Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Juli 1985 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Der Kläger hat Beiträge gemäß Art 2 51 Abs. 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) für die Zeit vom 1. Januar 1955 bis 31. Dezember 1972 in der niedrigsten Klasse nachentrichtet. Nachdem sich herausgestellt hat, daß sich die Nachentrichtung negativ auf seine Rente auswirkt, möchte er die entrichteten Beiträge durch höhere ersetzen („aufstocken”). Der 1922 geborene Kläger leistete nach einer Lehre als Maurer seit April 1941 Wehrdienst und befand sich im Anschluß daran bis Juni 19-15 in Kriegsgefangenschaft. Danach war er zunächst beschäftigt, besuchte dann aber von Mai 1915 bis August 1919 die Staatsbauschule mit dem Abschluß eines Ingenieurs. Anschließend war als Architekt selbständig tätig, ohne Beiträge zur gesetzlichen Kontenversicherung zu entrichten. Mit Schreiben vom z. November 1974 an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) schilderte er seinen beruflichen Werdegang und stellte eine Reihe von Fragen zu den Kosten, den Gestaltungsmöglichkeiten und der Rentabilität einer Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Mit weiterem Sehreiben vom 21. Dezember 197' teilte er der BfA mit, unterdessen habe ihm die Continentale Versicherung – Pensionsverein – die Rente berechnet. Danach komme wohl nur eine freiwillige Versicherung für ihn in Frage. Er habe nun vor, „zunächst einmal Mindestsätze zu kleben, um überhaupt zu beginnen”. Fr wäre für Ratschläge dankbar und auch bereit, Nachzahlungen zu leisten. Dem Schreiben paaren Aufrechnungsbescheinigungen der Quittungskarten Nr. 1 und 2 sowie des Einlageblatts Nr. 1 zur Quittungskarte Nr. 3 in Ablichtungen beigefügt.
Nachdem die BfA diese Sehreiben mit den genannten Ablichtungen an die Beklagte weitergegeben hatte, schrieb diese unter dem 25. September 1975 an den Kläger, er möge Näheres aus beiliegendem Merkblatt entnehmen und alle in seinen Händen befindlichen Versicherungsunterlagen und Militärpapiere sowie Bescheinigungen über Dauer und Abschluß der Studienzeit übersenden. Dar Kläger behauptet, dieses Schreiben nicht erhalten zu haben.
Mit einem bei der BfA am 31. Dezember 1975 eingegangenen Antrag begehrte der Kläger die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge in der Klasse 100 zu je 13 DM für die Zeit vom 1. Januar 1956 bis 31. Dezember 1972 und beantragte Teilzahlung. Zugleich überwies er einen Teilbetrag. Die Beklagte, an die Antrag und Überweisung abgegeben wurden, verwendete den Betrag antragsgemäß, und zwar für die Zeit vom 1. Januar 1967 bis 31. Dezember 1972. Zugleich ließ sie durch Zulassungsbescheid vom 21. Mai 1976 die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge gemäß Art 2 § 51a Abs. 2 ArVNG in der Klasse 100 für die Zeit vom 1. Januar 1955 bis 31. Dezember 1966 zu. Außerdem bat sie erneut um Übersendung der Original- Versicherungsunterlagen.
Mit Schreiben vom 14. Juni 1976 begehrte der Kläger die Zahlung des Restbetrages von 2.376 DM in vier Raten. In dem Schreiben heißt es weiter: „Vor allem möchte ich bald Klarheit darüber haben, was angerechnet wird und nicht. Die Rente möchte ich mir dann berechnen lassen und evtl. höher in Zukunft kleben”. Die Beklagte erteilte dem Kläger nach Entrichtung des restlichen Betrags in Teilbeträgen darüber Ergänzungs- Aufrechnungsbescheinigungen.
Mit Schreiben vom 12. Juli 1979 beantragte der Kläger die Aufstockung der nachentrichteten freiwilligen Beiträge und wies darauf hin, die durchgeführte Beitragsentrichtung habe zu einer Rentenminderung geführt. Die geklagte hätte auf drohende Nachteile der beantragten Nachentrichtung hinweisen müssen. Die ungünstigen Folgen hätten eine; I Versicherungsexperten im Hinblick auf die umfangreichen Ersatz- und Ausfallzeiten sofort auffallen müssen. Die Beklagte lehnte den Antrag unter Hinweis darauf ab, daß nach ständiger Rechtsprechung eine nachträgliche Veränderung rechtswirksam entrichteter Beiträge nicht zulässig sei (Bescheid vom 24. August 1979). Der Widerspruch vorn 15. Aktober 1979 wurde wegen Fristversäumnis als unzulässig verworfen: Der Bescheid vom 24. August 1979 gelte als am 10. September 1979 zugestellt, so daß die Monatsfrist für den Widerspruch am 15. Oktober 1979 bereits abgelaufen gewesen sei. Im anschließenden Klageverfahren stellte sich dann jedoch heraus, daß der Bescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt worden war und deshalb eine Fristversäumnis nicht vorlag. Die Klage hatte dennoch keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts –SG– vom 25. August 1981). Die Berufung führte jedoch zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Verurteilung der Beklagten, dem Kläger die Nachentrichtung der Beiträge in einer höheren als der Beitragsklasse 100 für die Zeit vom 1. Januar 1955 bis 31. Dezember 1972 zu gestatten (Urteil des Hessischen Landessozialgerichts –LSG– vom 14. Juli 1936). Das LSG hat die Auffassung vertreten, daß die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger im Wege des Herstellungsanspruchs die Aufstockung der entrichteten Beiträge zu gestatten, weil sie gegen ihre Pflicht zur Beratung des Klägers verstoßen habe. Die Übersendung eines Merkblatts – unterstellt, der Kläger habe dieses überhaupt erhalten – reiche für eine Beratung nicht aus,:nenn der Versicherte in schwierigen Fragen, wie sie hier vorlägen, um Beratung bitte und seine Unsicherheit deutlich mache. Die Beratung sei auch nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil der Kläger die erbetenen darweise nicht vorgelegt habe; denn die vom Kläger mitgeteilten Fakten seien für eine Beratung durch die Beklagte ausreichend gewesen. Der Kläger habe auch zu keiner Zeit zum Ausdruck gebracht, daß er eine Beratung nicht mehr benötige. Der Beratungsfehler der Beklagten sei auch ursächlich für das Nachentrichtungsverhalten des Klägers gewesen. Der Kläger habe bei seiner Anhörung glaubhaft versichert, daß er von der Continentalen Versicherung – Pensionsverein – nicht im einzelnen beraten worden sei. Dort habe man ihm auch nicht geraten, den Mindestsatz zu wählen. Auch habe er den Antrag allein ausgefüllt. Er habe damit wegen des Schweigens des Versicherungsträgers bis zum letzten Termin gewartet sind letztlich daraus die Folgerung gezogen, daß gegen die beabsichtigte Beitragsentrichtung nichts einzuwenden sei. Mit dem Herstellungsanspruch werde auch kein gesetzwidriger Zustand herbeigeführt. Zwar sei eine Änderung bereits wirksam entrichteter Beiträge grundsätzlich ausgeschlossen. Dies gelte aber nicht in Fällen des Herstellungsanspruchs.
Mit der Revision macht die beklagte LVA zunächst geltend, daß die Übersendung des Merkblatts ausreichend gewesen sei und sie für offenen (evtl. Verlust auf dem Postwege nicht einzustehen habe. Außerdem ist sie der Auffassung, daß eine spezielle Beratung nur erforderlich sei, wenn Gestaltungsmöglichkeiten klar zu Tage lägen, was hier nicht der Fall sei. Die vom Kläger zunächst vorgenommene Nachentrichtung könne grundsätzlich nicht als offensichtlich unvernünftige Gestaltung angesehen werden. Eine Überprüfung welche Art der Beitragsentrichtung im Einzelfall die günstigste sei, erfordere einen unvertretbaren Verwaltungsaufwand. Die bloße Möglichkeit einer günstigeren Verteilung des für die Beitragsnachentrichtung aufzuwendenden Betrages falle deshalb nicht unter die Gestaltungsmöglichkeiten, die klar zu Tage lagen (vgl. BSG 11. September 1980 – 1 RA 13/79 –). Im übrigen sei aufgrund des klaren Belegungsangebots davon auszugehen gewesen, daß der Kläger sich des Rats sachkundiger Stollen bedient habe. Das Vordergericht habe auch ungeprüft gelassen, in welcher Höhe der Kläger im Falle ordnungsgemäßer Beratung Beiträge entrichtet hätte. Dies sei aber erforderlich, weil im Wege des Herstellungsanspruchs nur ein Zustand herbeigeführt werden dürfe, der bestanden hätte, wenn der Versicherte ordnungsgemäß beraten worden wäre. Auch hier wirke sich aus, daß ein Sachbearbeiter im Rahmen der Beratung überfordert gewesen wäre, wenn er dem Kläger eine Beitragsentrichtung in bestimmter Höhe hätte anraten sollen. Zutreffend sei es zwar, daß die zu erwartende Rente höher wäre, wenn die für die Zeit vor dem 1. Januar 1955 nachentrichteten Beiträge insgesamt unberücksichtigt blieben. Die für die Jahre 1955 bis 1872 nachentrichteten Beitrage erbrächten jedoch eine dem Beitragsaufwand angemessene Rendite. Deshalb hätte dem Kläger im Rahmen einer Beratung die Auskunft erteilt werden müssen, daß eine Belegung der Zeit vor dem 1. Januar 1955 insgesamt unzweckmäßig sei, weil nicht zu übersehen gewesen wäre, welche Beiträge, die für diese Zeit entrichtet würden, eine Rendite erbracht hätten. Hiernach könne im Wege des Herstellungsanspruchs allenfalls die Rückzahlung der grob unrentablen Beiträge verlangt werden. Dem Versicherten könne aber im Wege des Herstellungsanspruchs nicht erneut eine volle Dispositionsfreiheit eröffnet werden. Hierdurch würde er unangemessen besser gestellt, als wenn er damals ordnungsgemäß beraten worden wäre. Die Beklagte erklärte sich abschließend bereit, die für die Zeit vom 1. Januar 1956 bis 31. Dezember 1964 entrichteten 103 Beiträge der Klasse 100 zu je 18 DM in Höhe von insgesamt 1.944 DM auf Antrag zurückzuzahlen.
Die Beklagte beantragt
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten und hat auch keinen Antrag gestellt.
Auf den Vergleichsvorschlag der Beklagten hat er sich nicht geäußert.
Beide Beteiligte haben sieh damit einverstanden erklärt, daß der Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung H 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–) entschieden wird.
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß die Beklagte aufgrund eines Herstellungsanspruchs verpflichtet ist, den Kläger zur Aufstockung der für die Zeit vom 1. Januar 1955 bis 31. Dezember 1972 nach Art 2 § 51a ArVNG nachentrichteten Beiträge zuzulassen. Der Kläger hat mehrfach in der zeit vor dem 31. Dezember 1975 durch Schreiben zunächst an die BfA, später an die Beklagte seine Unsicherheit über die Zweckmäßigkeit einer Nachentrichtung von Beiträgen und der zu wählenden Beitragsklassen zum Ausdruck gebracht. Er hat dabei zwar in einem Schreiben erwähnt, daß er sich die Rente von einer privaten Versicherung habe berechnen lassen, jedoch auch in diesem Schreiben und in der Folgezeit weiter sein Beratungsbedürfnis deutlich hervorgehoben.
Diesen Beratungsantrag maßte die Beklagte in sachgerechter Weise entsprechen. Sie war daran nicht dadurch gehindert, daß der Kläger die erbetenen Originalunterlagen. nicht eingereicht hat. Diese wären zwar möglicherweise für eine Entscheidung über seinen Antrag erforderlich gewesen, nicht jedoch für eine Beratung. Hierfür genügte die Mitteilung der für den Versicherungsverlauf wesentlichen Tatsachen. Diese Mitteilungen waren in den Schreiben des Klägers enthalten.
Zu Recht hat das LSG darauf hingewiesen, daß die Übersendung eines Merkblatts für die vom Kläger erbetene Beratung nicht ausreichte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein Versicherter gezielte Fragen stellt und in so deutlicher Weise, wie hier der Kläger, seine Unsicherheit zum Ausdruck bringt. Wenn die Beklagte eine schriftliche Beantwortung wegen der Vielzahl der vom Kläger gestellten Fragen für zu aufwendig hielt, mußte sie ihm zumindest eine mündliche Beratung anbieten.
Es kann hier dahinstehen, ob die Beklagte in diesem Zusammenhang verpflichtet gewesen wäre, eine sogenannte Optimierungsberechnung vorzunehmen, die die für den Kläger günstigste Art der Beitragsnachentrichtung angegeben hatte; denn derartiges hat der Kläger nicht verlangt. Es genügte, ihn seinem Antrag; entsprechend zu informieren und ihm zu verdeutlichen, in, welcher Weise eine Nachentrichtung für ihn sinnvoll war. Hierzu bestand besondere Veranlassung, weil der Kläger angekündigt hatte, Mindestbeiträge zu entrichten, und eine solche Beitragsklassenwahl angesichts der erheblichen beim Kläger anzurechnenden Ersatz und Ausfallzeiten ohne weiteres als besonders ungünstige Gestaltung des Nachentrichtungsplans erkennbar war.
Die unterlassene Beratung war auch ursächlich dafür, daß der Kläger, der bis kurz vor Ende der Antragsfrist auf eine Nachricht der Beklagten gewartet hatte, letztlich die Nachentrichtung von Mindestbeiträgen beantragte. Das LSG hat festgestellt, daß er nicht von einer anderen Stelle beraten worden ist und deren Rat für sein Nachentrichtungsverhalten maßgeblich war. Im übrigen kann auf das angefochtene Urteil verwiesen werden.
Die Auffassung der Beklagten, daß auch aufgrund eines Herstellungsanspruchs dem Berechtigten nicht rückwirkend jede beliebige Nachentrichtungsmöglichkeit eröffnet werden dürfe, ist im Grundsatz zutreffend. Die Beklagte wird deshalb anhand der dazu vorliegenden Rechtsprechung des erkennenden Senats (SozR 5070 § 10 Nr. 30 S. 66f und Nr. 31 S. 75f) prüfen müssen, welche Beiträge der Kläger bei ordnungsgemäßer Beratung voraussichtlich entrichtet hätte. Darüber hinausgehende Einschränkungen des Nachentrichtungsrechts lassen sich jedoch nicht begründen.
Die Revision der Beklagten konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen