Leitsatz (redaktionell)

Die Witwe eines landwirtschaftlichen Unternehmers, der sich aufgrund von GAL § 26 idF 1957-07-27 (GAL § 28 idF 1961-07-03) von der Beitragspflicht hat befreien lassen, kann nicht auf dessen Befreiung von der Beitragspflicht verzichten. 6. ÄndG GAL Art 2 § 2 sieht eine Erstreckung des Verzichtsrechts auf Hinterbliebene nicht vor, eine erweiternde Auslegung in diesem Sinn ist nicht zulässig.

 

Normenkette

GAL § 26 Fassung: 1957-07-27, § 28 Abs. 1 Fassung: 1961-07-03; GALÄndG 6 Art. 2 § 2 S. 1 Fassung: 1972-07-26

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24. April 1975 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist die Witwe des im März 1966 verstorbenen Michael S (S.), der in E Nr. ... (Landkreis P) ein landwirtschaftliches Unternehmen betrieben hatte. Von der Beitragspflicht zur Alterskasse (AK) hatte er sich aufgrund von § 26 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 (GAl 1957) befreien lassen; ein 1964 von ihm gestellter Antrag auf Nachentrichtung der Beiträge ab Oktober 1957 ist von der Beklagten deshalb abgelehnt worden.

Von März 1966 bis Oktober 1967 bewirtschaftete die Klägerin das Unternehmen, dann gab sie es an ihren Sohn ab. Während dieser Zeit zog die Beklagte sie zur Beitragszahlung heran. 1972 versuchte die Klägerin ohne Erfolg, als Rechtsnachfolgerin von S. gemäß Art. 2 § 2 des Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 26. Juli 1972 (6. ÄndG GAL) auf dessen Befreiung von der Beitragspflicht zu verzichten und Beiträge nachzuzahlen. Auch dem Antrag auf Beitragsnachentrichtung vom November 1973, den die Klägerin "unter gleichzeitigem Widerruf des von ihrem Ehemann seinerzeit erklärten Verzichts auf Altersgeldansprüche" stellte, gab die Beklagte nicht statt (Bescheid vom 10. Februar 1974).

Der Widerspruch und die Klage blieben erfolglos. In seinem Urteil vom 24. August 1975 führte das Sozialgericht(SG) aus, die Klägerin könne aus Art. 2 § 2 des 6. ÄndG GAL keine eigenen Rechte herleiten, weil sie während der maßgeblichen Zeit (Oktober 1957 bis Februar 1966) nicht landwirtschaftliche Unternehmerin gewesen sei. Dementsprechend sei nicht sie, sondern S. nach § 26 GAL 1957 von der Beitragspflicht befreit worden. Auch ein abgeleitetes Recht als Witwe oder Rechtsnachfolgerin von S. stehe ihr nicht zu; nach Art. 2 § 2 des 6. ÄndG GAL könne nur der befreite landwirtschaftliche Unternehmer auf die Befreiung verzichten und Beiträge nachzahlen. Die Rechtsnachfolge ermögliche es der Klägerin ferner nicht, die von S. 1958 abgegebene Verzichtserklärung zu widerrufen, da er zur Zeit seines Todes kein Recht zum Widerruf gehabt habe. Auf den 1964 von ihm gestellten Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen könne sich die Klägerin ebensowenig berufen; auch damals habe man auf die Befreiung von der Beitragspflicht nicht verzichten können; dies sei erst ab Oktober 1972 möglich gewesen.

Der Vorsitzende der Kammer hat durch Beschluß vom 23. Juli 1975 die Revision nach §§ 161, 160 Abs. 2 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassen.

Die Klägerin hat die Revision eingelegt. Sie beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils ihr die Nachentrichtung von Beiträgen für die Zeit von Oktober 1957 bis Februar 1966 zu gestatten.

Zur Begründung rügt sie, das SG habe Art. 2 § 2 des 6. ÄndG GAL zu eng ausgelegt. Durch diese Vorschrift sei für landwirtschaftliche Unternehmer die einmalige Möglichkeit geschaffen worden, auf die Befreiung von der Beitragspflicht aufgrund von § 26 GAL 1957 (§ 28 GAL 1961) zu verzichten und Altersgeld zu bekommen. Es sei nicht einzusehen, weshalb der Gesetzgeber diese Vergünstigung nur den landwirtschaftlichen Unternehmern selbst und nicht auch ihren Witwen oder Witwern habe einräumen wollen. Die Interessenlage sei letztlich die gleiche wie in § 27 GAL; in die dort geregelte Berechtigung zur Weiterentrichtung von Beiträgen seien die Witwen und Witwer indessen einbezogen. Ihre Nichterwähnung in Art. 2 § 2 des ÄndG GAL 1972 zwinge nicht zu dem Schluß, daß Gründe bestanden hätten, die überlebenden Ehegatten dieses Personenkreises schlechter zu stellen als es in § 27 GAL geschehen sei; vielmehr liege der Verdacht auf eine redaktionelle Unachtsamkeit vor.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist statthaft. Zwar ist der Beschluß über die nachträgliche Zulassung der Sprungrevision (§ 161 Abs. 1 Satz 1 SGG) von dem Vorsitzenden der Kammer des SG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter erlassen worden. Damit war das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt (BSG, Urteil vom 15. Juni 1976 - 11 RA 90/75 - noch nicht veröffentlich - mit Literaturnachweisen). Gleichwohl ist eine so zustandegekommene Zulassungsentscheidung - jedenfalls zur Zeit noch - als wirksam anzusehen (BSG aaO; Urteil vom 30. April 1976 - 8 RU 74/75).

In der Sache hat die Revision keinen Erfolg. Zutreffend hat das SG festgestellt, daß das Begehren der Klägerin, von Oktober 1957 bis Februar 1966 Beiträge zur landwirtschaftlichen AK nachzuzahlen, im Gesetz keine Stütze findet. Auf Art. 2 § 2 des 6. ÄndG GAL kann sie sich nicht berufen.

Satz 1 dieser Vorschrift hat den landwirtschaftlichen Unternehmern, die sich aufgrund von § 26 GAL 1957 (§ 28 GAL 1961) von der Beitragspflicht hatten befreien lassen, vom 1. Oktober 1972 an bis zum 31. Dezember 1973 die Möglichkeit eingeräumt, auf die Befreiung zu verzichten; die Verzichtserklärung bewirkte Versicherungspflicht für die gesamte Zeit in welcher der Erklärende seit dem 1. Oktober 1957 landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 GAL war (Art. 2 § 2 Satz 2 des 6. ÄndG GAL). Diese Vorschrift läßt sich ihrem Wortlaut nach nicht auf die Klägerin anwenden, weil sie zu keiner Zeit von einer Beitragspflicht befreit worden ist.

Als Witwe des landwirtschaftlichen Unternehmers S. kann sie aber auf dessen Befreiung von der Beitragspflicht nicht verzichten; hierzu gibt Art. 2 § 2 des 6. ÄndG GAL ihr keine Möglichkeit. Das Gesetz sieht eine Erstreckung des Verzichtsrechts auf Hinterbliebene nicht vor; eine erweiternde Auslegung in diesem Sinne ist nicht zulässig. Mit der Vorschrift hat der Gesetzgeber dem Anliegen der Landwirte entsprochen, wieder in die Altershilfe aufgenommen zu werden, die sich bei der Einführung der landwirtschaftlichen Altershilfe als Inhaber einer Lebensversicherung ausreichend gesichert gefühlt und deshalb bis zum 30. September 1958 (vgl. § 28 Abs. 1 GAL 1961) von der Befreiung Gebrauch gemacht hatten. Ein Grund dafür, vierzehn Jahre später ihren durch diese Befreiung erfolgten Ausschluß von der landwirtschaftlichen Altershilfe widerrufbar zu machen, mag darin gelegen haben, daß nur mit zusätzlich 600 Altersgeldempfängern gerechnet wurde (BSG in SozR 5850 § 26 Nr. 1 mit Hinweis auf die BT-Drucks. VI/3463). Die zu erwartenden Mehrausgaben der Alterskassen konnten mithin verhältnismäßig niedrig angesetzt werden. Das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Überschaubarkeit des finanziellen Risikos verbietet es nun aber, auch noch die hinterbliebenen Ehegatten in den Kreis der nach Art. 2 § 2 Berechtigten einzubeziehen. Da der Gesetzgeber sich einen "klar abgrenzbaren Personenkreis" (s. Amtl. Begründung aaO) vorgestellt hat, kann ihm keine "redaktionelle Unachtsamkeit" vorgeworfen werden. Er hat bei den wegen einer Lebensversicherung von der Beitragspflicht befreiten landwirtschaftlichen Unternehmern - von denen viele noch als Unternehmer tätig waren - den oft als Härte empfundenen Ausschluß von der Altershilfe rückgängig gemacht; mehr hat er nicht tun wollen (vgl. SozR aaO, wo auch ein Recht der Hofvorgänger verneint wurde, den früheren Verzicht auf Altersgeld zu widerrufen). Es hätte auch gar kein ähnliches Bedürfnis bestanden, die Witwen und Witwer von befreiten landwirtschaftlichen Unternehmern zu begünstigen. Denn ihnen stehen in aller Regel die Leistungen in Form einer monatlichen Rente aus dem Versicherungsvertrag zu, der seinerzeit zur Befreiung nach § 26 GAL 1957 (§ 28 GAL 1961) geführt hatte; sie sind sonach insoweit versorgt. Deshalb ist die Interessenlage in Art. 2 § 2 des 6. ÄndG GAL anders als in § 27 GAL: Wenn die Witwen (oder Witwer) derjenigen landwirtschaftlichen Unternehmer, die bis zu ihrem Tode (nur) 36 Kalendermonate beitragspflichtig gewesen waren, keine Beiträge weiterentrichten dürften, blieben sie viel eher unversorgt. Ganz offenbar aus diesem Grunde ist ihnen die Möglichkeit gegeben worden, bis zu dem zum vollen Altersgeld benötigten Beitragsumfang die Beitragsleistung aufzustocken (§ 3 Abs. 3 GAL). Auch soll den überlebenden Ehegatten wohl das vom landwirtschaftlichen Unternehmer schon angesammelte Kapital aus Beiträgen für mindestens 36 Kalendermonate zugutekommen, das in den Fällen der Befreiung nach § 26 GAL 1957 (§ 28 GAL 1961) indessen gerade nicht vorhanden ist. Der nach Art. 2 § 2 den Verzicht Erklärende muß erst die Beiträge für die gesamte Zeit nachzahlen, in der er seit dem 1. Oktober 1957 landwirtschaftlicher Unternehmer war.

Ist hiernach für eine ausweitende Auslegung des Art. 2 § 2 Satz 1 des 6. ÄndG GAL kein Raum, so kann die Klägerin ihr Begehren schließlich auch auf keine andere Rechtsgrundlage stützen. Die von S. gemäß § 26 GAL 1957 abgegebene Verzichtserklärung kann sie auch als "Rechtsnachfolgerin" jedenfalls deshalb nicht widerrufen, weil die Befreiung bis zum Inkrafttreten des 6. ÄndG am 1. Oktober 1972 unwiderruflich war; erst danach ist sie unter den in Art. 2 § 2 des 6. ÄndG genannten, hier aber nicht erfüllten Voraussetzungen widerruflich geworden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1649173

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