Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktive Nachversicherung. Versicherungspflicht
Leitsatz (amtlich)
Die nach § 72 G 131 als nachversichert geltende Zeit der Dienstleistung eines ehemaligen Berufssoldaten der früheren Deutschen Kriegsmarine kann auf die Wartezeit für Leistungen der Seemannskasse nicht angerechnet werden.
Orientierungssatz
Durch die fiktive Nachversicherung kann nicht rückwirkend eine Versicherungspflicht begründet werden (vgl BSG 1.12.1982 4 RJ 79/81 = BSGE 54, 193, 199 = SozR 7290 § 72 Nr 7 S 32).
Normenkette
RVO § 891a Abs 1 S 1 Fassung: 1976-06-11; G131 § 72
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Rechtsstreit wird um die Gewährung eines Überbrückungsgeldes geführt.
Der am 28. Mai 1921 geborene Kläger erlernte bis März 1939 den Beruf des Schmiedes und war anschließend als solcher sowie als Schweißer, Heizer und Maschinist tätig. Am 1. April 1940 wurde er zur Kriegsmarine eingezogen. Ihr gehörte er nach Ableistung seines zweijährigen Pflichtwehrdienstes ab 1. April 1942 als längerdienender Freiwilliger und ab 1. Juni 1944 bis Kriegsende als Berufssoldat an. Für die Zeit vom 1. April 1942 bis 8. Mai 1945 wurde ausweislich des Bescheides der Seekasse (Rentenversicherungsanstalt für Seeleute) vom 19. Januar 1078 gemäß § 72 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (G 131) die Nachversicherung des Klägers in der Angestelltenversicherung durchgeführt. Hinsichtlich seiner Verwendung in der Kriegsmarine ergibt sich aus einer Bescheinigung der Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht (WAST) vom 9. Oktober 1967, daß er vom 1. Oktober 1940 bis 24. Juli 1942 im Range eines Matrosen II bis Maschinenobergefreiten bei der Kriegsmarinewerft Brest auf Schlepperfahrzeugen, im Schlepper-Büro und im Fahrzeugbetrieb eingesetzt wurde. Vom 25. Juli 1942 bis 20. November 1943 war er bei der Hafenschutzflottille La Pallice im Range eines Maschinenobergefreiten M-Heizer an Bord eines Hafenschutzbootes. Vom 21. November 1943 bis 24. März 1944 besuchte er einen Maschinenmaatenlehrgang an der Marineschule Wesermünde. Vom 23. Juni 1944 bis zum 8. Mai 1945 gehörte er als Maschinenmaat dem Kommando der Kleinkampfmittelverbände an.
Nach Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft am 9. August 1948 war der Kläger nach Tätigkeiten als Kraftfahrer und Kaufmann vom 10. Dezember 1953 bis zum 30. September 1978 mit Unterbrechungen als Maschinenwärter und Maschinist in der Seeschiffahrt beschäftigt. Während dieser Zeit wurden für ihn für 210 Kalendermonate Rentenversicherungsbeiträge zur Seekasse entrichtet. Anschließend war er - unterbrochen durch eine Tätigkeit als Kesselwärter vom 15. Februar 1980 bis 20. Januar 1982 - arbeitslos. Im Verlaufe des Revisionsverfahrens bewilligte ihm die Seekasse für die Zeit ab 1. Februar 1983 Arbeitslosen-Altersruhegeld aus der Arbeiterrentenversicherung.
Den Antrag des Klägers vom 17. April 1979 auf Gewährung eines Überbrückungsgeldes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Juni 1979 ab, weil für den Kläger in der Zeit vom 10. Dezember 1953 bis 30. September 1978 lediglich für 210 Kalendermonate Beiträge zur Seekasse entrichtet worden seien und damit die in § 9 Abs 2 ihrer (der Beklagten) Satzung (im folgenden nur bezeichnet als: Satzung) vorgeschriebene Wartezeit von 240 Kalendermonaten einer nach § 7 der Satzung versicherungspflichtigen Seefahrtzeit nicht erfüllt sei.
Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 18. Mai 1981). Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20. Juni 1979 verurteilt, dem Kläger auf seinen Antrag vom 17. April 1979 nach Maßgabe der Satzung der Seemannskasse und der gesetzlichen Bestimmungen Überbrückungsgeld zu gewähren (Urteil vom 4. Februar 1982). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei zulässig. Eines Vorverfahrens habe es unbeschadet der Frage, ob der vorliegende Streitfall der Unfallversicherung oder der Rentenversicherung zuzuordnen sei, nicht bedurft. Dem Kläger sei dem Grunde nach Überbrückungsgeld zuzusprechen. Er habe die dafür in § 9 der Satzung aufgestellten Voraussetzungen und insbesondere die Wartezeit von 240 Kalendermonaten erfüllt. Ihm komme die Übergangsregelung des § 24 Abs 2 der Satzung über die Anrechnung der vor ihrem Inkrafttreten zurückgelegten Seefahrtszeiten auf die Wartezeit zugute. Zwar seien innerhalb des Zeitraums vom 10. Dezember 1953 bis 30. September 1978 lediglich 210 Kalendermonate mit einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung auf Seefahrzeugen und mit Beiträgen zur Seekasse belegt. Aber auf die Wartezeit seien auch der Zeitraum seines Wehrdienstes vom 23. Juni 1944 bis 8. Mai 1945 und die anschließende Ersatzzeit der Kriegsgefangenschaft mit zusammen 51 Kalendermonaten anzurechnen. Während des erstgenannten Zeitraums sei der Kläger dem Kommando der Kleinkampfmittelverbände unterstellt gewesen und auf Torpedo- und Sprengbooten eingesetzt worden, von denen aus Torpedos abgeschossen und die auch dazu benutzt worden seien, Sprengladungen gegen feindliche Schiffe zu fahren. Bei diesen Booten habe es sich um "Seefahrzeuge" im Sinne des bis zum 30. Juni 1977 geltenden § 163 der Reichsversicherungsordnung (RVO aF) bzw um "Seeschiffe" im Sinne des ab 1. Juli 1977 geltenden § 13 Abs 2 des Sozialgesetzbuchs, Viertes Buch, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB 4) von 23. Dezember 1976 (BGBl I S 3845) gehandelt. Daß es Fahrzeuge der Kriegsmarine gewesen seien, sei in diesem Zusammenhang unerheblich. Ausschlaggebend sei, daß auch sie zur Seefahrt benutzt worden seien. Allerdings sei der Kläger in der Zeit vom 23. Juni 1944 bis 8. Mai 1945 als Soldat versicherungsfrei und damit nicht rentenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Deswegen hätte er seinerzeit - hypothetisch betrachtet - auch nicht nach § 7 Nr 1 der Satzung bei der Seekasse versichert sein können. Indes nötige seine fiktive Nachversicherung gemäß § 72 G 131 zu einer anderen rechtlichen Beurteilung. § 72 G 131 sei unbeschadet seines Standortes im Recht des öffentlichen Dienstes eine Vorschrift der Rentenversicherung und über § 17 Abs 1 der Satzung für die Wartezeit anwendbar. Die Satzung enthalte keine abweichende Regelung. Die fiktive Nachversicherung als primäre Rechtsfolge des § 72 G 131 passe allerdings nicht in den Rahmen des § 9 Abs 2 Satz 1 in Verbindung mit § 7 Nr 1 der Satzung. Denn hier komme es nicht auf Versicherungszeiten in der Rentenversicherung als solche an. Vielmehr müsse der Versicherte für 240 Kalendermonate in bestimmter Weise rentenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein. Aber auch diesem Erfordernis genüge die Fiktion der Nachversicherung. Zwar sei nach der früheren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) infolge einer Nachversicherung die zunächst versicherungsfreie nicht nachträglich zu einer versicherungspflichtigen Beschäftigung geworden. Der durch das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 (BGBl I S 476) rückwirkend zum 1. Januar 1957 eingefügte § 1232 Abs 5a RVO habe jedoch klargestellt, daß eine Beschäftigung oder Tätigkeit, für die im Wege der Nachversicherung Beiträge nachentrichtet worden seien, einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit gleichstehe. Dieser Rechtsgedanke müsse für die fiktive Nachversicherung ebenfalls gelten und klinge auch in § 72 Abs 5 G 131 an. Die Unterschiede zwischen tatsächlicher und fiktiver Nachversicherung ließen sich nicht dagegen ins Feld führen. Die Anrechnung nach § 72 G 131 nachversicherter Seefahrtzeiten auf die Wartezeit stehe auch mit dem Sinn und Zweck des Überbrückungsgeldes als einer besonderen sozialen Sicherung des Seemanns zur Eröffnung der Möglichkeit eines Ausscheidens aus dem Beruf schon vor Erreichen der allgemeinen Altersgrenze als Ausgleich für die besonderen langjährigen Belastungen durch die Seefahrt in Einklang. Den Bedingungen der Seefahrt seien auch Berufssoldaten der früheren Kriegsmarine ausgesetzt gewesen. Der Kläger habe vom 23. Juni 1944 bis 8. Mai 1945 auch zum Kreis der Seeleute im Sinne des § 7 Nr 1 der Satzung gehört. Zwar habe er als Berufssoldat nicht in einem Heuerverhältnis gestanden. Aber auch insoweit komme die fiktive Nachversicherung zum Zuge. Sie begründe schließlich auch eine fiktive Zuständigkeit der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (RfA) für die Zeit vom 23. Juni 1944 bis 8. Mai 1945. Müsse dieser Zeitraum in die Berechnung der Wartezeit einbezogen werden, so werde damit auch die anschließende Zeit der Kriegsgefangenschaft bis zum 9. August 1948 als Ersatzzeit anrechenbar. Die besonderen Anspruchsvoraussetzungen des § 11 der Satzung seien ebenfalls erfüllt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte sinngemäß eine Verletzung der § 7 Nr 1, § 9 Abs 1 und § 24 Abs 1 der Satzung. Dem Kläger stehe ein Überbrückungsgeld nicht zu. Er habe die Wartezeit nicht erfüllt. Zu Unrecht habe das LSG zusätzlich die Zeit vom 23. Juni 1944 bis 8. Mai 1945 und die anschließende Ersatzzeit der Kriegsgefangenschaft auf die Wartezeit angerechnet. Erstere Zeit sei keine Seefahrtszeit. Es sei schon nicht nachgewiesen, daß der Kläger als Besatzungsmitglied auf kleinen Torpedo- und Sprengbooten und nicht etwa nur an Land oder im Hafengebiet eingesetzt worden sei. Zweifelhaft sei auch, ob diese Boote ausschließlich oder jedenfalls vorzugsweise zur Seefahrt bestimmt und damit Seefahrzeuge im Sinne des § 163 RVO aF gewesen seien. Vor allem aber sei der Kläger in der Zeit vom 23. Juni 1944 bis 8. Mai 1945 als Berufssoldat versicherungsfrei und damit nicht rentenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Daran ändere die fiktive Nachversicherung nach § 72 G 131 nichts. Durch sie werde nicht nachträglich ein rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet. § 7 Nr1 der Satzung schreibe jedoch ausdrücklich vor, daß nur eine bei der Seekasse rentenversicherungspflichtige Beschäftigung bei der Seemannskasse versichert werden könne. Damit solle der Versichertenkreis der Seemannskasse auf solche Seeleute beschränkt werden, die in einem Betrieb versicherungspflichtig beschäftigt gewesen seien, dessen Unternehmer zur Umlage für die Aufwendungen der Seemannskasse nach §§ 188 ff der Satzung herangezogen werden könne. Weder eine echte noch eine fiktive Nachversicherung könne jedoch nachträglich eine Umlagepflicht begründen. Zwar kämen im Anwendungsbereich des § 24 Abs 1 der Satzung nur Beschäftigungen in Betracht, während derer keine Beiträge zur Umlage entrichtet worden seien. Diese Übergangsregelung trage lediglich der Tatsache Rechnung, daß vor Einrichtung der Seemannskasse dort eine Versicherung nicht möglich gewesen sei. Im übrigen gälten für diese vorher zurückgelegten Zeiten die gleichen Anrechnungsvoraussetzungen wie für danach zurückgelegte Zeiten. Sie könnten nur angerechnet werden, wenn sie bei der Seemannskasse versichert gewesen wären. Es werde also eine fiktive Versicherung bei der Seemannskasse nach geltendem Satzungsrecht vorausgesetzt. Die Gleichstellung einer fiktiven Nachversicherung mit einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung sei in § 7 Nr 1 der Satzung nicht möglich. Gerade deswegen sei in § 17 Abs 1 der Satzung eine entsprechende Anwendung abweichender Vorschriften der Rentenversicherung ausgeschlossen. Könne somit die Zeit vom 23. Juni 1944 bis 8. Mai 1945 nicht auf die Wartezeit für das Überbrückungsgeld angerechnet werden, so gelte dasselbe für die anschließende Ersatzzeit vom 9. Mai 1945 bis 9. August 1948.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. Februar 1982 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 18. Mai 1981 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und ist der Ansicht, auf die Wartezeit für das Überbrückungsgeld müsse auch die Zeit seiner Dienstleistung auf der Kriegsmarinewerft Brest vom 1. Oktober 1940 bis zum 24. Juli 1942 angerechnet werden. Während dieser Zeit sei er ebenfalls auf hoher See und nicht nur innerhalb des Hafen- oder Küstengebietes eingesetzt worden.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Sie führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils erster Instanz.
Der Kläger begehrt von der Beklagten aus Anlaß seines Ausscheidens aus der Seefahrt mit dem 30. September 1978 die Gewährung eines - bis zum Beginn des Altersruhegeldes am 1. Februar 1983 zu gewährenden (vgl § 15 Abs 1 Satz 2 der Satzung) - Überbrückungsgeldes. Dieser Anspruch beurteilt sich nach dem am 30. September 1978 geltenden Recht. Im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung ist auf einen Leistungsanspruch dasjenige Recht anzuwenden, welches im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles gegolten hat (so zuletzt Beschluß des Großen Senats des BSG vom 29. Mai 1984 - GS 1/82, 2/82, 3/82 - mwN). Dasselbe muß für einen Anspruch nach der Satzung der Beklagten gelten. Bei der Ausgestaltung des Überbrückungsgeldes hat sich die See-Berufsgenossenschaft (See-BG) an die gesetzliche Rentenversicherung angelehnt (vgl BSG SozR 4100 § 118 Nr 12 S 66).
Rechtsgrundlagen des vom Kläger erhobenen Anspruchs sind §§ 8 und 11 Abs 1 in Verbindung mit § 9 der Satzung. Danach werden an Leistungen der Beklagten lediglich Überbrückungsgeld auf Zeit und Überbrückungsgeld gewährt (§ 8 der Satzung in der am 1. Januar 1974 in Kraft getretenen ursprünglichen und seither unveränderten Fassung vom 21. August 1973; HANSA 1973, 2249). Ein Überbrückungsgeld erhält nach § 11 Satz 1 der Satzung in seiner ab 1. Juli 1979 geltenden Fassung des 5. Nachtrags vom 29. Mai 1979 (HANSA 1979, S 1166a) auf Antrag der Versicherte, der das 55. (bis zum 30. Juni 1979: das 58.) Lebensjahr vollendet hat und in den letzten 216 Kalendermonaten vor Beginn des Überbrückungsgeldes überwiegend nach § 7 der Satzung versicherungspflichtig beschäftigt war. Leistungen nach § 11 der Satzung in der ab 1. Juli 1979 geltenden Fassung sind ab 1. Juli 1979 zu gewähren. Für die Zeit davor bleibt es bei der bis zum 30. Juni 1979 geltenden Fassung der Vorschrift (§ 25 der Satzung in der Fassung des 5. Nachtrags). Weitere Voraussetzungen für die Gewährung des Überbrückungsgeldes sind, daß der Versicherte auf Dauer als Seemann, als nach § 1227 Abs 1 Nr 4 RVO versicherter Küstenschiffer und Küstenfischer und sonst als Selbständiger in der Seefahrt an Bord - auch auf Seefahrzeugen unter ausländischer Flagge - nicht mehr tätig ist, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder eines Altersruhegeldes nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherungen nicht vorliegen und der Versicherte die Wartezeit erfüllt hat (§ 9 Abs 1 der Satzung in der Fassung des 5. Nachtrags). Die Wartezeit ist erfüllt, wenn der Versicherte eine nach § 7 der Satzung versicherungspflichtige Seefahrtzeit von 240 Kalendermonaten zurückgelegt hat. Ersatzzeiten werden in entsprechender Anwendung des § 1251 RVO bzw § 28 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) angerechnet, wenn ein Beitrag für den Versicherten innerhalb von sechs Monaten vor der Ersatzzeit oder der letzte Beitrag für den Versicherten vor der Ersatzzeit aufgrund einer nach dieser Satzung versicherungspflichtigen Beschäftigung geleistet worden ist (§ 9 Abs 2 der Satzung in der unverändert geltenden Fassung vom 21. August 1973).
Hiernach kann der Kläger unabhängig von der unter den Beteiligten ausschließlich streitigen Frage der Wartezeiterfüllung ein Überbrückungsgeld für die Zeit vom 1. Oktober 1978 bis 31. Mai 1979 von vornherein nicht verlangen. Er ist am 28. Mai 1921 geboren worden und hat damit sein 58. Lebensjahr am 28. Mai 1979 vollendet. Dieses ist seinerzeit die maßgebende Altersgrenze für die Gewährung des Überbrückungsgeldes gewesen. Sie ist erst mit Wirkung ab 1. Juli 1979 auf das 55. Lebensjahr herabgesetzt worden (§ 11 Satz 1 der Satzung in der Fassung des 5. Nachtrags). Die Leistungen nach § 8 der Satzung sind monatlich im voraus vom Ablauf des Monats an zu gewähren, in dem die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, frühestens vom Monat nach der Antragstellung (§ 14 der Satzung in der ursprünglichen Fassung vom 21. August 1973). Demnach steht dem Kläger vorbehaltlich einer Erfüllung der weiteren versicherungs- und leistungsrechtlichen Voraussetzungen ein Überbrückungsgeld frühestens ab 1. Juni 1979 zu.
Von diesem Zeitpunkt an sind die allgemeinen leistungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines Überbrückungsgeldes (§ 8 Nr 1, § 9 Abs 1, § 11 der Satzung) in der Person des Klägers erfüllt. Das bestreitet auch die Beklagte nicht. Unter den Beteiligten wird allein um die Frage gestritten, ob der Kläger die Wartezeit für das Überbrückungsgeld erfüllt hat (§ 9 Abs 2 der Satzung). Insofern ist wiederum unstreitig, daß er weder seit dem Inkrafttreten der Satzung am 1. Januar 1974 noch unter Einschluß der vor diesem Zeitpunkt seit dem 10. Dezember 1953 zurückgelegten Seefahrtzeiten eine versicherungspflichtige Seefahrtzeit von 240 Kalendermonaten zurückgelegt hat. Diese umfaßt nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) in der Zeit vom 10. Dezember 1953 bis 30. September 1978 einen Zeitraum von lediglich 210 Kalendermonaten.
Bei dieser Sachlage ist streitentscheidend, ob auf die Wartezeit für das Überbrückungsgeld auch die Zeiten des Einsatzes des Klägers bei der Kriegsmarine vom 23. Juni 1944 bis 8. Mai 1945 und der anschließenden Kriegsgefangenschaft bis 9. August 1948 angerechnet werden können. Für die Zeit vom 1. Oktober 1940 bis 24. Juli 1942 ist dies hingegen nicht zu entscheiden. Zwar hat der Kläger in seiner Revisionserwiderung vorgetragen, auch diese Zeit müssen auf die Wartezeit angerechnet werden, weil er damals ebenfalls auf hoher See eingesetzt worden sei. Dem kann der Senat nicht nachgehen. Das LSG hat entschieden, von der Zeit der Dienstleistung des Klägers bei der Kriegsmarine könne nur der Zeitraum vom 23. Juni 1944 bis 8. Mai 1945 auf die Wartezeit angerechnet werden. Dagegen hat sich der Kläger nicht gewandt. Revision hat allein die Beklagte eingelegt.
Rechtsgrundlage für eine Anrechnung des Zeitraums vom 23. Juni 1944 bis 8. Mai 1945 und der anschließenden Kriegsgefangenschaft bis zum 9. August 1948 ist § 24 Abs 2 und 3 der Satzung (Abs 2 in der seither unveränderten Fassung des 2. Nachtrages vom 11. August 1976; HANSA 1976, S 1713; Abs 3 in der bis zum 31. Dezember 1982 geltenden Fassung vor Inkrafttreten des 10. Nachtrags vom 1.Dezember 1982; HANSA 1983, 314 und 966). Danach werden bei Versicherten, die nach dem 31. Dezember 1973 aus der Seefahrt ausscheiden, Seefahrtzeiten als Arbeitnehmer, die vor Inkrafttreten der Satzung zurückgelegt sind, auf die Wartezeit (§ 9 Abs 2) für Leistungen nach § 8 angerechnet, wenn sie nach der Satzung versichert gewesen wären (§ 24 Abs 2 der Satzung). Das gilt auch für solche Seefahrtzeiten, in denen die RfA zuständiger Träger der gesetzlichen Rentenversicherung war (§ 24 Abs 3 der Satzung). Hinsichtlich auf die Wartezeit möglicherweise anrechenbare Zeiten ist somit im Wege der Fiktion zu unterstellen, daß die Satzung in ihrer bei Eintritt des Versicherungsfalls maßgebenden Fassung bereits während der Zurücklegung der fraglichen Zeit gegolten hat, und sodann zu prüfen, ob diese Zeit nach der Satzung versichert ist. Dies richtet sich hier nach § 7 Nr 1 Satz 1 der Satzung in der Fassung des 2. Nachtrags (neugefaßt durch den 10. Nachtrag vom 1. Dezember 1982). Danach werden bei der Beklagten Seeleute versichert, die auf Seefahrzeugen gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung ohne Entgelt rentenversicherungspflichtig beschäftigt sind und für die die Seekasse zuständiger Träger der gesetzlichen Rentenversicherung ist oder diese im Auftrage der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) durchführt.
Der hier in erster Linie streitige Zeitraum vom 23. Juni 1944 bis 8. Mai 1945 wäre entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht im Sinne des § 24 Abs 2 und 3 gemäß § 7 Nr 1 Satz 1 der Satzung versichert gewesen. Dabei kann der Senat die vom LSG eingehend erörterten Fragen, ob der Kläger während der damaligen Zeit "Seemann" und auf einem "Seefahrzeug" tätig gewesen ist (vgl zu diesen Begriffen die Urteile des erkennenden Senats vom 16. Februar 1984 - 1 RS 5/83 - und vom 14. November 1984 - 1 RS 3/83 -), dahinstehen lassen. Unabhängig davon scheitert die Anrechnung des Zeitraums vom 23. Juni 1944 bis 8. Mai 1945 auf die Wartezeit jedenfalls daran, daß der Kläger seinerzeit nicht "rentenversicherungspflichtig beschäftigt" gewesen ist.
Hiervon ist insoweit zutreffend im Ansatzpunkt auch das LSG ausgegangen. Der Kläger ist während des hier in erster Linie streitigen Zeitraums Berufssoldat im Dienste der Deutschen Kriegsmarine gewesen. Bis zur Rentenreform des Jahres 1957 ist das Dienstverhältnis der Soldaten nicht als Beschäftigungsverhältnis angesehen worden (vgl zum Rechtszustand seit der Rentenreform § 1229 Abs 1 Nr 5 RVO; § 6 Abs 1 Nr 6 AVG). Soldaten haben deswegen bezüglich des von ihnen geleisteten Wehrdienstes nicht der Sozialversicherung angehört (vgl BSG SozR Nr 10 zu § 72 G 131 S Aa 10; Hanow/Lehmann/Bogs, Reichsversicherungsordnung, 4. Buch, Rentenversicherung der Arbeiter, 5. Aufl, 1. Lfg, § 1229, Anm 16; Zweng/Scheerer/Buschmann, Handbuch der Rentenversicherung, 2. Aufl, 16. Lfg, Stand August 1980, § 1229, Anm 4).
Daran ändert nichts, daß der Kläger für die Zeit seines Wehrdienstes vom 1. April 1942 bis 8. Mai 1945 und damit auch für den hier streitigen Zeitraum ab 23. Juni 1944 gemäß § 72 G 131 nachversichert worden ist. Diese fiktive Nachversicherung nötigt entgegen der Meinung des LSG nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung und kann insbesondere nicht dazu führen, rückwirkend für die Zeit vom 23. Juni 1944 bis 8. Mai 1945 von dem Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses auszugehen.
Nach § 72 G 131 gelten unter Art 131 des Grundgesetzes (GG) fallende Personen, die nach der im G 131 getroffenen Regelung keinen Anspruch oder keine Anwartschaft auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung haben, für sämtliche Zeiten als nachversichert, in denen sie vor Ablauf des 8. Mai 1945 wegen ihrer Beschäftigung im öffentlichen Dienst nach den Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze in den gesetzlichen Rentenversicherungen versicherungsfrei waren oder der Versicherungspflicht nicht unterlagen. Das gleiche gilt ua für ehemalige Berufssoldaten der früheren Wehrmacht (§ 72 Abs 1 Sätze 1 und 2 G 131). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG erfolgt die Nachversicherung aufgrund des § 72 G 131 anders als etwa diejenige nach § 1232 RVO nicht durch eine tatsächliche Beitragsnachentrichtung seitens des - möglicherweise gar nicht mehr existenten (vgl BSGE 11, 63, 64) - Arbeitgebers (Dienstherrn). Vielmehr wird bezüglich des infrage kommenden Zeitraums ein Versicherungsverhältnis in Auswirkung eines dienstrechtlichen Tatbestandes im Wege einer doppelten Fiktion des Gesetzes hergestellt. Einmal wird eine Nachversicherung unterstellt und diese fiktive Nachversicherung einer faktischen Nachversicherung gleichgestellt. Zum anderen gelten die fingierten Beiträge als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge und werden damit die Nachversicherungszeiten eigentlichen Beitragszeiten gleichgestellt (vgl zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 16. Februar 1984 - 1 RJ 12/83 - mwN). Diese fiktive Nachversicherung stellt lediglich eine Ersatzversorgung dar (vgl BSG SozR Nr 3 zu § 72 G 131; Nr 19 zu § 1291 RVO). Durch die Fiktion bestimmter Zeiten, die tatsächlich keine Versicherungszeiten sind, als Versicherungszeiten wird lediglich die beitragsrechtliche Seite des Rentenanspruchs ersetzt oder erleichtert. Seine sonstigen Voraussetzungen bleiben unberührt (BSG SozR Nr 19 zu § 1291 RVO). So können die fingierten Nachversicherungsbeiträge nicht als an einen früheren und möglicherweise nicht mehr bestehenden Versicherungsträger wie zB die mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges untergegangene RfA entrichtet gelten (BSG SozR Nr 3 zu § 72 G 131). Folgerichtig kann durch die fiktive Nachversicherung nicht rückwirkend eine Versicherungspflicht begründet werden (vgl BSGE 54, 193, 199 = SozR 7290 § 72 Nr 7 S 32 mwN).
Dies muß auch im Rahmen des § 24 Abs 2 der Satzung Berücksichtigung finden. Hätte die Satzung der Beklagten in ihrer bei Eintritt des Versicherungsfalls maßgebenden Fassung schon vom 23. Juni 1944 bis 8. Mai 1945 gegolten, so wäre die Dienstleistung des Klägers als Berufssoldat bei der Deutschen Kriegsmarine während dieses Zeitraums mangels Vorliegens einer "rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung" nicht nach § 7 Nr 1 Satz 1 der Satzung bei der Beklagten versichert gewesen. Daran vermag die spätere Nachversicherung des Klägers für diesen Zeitraum nichts zu ändern. Sie begründet rückwirkend weder eine Zuständigkeit der früheren RfA als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 24 Abs 3 der Satzung) noch insbesondere ein rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 24 Abs 2 in Verbindung mit § 7 Nr 1 Satz 1 der Satzung. Vielmehr bleibt der Dienstleistung des Klägers als Berufssoldat vom 23. Juni 1944 bis 8. Mai 1945 ungeachtet der späteren Nachversicherung dieses Zeitraums gemäß § 72 Abs 1 G 131 der ursprüngliche Rechtscharakter eines außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung geleisteten spezifischen Dienstverhältnisses erhalten.
Der Senat übersieht nicht, daß die Zeiten einer fiktiven Nachversicherung gemäß § 72 G 131 als Zeiten, für die Beiträge als wirksam entrichtet gelten, zu den anrechnungsfähigen Versicherungszeiten zählen (§ 1250 Abs 1 Buchst a RVO; § 27 Abs 1 Buchst a AVG; vgl Koch/Hartmann/v Altrock/Fürst, Das Angestelltenversicherungsgesetz, 2./3. Aufl, § 27 Anm B III, S V 226, Stand Juni 1972) und als solche auf die Wartezeit für Rentenleistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen angerechnet werden (§ 1249 RVO; § 26 AVG). Dasselbe muß aber nicht zwangsläufig auch für die Wartezeit für das nach der Satzung der Beklagten zu gewährende Überbrückungsgeld gelten. Dieses hat im Vergleich zu den Leistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen einen engeren und spezielleren Zweck. Mit seiner Einführung ist dem Umstand Rechnung getragen worden, daß es anders als in einer Reihe bedeutender Schiffahrtsländer in der Bundesrepublik Deutschland eine im Vergleich zu den Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung besonders niedrige Altersgrenze für Seeleute nicht gibt. Dies ist wegen der besonderen Belastungen der Seeschiffahrt und der daraus resultierenden betrieblichen und menschlichen Probleme von Reedern und Seeleuten als unbefriedigend empfunden worden. Deswegen ist mit der Einfügung des § 891a RVO durch das Rentenreformgesetz (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I S 1965) der Selbstverwaltung der See-BG die Möglichkeit eingeräumt worden, durch Schaffung zusätzlicher Sozialleistungen der Rentenversicherung einmal älteren Seeleuten für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus der Seefahrt bis zum Beginn des Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung die Sicherung ihres Lebensunterhaltes während der Überbrückungszeit zu gewährleisten (Überbrückungsgeld) und zum anderen denjenigen Seeleuten eine Umstellungshilfe zu zahlen, die sich schon in einem mittleren Lebensalter nach Zurücklegung einer längeren Fahrenszeit nunmehr einer Landbeschäftigung zuwenden wollen (Überbrückungsgeld auf Zeit) (vgl BSG SozR 4100 § 118 Nr 12 S 65; Urteil vom 16. Februar 1984 - 1 RS 5/83 -). Angesichts dieser speziellen Zielsetzung der Leistungen der Beklagten ist es systemgerecht und auch unter Gesichtspunkten höherrangigen Rechtes nicht zu beanstanden, wenn die Erfüllung der Wartezeit für diese Leistungen von strengeren Voraussetzungen als in den allgemeinen Rentenversicherungen abhängig gemacht wird und nur mit solchen Zeiten möglich ist, während derer der Versicherte in der Seefahrt rentenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist (§ 7 Nr 1 Satz 1 der Satzung) bzw - sofern es sich um Zeiten vor Inkrafttreten der Satzung handelt - bei deren Geltung schon während dieser Zeiten versicherungspflichtig beschäftigt gewesen wäre (§ 24 Abs 2 der Satzung). Dies trifft aber für nach § 72 G 131 nachversicherte Zeiten einer vormals versicherungsfreien oder nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht zu (zur Nichtanrechenbarkeit von nachversicherten Dienstzeiten in der ehemaligen Kriegsmarine und der Bundesmarine auf die Wartezeit auch Orgelmann, Die Seemannskasse nach § 891a RVO - Geschichte, Struktur und Funktion -, Dissertation Bremen 1980, S 136).
Nach alledem kann die Zeit der Dienstleistung des Klägers bei der Deutschen Kriegsmarine vom 23. Juni 1944 bis 8. Mai 1945 nicht auf die Wartezeit für das von ihm beanspruchte Überbrückungsgeld angerechnet werden. Damit zugleich entfällt auch eine Anrechnung der anschließenden Zeit der Kriegsgefangenschaft vom 9. Mai 1945 bis zum 9. August 1948. Zwar handelt es sich hierbei um eine Ersatzzeit im Sinne des Rechtes der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1251 Abs 1 Nr 1 RVO; § 28 Abs 1 Nr 1 AVG). Indes sind, da die vorhergehende Zeit der Dienstleistung bis zum 8. Mai 1945 ungeachtet ihrer späteren fiktiven Nachversicherung nicht als Beitragszeit angesehen werden kann, die beitragsrechtlichen Voraussetzungen des § 9 Abs 2 Satz 2 der Satzung für eine Anrechnung der Ersatzzeit der Kriegsgefangenschaft auf die Wartezeit nicht gegeben.
Der Kläger hat für die Zeit bis zum 31. Mai 1979 die leistungsrechtlichen Voraussetzungen und im übrigen die Wartezeit für das von ihm beanspruchte Überbrückungsgeld nicht erfüllt. Dies führt unter Aufhebung des Urteils des LSG zur Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen