Beteiligte

Kläger und Revisionsbeklagter

Beklagte und Revisionsklägerin, beigeladen: …

 

Tatbestand

I.

Der Kläger, Facharzt für innere Medizin und Chefarzt der medizinischen Abteilung des Evangelischen Diakonissenkrankenhauses in ... wendet sich gegen den teilweisen Widerruf seiner Beteiligung an der vertragsärztlichen Versorgung auf dem Gebiet der inneren Medizin durch die beklagte Berufungskommission für die Ersatzkassenpraxis.

Diese Beteiligung war dem 1920 geborenen Kläger im Jahre 1962 ohne besondere Einschränkung gewährt worden. Mit Bescheid vom 11. Juli 1979 widerrief die Beteiligungskommission für die Ersatzkassenpraxis die Beteiligung des Klägers mit der Ausnahme folgender Leistungen: Gastroenteroskopische Leistungen und Herzschrittmacherkontrollen, Überweisungen durch niedergelassene Internisten, medizinische Betreuung der Diakonissen des Diakonissenmutterhauses, Überweisungen der beteiligten Chefärzte des Diakonissenkrankenhauses ... im Rahmen der Beteiligung dieser Ärzte. Die beklagte Berufungskommission für die Ersatzkassenpraxis wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 7. November 1979 zurück.

Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz zurückgewiesen. Zur Begründung führt das LSG aus: Eine wegen eines zunächst bestehenden Bedürfnisses rechtmäßig ausgesprochene Beteiligung dürfe nur widerrufen werden, wenn das Bedürfnis nachträglich entfalle, weil die ärztliche Versorgung der Versicherten inzwischen anderweitig ausreichend sichergestellt sei. Eine rein quantitative Beurteilung der Bedürfnisfrage werde dabei dem Zweck des § 5 Nr. 6 EKV nicht gerecht. Sinn und Zweck der Beteiligung von Chefärzten an der vertragsärztlichen Versorgung sei es insbesondere, den Versicherten etwaige besondere Kenntnisse und Erfahrungen dieser Ärzte zugänglich zu machen, soweit dies erforderlich sei, um deren ausreichende Versorgung zu gewährleisten. Der Kläger sei nach Auffassung des Senats ein profilierter Vertreter einer spezifisch gastroenterologisch orientierten Schule der inneren Medizin. Seine besonderen Kenntnisse und Erfahrungen stünden dem Versicherten nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung, wenn seine Beteiligung nur auf gastroenteroskopische Leistungen und Überweisungen durch andere Internisten beschränkt werde.

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 5 Nr. 6 EKV i.V.m. § 7 Nr. 2 EKV. Das LSG scheine in seinem Urteil von der Vorstellung ausgegangen zu sein, daß ein Chefarzt grundsätzlich und generell über besondere Kenntnisse und Erfahrungen verfüge, die eine Beteiligung nach § 5 Nr. 6 EKV geradezu dringend gebieten würde. Wenn dies richtig sei, so werde es in der Zukunft nicht mehr möglich sein, die Beteiligung eines Chefarztes überhaupt zu widerrufen.

Die Beklagte beantragt, in Abänderung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Mainz vom 4. Juni 1980 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,in Abänderung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Mainz vom 4. Juni 1980 die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Revision ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache gem. § 170 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist. Anhand der Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist.

Nach § 7 Nr. 2 EKV vom 1. Oktober 1963 i.d.F. vom 1. Juli 1979 ist die Beteiligung zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen, die zur Beteiligung geführt haben, nicht mehr vorliegen. Diese Widerrufsmöglichkeit hat auch schon nach der ursprünglichen Fassung bestanden. Deshalb war die durch die Beteiligung des Klägers erworbene Rechtsposition von Anfang an insoweit eingeschränkt. Er kann sich von daher nicht auf einen ihm zustehenden Vertrauensschutz oder auf eine Eigentumsgarantie berufen. Wenn Rechte nur unter einer Befristung, Bedingung, einem Widerrufsvorbehalt oder einer sonstigen Beschränkung gewährt werden, dann sind sie nur in dieser Beschränkung "wohlerworben" und durch die Verfassung gesichert (BSGE 2, 202, 220, 221). Der Widerruf greift auch nicht in erster Linie in eine durch eigene Leistung geschaffene Rechtsposition ein, sondern betrifft die Teilnahme an einer besonderen Verdienstmöglichkeit im Rahmen eines von anderen geschaffenen und finanzierten Leistungssystems, dessen Funktion im Allgemeininteresse liegt (vgl. zur Kassenarztzulassung BVerfG in SozR 2200 § 368a Nr. 6). Das gilt auch für den Fall, daß der Kläger im irrigen Vertrauen auf eine unwiderrufliche Beteiligung bei seiner Tätigkeit eigenes Personal beschäftigt und selbst bezahlt hat.

Ob eine Änderung der Umstände, die die Beteiligung gerechtfertigt haben, eingetreten ist, läßt sich nach den Feststellungen des LSG nicht entscheiden. 1962 ist die Beteiligung unstreitig notwendig gewesen. Beim Widerruf hat die Beklagte darzulegen und zu beweisen, daß ein Bedürfnis für die Beteiligung nicht mehr besteht. Ob und in welchem Umfang die Beteiligung eines leitenden Krankenhausarztes i.S. des § 5 Nr. 6 EKV notwendig ist, richtet sich grundsätzlich danach, ob gegenwärtig eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten gewährleistet ist (BSG SozR § 368a RVO Nr. 22; BSGE 21, 230, 231). Diese Zielsetzung deckt sich mit der das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung beherrschenden Grundsatznorm, daß die Krankenpflege ausreichend und zweckmäßig sein muß und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf (§ 182 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung -RVO-). Nur dort, wo Versorgungslücken entstehen, soll das Institut der Beteiligung zur Anwendung kommen. In der gesetzlichen Krankenversicherung ist die ambulante Behandlung der Versicherten in erster Linie den freipraktizierenden Ärzten vorbehalten (BVerfGE 16, 286, 298) - Präponderanz des niedergelassenen Arztes -. Solange freipraktizierende Ärzte in der Lage sind, eine ausreichende und zweckmäßige Krankenpflege zu erbringen, besteht kein Anlaß für eine Beteiligung. Erst bei einer Minderversorgung kann subsidiär die Beteiligung eines Krankenhausarztes in Frage kommen. Die Beteiligung an der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung durch Krankenhausärzte ist mithin nur zulässig, wenn dafür ein besonderes Bedürfnis vorliegt, weil die Versicherten durch die niedergelassenen Kassen- und Vertragsärzte nicht ausreichend versorgt werden können, soweit also Versorgungslücken bestehen, die sich nur durch die Beteiligung eines Krankenhausarztes schließen lassen (BSGE 21, 230, 231; 29, 65, 67; 48, 56, 57).

Die Bedürfnisfrage darf in diesem Fall gestellt werden, weil damit im Rahmen des Art. 12 GG nicht die Berufswahl, sondern die Berufsausübung aus sachgemäßen Erwägungen eingeschränkt wird (vgl. zu § 368a RVO Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung 2. Aufl., § 368a RVO Anm. 3.7. mit Hinweis auf BVerfGE 16, 286 f.; BSGE 48, 56, 57). Die Beteiligung ist dabei subsidiär, also ein "Minus" zur Vollzulassung. Dies soll und muß bei der Bedürfnisprüfung beachtet werden.

Notwendig für die ausreichende ambulante Versorgung der Versicherten ist die Beteiligung des Klägers nicht schon allein wegen seiner Position als Chefarzt. Davon geht auch das LSG aus. Ein Bedürfnis läßt sich ferner nicht aus dem Argument ableiten, den Versicherten müsse eine Versorgung durch qualitativ erfahrenere Krankenhausärzte zugänglich gemacht werden (Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, 5. Aufl., § 368a RVO Rdnr. C. 147). Andererseits ist dem LSG darin zu folgen, daß die Beteiligung nicht schon allein mit dem Hinweis auf das Fachwissen der niedergelassenen Ärzte versagt werden kann. Es ist vielmehr festzustellen, über welche besonderen Fähigkeiten und Kenntnisse sowie über welche apparativen Ausstattungen der Kläger verfügt, die zur ausreichenden ärztlichen Versorgung der Versicherten notwendig sind und von den niedergelassenen Ärzten nicht oder nicht ausreichend abgedeckt werden. Die Besonderheit der Fähigkeiten und Kenntnisse muß sieh gerade auf die ambulante Krankenpflege beziehen (Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 17. Aufl., § 368a RVO Anm. 11g S. 17/1541).

Ob der Kläger danach über besondere für die ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten notwendige Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, die die niedergelassenen Ärzte nicht in ausreichendem Maße einbringen, kann der Senat nicht entscheiden.

Das LSG hat solche Kenntnisse und Erfahrungen des Klägers nicht festgestellt. Die Tatsache, daß der Kläger profilierter Vertreter einer spezifisch gastroenterologisch orientierten Schule der inneren Medizin ist und seine wissenschaftliche Tätigkeit reichen dafür nicht aus. Indem sich das LSG darauf beschränkt, geht es von einer unzutreffenden Auslegung des § 368a Abs. 8 RVO aus. Gemeint sind hier nur solche Kenntnisse und Erfahrungen, die für die Versorgung der Versicherten notwendig sind. Nur wenn der Kläger bei der Diagnose oder der Behandlung aufgrund seiner besonderen Kenntnisse und Erfahrungen, etwa auch durch Anwendung anderer Methoden, etwas leistet, was die niedergelassenen Ärzte nicht bieten, kann die Beteiligung notwendig sein. Das LSG müßte dazu also auch feststellen, daß die örtlich in Betracht kommenden niedergelassenen Kassenärzte solche Kenntnisse und Erfahrungen mit der erforderlichen apparativen Ausstattung quantitativ oder qualitativ nicht ausreichend anbieten können.

Die Revision muß aus allen diesen Gründen im Sinn der Zurückverweisung Erfolg haben. Über die Kosten des Revisionsverfahrens hat das LSG mitzuentscheiden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518940

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