Leitsatz (redaktionell)
1. Zum Begriff des "schädigenden Vorgangs" iS des BVG § 5 Abs 1 Buchst d bei einer im September 1945 versuchten Überschreitung der Zonengrenze.
2. Die "Furcht" vor einem schädigenden Vorgang iS des BVG § 5 Abs 1 Buchst d und deren Folgen sind nicht Folgen dieses schädigenden Vorganges.
Normenkette
BVG § 1 Abs. 2 Buchst. a Fassung: 1950-12-20, § 5 Abs. 1 Buchst. d Fassung: 1953-08-07
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. November 1960 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind der Klägerin nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die Klägerin ist die Witwe des Hubert B (B.); B., geboren am 22. August 1889, verstarb nach der Sterbeurkunde des Standesamts H., Kreis L., am 15. September 1945 "in Lichtenbrunn, Flurteil W.", als Todesursache ist im Sterberegister "Herzschlag" eingetragen. Die Klägerin beantragte am 24. September 1953 Witwenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), da B. auf der Flucht an einem Gehirnschlag gestorben sei. Diesen Antrag lehnte das Versorgungsamt (VersorgA) Bielefeld mit Bescheid vom 22. Juni 1954 ab, da der Tod des B. nicht Folge einer Schädigung sei. Den Widerspruch der Klägerin wies das Landesversorgungsamt Westfalen, Außenstelle Bielefeld, am 29. September 1954 zurück. Die Klage wies das Sozialgericht (SG) Detmold durch Urteil vom 19. April 1956 ab. Die Berufung wies das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen durch Urteil vom 18. November 1960 zurück, es führte aus: Die Klägerin sei beim Herannahen der sowjetischen Truppen am 22. Januar 1945 mit ihrem Ehemann (B.) von Oberschlesien zunächst nach Zwickau geflüchtet, wo sie mit B. am 30. Januar 1945 angelangt sei. Am 30. März 1945 hätten sich beide nach Mülsen St. Niklas (bei Zwickau) begeben, dorthin seien später der Sohn und der Schwiegersohn der Eheleute B. aus dem Wehrdienst zurückgekehrt; die Eheleute B. hätten den Schwiegersohn verborgen halten müssen, weil er als Angehöriger der SS von der sowjetischen Besatzungsmacht gesucht worden sei; aus diesem Grunde hätten die Eheleute B. und ihre Angehörigen beabsichtigt, in die amerikanisch besetzte Zone zu flüchten, Anfang September 1945 seien sie nach Lichtenbrunn in Thüringen gelangt. Der Tod des B. sei eingetreten, während B. am 15. September 1945 mit seinem Sohn und seinem Schwiegersohn versucht habe, von Lichtenbrunn die Zonengrenze zu überschreiten, um nach Lichtenberg in Oberfranken (amerikanische Besatzungszone) zu gelangen; kurz vor der Zonengrenze habe B. mit seinen Angehörigen plötzlich Schießen gehört, unmittelbar danach sei er tot zusammengebrochen, eine später herbeigerufene, nicht mehr zu ermittelnde Ärztin habe Tod durch Gehirnschlag festgestellt. Dieser Tod sei nicht die Folge von Kampfhandlungen oder Einwirkungen von Kampfmitteln (§ 5 Abs. 1 Buchst. a BVG) gewesen; er sei auch nicht auf Einwirkungen zurückzuführen, denen B. durch die besonderen Umstände der Flucht (§ 5 Abs. 1 Buchst. c BVG) ausgesetzt gewesen sei, die Flucht des B. aus seiner Heimat Schwientochlowitz (Oberschlesien), die am 22. Januar 1945 begonnen habe, sei spätestens mit dem Eintreffen in Mülsen St. Niklas am 30. März 1945 beendet gewesen, danach habe eine "aus kriegerischen Vorgängen unmittelbar drohende Gefahr für Leib oder Leben" bei B. nicht mehr bestanden; B. sei auch nicht einer "mit der militärischen Besetzung deutschen oder ehemals deutschen Gebietes zusammenhängenden besonderen Gefahr" (§ 5 Abs. 1 Buchst. d BVG) erlegen, die Einrichtung der Zonengrenze durch die Besatzungsmächte habe keine solche Gefahr dargestellt, auch nicht die Bewachung der Zonengrenze durch Angehörige der Besatzungsmächte; B. sei bei dem Versuch, die Zonengrenze zu überschreiten, nicht Opfer eines Willküraktes von Besatzungsangehörigen geworden; die von den Zeugen Horst B (Sohn des B.) und B (Schwiegersohn des B.) glaubhaft bekundete Schießerei in unmittelbarer Nähe der Zonengrenze habe sich jedenfalls nicht gegen B. und seine Begleiter gerichtet; B. habe auch nicht damit rechnen müssen, daß ihm im Falle seiner Festnahme vor dem Übertritt über die Zonengrenze von russischen Soldaten widerrechtliche Körperverletzungen oder gar der Tod gedroht hätten. Das LSG ließ die Revision zu. Das Urteil wurde der Klägerin am 17. Januar 1961 zugestellt.
Am 11. Februar 1961 legte die Klägerin Revision ein, sie beantragte,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach den von der Klägerin zuletzt gestellten Anträgen zu erkennen und ihrer Klage stattzugeben.
Zur Begründung trug sie vor: Das LSG habe § 5 Abs. 1 Buchst. c BVG unrichtig angewandt; die Flucht des B. sei bei seinem Tod noch nicht beendet gewesen, der Aufenthalt in Mülsen von März bis Anfang September 1945 sei nur eine Zwischenstation der Flucht gewesen, B. habe, nachdem die amerikanische Besatzung in Mülsen im Sommer 1945 durch russische Besatzungstruppen abgelöst worden sei, nach den persönlichen Verhältnissen des B., seines Sohnes und seines Schwiegersohnes mit seiner Verhaftung und der Gefahr des Todes jedenfalls für den Schwiegersohn, der im Krieg Angehöriger der Waffen-SS gewesen sei, rechnen müssen, mindestens habe mit der Besetzung des damaligen Aufenthaltsortes Mülsen durch die Russen die Flucht des B. wieder begonnen. Das LSG habe auch zu Unrecht die Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG verneint, das wahllose Schießen russischer Soldaten in Richtung auf die Grenze habe einen besonderen Willkürakt der Besatzungstruppen dargestellt und bei dem damals 56jährigen B. in Verbindung mit den vorausgegangenen körperlichen und seelischen Belastungen zu einem Schock geführt, der den Tod zur Folge gehabt habe.
Der Beklagte beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), sie ist jedoch nicht begründet.
Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BVG - die Voraussetzungen von § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG liegen nicht vor - hat die Witwe Anspruch auf Versorgung, wenn ein Beschädigter an den Folgen einer Schädigung gestorben ist. Nach § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a BVG - die Voraussetzungen von Abs. 2 Buchst. b bis d BVG sind nicht gegeben - gilt als Schädigung im Sinne des BVG eine Schädigung, die durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung hervorgerufen ist. Was "unmittelbare Kriegseinwirkungen" sind, bestimmt § 5 Abs. 1 BVG. Die Voraussetzungen, die einen Versorgungsanspruch nach § 5 Abs. 1 Buchst. b BVG begründen, liegen nach den von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht vor. Das LSG hat zu Recht ausgeführt, daß auch § 5 Abs. 1 Buchst. a, Buchst. c und Buchst. d BVG auf den Sachverhalt nicht anzuwenden sind, auch die vom LSG nicht erörterten Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG liegen nicht vor. B. ist nicht an den Folgen von "Kampfhandlungen", insbesondere nicht an den Einwirkungen von "Kampfmitteln" gestorben (§ 5 Abs. 1 Buchst. a BVG); Kampfhandlungen haben im September 1945 auf deutschem Gebiet nicht mehr stattgefunden, Kampfmittel sind nicht mehr eingesetzt worden. B. ist im September 1945 auch nicht mehr Einwirkungen "durch die besonderen Umstände der Flucht vor einer aus kriegerischen Vorgängen unmittelbar drohenden Gefahr für Leib oder Leben" (§ 5 Abs. 1 Buchst. c BVG) ausgesetzt gewesen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Flucht des B. - wie das LSG angenommen hat - schon mit seinem Eintreffen in Mülsen am 30. März 1945 beendet gewesen ist (vgl. hierzu BSG 3, 263 ff), es kommt auch nicht darauf an, ob B. mit seinen Angehörigen die Unterkunft in Mülsen als endgültiger Aufenthalt zugewiesen worden ist und ob er mit seiner Familie den Aufenthalt in Mülsen möglicherweise nur als eine "Fluchtetappe" angesehen hat. Jedenfalls hat von dem Zeitpunkt an, als die Besetzung des damaligen Aufenthaltsortes Mülsen durch amerikanische Truppen abgeschlossen gewesen ist - nach den Angaben der Klägerin und nach den gerichtsbekannten Verhältnissen jedenfalls von Mitte April 1945 an -, eine aus "kriegerischen Vorgängen" drohende Gefahr für Leib oder Leben des B. und seiner Angehörigen nicht mehr bestanden. Die Übergabe des Ortes durch die amerikanischen Besatzungstruppen an die russische Besatzungsmacht im Sommer 1945 ist nicht mehr ein "kriegerischer Vorgang" gewesen, sondern eine Maßnahme "für Besatzungszwecke", die die Regierungen der vier Besatzungsmächte in Ausübung der von ihnen nach der Kapitulation Deutschlands in Anspruch genommenen "obersten Gewalt" getroffen haben (vgl. "Feststellungen" der vier Besatzungsmächte "über das Kontrollverfahren in Deutschland" und "über die Besatzungszonen in Deutschland" vom 5. Juni 1945, Amtsbl. des Kontrollrats in Deutschland, Ergänzungsblatt Nr. 1, V S. 10 und VI S. 11). Wenn B. eine "besondere Gefahr" für Leib oder Leben nach der Besetzung von Mülsen durch die Russen gedroht hat und wenn er deswegen im September 1945 entweder die begonnene Flucht fortgesetzt oder sich erneut auf die Flucht begeben hat, so hat es sich dabei um eine Flucht vor Gefahren der Besatzung, nicht aber um eine Flucht vor einer "aus kriegerischen Vorgängen unmittelbar drohenden Gefahr" im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. c BVG gehandelt; der dadurch geschaffene Gefahrenbereich ist auch nicht ein "kriegseigentümlicher Gefahrenbereich" im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG gewesen, sondern ein der Besetzung eigentümlicher Gefahrenbereich.
Das LSG hat schließlich auch zu Recht angenommen, der Tod des B. im September 1945 beruhe nicht auf einem "schädigenden Vorgang", der "infolge einer mit der militärischen Besetzung deutschen Gebiets ... zusammenhängenden besonderen Gefahr" eingetreten ist (§ 5 Abs. 1 Buchst. d BVG). Die Aufteilung Deutschlands durch die Regierungen Amerikas, Englands, Frankreichs und der Sowjetunion in vier Besatzungszonen, die durch die "Feststellung" vom 5. Juni 1945 (Amtsbl. des Kontrollrats aaO VI S. 11) getroffen worden ist, beruht zwar auf der militärischen Besetzung Deutschlands und dem Fehlen einer deutschen Regierungsgewalt im damaligen Zeitpunkt; die Zoneneinteilung hat aber als solche keine "besondere Gefahr" geschaffen, sie ist Ausdruck einer - teilweisen - Aufteilung der "obersten Gewalt" gewesen, die die Alliierten anstelle einer nicht vorhandenen deutschen Regierung ausgeübt haben. Die Alliierten haben die Machtbefugnisse übernommen, die bis zum Zusammenbruch und der "bedingungslosen Kapitulation" die letzte deutsche Regierung ausgeübt hat; auch eine deutsche Regierung oder Regierungen deutscher Länder, falls sie damals hätten gebildet werden können, hätten nach dem Zusammenbruch zu einer Aufteilung deutschen Gebiets in "Zonen" kommen können. Eine mit der Besetzung deutschen Gebiets zusammenhängende "besondere" Gefahr ist auch nicht dadurch geschaffen worden, daß Deutsche die Zonengrenzen zunächst überhaupt nicht, später nur unter besonderen Voraussetzungen haben überschreiten dürfen und daß dieses Verbot vielfach nicht beachtet worden ist; auch soweit Verstöße gegen dieses Verbot mit Strafe bedroht gewesen sind, hat es sich nicht um eine mit der Besetzung zusammenhängende "besondere" Gefahr, sondern um Maßnahmen zur Gewährleistung der von den Besatzungsmächten innerhalb Deutschlands geschaffenen Ordnung gehandelt (vgl. BSG 6, 288 ff, 293). Die Gefahr einer Bestrafung, die Verstöße gegen diese Ordnung nach sich gezogen haben, ist nicht eine "besondere", sondern die "allgemeine" Gefahr gewesen, die das Begehen einer mit Strafe bedrohten Handlung bedeutet.
Eine mit der militärischen Besetzung Deutschlands zusammenhängende "besondere" Gefahr hat sich dagegen für B. seit der Übergabe seines damaligen Aufenthaltsortes Mülsen an die russische Besatzungsmacht daraus ergeben können , daß B. nach den Feststellungen des LSG seinen Schwiegersohn, einen Angehörigen der SS, in Mülsen verborgen gehalten hat. Das LSG hat aber nicht festgestellt, daß B. in dem Zeitpunkt, in dem er sich mit seiner Familie zum Verlassen des Ortes Mülsen entschlossen hat, deshalb tatsächlich gefährdet gewesen ist; das Urteil des LSG besagt nichts darüber, daß die russische Besatzungsmacht auch nur vermutet habe, daß der Schwiegersohn des B. zurückgekehrt sei oder daß etwa bei B. oder seinen Angehörigen nach dem Schwiegersohn gesucht worden sei. Die Klägerin hat mit der Revision auch nicht geltend gemacht, das LSG habe insoweit den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt. Das Vorbringen der Klägerin in der Revision, es könne "durchaus unterstellt werden, daß bei den besonderen persönlichen Verhältnissen, die bei dem Ehemann der Klägerin selbst und bei dem Sohn und Schwiegersohn vorlagen, nach dem Eintreffen der russischen Truppen eine den Männern unmittelbar drohende Gefahr für Leib und Leben bestand", stellt keine substantiierte Revisionsrüge gegen die tatsächlichen Feststellungen dar, die das LSG zugrunde gelegt hat (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG). Wenn - wie das LSG angenommen hat - das Verborgenhalten des Schwiegersohnes der "Grund" dafür gewesen ist, daß B. mit seinen Angehörigen Mülsen verlassen hat und sich in die amerikanische Besatzungszone hat begeben wollen, so hat er dabei in der - verständlichen - Furcht vor einer ihm von der Besatzungsmacht drohenden besonderen Gefahr gehandelt, die Furcht vor dieser Gefahr erfüllt aber nicht schon das in § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG geforderte Tatbestandsmerkmal der mit der Besatzung "zusammenhängenden" besonderen Gefahr. Aber selbst wenn insoweit eine besondere Gefahr bestanden hätte, so ist der Tod des B. jedenfalls nicht "infolge" dieser - durch das Verborgenhalten des Schwiegersohnes begründeten - Gefahr eingetreten, denn "infolge" dieser Gefahr ist es zu einem "schädigenden Vorgang" i. S. von § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG gegenüber B. nicht gekommen. Die mit der militärischen Besetzung Deutschlands zusammenhängende besondere Gefahr, der B. zur Zeit seines Todes ausgesetzt gewesen ist, ist vielmehr die Bewachung der Zonengrenze durch bewaffnete Angehörige der Besatzungsmächte, vor allem durch russische Besatzungsangehörige, und die Möglichkeit eines Mißbrauchs der diesen Besatzungsangehörigen eingeräumten Befugnisse gewesen. Wie in den Urteilen des BSG vom 6. Februar 1958 (BSG 6, 288 ff) und vom 28. Juli 1961 (BSG SozR Nr. 30 zu § 5 BVG) ausgeführt ist, sind Willkürakte von Besatzungsangehörigen, die in dem durch die Umstände nicht gerechtfertigten Gebrauch von Schußwaffen gegenüber Deutschen bestanden haben, als "schädigende Vorgänge" anzusehen, die infolge einer mit der militärischen Besetzung Deutschlands im Zusammenhang stehenden "besonderen" Gefahr eingetreten sind. Im vorliegenden Falle fehlt es aber nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG sowohl an dem Nachweis eines "Willküraktes" von Besatzungsangehörigen bei der Bewachung der Zonengrenze als auch an dem Nachweis, daß, falls ein Willkürakt vorgelegen hat, dieser Willkürakt B. betroffen hat. Das LSG hat nicht festgestellt und auf Grund der Angaben der Zeugen Horst B und B auch nicht feststellen können, aus welchem Anlaß es zu der von B. und diesen Zeugen gehörten Schießerei an der Zonengrenze gekommen ist; das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, der Gebrauch von Schußwaffen durch Besatzungsangehörige an der Zonengrenze reiche für sich allein für die Annahme des "willkürlichen" Gebrauchs der Schußwaffen nicht aus; es hat weder ausschließen noch feststellen können, ob es sich bei den Schüssen, die B. und seine Angehörigen gehört haben, um möglicherweise berechtigte Warnschüsse gegenüber Personen gehandelt hat, die von dem durch die Besatzungsmacht verbotenen Überschreiten der Zonengrenze haben abgehalten werden sollen, ob erst geschossen worden ist, nachdem Personen, die die Zonengrenze haben überschreiten wollen, einer Aufforderung zum Zurückbleiben nicht nachgekommen sind, oder ob ohne Warnung oder planlos und damit "willkürlich" geschossen worden ist. Jedenfalls ist aber dieses Schießen nicht ein Vorgang gewesen, der B. oder seine Angehörigen betroffen hat, und es ist auch nicht der Vorgang gewesen, der B. geschädigt hat. Zwar ist es nicht erforderlich, daß der "schädigende Vorgang" im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG sich gegen bestimmte Personen richtet, es genügt, daß er dazu geeignet ist, einen unbestimmten Kreis von Personen und damit möglicherweise "jeden" zu schädigen und daß es deshalb bei einer bestimmten Person zu einer Schädigung kommt. Ein schädigender Vorgang liegt für eine Person aber nicht schon darin, daß andere Personen von einem schädigenden Vorgang betroffen sind oder doch sein können und daß deshalb für diese Person die Befürchtung besteht, auch sie selbst werde von einem - künftigen - gleichartigen "schädigenden Vorgang" betroffen. Schädigungen, die infolge der Furcht vor einem möglichen "schädigenden Vorgang" eintreten, sind nicht Folgen des "schädigenden Vorgangs", wenn es zu diesem Vorgang überhaupt nicht kommt. Im vorliegenden Falle ist es zu einem "schädigenden Vorgang" gegenüber B. und seinen Angehörigen nicht gekommen; B. und seine Angehörigen haben zwar das Schießen gehört, sie sind aber erkennbar selbst der Meinung gewesen, dieses Schießen gelte nicht ihnen, sie sind von den die Zonengrenze möglicherweise bewachenden Besatzungsangehörigen nicht bemerkt worden und haben den Weg zur Zonengrenze fortgesetzt. Sie sind damit zwar der Gefahr ausgesetzt gewesen, es werde möglicherweise auch auf sie selbst geschossen werden, und sie haben sich vor dieser Gefahr gefürchtet, diese Gefahrenlage ist aber nicht selbst ein "schädigender Vorgang" gewesen, sie hat nur die Möglichkeit eingeschlossen, daß es zu einem schädigenden Vorgang - durch willkürlichen Gebrauch der Schußwaffen oder andere Gewalttätigkeiten von Besatzungsangehörigen - kommen könne. Soweit deshalb der Tod des B. möglicherweise die Folge dieser Furcht und des Erschreckens durch das ihn und seine Angehörigen nicht betreffende Schießen gewesen ist, fehlt es an einem B. oder seine Angehörigen betreffenden "schädigenden Vorgang".
Da das LSG zu Recht der Meinung gewesen ist, es habe sich bei den körperlichen und seelischen Anstrengungen, die mit dem Weg des B. zur Zonengrenze verbunden gewesen sind, und bei dem Schießen an der Zonengrenze, das nicht gegen B. und seine Angehörigen gerichtet gewesen ist, nicht um "schädigende Vorgänge" gehandelt, die "infolge" einer mit der militärischen Besetzung Deutschlands zusammenhängenden "besonderen" Gefahr eingetreten sind, hat das LSG zu Recht dahingestellt gelassen, ob es wahrscheinlich ist, daß diese Ereignisse die wesentliche Bedingung oder eine wesentliche Bedingung für den Tod des B. gewesen sind oder ob möglicherweise der Entschluß des B., die Zonengrenze trotz der damit verbundenen Gefahr zu überschreiten, oder etwa auch eine bereits bestehende Schädigung des Herzens des B. die allein wesentliche Bedingung des Todes gewesen ist. Das LSG hat zu Recht die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen, weil sich nicht hat feststellen lassen, daß B. an den Folgen einer Schädigung im Sinne der §§ 1 Abs. 2 Buchst. a, 5, 38 BVG gestorben ist. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Der Senat hat nicht darüber zu entscheiden, ob der Klägerin etwa Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nach § 5 des Häftlingshilfegesetzes (HHG) in der Fassung vom 25. Juli 1960 (BGBl. I, 578) in Verbindung mit § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Gleichstellung von Personen nach § 3 des Häftlingshilfegesetzes vom 1. August 1962 (BGBl. I 545) zusteht. Bei den Ansprüchen nach diesen Vorschriften handelt es sich zwar um Ansprüche, über die "in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges" (§ 4 HHG) zu entscheiden ist, aber nicht um die Ansprüche "unmittelbar auf Grund des Bundesversorgungsgesetzes"; nur diese Ansprüche sind in dem vorliegenden Verfahren im Streit.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen