Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld – Erstattungspflicht des Arbeitgebers – Befreiungstatbestand – Beschäftigtenzahl – Betrieb – Darlegungs- und Nachweispflicht
Leitsatz (amtlich)
1. In § 128 Abs 1 S 2 Nr 2 AFG ist nicht auf die Beschäftigtenzahl nur eines Betriebes des Arbeitgebers abzustellen; vielmehr sind die Beschäftigten mehrerer Betriebe zusammenzurechnen.
2. Zum Begriff des Betriebes in § 128 Abs 1 S 2 Nr 6 und 7 AFG sowie in diesem Zusammenhang zur Darlegungs- und Nachweispflicht des Arbeitgebers.
Stand: 26. Februar 2001
Normenkette
AFG § 128 Abs. 1 S. 2 Nrn. 2, 6-7; BGB § 626; BetrVG § 4
Beteiligte
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 17. November 1999 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Rechtsstreit betrifft die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) nebst Beiträgen zur Sozialversicherung gemäß § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).
Die Klägerin betreibt ein Reifenwerk in der Rechtsform einer GmbH mit dem Sitz in Hanau. Sie unterhält mehrere Niederlassungen in verschiedenen deutschen Städten. In ihrer früheren Niederlassung in Hannover, die zum 31. Oktober 1994 geschlossen wurde, beschäftigte sie seit 1974 den am 5. Juni 1935 geborenen G. D. (D.) als kaufmännischen Angestellten. D. schied aufgrund eines am 18. Februar 1994 geschlossenen Aufhebungsvertrages zum 31. Oktober 1994 aus dem Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 35.000,00 DM aus. Die Klägerin bestätigte D. am 2. März 1994 schriftlich, sie hätte ihm bei Nichtzustimmung zum Aufhebungsvertrag fristgerecht aus betriebsbedingten Gründen (Schließung der Niederlassung Hannover) gekündigt.
Die Beklagte gewährte D. Alg vom 1. November 1994 bis 31. Oktober 1995. Seit 1. November 1995 bezieht D. Altersrente. Die Beklagte verpflichtete die Klägerin zunächst, das D. gezahlte Alg zuzüglich hierauf entfallende Beiträge gemäß § 128 AFG zu erstatten (Bescheid vom 1. September 1995, Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 1996). Danach forderte die Beklagte die Erstattung von insgesamt 57.090,94 DM (34.072,20 DM gezahltes Alg, 10.412,95 DM Kranken- und 12.605,79 DM Rentenversicherungsbeiträge; Bescheid vom 20. Februar 1996, Widerspruchsbescheid vom 30. April 1996).
Gegen die Bescheide der Beklagten hat die Klägerin Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte die Befreiungstatbestände nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 2, 6 und 7 AFG näher geprüft und nach Hinweisen zum Begriff des Betriebs die Klägerin zur Ausfüllung eines „Erhebungsbogens” veranlaßt. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, die Klägerin habe nicht ausreichend darlegen und nachweisen können, daß einer der Fälle des § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 1 bis 7 AFG gegeben sei (Gerichtsbescheid vom 27. Februar 1998). Mit ihrer Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, die Erstattungspflicht trete nicht ein, da die Voraussetzungen der Befreiungstatbestände nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 2, 4, 5, 6 und 7 AFG vorlägen. Sie hat ua vorgetragen, sie habe im Betrieb in Hannover zuletzt fünf Mitarbeiter im Innendienst beschäftigt, die komplett ausgeschieden seien, sowie sechs Mitarbeiter im Außendienst, die der Niederlassung Paderborn zugeordnet worden seien. Der Betrieb in Hannover sei als eigenständig anzusehen, weil er vom Hauptbetrieb in Hanau weit entfernt sei. Der Niederlassungsleiter in Hannover sei für personelle Maßnahmen innerhalb der Abteilung zuständig gewesen; nur bei Einstellungen und Einzelentlassungen habe er die Personalabteilung in Hanau eingeschaltet. In der Niederlassung sei auch die normale Abwicklung des Arbeitsverhältnisses erfolgt wie Einteilung von Arbeitszeiten und Urlaubsabwicklung. Die Beklagte hat ua vorgetragen, es obliege der Klägerin, Nachweise für die Eigenständigkeit des Betriebes zu erbringen; der Vortrag der Klägerin zeige eine einheitliche Personalverwaltung und eine betriebsorganisatorische Verflechtung mit dem Hauptbetrieb in Hanau. Vor dem Landessozialgericht (LSG) haben die Beteiligten den Streitgegenstand auf den Abrechnungsbescheid vom 20. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 1996 beschränkt.
Das LSG hat den Gerichtsbescheid und den Abrechnungsbescheid geändert, die Erstattungsforderung hinsichtlich der Krankenversicherungsbeiträge auf 9.438,00 DM herabgesetzt und im übrigen die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 17. November 1999). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Die Beklagte habe zutreffend von der Klägerin Erstattung gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 AFG verlangt. Es habe nicht festgestellt werden können, daß D. im streitbefangenen Zeitraum Ansprüche auf andere Leistungen entsprechend § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG gehabt habe; ein Ansatzpunkt, hinsichtlich anderer Sozialleistungen zu ermitteln, sei nicht zu erkennen. Die Erstattungspflicht sei auch nicht nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 2 AFG ausgeschlossen, da die Klägerin in der Regel mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftige. Auf die Größe des Betriebes (Niederlassung) in Hannover komme es nicht an. Die Klägerin habe das Arbeitsverhältnis auch nicht durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet (§ 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG), sondern durch Aufhebungsvertrag. Ferner sei die Klägerin nicht berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund zu kündigen (§ 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG); eine Betriebsstillegung stelle in der Regel keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Die Klägerin habe der Behauptung der Beklagten, D. gehöre nicht zu den unkündbaren Arbeitnehmern, nicht widersprochen. Die Voraussetzungen für den Nichteintritt der Erstattungspflicht nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 6 und 7 AFG lägen ebenfalls nicht vor. Die Niederlassung Hannover könne mangels einer in sich geschlossenen Organisation nicht als eigenständiger Betrieb angesehen werden; zum Personalabbau unter Berücksichtigung des Hauptbetriebes in Hanau fehle es an einer entsprechenden Darlegung der Klägerin. Die Beklagte habe die Erstattungsforderung bezüglich Alg und Rentenversicherungsbeiträge richtig berechnet, nicht aber hinsichtlich der Beiträge zur Krankenversicherung, die nach einer unzutreffenden, gegen § 157 Abs 3 AFG verstoßenden Berechnungsformel ermittelt worden seien. Insoweit ergebe sich eine rechtswidrige Mehrforderung von 974,95 DM bzw eine berechtigte Forderung von nur 9.438,00 DM.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 128 AFG: Das Berufungsgericht habe zunächst verkannt, daß die Erstattungspflicht nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG entfallen sei. Es habe sich mit der sozialen Rechtfertigung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht auseinandergesetzt. Es sei zwar ein Auflösungsvertrag geschlossen worden, jedoch nur vor dem Hintergrund, daß bei Scheitern der Verhandlungen eine ordentliche Kündigung habe ausgesprochen werden sollen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sei eine Beteiligung des Arbeitgebers an den sozialen Folgekosten der Freisetzung älterer Arbeitnehmer nur gerechtfertigt, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers falle. Die Klägerin habe zwar an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Auflösungsvertrag mitgewirkt, doch sei ihr Verantwortungsbereich durch die Schließung der Niederlassung und die Freisetzung aller dort beschäftigten Mitarbeiter auf Null reduziert. Dem trage die Regelung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG Rechnung, die zumindest analog anzuwenden sei. Ferner sei die Erstattungspflicht nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG ausgeschlossen, da die Klägerin zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt gewesen sei. Das LSG habe verkannt, daß eine Betriebsstillegung einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen könne, wenn auch möglicherweise unter Beachtung einer sozialen Auslauffrist. Dies habe das Bundesarbeitsgericht (BAG) zumindest in Fällen angenommen, in denen eine ordentliche Kündigung infolge tarifvertraglicher Vereinbarungen ausgeschlossen gewesen sei. Gleiches müsse bei Arbeitnehmern ohne erweiterten Schutz zumindest ausnahmsweise dann möglich sein, wenn der Sachverhalt auf vergleichbaren Umständen beruhe. Für einen wichtigen Grund iS des § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bei Betriebsstillegung spreche auch, daß das BVerfG in seiner Entscheidung vom 23. Januar 1990 ausgeführt habe, das Vorliegen eines wichtigen Grundes sei weit auszulegen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts vom 17. November 1999 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 27. Februar 1998 abzuändern sowie den Bescheid vom 20. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 1996 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen seien bereits höchstrichterlich geklärt. Die Ungleichbehandlung von Arbeitgeberkündigung und Aufhebungsvertrag im Rahmen des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG sei sachlich gerechtfertigt. Im Rahmen des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG habe das LSG mit bindender Wirkung die Voraussetzungen für das Vorliegen eines wichtigen Grundes verneint.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die zulässige Revision ist unbegründet. Das LSG hat ohne Gesetzesverletzung entschieden, daß die Klägerin der Beklagten zur Erstattung gemäß § 128 AFG verpflichtet ist.
1. Das LSG ist zutreffend vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 128 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 AFG in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Änderung der Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992 (BGBl I 2044) ausgegangen. Danach erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Bundesanstalt für Arbeit vierteljährlich das Alg – unter Einschluß der hierauf entfallenden Beiträge – für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage. Der am 5. Juni 1935 geborene D. hat bei der Klägerin von 1974 bis Ende Oktober 1994 durchgehend in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden. Die Erstattungsforderung bezieht sich auf das D. ab 1. November 1994 gewährte Alg bzw die hierauf entfallenden Beiträge und damit ausschließlich auf die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen. Auch die Höchstdauer von 624 Tagen, für die eine Erstattung längstens in Betracht kommt, ist nicht überschritten.
2. Rechtsfehlerfrei hat das LSG ein Eingreifen der Ausnahmetatbestände des § 128 Abs 1 Satz 2 AFG verneint, wonach die Erstattungspflicht nicht eintritt, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres des Arbeitslosen beendet worden ist – was hier nicht der Fall war – oder der Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 2 bis 4 AFG genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt. Die in Ermangelung einschlägigen Vorbringens der Klägerin allein auf den Angaben des D. sowie dem Fehlen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beruhende, sinngemäß getroffene Feststellung des LSG, der frühere Arbeitnehmer habe im streitbefangenen Zeitraum nicht die Voraussetzungen für anderweitige Sozialleistungen erfüllt, ist für das Revisionsgericht bindend, da insoweit zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht sind (§ 163 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Soweit das LSG keine Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen gesehen hat, beruht dies im übrigen nicht auf einem fehlerhaften Verständnis des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG, vgl BSGE 81, 259, 262 f = SozR 3-4100 § 128 Nr 5; Urteil des Senats vom 21. September 2000, B 11 AL 7/00 R – zur Veröffentlichung vorgesehen –).
3. Die Erstattungspflicht der Klägerin ist auch nicht nach Maßgabe des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 2 AFG zu verneinen. Dieser in den Tatsacheninstanzen erörterte Gesichtspunkt ist – ebenso wie die im folgenden unter 6. und 7. behandelten Einwendungen der Klägerin – durch den Senat zu überprüfen, obwohl die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung hierauf nicht eingegangen ist, da das Bundessozialgericht (BSG) bei einer den §§ 164, 166 SGG entsprechenden Revision das angefochtene Urteil im Rahmen der Revisionsanträge in materieller Hinsicht vollständig nachzuprüfen hat (vgl Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 164 RdNr 223; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, § 164 RdNr 13).
Nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 2 AFG tritt die Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, daß er in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigt. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes kommt es darauf an, wie viele Arbeitnehmer der „Arbeitgeber” beschäftigt; abzustellen ist also nicht auf die Beschäftigtenzahl nur eines Betriebes des Arbeitgebers, die Beschäftigten mehrerer Betriebe sind vielmehr zusammenzurechnen (Gagel, AFG, § 128 RdNr 291; Knigge/Ketelsen ua, AFG, § 128 Anm 28; Heuer in Hennig ua, AFG, § 128 RdNr 21; Hess in Gemeinschaftskommentar zum AFG, § 128 RdNr 62; Brand in Niesel, AFG, 2. Aufl, § 128 RdNr 28; vgl BSG SozR 7860 § 10 Nr 3; aA Hanau, Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Begutachtung der geplanten Neuregelung des § 128 AFG, 1992 S 8). Diese Auslegung entspricht auch Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Grund für die Ausnahme von der Erstattungspflicht ist die bei geringerer Beschäftigtenzahl zu vermutende fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bzw die Unmöglichkeit der Rücklagenbildung (vgl BT-Drucks 12/3211 S 25), die unabhängig von der Anzahl der Betriebe zu sehen sind. Die Bezeichnung „Kleinbetriebe” (so ua BT-Drucks aaO) ist deshalb irreführend (Brand aaO). Nach den Feststellungen des LSG ist es eindeutig, daß die Klägerin in ihren verschiedenen Betrieben in der Regel mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt.
4. Ebensowenig kann sich die Klägerin auf § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG berufen. Danach tritt die Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, daß er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat. Unstreitig ist das Arbeitsverhältnis des D. nicht durch Kündigung, sondern durch Aufhebungsvertrag beendet worden. Der erkennende Senat und der 7. Senat des BSG haben bereits mehrfach entschieden, daß ein Aufhebungsvertrag diesen Befreiungstatbestand nicht erfüllt (vgl BSGE 81, 259, 264 f = SozR 3-4100 § 128 Nr 5; BSGE 84, 75, 78 = SozR 3-4100 § 128 Nr 6). Die Revisionsbegründung enthält keine Argumente, zu denen das BSG nicht schon Stellung genommen hätte. Insbesondere ist dem Einwand, nach der Rechtsprechung des BVerfG könne in einem Fall wie dem vorliegenden die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fallen, nicht zu folgen, da das BVerfG gerade in der Wahl bestimmter Formen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen ein Indiz für eine Verantwortlichkeit des Arbeitgebers gesehen hat (vgl BVerfGE 81, 156, 197 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1).
5. Zu Recht hat das LSG auch angenommen, daß die Klägerin nicht dargelegt und nachgewiesen hat, daß sie bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen (§ 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG).
Ob der Arbeitgeber zu einer solchen Kündigung berechtigt war, richtet sich nach § 626 BGB. Hiernach stellt eine Betriebseinstellung regelmäßig keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar (Müller-Glöge in Erfurter Kommentar, 230 BGB § 626 RdNr 117); betriebliche Erfordernisse rechtfertigen in der Regel lediglich die ordentliche Kündigung unter Beachtung der Schutzbestimmungen des § 1 Kündigungsschutzgesetz. Eine auf betriebsbedingte Gründe gestützte Kündigung gemäß § 626 BGB unter Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Frist läßt das BAG ausnahmsweise nur bei Arbeitnehmern zu, für die an sich die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist (ua BAG AP Nr 86 zu § 626 BGB; BAGE 88, 10, 14 ff = AP Nr 143 zu § 626 BGB). Letzteres war bei D. nicht der Fall.
Selbst wenn D. nicht ordentlich kündbar gewesen wäre, hätte die Klägerin im übrigen ein Recht zur außerordentlichen Kündigung nicht dargelegt. Aus betriebsbedingten Gründen kommt eine solche Kündigung nämlich nur in Betracht, wenn ein anderweitiger Einsatz des Arbeitnehmers auch unter Aufwendung aller zumutbaren Mittel nicht möglich ist, wobei auch die Versetzung des Arbeitnehmers in einen anderen Betrieb des Unternehmens zu prüfen ist (BAGE 88, 10, 19 = AP Nr 143 zu § 626 BGB, Müller-Glöge aaO). Hierzu aber fehlt jeder substantiierte Sachvortrag der Klägerin. Deshalb ist nicht ersichtlich, inwiefern der Einwand der Revision, der vorliegende Sachverhalt beruhe auf mit der Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung vergleichbaren Umständen, zutreffend sein könnte.
Etwas anderes folgt für § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG nicht aus den Ausführungen des BVerfG zur weiten Auslegung von Ausnahmeregelungen, die sich auf den wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung beziehen (BVerfGE 81, 156, 200 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Die Entscheidung des BVerfG ist zur früheren Fassung des § 128 AFG ergangen, nach der nur die Berechtigung zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zur Freistellung von der Erstattungspflicht führte, während die jetzige Gesetzesfassung auch die Berechtigung zur Kündigung „mit sozialer Auslauffrist” in den Befreiungstatbestand einbezogen hat. Eine inhaltliche Änderung des Begriffs des wichtigen Grundes kann aus der Entscheidung des BVerfG daher nicht hergeleitet werden (Gagel aaO § 128 RdNr 144).
6. Ohne Rechtsverletzung hat das LSG auch angenommen, daß die Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG nicht vorliegen. Nach dieser Bestimmung tritt die Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, daß sich die Zahl der Arbeitnehmer in dem Betrieb, in dem der Arbeitslose zuletzt mindestens zwei Jahre beschäftigt war, um mehr als 3 vH innerhalb eines Jahres vermindert und unter den in diesem Zeitraum ausscheidenden Arbeitnehmern der Anteil der Arbeitnehmer, die das 56. Lebensjahr vollendet haben, nicht höher ist als es ihrem Anteil an der Gesamtzahl der im Betrieb Beschäftigten zu Beginn des Jahreszeitraums entspricht; vermindert sich die Zahl der Beschäftigten im gleichen Zeitraum um mindestens 10 vH, verdoppelt sich der Anteil der älteren Arbeitnehmer, der bei der Verminderung der Zahl der Arbeitnehmer nicht überschritten werden darf. Bei der Berechnung der Zahl der Arbeitnehmer und des Anteils der älteren Arbeitnehmer ist jeweils auf die Belegschaft des Betriebes, nicht des Unternehmens abzustellen (Brand in Niesel aaO § 128 RdNr 58; Gagel aaO § 128 RdNr 180). Von einem eigenständigen Betrieb in Hannover kann indes nicht ausgegangen werden, so daß es nicht allein auf die Zahl der Beschäftigten in Hannover ankommt.
Das LSG hat ausgeführt, die Niederlassung in Hannover könne nicht als eigenständiger Betrieb iS des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG angesehen werden; denn im Hinblick auf die Zuständigkeit der Personalabteilung in Hanau auch für Einstellungen und Entlassungen in Hannover fehle es jedenfalls an einer in sich geschlossenen Organisation dieser Niederlassung bzw an dies widerlegenden Darlegungen der Klägerin. Dies ist nicht zu beanstanden.
Unter einem Betrieb ist wie im Arbeitsrecht eine organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb der ein Unternehmer mit Hilfe sächlicher und sonstiger Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgt (vgl etwa BSGE 46, 218, 219 f = SozR 4100 § 63 Nr 1; Küttner/Kreitner, Personalbuch 2000, Stichwort „Betrieb”); im Vordergrund steht dabei die einheitliche Organisation (Heuer aaO RdNr 38 unter Hinweis auf den Runderlaß der BA 11/93 Nr 3.36). Als maßgebliche Kriterien für die Beantwortung der Frage, ob ein oder mehrere Betriebe vorliegen, werden deshalb vor allem die Einheit des Betriebsinhabers und des Betriebszwecks, die Einheitlichkeit der Leitung und der Personalverwaltung sowie die betriebsorganisatorische Verflechtung genannt (vgl BSG SozR 4670 § 2 Nr 2; BSG SozR 4100 § 75 Nr 9; Gagel aaO § 128 RdNr 180 und § 8 RdNr 2 mwN). Insoweit ist der Sachvortrag der Klägerin, die Eigenständigkeit der Niederlassung Hannover folge aus der weiten Entfernung zum Hauptbetrieb und aus den Befugnissen des Niederlassungsleiters hinsichtlich personeller Maßnahmen „innerhalb der Abteilung” bzw „normaler Abwicklung” von Arbeitsverhältnissen, nicht zur Darlegung geeignet, es handle sich bei der Niederlassung Hannover um einen Betrieb iS des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG mit bestimmter Beschäftigtenzahl zu bestimmten Zeitpunkten bzw bestimmtem Anteil älterer Arbeitnehmer. Keinen Aufschluß geben auch die Angaben der Klägerin im „Erhebungsbogen” der BA. Allein auf die räumliche Entfernung vom Hauptbetrieb (vgl § 4 Betriebsverfassungsgesetz) kann im Rahmen des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG nicht abgestellt werden. Vielmehr sprechen die von der Klägerin vorgetragenen Befugnisse des Niederlassungsleiters sowie die Tatsache, daß jedenfalls die in Hannover beschäftigten Außendienstmitarbeiter nach der Schließung einer anderen Niederlassung „zugeordnet” wurden, gegen die Betriebseigenschaft der Niederlassung Hannover.
Wenn die Klägerin alle maßgeblichen Umstände, aus denen auf die Qualifizierung der Niederlassung Hannover als eigenständiger Betrieb zu schließen ist, nicht vorgetragen haben sollte, muß sie sich dies zurechnen lassen. Denn mit den prozeßtechnischen Begriffen „darlegt und nachweist” bringt § 128 Abs 1 Satz 2 AFG eine Durchbrechung des Amtsermittlungsgrundsatzes zugunsten des Beibringungsgrundsatzes zum Ausdruck, was vor allem durch den Bezug auf betriebsinterne Vorgänge gerechtfertigt ist (näher dazu Urteil des Senats vom 21. September 2000, B 11 AL 7/00 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Vom Tatsachengericht kann daher nicht verlangt werden, insoweit von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen. Daß die Revision auf die Frage der Betriebseigenschaft der Niederlassung Hannover überhaupt nicht eingegangen ist, dem LSG also insoweit weder einen Verfahrensmangel noch die Verletzung materiellen Rechts vorwirft, legt im übrigen die Annahme nahe, daß die Klägerin für ihre bisherige Rechtsansicht sprechende Tatsachen nicht vortragen kann.
7. Mangels hinreichender Darlegung zur Betriebseigenschaft der Niederlassung Hannover kommt auch die Anwendung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 7 AFG zugunsten der Klägerin nicht in Betracht. Dieser Tatbestand scheidet im übrigen ohnehin deswegen aus, weil nicht ersichtlich ist, inwiefern die Entlassung von fünf Innendienst-Mitarbeitern der Niederlassung Hannover für den örtlichen Arbeitsmarkt von erheblicher Bedeutung gewesen sein könnte.
8. Weitere Gesichtspunkte, die für den Ausschluß oder eine Beschränkung der Erstattungspflicht der Klägerin sprechen könnten, sind nicht zu erkennen. Gegen die verbliebene Höhe der Erstattungsforderung sind Einwendungen weder erhoben worden noch nach den Feststellungen des LSG ersichtlich. Ob die Beklagte zu hohe Krankenversicherungsbeiträge verlangt hat, wie das LSG angenommen hat, hat der Senat nicht zu überprüfen. Die Beklagte hat, soweit das LSG deswegen der Klage entsprochen hat, Revision nicht eingelegt und die Klägerin ist insoweit nicht mehr beschwert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
NZA-RR 2001, 441 |
SozR 3-4100 § 128, Nr. 11 |