Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß die Berufung nach SGG § 146 ausgeschlossen ist, wenn eine Krankenkasse gegen einen Träger der Rentenversicherung einen nach RVO § 183 Abs 5 auf sie übergegangenen Rentenanspruch für einen abgelaufenen Zeitraum geltend macht (vergleiche BSG 1967-08-23 3 RK 43/67 = SozR Nr 19 zu § 146 SGG).

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Zulässigkeit der Berufung in den Fällen des RVO § 183 Abs 3 S 2 bzw RVO § 183 Abs 5:

1. Bei den Ansprüchen aus RVO § 183 Abs 3 S 2 bzw RVO § 183 Abs 5 handelt es sich nicht um Erstattungsansprüche zwischen Versicherungsträgern, sondern um Rentenansprüche für abgelaufene Zeiträume; eine Berufung ist deshalb nach SGG § 146 nicht zulässig.

2. Eine falsche Rechtsmittelbelehrung, nach der die Berufung zulässig sei, stellt keine Zulassung der Berufung dar.

 

Normenkette

SGG §§ 146, 149; RVO § 183 Abs. 3 S. 2, Abs. 5

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Mai 1967 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 3. Mai 1965 als unzulässig verworfen wird.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der am 18. Oktober 1964 verstorbene L F (F.) war Pflichtmitglied der klagenden Krankenkasse. Am 13. September 1963 erkrankte er arbeitsunfähig. Die Arbeitgeberin zahlte ihm vom 13. September bis zum 14. Oktober 1963 und - nach Beendigung der von der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) durchgeführten Heilmaßnahmen - vom 22. bis zum 24. Oktober 1963 den Lohn fort. Die Klägerin gewährte ihm vom 25. Oktober 1963 bis zum 1. Januar 1964 Krankengeld. Auf den Antrag vom 21. Oktober 1963 gewährte die beklagte LVA F. durch die Bescheide vom 20. Dezember 1963 und 20. Februar 1964 Rente wegen Berufsunfähigkeit vom 22. Oktober 1963 an.

Der beigeladene J Z (Z.) war ebenfalls Pflichtmitglied der Klägerin. Seit 30. Januar 1964 war er arbeitsunfähig krank. Der Arbeitgeber zahlte den Lohn bis 11. März 1964 weiter. Vom 12. März bis zum 28. April 1964 gewährte die Beklagte Krankengeld. Auf den Antrag des Z. vom 6. Februar 1964 bewilligte ihm die beklagte LVA durch Bescheid vom 24. April 1964 Rente wegen Berufsunfähigkeit vom 1. Februar 1964 an.

Die beigeladene H T (T.) war gleichfalls Pflichtmitglied der Klägerin. Am 8. Oktober 1962 erkrankte sie arbeitsunfähig. Die Klägerin zahlte ihr bis zum 16. Januar 1963 Krankengeld bzw. Hausgeld. Vom 18. Januar 1963 an befand sich die Beigeladene T. auf Kosten der Beklagten in einer Heilstättenbehandlung, aus der sie am 6. Dezember 1963 aus disziplinarischen Gründen entlassen wurde. Weil die stationäre Behandlung bis Ende Januar 1964 notwendig gewesen wäre, zahlte die Klägerin erst wieder vom 1. Februar bis zum 16. März 1964 Krankengeld. Die Beklagte bewilligte der Beigeladenen durch Bescheid vom 12. März 1964 rückwirkend Rente wegen Berufsunfähigkeit vom 21. Dezember 1963 an.

Die Klägerin machte bei der Beklagten Anspruch auf Ersatz für das an F. gezahlte Krankengeld für die Zeit vom 25. Oktober 1963 bis zum 1. Januar 1964 im Betrage von 609,80 DM, für das dem beigeladenen Z. in der Zeit vom 12. März bis zum 28. April 1964 gewährte im Betrage von 329,20 DM und für das an die Beigeladene T. in der Zeit vom 1. Februar bis zum 16. März 1964 gezahlte Krankengeld in Höhe von 197,- DM aus den Rentennachzahlungen geltend. Die Beklagte lehnte diese Forderungen mit der Begründung ab, in allen drei Fällen liege der Rentenbeginn vor dem Zeitpunkt, von dem ein Krankengeld tatsächlich bezahlt worden sei, deshalb sei ein Ersatzanspruch nach § 183 Abs. 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht gegeben.

Die Klägerin hat daraufhin Klage auf Zahlung von 1.136,- DM erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat ihr stattgegeben, das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Berufung sei nach § 149 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, weil es sich hier um eine Erstattungsstreitigkeit handele, bei der es auf die Gesamthöhe des geltend gemachten Anspruchs ankomme (BSG 24, 260). Die Bezeichnung "während des Bezuges von Krankengeld" im Sinne von § 183 Abs. 5 RVO umfasse nicht nur die Zeiten, in denen tatsächlich Krankengeld gezahlt werde, sondern auch die Zeiten, für die ein Anspruch auf Krankengeld bestehe, also auch solche Zeiten, in denen der Anspruch zeitweilig wegen Vorliegens eines bestimmten Sachverhalts nicht zu erfüllen sei, z. B. weil der Anspruch nach §§ 189, 216 RVO ruhe oder die Auszahlung nach § 192 RVO versagt werde. Denn der Begriff des Ruhens einer Leistung setze das Bestehen eines Anspruchs voraus. Die Bezugszeit des Krankengeldes im Sinne von § 183 Abs. 5 RVO werde somit von dem Zeitpunkt an bestimmt, von dem an der Versicherte arbeitsunfähig und somit dem Grunde nach anspruchsberechtigt auf Krankengeld geworden sei. Diese Voraussetzungen seien in allen drei Fällen gegeben. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Beklagte hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Sie trägt vor: Der Gesetzgeber habe bewußt einen Unterschied zwischen dem Anspruch auf Krankengeld und der tatsächlichen Auszahlung desselben machen wollen. Bei der Neufassung des § 183 RVO habe er die Begriffe Anspruch und Bezug mehrmals verwendet und ihnen jeweils eine unterschiedliche Bedeutung beigemessen. In Absatz 1 des § 183 RVO werde an den Bezug des Krankengeldes eine andere Rechtsfolge geknüpft als in Absatz 3, wenn es auf den Anspruch des Krankengeldes ankomme. Ebenso werde in Absatz 4 sowohl vom Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente und Gewährung von Krankengeld gesprochen als auch vom Anspruch auf Krankengeld, letzteres jedoch mit einem anderen Sinngehalt. Desgleichen enthielten die Absätze 6 und 7 den Begriff des Anspruchs auf Krankengeld, womit aber auch ein anderer Problemkreis angesprochen werde. Es sei deshalb unwahrscheinlich, daß der Gesetzgeber bei Verwendung des Begriffs "Bezug von Krankengeld" in Absatz 3 bzw. Abs. 5 des § 183 RVO ebenfalls nur auf den Anspruch abstellen wollte und nicht die tatsächliche Auszahlung des Krankengeldes gemeint habe. Für die Richtigkeit dieser Meinung spreche auch die Fassung des § 1244 a Abs. 6 RVO, wo der Gesetzgeber eindeutig von dem Anspruch ausgehe und hierfür das Wort "Anspruch" auch gebrauche.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Bayerischen LSG vom 10. Mai 1967 und des SG Nürnberg vom 3. Mai 1965 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladenen sind im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die Revision mußte im Ergebnis ohne Erfolg bleiben.

Bei einer zugelassenen Revision hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung zulässig war (BSG 2, 225, 226 ff). Das war nicht der Fall. Das LSG hat unter Bezugnahme auf BSG 24, 260 angenommen, daß die Berufung nach § 149 SGG statthaft sei, weil es sich bei den - zusammengerechneten - Ansprüchen der Klägerin um einen Gesamtbetrag von mehr als 500,- DM gehandelt habe. Das ist nicht zutreffend, da § 149 SGG nicht anwendbar ist. Wie der Senat in seinem Urteil vom 23. August 1967 (SozR SGG § 146 Nr. 19) im Anschluß an ein eigenes Urteil vom 18. Dezember 1963 (3 RK 29/63) und die Rechtsprechung des 4. Senats (Urteil vom 27. April 1967 - SozR SGG § 146 Nr. 18) ausgeführt hat, kommt in derartigen Streitigkeiten § 146 SGG zum Zuge. Hiernach ist in Angelegenheiten der Rentenversicherung die Berufung nicht zulässig, soweit sie Beginn oder Ende der Rente oder nur die Rente für bereits abgelaufene Zeiträume betrifft; denn bei dem Anspruch aus § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO (darüber war in dem Urteil vom 23. August 1967 zu entscheiden, das muß aber auch hier für den Fall des § 183 Abs. 5, 2. Halbsatz RVO gelten) handelt es sich um einen Rentenanspruch, der kraft Gesetzes auf die Krankenkasse übergegangen ist, nicht aber um einen Erstattungsanspruch zwischen Versicherungsträgern. Durch diesen Übergang ändert sich nichts an der Natur des übergegangenen Anspruchs. Vielmehr tritt der neue Berechtigte im vollem Umfange in die Rechtsstellung des bisherigen Berechtigten ein. Dies gilt auch für die Anwendung der Berufungsausschließungsgründe. Im übrigen ist auch kein Grund dafür ersichtlich, die prozessuale Rechtsstellung der Berechtigten verschieden zu gestalten, je nachdem, ob der Versicherte oder die Krankenkasse den Rentenanspruch geltend macht. § 146 SGG ist daher auch für die Fälle des § 183 Abs. 5 RVO anzuwenden.

Ohne Bedeutung ist für dieses Ergebnis der Umstand, daß die Krankenkasse die Rente als Ersatz für an den Versicherten gezahltes Krankengeld verlangt; denn die Zahlung des Krankengeldes gibt nach § 183 Abs. 5 RVO nur den Rechtsgrund für die Überleitung der Rente, ohne daß damit an der Natur des Anspruchs als Rentenanspruch sich etwas ändert. Bei der Frage der Zulässigkeit der Berufung kommt es aber darauf an, welcher Anspruch als solcher geltend gemacht wird, und das ist hier die Rente. Das Ziel der Klage ist für die Frage nach dem Streitgegenstand entscheidend, nicht aber die Begründung des Klagebegehrens (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 19. Februar 1963, BSG 18, 266).

Kommt aber im vorliegenden Falle § 146 SGG zum Zuge, so ist § 149 SGG nicht anwendbar, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 23. Juli 1959 (BSG 10, 186) ausgesprochen hat. Das Urteil des SG vom 3. Mai 1965 und damit die Berufung der Beklagten betraf nur Rentenansprüche für bereits abgelaufene Zeiträume, nämlich

im Falle F

die Zeit vom 25. Oktober 1963 bis zum 1. Januar 1964,

im Falle Z

die Zeit vom 12. März bis zum 28. April 1964 und

im Falle T

die Zeit vom 1. Februar bis zum 16. März 1964.

Die Berufung war deshalb nach § 146 SGG ausgeschlossen.

Die Berufung war auch nicht nach § 150 Nr. 1 SGG statthaft; denn die - falsche - Rechtsmittelbelehrung des SG, die Berufung sei zulässig, stellt keine Zulassung der Berufung dar (BSG 2, 121). Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich auch nicht aus § 150 Nr. 2 SGG; denn die Beklagte hat vor dem LSG keinen wesentlichen Mangel des Verfahrens des SG gerügt.

Die Revision der Beklagten muß daher mit der Maßgabe zurückgewiesen werden, daß ihre Berufung gegen das Urteil des SG als unzulässig verworfen wird.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324311

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge