Entscheidungsstichwort (Thema)

Spanier. Verfügbarkeit von ausländischen Arbeitslosen. Arbeitserlaubnis. Anspruch auf Arbeitslosenhilfe

 

Orientierungssatz

1. Die Arbeitserlaubnis nach AFG § 19 für spanische Staatsangehörige ist auch unter Berücksichtigung des ArblVAbk ESP vom 1966-04-20 nicht entbehrlich.

2. AFG § 19 Abs 1 räumt der BA nur insoweit ein Ermessen ein, als die Arbeitserlaubnis auf bestimmte Betriebe, Berufsgruppen, Wirtschaftszweige oder Bezirke beschränkt erteilt werden kann. Im übrigen hat die BA jedoch grundsätzlich zu prüfen, ob die Arbeitserlaubnis nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und den Verhältnissen des Einzelfalles zu erteilen ist. Sie hat sie zu erteilen oder bei Fehlen der Voraussetzungen abzulehnen, dh, sie entscheidet über einen Rechtsanspruch (vgl BSG 1977-06-22 7 RAr 75/76 = SozR 4100 § 19 Nr 3).

3. Die Verfügbarkeit zur Arbeitsvermittlung setzt nicht stets das Vorhandensein einer Arbeitserlaubnis voraus. Vielmehr steht erst dann fest, daß ein ausländischer Arbeitnehmer ohne Arbeitserlaubnis eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht ausüben darf, wenn ihm der nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten und nach dem Umfang seiner Arbeitsbereitschaft zugängliche Arbeitsmarkt verschlossen ist (vgl BSG 1977-01-27 12 RAr 83/76 = SozR 4100 § 19 Nr 2; BSG vom 1977-11-22 7 RAr 5/77 = BSGE 45, 153-161).

 

Normenkette

AFG § 19 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1969-06-25, § 135 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1969-06-25; ArbErlaubV § 1 Fassung: 1971-03-02, § 2 Fassung: 1971-03-02; ArblVAbk ESP; NiederlVtr ESP Art. 10 Fassung: 1970-04-23; AFG § 134 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1969-06-25

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 14.03.1977; Aktenzeichen L 1 Ar 52/76)

SG Speyer (Entscheidung vom 02.09.1976; Aktenzeichen S 2 Ar 181/75)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. März 1977 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Klägerin und ihr Ehemann sind spanische Staatsangehörige. Die Klägerin lebt seit dem 2. November 1971 in der Bundesrepublik Deutschland, ihr Ehemann erst seit Juni 1972. Seit dem 25. April 1974 war die Klägerin arbeitslos und besaß keine Arbeitserlaubnis (AE). Sie bezog mit kurzen Unterbrechungen bis zum 4. Juni 1975 Arbeitslosengeld (Alg). Den Antrag, ihr im Anschluß daran Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu gewähren, lehnte das Arbeitsamt mit Bescheid vom 18. Juni 1975 wegen der fehlenden AE ab. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg (Bescheid vom 29. September 1975). Mit Urteil vom 2. September 1976 hat das Sozialgericht Speyer (SG) die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat am 14. März 1977 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und in den Gründen im wesentlichen die Auffassung der Beklagten bestätigt.

Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision beruft sich die Klägerin auf die Rechtsprechung des Senats zur Gewährung von Alhi an ausländische Arbeitnehmer ohne AE.

Sie beantragt,

unter Abänderung des Urteils des LSG vom 14. März 1977 und des SG Speyer vom 2. September 1976 sowie unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Beklagte zu verurteilen, ihr Alhi zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie macht geltend, sie sei zu dem Ergebnis gekommen, daß der Arbeitsmarkt für die Klägerin mit Erschöpfung ihres Anspruchs auf Alg verschlossen war. Der Klägerin hätten keine Vermittlungsvorschläge unterbreitet werden können, da für die offenen Stellen in ausreichendem Maße deutsche und ihnen gleichgestellte ausländische Arbeitnehmer zur Verfügung gestanden hätten. Überbezirkliche Vermittlungsbemühungen seien nicht in Betracht gekommen, da bekannt gewesen sei, daß in angrenzenden Bezirken ebenfalls keine Vermittlungsmöglichkeiten bestanden hätten. Maßnahmen der beruflichen Bildung seien ausgeschieden, da ausreichende deutsche Sprachkenntnisse, die Voraussetzung für eine erfolgversprechende Teilnahme an einer Maßnahme seien, bei der Klägerin nicht vorhanden gewesen seien.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG zu neuer Verhandlung und Entscheidung begründet. Nach den bisherigen Feststellungen des LSG kann nicht abschließend entschieden werden, ob und für welche Zeit der Klägerin die begehrte Alhi zusteht.

Der Anspruch auf Alhi setzt nach § 134 Abs 1 Nr 1 iVm § 103 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ua voraus, daß der Arbeitslose der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Dazu gehört, daß er eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ausüben darf (§ 134 Abs 2 iVm § 103 Abs 1 Nr 1 des AFG). Ausländer bedürfen zur Ausübung einer Beschäftigung einer Erlaubnis der Bundesanstalt für Arbeit (BA), soweit in zwischenstaatlichen Vereinbarungen nichts anderes bestimmt ist (§ 19 AFG). Die Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften und § 17 Abs 1 des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet vom 25. April 1951 (BGBl I 269) bleiben unberührt (§ 19 Abs 3 AFG).

Die Klägerin ist spanische Staatsangehörige. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ist die AE nach § 19 AFG für spanische Staatsangehörige auch unter Berücksichtigung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem spanischen Staat über Arbeitslosenversicherung vom 20. April 1966 (BGBl II 1967 1945) nicht entbehrlich. Der Klägerin ist allerdings durch bindend gewordenen Bescheid vom 2. Oktober 1975 eine AE versagt worden, aber diese Ablehnung hat sich nur auf eine AE für die Tätigkeit bei der S W Z beschränkt. Damit ist nicht bindend festgestellt, daß die Klägerin überhaupt keine AE erhalten kann.

Ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer AE als Voraussetzung für den Anspruch auf Alhi könnte sich möglicherweise aus dem Niederlassungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem spanischen Staat vom 23. April 1970 (BGBl II 1972 1041) ergeben. Allerdings sind die Voraussetzungen des Art 10 Abs 3 dieses Vertrages nicht erfüllt, da die Klägerin bis heute weder fünf Jahre ununterbrochen im Geltungsbereich des AFG als Arbeitnehmerin beschäftigt gewesen ist noch sich hier mindestens acht Jahre lang ununterbrochen ordnungsgemäß aufgehalten hat. Nicht erfüllt waren zunächst auch die Voraussetzungen des Art 10 Abs 5 des Niederlassungsvertrages. Nach dieser Vorschrift verkürzt sich bei Arbeitnehmern, die im Besitz einer AE nach Abs 3 sind, für ihren Ehegatten die zur Erlangung einer solchen AE erforderliche Aufenthaltsdauer von acht auf fünf Jahre. Die Beklagte hat aber in der Revisionserwiderung angegeben, die Klägerin habe danach ab 13. Juni 1977 einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer AE. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst a AFG sind dafür erfüllt, denn die zum Antrag auf Alhi ab 5. Juni 1975 abgegebene Arbeitslosmeldung bleibt wirksam, auch wenn die Klägerin etwa erst vom 13. Juni 1977 an der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden haben sollte. Dem steht die Bestimmung des § 135 Abs 1 Nr 2 AFG nicht entgegen. Danach erlischt der Anspruch auf Alhi, wenn seit dem letzten Tage des Bezugs von Alhi ein Jahr vergangen ist. Die Bestimmung trifft nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht zu, wenn ein Arbeitsloser, wie die Klägerin, niemals Alhi bezogen hat. Deshalb wird das LSG noch feststellen müssen, ob die Voraussetzungen des Art 10 Abs 5 des Niederlassungsvertrages am 13. Juni 1977 oder zu einem anderen Zeitpunkt erfüllt gewesen sind. Nach Art 10 Abs 5 Satz 2 des Niederlassungsvertrages sind Anträge der in Abs 5 genannten Familienangehörigen, die sich auf die Anwendung des Abs 4 von Art 10 beziehen, "besonders wohlwollend zu prüfen". Der Abs 4 eröffnet die Möglichkeit, die AE auch schon vor Ablauf der vorgeschriebenen Aufenthaltsdauer zu erteilen, wenn dadurch eine besondere Härte von dem Antragsteller abgewendet wird. Insoweit (Abs 5 Satz 2) handelt es sich um eine Entscheidung, bei der der Beklagten ein Ermessen eingeräumt ist (so schon BSG vom 21. März 1978 - 7 RAr 48/76 -). Es bedarf deshalb noch der Feststellung des LSG, ob die Beklagte bei ihrer ablehnenden Entscheidung von dem Ermessen überhaupt und wenn, ob sie davon den richtigen Gebrauch gemacht hat.

Anhand der Feststellungen des LSG kann der Senat ferner nicht abschließend entscheiden, ob der Klägerin nach Art 10 Abs 4 des Niederlassungsvertrages (unabhängig von Abs 5 Satz 2) und § 2 Abs 5 der Verordnung über die AE für nichtdeutsche Arbeitnehmer (AEVO) vom 2. März 1971 (BGBl I 152) eine AE zugestanden hätte. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs 5 AEVO besteht ein Rechtsanspruch auf die AE (BSG 4100 § 19 Nr 3). Dies gilt in gleicher Weise auch für die Bestimmung des Art 10 Abs 4 des Niederlassungsvertrages. Das LSG muß deshalb noch feststellen, ob die Voraussetzungen des Art 10 Abs 4 des Vertrages oder § 2 Abs 5 AEVO vorgelegen haben.

Aus den bisherigen Feststellungen ergibt sich weiterhin nicht, ob die Klägerin eine AE nach § 19 AFG iVm § 1 AEVO beanspruchen kann. Der Senat hat bereits entschieden, daß § 19 Abs 1 AFG der Beklagten nur insoweit ein Ermessen einräumt, als die AE auf bestimmte Betriebe, Berufsgruppen, Wirtschaftszweige oder Bezirke beschränkt erteilt werden kann. Im übrigen hat die Beklagte jedoch grundsätzlich zu prüfen, ob die AE nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und den Verhältnissen des Einzelfalles zu erteilen ist. Sie hat sie zu erteilen oder bei Fehlen der Voraussetzungen abzulehnen, dh, sie entscheidet über einen Rechtsanspruch (BSG SozR 4100 § 19 Nr 3). Deshalb wird das LSG noch Feststellungen darüber zu treffen haben, ob der Klägerin eine AE nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zugestanden hat.

Wenn die Klägerin nach den weiteren Feststellungen des LSG eine AE nicht beanspruchen konnte, rechtfertigt dies nicht schon die Versagung der Alhi. Die Verfügbarkeit setzt nicht stets das Vorhandensein einer AE voraus. Vielmehr steht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erst dann fest, daß ein ausländischer Arbeitnehmer ohne AE eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht ausüben darf, wenn ihm der nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten und nach dem Umfang seiner Arbeitsbereitschaft zugängliche Arbeitsmarkt verschlossen ist (BSG SozR 4100 § 19 Nr 2; BSG vom 22. November 1977 - 7 RAr 5/77 -). Solange es im Geltungsbereich des AFG überhaupt noch einen Bedarf an ausländischen Arbeitskräften im Berufsbereich des Arbeitslosen gibt, besteht die Möglichkeit einer Vermittlung. Um dies festzustellen, müssen die Vermittlungsbemühungen der BA (nicht eingerechnet Unterbrechungen durch Krankheit, Urlaub u.ä.) mindestens ein Jahr betragen haben (BSG aaO). Während dieses Jahres müssen, wie das BSG ausgeführt hat, Vermittlungsbemühungen zumindest in dem Sinne unternommen werden, daß bei jeder freiwerdenden Stelle, die für den ausländischen Arbeitsuchenden in Betracht kommt, geprüft wird, ob er dorthin vermittelt und ob ihm hierfür eine AE erteilt werden kann. Es muß auch geprüft werden, ob durch berufliche Fortbildung oder Umschulung in Berufe, in denen eine bessere Unterbringungschance besteht, die Unterbringung des ausländischen Arbeitsuchenden gefördert werden kann. Solche Bemühungen erübrigen sich nicht allein wegen der stets bestehenden Sprachschwierigkeiten. Falls die Klägerin nicht schon unabhängig von einer Vermittlung im Einzelfall eine AE beanspruchen konnte, wird das LSG feststellen müssen, ob und wann die genannte Jahresfrist zu laufen begonnen hat und ob die Beklagte ausreichende Bemühungen um eine Vermittlung oder um die Fortbildung oder Umschulung der Klägerin unternommen hat.

Wenn sich aus den weiteren Feststellungen des LSG die Verfügbarkeit der Klägerin ergibt, sind noch die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi zu prüfen. Das LSG hat die Arbeitslosmeldung, die Antragstellung und die Arbeitsbereitschaft der Klägerin festgestellt. Aus den Feststellungen ergibt sich auch, daß die Klägerin im Jahr vor der Arbeitslosmeldung zum 5. Juni 1975 Alg bezogen, und daß sie keinen weiteren Anspruch auf Alg hat. Möglicherweise ist die Klägerin aber nicht bedürftig iS des § 134 Abs 1 Nr 3 AFG; dies wird das LSG gleichermaßen feststellen müssen.

Der Rechtsstreit ist aus allen diesen Gründen zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben wird.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654345

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