufes sowie die Tatsachen geschildert, aus denen sie die “Entsprechung”, also die Vergleichbarkeit der Berufe herleitete. Dies hat das LSG überprüft. Diese Benennung des Vergleichsberufs durch die Beklagte und das LSG genügt:
Maßstab für die im Einzelfall erforderliche Bestimmtheit der Tatsachenangaben über den Vergleichsberuf ist, ob sie dafür ausreichen, daß der Versicherte erkennen kann, welchen in der Arbeitswelt vorhandenen Vergleichsberuf der Versicherungsträger für zumutbar erachtet. Es muß deutlich werden, welche das Berufsbild prägenden Aufgaben, welche typischen Anforderungen an die berufliche Vorbildung, an die Berufserfahrung, an sonstige Kenntnisse sowie an fachliche Fähigkeiten der Beruf stellt und welche Belastungen üblicherweise mit den typischen Aufgaben verbunden sind; die Beanspruchung der Leistungsfähigkeit durch die berufstypisch üblichen Arbeitsbedingungen, ggf einschließlich besonderer Arbeitszeiten und Einsatz von technischen Mitteln muß abschätzbar werden; außerdem müssen ggf weitere Tatsachen (zB tarifvertragliche Einstufung) benannt werden, wenn der Vergleichsberuf (ua) deswegen als der Berufskompetenz des Versicherten qualitativ “entsprechend” (gleichwertig) erachtet wird. Nur bei hinreichend konkreter Benennung des Vergleichsberufs kann der Versicherte substantiiert darlegen und durch thematisch spezifizierte Beweisanträge den sog Negativbeweis dafür antreten, daß dieser ihn fachlich-qualitativ über- oder unterfordert oder gesundheitlich überfordert oder die Voraussetzungen des Einwendungsausschlusses (Katalogfall) vorliegen. Deshalb reicht für eine konkrete Benennung die Angabe bloßer Verrichtungen nie aus; stets muß das typische berufsbildprägende Anforderungsprofil und das damit verbundene Belastungsprofil deutlich werden. Hierfür kann allerdings sogar gelegentlich die bloße Bezeichnung eines Berufs ausreichen, falls dessen Existenz und typischer Gegenstand allgemeinkundig, den Beteiligten geläufig oder jedenfalls im allgemeinen Verkehr bekannt oder staatlich geregelt ist. Das von der Begründungspflicht geforderte Maß an tatsächlichen Angaben über den Verweisungsberuf hängt somit von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl BSG SozR 1500 § 136 Nr 10).
Das LSG hat ausgeführt, der jedenfalls in Kaufhäusern der Firma K… AG an 350 Arbeitsplätzen vorkommende Beruf der Kassiererin an einer Sammelkasse stelle bestimmte umschriebene Aufgaben, die körperlich leicht seien und in wechselnder Körperhaltung ausgeführt werden könnten; er werde wie der Beruf einer gelernten Verkäuferin bezahlt. Damit hat das Berufungsgericht alle hier zu stellenden Anforderungen an eine konkrete Benennung der Verweisungstätigkeit erfüllt und zugleich die benannten Tatsachen mit bindender Wirkung für das Revisionsgericht festgestellt.
3. Dem LSG ist auch darin beizupflichten, daß der benannte Vergleichsberuf einer Kassiererin an einer Sammelkasse, der Klägerin zugemutet werden kann; denn er ist ihrem bisherigen Beruf als Fleischereifachverkäuferin der Art nach fachlichqualitativ gleichwertig, dh, er entspricht ihm nach seinem qualitativen Wert, ist ihr deshalb “sozial zumutbar” und bedeutete für sie, falls sie ihn ergriffe, keinen “unzumutbaren sozialen Abstieg”:
a) Nach den gesetzlichen (§ 23 Abs 2 Satz 2 AVG, § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI) Vorgaben für den Vergleich des qualitativen Wertes des bisherigen Berufs mit dem des Verweisungsberufs kommt es darauf an, ob der Vergleichsberuf Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert, die denjenigen gleichwertig sind, denen der Versicherte in seinem bisherigen Beruf genügen mußte. Für die vergleichende Bewertung schreibt das Gesetz zwingend vor, Ähnlichkeit, Dauer und Umfang der Ausbildung sowie die besonderen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit des Versicherten zu berücksichtigen.
Diese durch Parlamentsgesetz angeordneten Vergleichskriterien können ohne Verstoß gegen die Gesetzesbindung der rechtsprechenden Gewalt (Art 20 Abs 3 GG) nicht durch richterlich entwickelte Hilfskriterien zurückgedrängt oder gar ersetzt werden (vgl ua SozR 3-2200 § 1246 Nr 41). Allerdings schließt die Berücksichtigungspflicht nicht aus, Hilfskriterien ergänzend hinzuzuziehen, wenn dies zur Beurteilung der fachlich-qualitativen Gleichwertigkeit erforderlich ist. Das Gesetz selbst hat im übrigen die Gleichwertigkeit einer Vergleichstätigkeit mit dem bisherigen Beruf, also deren “soziale Zumutbarkeit”, abschließend nur für den Fall festgesetzt, daß der Versicherte für den Vergleichsberuf durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist. In allen anderen Fällen kommt es grundsätzlich auf einen bewertenden Vergleich im Einzelfall, dh auf eine wertende Gesamtschau der Kenntnisse und Fähigkeit an, die vom jeweiligen Versicherten in seinem bisherigen Beruf betätigt worden sind, und derjenigen, die der Vergleichsberuf typischerweise erfordert.
Zur praktischen Ausführung dieser rechtlichen Vorgaben und zur Vermeidung einer rechtlich nicht zu rechtfertigenden unterschiedlichen Anwendung ua des § 23 Abs 2 Satz 2 AVG (= § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO) bei Berufen mit gleicher Qualität (SozR 2200 § 1246 Nr 137) ist das sog Mehrstufenschema entwickelt worden, das inzwischen auf sechs Hauptstufen begrenzt ist. Die Stufen sind nach ihrer Leistungsqualität, diese gemessen nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung, nicht nach Entlohnung oder Prestige, geordnet. Dieses sog Mehrstufenschema soll (gemäß Art 1 Abs 3 iVm Art 3 Abs 1 GG) eine sachgerechte Gleichbehandlung gleicher Sachverhalte und eine sachgerechte Differenzierung unterschiedlicher Gegebenheiten durch die Rechtsprechung (und die Rentenversicherungsträger) erleichtern. Deshalb ist es gerade nicht “schematisch” zu handhaben; es läßt durchaus zu, Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen (so auch der 5. Senat, Beschluß vom 12. August 1988 – 5/4a BJ 333/87), die dann aber in den Entscheidungsgründen, hinreichend kenntlich zu machen sind.
b) Das LSG hat dieses “Mehrstufenschema” im Ergebnis zutreffend angewandt;
Es kann dahingestellt bleiben, ob seine tatsächlichen Feststellungen für die Einstufung des bisherigen Berufs der Klägerin in die dritte Stufe ausreichen. Diese wäre angezeigt, wenn die Versicherte als Fleichereifachverkäuferin einen Beruf mit einer Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren ausgeübt hätte. Hierauf ist nicht weiter einzugehen, weil die Tatsachenfeststellungen ausreichen zu erkennen, daß der bisherige Beruf der Klägerin keinesfalls in die vierte Stufe des “Schemas” (Angestellte mit Vorgesetztenfunktion, spezifisch qualifizierte Angestellte) und mindestens in die zweite Stufe (angelernte Angestellte mit Ausbildungszeit von drei Monaten bis zwei Jahren) einzuordnen ist. Für die Beurteilung der qualitativen Gleichwertigkeit beider Berufe kommt es im übrigen nicht darauf an, ob die Versicherte – wie die Klägerin – die für die vollwertige Ausübung des bisherigen Berufs erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Weg der für den Regelfall vorgeschriebenen oder üblichen Ausbildung oder auf sonstige Weise erworben hat. Das LSG hat bindend festgestellt, daß die Klägerin im März 1955 eine Lehre als Verkäuferin im Nahrungsmittelhandwerk erfolgreich abgeschlossen und als Fleischereifachverkäuferin vollwertig gearbeitet und die hierfür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten gehabt hat.
Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, der von ihm beschriebene Beruf der Kassiererin an einer Sammelkasse sei dem der Fleischereifachverkäuferin fachlich-qualitativ gleichwertig. Dies ist grundsätzlich bei allen Vergleichsberufen der Fall, die nach dem “Schema” in die gleiche oder in die nächstniedrigere Stufe einzuordnen sind. Das LSG hat den Vergleichsberuf zumindest der zweiten Stufe des “Schemas” zugeordnet. Dies ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden:
Die Vorinstanz hat ihre Bewertung auf die bindend festgestellte (Hilfs-)Tatsache gestützt, daß im Lohn- und Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel Niedersachsen für die Vergleichstätigkeit eine Lohngruppe für gelernte Angestellte einschlägig ist. Da auf der Hand liegt, daß die nach dem Gesetz zu berücksichtigenden Vergleichskriterien bezüglich der beiden hier zu vergleichenden Berufe keine abschließende Bewertung zulassen, durfte das Berufungsgericht auf das richterrechtlich anerkannte Hilfskriterium der tarifvertraglichen Klassifizierung einer Tätigkeit innerhalb eines nach Qualitätsstufen geordneten Tarifvertrages zurückgreifen. Diese abstrakte Qualitätsbeurteilung ist von der nur für die Einstufung des bisherigen Berufs uU bedeutsamen weiteren Hilfstatsache der individuellen arbeitsvertraglichen Einstufung in die Lohngruppen eines Tarifvertrages strikt zu unterscheiden; sie hat indizielle, dh hilfstatsächliche Bedeutung (ständige Rechtsprechung des Senats: ua SozR 2200 § 1246 Nr 149; SozR 3-2200 § 1246 Nr 41), soweit sie nicht im Widerspruch zu staatlichen Ausbildungs- und Berufsordnungen steht. Dies rechtfertigt sich daraus, daß die Tarifpartner im Regelfall die im Vergleich zu den Amtswaltern der Rentenversicherungsträger und zu den Richtern der Sozialgerichtsbarkeit größere Sachkunde und Sachnähe haben; diese “Indizwirkung” der tarifvertraglichen Bewertung der Qualität eines Berufes entfällt, soweit die Tarifpartner sich bei der Ausgestaltung der Tarifgruppen erkennbar an qualitätsfremden Kriterien orientiert haben. Hierfür ergeben sich aus den Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte. Andererseits sind die Tatsacheninstanzen rechtlich nicht gehindert, trotz einer tarifvertraglichen Eingruppierung eines (bisherigen oder Vergleichs-) Berufs für die Beurteilung der fachlich-qualitativen Gleichwertigkeit zweier Berufe im Einzelfall speziellere und deswegen häufig geeignetere Beweismittel (Arbeitgeberauskünfte, Sachverständige) heranzuziehen (§ 103 SGG).
Auch der Vergleichsberuf ist somit mindestens der zweiten, uU der dritten Stufe des “Mehrstufenschemas” zuzuordnen. Falls der bisherige Beruf der dritten Stufe angehört, sind anerkanntermaßen die Vergleichsberufe der dritten und der zweiten Stufe fachlich-qualitativ gleichwertig (“sozial zumutbar”); war der bisherige Beruf (dem oberen Bereich) der zweiten Stufe zuzuordnen, sind gleichwertig die Vergleichsberufe der zweiten und (jedenfalls hier) diejenigen der ersten Stufe, die nicht nur ganz einfache Arbeiten umfassen.
4. Fachlich-qualitativ gleichwertig (“sozial zumutbar”) sind aber auch alle höherstufigen Vergleichsberufe, soweit der Versicherte durch sie nicht fachlich überfordert wird. Dies ist dann nicht der Fall, wenn er dafür eine Einarbeits- oder Einweisungszeit von höchstens bis zu drei Monaten benötigte. Das LSG hat hierzu festgestellt, eine Fleischereifachverkäuferin bedürfte bis zur vollwertigen Ausübung des Berufs der Kassiererin an einer Sammelkasse nur einer kurzen Einweisung, die jedenfalls weniger als drei Monate dauern würde.
Ferner hat es in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, die Klägerin sei nach ihrer Berufskompetenz den Aufgaben des Berufs der Kassiererin an einer Sammelkasse gewachsen. Diese tatsächliche Feststellung beruht auf dem gebotenen Vergleich ihrer Berufskompetenz mit dem Anforderungsprofil der Kassiererinnentätigkeit. Rechtsfehler hierbei sind weder dargetan noch ersichtlich.
Die Klägerin wird also durch den Vergleichsberuf fachlich weder über noch unterfordert. Auf dieser Grundlage ist dem LSG beizupflichten, daß der Vergleichsberuf dem bisherigen Beruf der Klägerin fachlich-qualitativ gleichwertig, ihr also “sozial zumutbar” ist.
5. Rechtsfehlerfrei ist auch die tatsächliche Feststellung getroffen worden, das Restleistungsvermögen der Klägerin reiche aus, den üblichen gesundheitlichen Belastungen aus den Aufgaben der Kassiererin vollschichtig zu genügen. Sie beruht auf dem gebotenen Vergleich zwischen den krankheits- bzw behinderungsbedingten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit (dazu oben unter B. 1.) der Klägerin und den festgestellten gesundheitlichen Belastungen, die regelmäßig mit dem Kassieren, Geldwechseln, Ausstellen von Rechnungen und Quittungen, der Behandlung von Warenrückgaben und von Auswahlen, dem Verpackungsservice, den Kontrolltätigkeiten und dem Informationsservice für Kunden verbunden sind. Dies sind nach bindender Feststellung des LSG leichte Arbeiten; die keine häufigen Überkopfarbeiten mit gleichzeitigem Anheben von Lasten über 10 kg verlangen und im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen verrichtet werden können; die Sehbehinderung steht der vollwertigen und vollschichtigen Beschäftigung im Vergleichsberuf nicht entgegen. Die Folgerung aus diesen bindend festgestellten Tatsachen, daß nämlich die Belastungen “den Kräften” der Klägerin “entsprechen”, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
6. Der Rechtsauffassung der Revision ist entgegenzutreten, das Berufungsgericht habe fehlerhaft einen sog Katalogfall (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 137 S 440) iS eines Seltenheitsfalles (bildersprachlich: einen “verschlossenen Arbeitsmarkt”) verkannt, also zu Unrecht den Einwendungsausschluß gegen die Einwendung des zumutbaren Vergleichsberufs nicht durchgreifen lassen:
a) Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG liegt kein “Unüblichkeitsfall” vor. Es besteht kein Anhalt, die Klägerin könne gesundheitlich gehindert sein, solchen Arbeitsbedingungen zu genügen, die zwar mit den typischen fachlichen Aufgaben des Vergleichsberufs üblicherweise nicht verbunden, jedoch an den Arbeitsplätzen, an denen dieser Beruf verrichtet wird, generell anzutreffen sind.
b) Nach den Feststellungen des LSG liegt auch kein “Seltenheitsfall” vor; denn der Beruf der Kassiererin an einer Sammelkasse ist arbeitsmarktgängig (“zugänglich”).
Von Arbeitsmarktgängigkeit (“Zugänglichkeit”) ist bei in abhängiger Beschäftigung ausgeübten Berufen, die es in der Arbeitswelt gibt, die also “vorhanden” sind, grundsätzlich und im Regelfall auszugehen. Ausnahmsweise kann dies anders sein, wenn die Arbeitsplätze, an denen dieser Beruf verrichtet wird, generell nur an Betriebsangehörige vergeben werden, somit als Eingangsstelle für Betriebsfremde nicht zur Verfügung stehen, oder wenn sie nur in ganz geringer Zahl vorkommen, dh so selten über den Arbeitsmarkt angeboten, besetzt und wiederbesetzt werden, daß sie praktisch dort nicht vorkommen und deswegen als Vergleichsberufe ausscheiden, weil die verbliebene Fähigkeit des Versicherten, in einen seiner Berufskompetenz, entsprechenden Beruf erwerbswirtschaftlich tätig zu sein, an ihnen mangels konkret feststellbarer Nachfrage nicht gemessen werden kann; bildhaft gesprochen: weil der Versicherte praktisch keine – nicht einmal eine “wenn auch schlechte” – Chance hätte, in dem (an sich) zumutbaren Verweisungsberuf “unterzukommen”.
Das LSG hat geklärt, daß die 350 Arbeitsplätze bei der Firma K… AG nicht den Betriebsangehörigen vorbehalten, insbesondere keine “Schonarbeitsplätze” sind, also nicht nur betriebsintern vergeben werden.
Der vom LSG beschriebene Vergleichsberuf wird nicht nur an Arbeitsplätzen ausgeübt, die nur in ganz geringer Zahl vorkommen. Dies ist bei in einem Tarifvertrag erfaßten Berufen grundsätzlich auszuschließen, wie das LSG richtig gesehen und sich insoweit zutreffend auf das Urteil des 5. Senats des BSG vom 8. September 1982 (5b RJ 28/81, S 5) bezogen hat. In besonderen Fällen kann aber das Verfahrensergebnis nahelegen, daß der Beruf trotz seiner tarifvertraglichen Erfassung nur in einer ganz geringen Zahl von Arbeitsplätzen vorkommt.
Das LSG hat auch dies nicht verkannt. Es kann allerdings dahingestellt bleiben, ob – wie die Revision meint – ein “besonderer Fall” bereits deswegen anzunehmen sein könnte, weil die 350 Arbeitsplätze nur von einer Arbeitgeberin vorgehalten werden. Denn diese Zahl an Arbeitsplätzen ist – wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat – nicht (erst recht nicht nur ganz) gering.
Grundsätzlich liegt es in der Kompetenz der Tatsacheninstanz, in eigener Beweiswürdigung zu entscheiden, ob die Zahl der Arbeitsplätze in einem zumutbaren Verweisungsberuf so unbedeutend ist, daß davon ausgegangen werden muß, das Restleistungsvermögen des Versicherten werde seiner Art nach arbeitsmarktgängig nicht mehr nachgefragt (Senatsurteil vom 21. Februar 1985 – 4 RJ 29/84 – S 7 ff, 10, dort: “Beurteilungsspielraum”). Der Senat hält hieran und ebenso an dem Grundsatz fest, daß es keine für alle Vergleichsberufe gleiche absolute “Mindestzahl” von Arbeitsplätzen gibt, die als “ganz geringe Zahl” zu qualifizieren ist:
Der 5. Senat hat im Urteil vom 4. August 1981 (5a/5 RKn 22/79) 60 Arbeitsplätze – seien sie besetzt oder nicht – als noch nicht völlig unbeachtlich qualifiziert und hinzugefügt, dies könne auch für eine geringere Zahl gelten, wenn die Zahl der für die Tätigkeiten befähigten Bewerber relativ begrenzt sei. Im gleichen Sinne hat der 5. Senat im Urteil vom 8. September 1982 (5b RJ 28/81) entschieden, daß 100 festgestellte Einsatzstellen ausreichten. Der erkennende Senat hat im og Urteil vom 21. Februar 1985 50 Arbeitsplätze im Großraum Stuttgart, allerdings – ohne Zahlenangaben – “hochgerechnet auf das (damalige) Bundesgebiet”, als ausreichend erachtet und wiederholt, die Zahl der Arbeitsplätze könne um so geringer sein, je weniger Versicherte die Anforderungen erfüllten. Hier und im Senatsurteil vom 25. Juni 1986 (SozR 2200 § 1246 Nr 137), in dem 185 (wohlbesetzte) einschlägige Arbeitsplätze im Bereich mehrerer Länder an sich als ausreichend erachtet wurden, ist betont worden, auf eine Gegenüberstellung der absoluten Zahl der vorhandenen Arbeitsstellen und der Bewerber bzw möglichen Interessenten komme es nicht an; seien die Arbeitsplätze zahlenmäßig festgestellt, seien zusätzliche Ermittlungen zur Zahl der Bewerber/Interessenten nicht erforderlich. Der Senat hat sich im og Urteil vom 21. Februar 1985 durch Bezugnahme auf das og Urteil des 5. Senats vom 8. September 1982 auch dessen Auffassung zu eigen gemacht, daß der 5. Senat in seinem Urteil vom 14. März 1968 (SozR Nr 22 zu § 46 RKG) 300 Arbeitsplätze nur deshalb nicht als ausreichend erachtet hatte, weil es sich um innerbetrieblich geschaffene Schonarbeitsplätze für “Betriebsuntaugliche” gehandelt habe; diese sind nämlich von vornherein nicht arbeitsmarktgängig (“zugänglich”), so daß – bildhaft gesprochen – “der Arbeitsmarkt verschlossen” ist, also – was in der Rechtsprechung des 4. Senats gleichbedeutend ist – “kein Arbeitsmarkt besteht”, weil schon der Art nach keine Nachfrage nach den Fähigkeiten vorhanden ist, die der Versicherte mit seinem Restleistungsvermögen anbieten könnte.
Im vorliegenden Fall ist das LSG schon deswegen zu Recht nicht näher darauf eingegangen, wie niedrig die “Mindestzahl” der Arbeitsplätze für den Vergleichsberuf der Kassiererin an einer Sammelkasse der von der Firma K… AG eingerichteten Art sein müßte, um “ganz gering”, “nicht ins Gewicht fallend”, “nicht nennenswert” oder “unbedeutend” zu sein. Einer Beweiswürdigung hierzu bedurfte es schon deshalb nicht, weil – woran der Senat festhält – eine Anzahl von mehr als 300 Arbeitsplätzen in einem Vergleichsberuf von vornherein nicht ganz gering sein kann. Denn eine derart große Zahl reicht stets aus, das Ausmaß der krankheits- bzw behinderungsbedingten Minderung der Berufsfähigkeit (also das Überschreiten der Anspruchsschwelle) an einer im Arbeitsleben wirklich nachgefragten Berufskompetenz und Belastbarkeit zu prüfen, bildlich gesprochen, dem Versicherten “eine – wenn auch vielleicht schlechte – Chance” zu geben, im Vergleichsberuf erwerbswirtschaftlich tätig zu sein.
Das LSG hat – entgegen der Revision – richtig gesehen, daß es nicht darauf ankommt, ob diese 350 Arbeitsplätze frei oder (auch im Antragszeitraum oder voraussichtlich auf die Dauer von mehr als einem Jahr oder länger) besetzt sind; denn die Risiken, die für die Erwerbsmöglichkeit des Versicherten auf dem sog Arbeitsmarkt, also im Wechselspiel von Angebot und Nachfrage einschließlich des Risikos der Unvermittelbarkeit bestehen, sind (anders als bei der Teilzeitarbeitsmarktrente auf Zeit in der Form der BU-Rente ≪oder EU-Rente≫) in der Arbeitslosenversicherung abgesichert, die kein Bestandteil der Rentenversicherung, nicht einmal der Sozialversicherung iS des Sozialgesetzbuches ist.
Der Revision kann auch darin nicht gefolgt werden, es dürften nur Vergleichsberufe herangezogen werden, die in hinreichender Verhältniszahl zu potentiellen Bewerbern auf dem nach Arbeitsförderungsrecht abzugrenzenden räumlichen Arbeitsmarkt vorhanden seien. Da die gesetzliche BU-Rente (wie auch die EU-Rente) bei vollschichtig Einsetzbaren nicht deren Nachteile aus Einschränkungen ihrer Erwerbsmöglichkeit wegen Unvermittelbarkeit, sondern die Nachteile allein aus krankheits- oder behinderungsbedingtem Herabsinken der Berufs-/Erwerbsfähigkeit ausgleichen soll, wird – anders als die Revision meint – niemandem ein Umzug im ganzen Bundesgebiet zugemutet. Es wird lediglich anhand im Arbeitsleben wirklich vorkommender und damit regelmäßig arbeitsmarktgängiger Vergleichsberufe geprüft, ob das Ausmaß der krankheits- oder behinderungsbedingten Einschränkung der Berufskompetenz des Versicherten so groß ist, daß die Anspruchsschwelle des Versicherungsfalls überschritten und die Versichertengemeinschaft grundsätzlich gehalten ist, Nachteilsausgleich durch Rente zu gewähren. Dies ist bei der berufsfähigen Klägerin nicht der Fall.
Nach alledem war die Revision der Klägerin gegen das zutreffende Urteil des LSG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG.
Fundstellen