Leitsatz (redaktionell)
Zur Nachweispflicht der Schlechtwettergeld-Voraussetzungen, wenn die nach AFG § 79 Abs 3 F: 1969-06-25 iVm § 7 der SWGAnO vom 1969-09-09 (ANBA 1969 S 734) - vergleiche jetzt AFG § 88 - zu führenden Aufzeichnungen verloren gegangen sind (vgl BSG 1975-06-03 7 RAr 90/73 = DBlR 1940a AFG/§ 79).
Orientierungssatz
Vorbehalt der Rückforderung von SWG - Auslegung eines Verwaltungsakts - Nachweis der Voraussetzungen des SWG
Normenkette
AFG § 75 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1969-06-25, Abs. 3 Fassung: 1969-06-25; SWGAnO § 7 Fassung: 1969-09-09; AFG § 79 Abs. 3 Fassung: 1969-06-25, § 88 Abs. 3 Fassung: 1972-05-19
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 22.12.1976; Aktenzeichen L 1 Ar 48/74) |
SG Lübeck (Entscheidung vom 25.11.1974; Aktenzeichen S 8 Ar 60/74) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. Dezember 1976 aufgehoben, soweit es die Berufung zurückweist und nicht den Schlechtwettergeldanspruch der Arbeitnehmer K., H. L. I und H. betrifft.
Soweit das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben ist, wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger betreibt ein Bauunternehmen. Im November 1971 beantragte er, ihm das Schlechtwettergeld (SWG) und die laufenden Beiträge zur Krankenversicherung der Bezieher von SWG für die laufende Schlechtwetterzeit jeweils schon zu überweisen, bevor die Abrechnungslisten vom Arbeitsamt anhand der Arbeitszeit- und Lohnunterlagen seines Betriebes geprüft worden sind. Im Laufe des Winters 1971/1972 bewilligte das Arbeitsamt dem Kläger dementsprechend SWG und anteilige Krankenversicherungsbeiträge jeweils unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beträge.
Das Arbeitsamt führte am 19. Juni 1972 beim Kläger eine Betriebsprüfung durch. Den Prüfern lagen die Lohnlisten des Betriebes sowie die ihnen zugrunde liegenden Tätigkeitsnachweise vor, die von den Arbeitnehmern jeweils für den Zeitraum von zwei Wochen angefertigt wurden. Beim Vergleich dieser Unterlagen mit den den Anträgen auf SWG beigefügten Abrechnungslisten stellten die Prüfer gewisse Unstimmigkeiten fest, die sie im einzelnen im Prüfbericht aufführten. Außerdem hielten sie im Prüfbericht fest, daß für zahlreiche Arbeitnehmer an bestimmten Arbeitstagen Uhrzeitangaben über Beginn und Ende von Arbeitsversuchen fehlten.
Das Arbeitsamt forderte daraufhin vom Kläger einen Betrag von 1.916,53 DM (Bescheid vom 18. Juli 1972; Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 1974) mit der Begründung zurück, die Voraussetzungen für die Gewährung von SWG seien nicht in der vorgeschriebenen Form der §§ 72 Abs 3, 79 Abs 5 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) iVm § 7 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über das Verfahren bei der Gewährung von SWG (SWG-Anordnung) vom 9. September 1969 (ANBA 1969, 734) nachgewiesen. Im Falle von Arbeitsversuchen sei es erforderlich, Beginn und Ende der Arbeiten festzuhalten. Der Kläger habe aber den Prüfern keine Arbeitszeitnachweise mit Uhrzeitangaben vorlegen können.
Mit Urteil vom 25. November 1974 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Landessozialgericht (LSG) hat am 22. Dezember 1976 auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG abgeändert und die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als darin SWG für im einzelnen genannte 15 Arbeitnehmer des Klägers für bestimmte Ausfallstunden zurückgefordert worden ist. Im übrigen hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Diese Zurückweisung betrifft die Rückforderung von SWG-Zahlungen für einen Arbeitnehmer, der nach den Entscheidungsgründen nur versehentlich nicht als 16. Arbeitnehmer in dem der Berufung stattgebenden Satz des Urteilsausspruchs mit aufgeführt worden ist. Weiter betrifft die Zurückweisung der Berufung die Rückforderung von SWG für die Arbeitnehmer K H L I und H sowie für 10 andere Arbeitnehmer für bestimmte Ausfallstunden. Dazu hat das LSG ausgeführt, für die 10 Arbeitnehmer seien an den genannten Tagen die Voraussetzungen für die Gewährung von SWG gem § 75 Abs 3 erste Alternative AFG nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form nachgewiesen. Der Kläger habe dem Senat die von diesen Arbeitnehmern für diese Tage angefertigten Tätigkeitsnachweise nicht vorlegen können. Zwar könne nach der glaubhaften Aus sage der Zeugin T unterstellt werden, daß den Betriebsprüfern der Beklagten bei der Betriebsprüfung die Tätigkeitsnachweise sämtlicher Arbeitnehmer vorgelegen haben. Auch könne zugunsten des Klägers als richtig angenommen werden, daß der fehlende Teil der Tätigkeitsnachweise bei der Postbeförderung während des Berufungsverfahrens abhanden gekommen sei. Jedoch se dies für die vom Kläger nicht nur im Verwaltungs-, sondern gleichermaßen im anschließenden Gerichtsverfahren zu erfüllende gesetzliche Nachweispflicht (§§ 72 Abs 3 Satz 1,79 Abs 5 AFG) nicht ausreichend; ob die Voraussetzungen für die Gewährung von SWG gegeben seien, könne nur anhand der einzelnen vorgelegten Tätigkeitsnachweise für jeden Arbeitnehmer und jeden Ausfalltag gesondert geprüft werden. Es könne nicht etwa zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, daß die fehlenden Tätigkeitsnachweise die für den Nachweis erheblichen Tatsachen lückenlos und bedenkenfrei enthalten haben. Dagegen spreche, daß die Tätigkeitsnachweise, die dem Senat zur Prüfung vorgelegen haben, teilweise erhebliche Unklarheiten bzw Unrichtigkeiten enthielten. Insbesondere seien bei vielen Arbeitnehmern Schlechtwetterstunden eingetragen, die in diesem Umfange zusammen mit den weiter eingetragenen Arbeitsstunden innerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit nicht angefallen sein können. Die übrigen vom Kläger eingereichten Unterlagen genügten ebenfalls nicht der gesetzlich geforderten Nachweispflicht.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und führt hierzu insbesondere aus: Das LSG hätte die Zeugin T dazu vernehmen müssen, ob die SWG-Anzeigen für die 10 Arbeitnehmer den nachweismäßigen Anforderungen entsprachen; da die Tätigkeitsnachweise dieser Arbeitnehmer bei der Prüfung durch die Beklagte vorgelegen haben sei mit Hilfe der Zeugenaussage ihre Rekonstruktion möglich gewesen; ebenso hätten sich die Unklarheiten und Unstimmigkeiten in den Tätigkeitsnachweisen aussondern lassen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
soweit die Berufung zurückgewiesen worden ist und nicht die Arbeitnehmer K, H L I und H, das angefochtene Urteil, das Urteil des SG Lübeck vom 25. November 1974, den Bescheid des Arbeitsamts Lübeck vom 18. Juli 1972 und dessen Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 1974 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist gem § 160 Abs 1 SGG zulässig und iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG zu neuer Verhandlung und Entscheidung begründet. Nach den bisherigen Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob die Berufung hinsichtlich des SWG für die in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils genannten 10 Arbeitnehmer zu Recht zurückgewiesen oder ob sie begründet ist.
Die Beklagte hat die Rückforderung des SWG auf den in den Leistungsbescheiden jeweils enthaltenen Vorbehalt gestützt. Im Bereich der SWG-Regelung hat der Senat die Zulässigkeit von Vorbehaltszahlungen anerkannt (BSG SozR 1500 § 77 Nr 20 mwN). Die Vorbehalte in den Bescheiden über die Bewilligung von SWG an den Kläger im Winter 1971/1972 sind zulässig gewesen. Vorbehalten hat sich die Beklagte damit die Rückforderung von etwa zu Unrecht gezahlten Beträgen, wenn sich nachträglich herausstellt, daß die Voraussetzungen für die Gewährung des SWG dem Grunde oder der Höhe nach nicht vorgelegen haben oder weggefallen sind.
Erste Voraussetzung für die Rückforderung ist danach, daß die Bescheide über die Bewilligung des SWG aufgehoben sind. Ohne diese Aufhebung sind die Beträge nicht zu Unrecht gezahlt worden. Der Bescheid vom 18. Juli 1972 enthält eine solche Aufhebung nicht ausdrücklich, wohl aber dem Sinne nach, indem nämlich die Beklagte darin die im beigefügten Vermerk im einzelnen dargelegte Überzahlung feststellt und den überzahlten Betrag zurückfordert (vgl BSGE 29, 6, 8; BSGE 37, 155, 157).
Die Feststellungen des LSG reichen nicht aus für die Entscheidung, ob der Kläger das zurückgeforderte SWG zu Unrecht erhalten hat. Nach § 75 Abs 1 Ziff 2 iVm Abs 3 AFG ist die Gewährung von SWG unter anderem zulässig, wenn die Arbeit spätestens drei Stunden nach betriebsüblichem Beginn der Arbeitsschicht aus zwingenden witterungsbedingten Gründen abgebrochen werden muß. Diese hier einschlägige Vorschrift macht es erforderlich, Beginn und Ende derartiger Arbeitsversuche genau festzustellen. Dazu hat die Beklagte in § 7 der SWG-Anordnung bestimmt, daß der Arbeitgeber, in deren Betrieben SWG gewährt wird, während der Schlechtwetterzeit Aufzeichnungen über die an den einzelnen Tagen geleisteten Arbeitsstunden zu führen, diese Aufzeichnungen zu sammeln und unbeschadet der Aufbewahrungspflicht nach anderen Vorschriften für die Dauer von zwei Jahren aufzubewahren haben. Aus den Aufzeichnungen muß ferner die Baustelle, auf der der Arbeiter beschäftigt ist, und in den Fällen des § 75 Abs 3 AFG jeweils der Zeitpunkt des Beginns und der Beendigung der Arbeiten zu ersehen sein. Der Senat hat in der vom LSG mehrfach erwähnten Entscheidung vom 3. Juni 1975 (BSGE 40, 23) ausgeführt, die in § 7 SWG-Anordnung aufgestellte Forderung, Aufzeichnungen zu führen, habe nicht den Charakter einer absoluten Beweiseinschränkung. Den Nachweis von witterungsbedingten Arbeitsausfällen könne der Arbeitgeber nicht nur und ausschließlich durch die in § 7 SWG-Anordnung vorgeschriebenen Aufzeichnungen führen. Die Besonderheiten des SWG-Verfahrens machten es allerdings erforderlich, an den zu führenden Nachweis von Art und Umfang des Arbeitszeitausfalles besondere Anforderungen zu stellen. Indessen könne der Nachweis auch durch andere Beweismittel als die geforderten Aufzeichnungen, ausnahmsweise sogar durch Zeugenaussagen geführt werden, sofern sie entsprechend beweiskräftig seien. Solche anderen Beweismittel kommen, wie der Senat hervorgehoben hat, zB in Betracht, wenn die zunächst ordnungsgemäß geführten Aufzeichnungen unverschuldet verloren gegangen sind (BSG aaO).
Das LSG hat ausgeführt, der Kläger habe das SWG für die 10 Arbeitnehmer für die angeführten Ausfallstunden zu Unrecht erhalten, weil die Voraussetzungen des SWG-Anspruchs insoweit nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form nachgewiesen seien. Dabei hat das LSG aber, wie der Kläger mit Recht rügt, seine Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts nach § 103 SGG verletzt.
Das LSG ist selbst nicht der Auffassung, daß der Kläger nur durch die Tätigkeitsnachweise die Anspruchsvoraussetzungen des § 75 Abs 3 AFG nachweisen kann. Es hat vielmehr geprüft, ob die nicht mehr vorliegenden Tätigkeitsnachweise die für den Nachweis erheblichen Tatsachen lückenlos und bedenkenfrei enthalten haben. Dies hält das LSG deshalb nicht mehr für nachweisbar, weil die noch vorhandenen Tätigkeitsnachweise teilweise erhebliche Unklarheiten oder Unrichtigkeiten enthalten.
Der Kläger rügt mit Recht, das LSG hätte dazu die Zeugin T vernehmen müssen. Da die Zeugin nach den Angaben des Klägers in seinem Büro beschäftigt und nach ihren eigenen Angaben auch bei der Betriebsprüfung zugegen war, hätte sich ihre Vernehmung über den Inhalt und die Beweiskraft der verlorenen Tätigkeitsnachweise aufgedrängt. Die Nachweise sind wie das LSG festgestellt hat, während des Berufungsverfahrens bei der Postbeförderung abhanden gekommen. Deshalb mußten alle Beweismittel über ihren Inhalt ausgeschöpft werden. Das LSG hat selbst trotz der Unklarheiten und Unrichtigkeiten die SWG-Ansprüche in bestimmtem Umfange für begründet angesehen. Es darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Prüfer der Beklagten bei der Betriebsprüfung anhand der später verlorenen Tätigkeitsnachweise hinsichtlich des hier streitigen SWG für die 10 Arbeitnehmer im einzelnen festgehalten haben, inwieweit die Nachweise von den Angaben im Antrag abwichen; andere Unstimmigkeiten haben die Prüfer anscheinend nicht gefunden. Daraus könnten sich weitere Hinweise auf Inhalt und Beweiskraft der Tätigkeitsnachweise ergeben. Das LSG wird auch dazu die Zeugin T vernehmen oder andere Beweismittel beiziehen müssen.
Da es somit an ausreichenden Feststellungen des LSG fehlt, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das auch über die Aufnahme des übersehenen Arbeiters P in den Urteilsausspruch und über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.
Fundstellen