Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzicht auf Verfahrensrüge. Voraussetzungen der Berichtigung einer "ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit"
Leitsatz (amtlich)
1. Das Revisionsgericht darf offenbare Unrichtigkeiten des mit der Revision angefochtenen Urteils berichtigen, wenn hierfür neue tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind (Anschluß an BSG vom 14.12.1959 - 10 RV 636/56 = BSGE 11, 146; BSG vom 14.2.1978 - 7/12 RAr 73/76 = BSGE 46, 34 = SozR 1500 § 138 Nr 3).
2. Zum Ausschluß einer verfahrensrechtlichen Revisionsrüge (hier: fehlerhafte Berufung der ehrenamtlichen Richter) nach dem Grundsatz von Treu und Glauben.
Orientierungssatz
1. Ein Verzicht auf eine Verfahrensrüge gemäß § 295 ZPO kann nur nachträglich im Anschluß an den Verfahrensverstoß erklärt werden.
2. Auf die Befolgung der für eine vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen kann iS des § 295 Abs 2 ZPO nicht wirksam verzichtet werden (vgl BVerwG vom 16.12.1980 - 6 C 110/79 = Buchholz 310 § 138 Ziff 1 Nr 20 mwN).
3. Bei der Unrichtigkeit darf es sich nicht um einen auf einer unrichtigen Tatsachenwertung oder auf einem Rechtsirrtum beruhenden Fehler in der Willensbildung des Gerichts handeln. Die Berichtigung ist kein Mittel zur Änderung einer nachträglich als unrichtig erkannten Entscheidung. Berichtigungsfähig sind vielmehr ausschließlich die einem "mechanischen Versehen" gleichzuerachtenden Erklärungsmängel oder Fehler im Ausdruck des Willens, die zu dem Erklärungswillen erkennbar in Widerspruch stehen (vgl BSG vom 3.10.1979 - 1 RA 75/78 = BSGE 49, 51, 54).
4. Die Unrichtigkeit muß "offenbar" sein. Der Fehler im Ausdruck des Gewollten muß als solcher auch einem verständigen Außenstehenden klar erkennbar sein. Bereits Zweifel dahingehend, daß die Unrichtigkeit möglicherweise auf einer unrichtigen Tatsachenwertung oder auf einem Rechtsirrtum beruht, schließen die Möglichkeit einer Berichtigung aus (vgl BSG vom 19.1.1966 - 11/1 RA 344/62 = BSGE 24, 203, 204 = SozR Nr 50 zu § 77 SGG).
Normenkette
SGG § 138; BGB § 242; ZPO § 295 Abs 1; ZPO § 295 Abs 2; SGG § 13 Abs 1, § 14 Abs 1
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 29.08.1985; Aktenzeichen L 1 An 666/82) |
SG Kassel (Entscheidung vom 12.03.1982; Aktenzeichen S 2 An 36/81) |
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Berücksichtigung weiterer Versicherungs- und Ausfallzeiten bei der Berechnung der ihr bewilligten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU-Rente).
Die am 24. November 1920 geborene Klägerin war nach ihren Angaben vom 1. September 1935 bis Ende August 1938 im landwirtschaftlichen Betrieb ihrer Eltern in H. (Kreis Sch., Bezirk P.) tätig und im Anschluß an den Besuch einer Haushaltungsschule in P. bis Dezember 1940 vom 1. Januar bis 14. September 1941 arbeitslos. Vom 15. September 1941 an war sie als Telefonistin beim Reichsstatthalter in P. beschäftigt.
Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens merkte die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Zeit vom 1. Januar 1945 bis 30. September 1946 als Ersatzzeit der Vertreibung und Flucht vor. Die Wiederherstellung von Beitragsunterlagen für die Zeit vom 1. September 1935 bis 30. August 1938 lehnte sie ab, weil nach dem seinerzeit geltenden Recht Versicherungspflicht nicht bestanden habe und deshalb Beiträge nicht entrichtet worden seien. Für die Zeit vom 1. September 1938 bis 14. September 1941 seien die Voraussetzungen des § 36 Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) für die Anerkennung einer Ausfallzeit nicht erfüllt (Bescheid vom 25. Juni 1980). Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 1981). Ihre Klage wurde vom Sozialgericht (SG) Kassel abgewiesen (Urteil vom 12. März 1982).
Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein. Während des Berufungsverfahrens bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 1. März 1984 für die Zeit ab 1. September 1983 EU-Rente. Bei deren Berechnung blieben die streitigen Zeiten wiederum unberücksichtigt.
Am 12. August 1985 verfügte der Vorsitzende des für die Berufung zuständigen Senats des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) die Ladung der Beteiligten zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 29. August 1985. Zugleich mit der Ladung wurden die Beteiligten in einer Verfügung vom 13. August 1985 darauf hingewiesen, daß an der mündlichen Verhandlung ehrenamtliche Richter mitwirken sollten, die vom Hessischen Minister für Arbeit, Umwelt und Soziales (HessAM) vor dem 1. April 1985 in ihr Richteramt berufen worden seien. Nach Auskunft des Ministers seien die vorschlagsberechtigten Verbände und Stellen seit Beginn der 60er Jahre nur noch zu ergänzenden Vorschlägen entsprechend dem jeweiligen Bedarf bereit und in der Lage gewesen. Dies habe dazu geführt, daß die in der Anfangszeit des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingereichten Vorschlagslisten nur bei Bedarf ergänzt worden seien. Diese im Rahmen des § 13 Abs 1 SGG bis zum 1. April 1985 geübte Berufungspraxis könne Bedenken erwecken und zu der Auffassung führen, daß bei Berufung der ehrenamtlichen Richter das entscheidende Bestimmungsrecht des Staates nur dann in ausreichendem Umfange gewährleistet sei, wenn die Auswahl der ehrenamtlichen Richter aus Vorschlagslisten erfolge, die entsprechend § 14 Abs 1 SGG die anderthalbfache Zahl der im betreffenden Jahr ausscheidenden Richter aufwiesen. Der HessAM habe den Standpunkt vertreten, daß sein vor dem 1. April 1985 praktiziertes Verfahren nicht mit Mängeln behaftet sei, die zur Nichtigkeit bzw Unbeachtlichkeit der durch Hoheitsakt ausgesprochenen Ernennungen der ehrenamtlichen Richter führten, weil § 14 Abs 1 SGG lediglich eine Sollvorschrift sei und er (HessAM) auch vor dem 1. April 1985 bei Berufung der ehrenamtlichen Richter immer das durch Art 92 des Grundgesetzes (GG) geforderte Auswahlrecht gehabt und in Anspruch genommen habe. Den Beteiligten werde Gelegenheit zur Äußerung bis zum 23. August 1985 gegeben.
Die Beklagte äußerte sich zu diesem Hinweis nicht. Die Klägerin ließ durch ihre Prozeßbevollmächtigten schriftsätzlich mitteilen, gegen die beabsichtigte Verfahrensweise bestünden keine Bedenken. Durch einen unter Mitwirkung nur der Berufsrichter gefaßten Beschluß vom 28. August 1985 stellte das LSG fest, daß die ehrenamtlichen Richter Sch. und E. an der Mitwirkung bei der Endentscheidung im vorliegenden Verfahren nicht gehindert seien.
Unter Mitwirkung dieser ehrenamtlicher Richter hat das LSG mit Urteil vom 29. August 1985 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Kassel vom 12. März 1982 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Der Senat habe entsprechend dem Beschluß vom 28. August 1985 unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter Sch. und E. entscheiden können. Die Berufung sei ebenso wie die Klage gegen den zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordenen Bescheid vom 1. März 1984 sachlich unbegründet. Die Zeit vom 1. September 1935 bis 30. August 1938 sei nicht als zusätzliche Versicherungszeit anrechenbar. Es sei nicht glaubhaft gemacht, daß die Klägerin für ihre Hilfe in der elterlichen Landwirtschaft neben Kost und Logis nicht nur ein Taschengeld, sondern ein Entgelt im Rechtssinne erhalten habe. Dafür fehle es an Anhaltspunkten und Beweismitteln. Dann aber könne auch eine Beitragsleistung nach § 15 FRG zur polnischen Rentenversicherung nicht als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden. Sie sei auch nicht durch die von der Klägerin beigebrachten schriftlichen Erklärungen verschiedener Personen und durch die Aussagen der im Verfahren vernommenen Zeugen glaubhaft gemacht worden. Die Zeit vom 1. Januar bis 14. September 1941 könne nicht als Ausfallzeit der Arbeitslosigkeit angerechnet werden, weil diese nicht eine Beschäftigung oder Tätigkeit unterbrochen habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzungen der § 13 Abs 1 und § 14 Abs 1 SGG sowie der Denkgesetze. Die ehrenamtlichen Richter Sch. und E. seien an der Mitwirkung beim Urteil des LSG vom 29. August 1985 gehindert gewesen. Sie seien ohne Berücksichtigung irgendwelcher Vorschlagslisten lediglich per Auswahl durch Ernennungsurkunden des HessAM vom 7. Juli und 8. August 1983 in ihr Amt berufen worden. Die Ernennung aufgrund von Vorschlagslisten mit der anderthalbfachen Zahl der festgesetzten Höchstzahl der ehrenamtlichen Richter gemäß § 14 Abs 1 SGG sei erstmals mit Schreiben des HessAM vom 22. April 1985 rückwirkend ab 1. April 1985 angeordnet worden. § 14 Abs 1 SGG habe aber bereits früher eine solche Ernennung vorgesehen. Zwar handele es sich hierbei lediglich um eine Sollvorschrift. Ein Verstoß gegen sie führe aber dann zur Ungültigkeit der nach § 13 Abs 1 SGG ausgesprochenen Berufungen, wenn die vor dem 1. April 1985 geübte Berufungspraxis des HessAM mit Sinn und Zweck der Vorschrift unvereinbar sei. Das sei hier der Fall. Denkgesetze habe das LSG dadurch verletzt, daß es das Wort "Taschengeld" so gewertet habe, wie es dem § 110 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entspreche. Diese Auslegung sei unzutreffend. Ausgehend von der Parallelwertung in der Laiensphäre und unter Berücksichtigung der damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse schließe das Wort "Taschengeld" im Zusammenhang mit ihrer (der Klägerin) Tätigkeit auf dem elterlichen Bauernhof vom 1. September 1935 bis 30. August 1938 die Zahlung von Versicherungspflichtbeiträgen durch die Eltern nicht aus. Das gelte um so mehr, als mit "Taschengeld" nur der bare Teil ihres Einkommens bezeichnet worden sei und sie daneben weitere Leistungen zur Befriedigung aller materiellen Bedürfnisse erhalten habe. Das LSG hätte zur Frage der Beitragsentrichtung zumindest die weiteren Beweisangebote verwerten müssen.
Die Klägerin beantragt nach dem Sinn ihres Vorbringens, die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. August 1985 und des Sozialgerichts Kassel vom 12. März 1982 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 1. März 1984 zu verurteilen, die ihr (Klägerin) gewährte Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Anrechnung der Zeit vom 1. September 1935 bis 30. August 1938 als zusätzliche Versicherungszeit und der Zeit vom 1. Januar bis 14. September 1941 als Ausfallzeit neu festzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie meint, die Mitwirkung von vor dem 1. April 1985 vom HessAM berufenen ehrenamtlichen Richtern an dem angefochtenen Urteil sei insbesondere in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Bei dem von der Revision geltend gemachten Verstoß gegen Denkgesetze handele es sich um eine verkappte Beweiswürdigungsfrage. Der Klägerin gehe es nicht um eine andere Subsumtion feststehender Tatsachen unter bestimmte Rechtsnormen, sondern um die geänderte Darstellung der Tatsachen selbst.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) erklärt.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat im Rahmen seiner Sachentscheidung zunächst Ziffer I des Tenors des angefochtenen Urteils gemäß § 138 Satz 1 SGG wegen offenbarer Unrichtigkeit dahin berichtigt, daß auch die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 1. März 1984 abgewiesen wird.
Nach § 138 Satz 1 SGG sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit von Amts wegen zu berichtigen. Dabei ist die Berichtigung einer einem Schreib- oder Rechenfehler "ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit" nur unter zwei kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen zulässig. Einmal darf es sich bei der Unrichtigkeit nicht um einen auf einer unrichtigen Tatsachenwertung oder auf einem Rechtsirrtum beruhenden Fehler in der Willensbildung des Gerichts handeln. Die Berichtigung ist kein Mittel zur Änderung einer nachträglich als unrichtig erkannten Entscheidung. Berichtigungsfähig sind vielmehr ausschließlich die einem "mechanischen Versehen" gleichzuerachtenden Erklärungsmängel oder Fehler im Ausdruck des Willens, die zu dem Erklärungswillen erkennbar in Widerspruch stehen (vgl BSGE 15, 96, 98 f = SozR Nr 28 zu § 77 SGG; BSG SozR Nrn 36 und 48 zu § 77 SGG; BSGE 24, 203, 204 = SozR Nr 50 zu § 77 SGG; BSG SozR Nr 81 zu § 77 SGG; BSGE 46, 34, 39; 49, 51, 54 = SozR 2200 § 1423 Nr 10 S 18). Zum anderen muß die Unrichtigkeit "offenbar" sein. Der Fehler im Ausdruck des Gewollten muß als solcher auch einem verständigen Außenstehenden klar erkennbar sein. Bereits Zweifel dahingehend, daß die Unrichtigkeit möglicherweise auf einer unrichtigen Tatsachenwertung oder auf einem Rechtsirrtum beruht, schließen die Möglichkeit einer Berichtigung aus (BSGE 11, 146, 148; 15, 96, 99 f = SozR Nr 28 zu § 77 SGG; BSG SozR Nr 37 zu § 150 SGG; BSG SozR Nrn 36 und 48 zu § 77 SGG; BSGE 24, 203, 204 = SozR Nr 50 zu § 77 SGG; BSG SozR Nr 81 zu § 77 SGG).
Ziffer I des Tenors des angefochtenen Urteils weist insofern, als darin nicht ausdrücklich auch die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 1. März 1984 abgewiesen worden ist, eine offenbare Unrichtigkeit in dem vorgenannten Sinne auf. Das LSG hat in den Gründen seines Urteils vom 29. August 1985 (S 5) ausgeführt, die Berufung der Klägerin sei "ebenso wie die Klage gegen den Bescheid vom 1. März 1984, der in entsprechender Anwendung der §§ 96 Abs 1, 153 Abs 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist (vgl Urteil des Bundessozialgerichts -BSG- vom 24. November 1978 - 11 RA 9/78 -), sachlich unbegründet". Es hat damit unmißverständlich seinen Willen zum Ausdruck gebracht zu entscheiden, daß der Bescheid vom 1. März 1984 nach dem gemäß § 153 Abs 1 SGG im Berufungsverfahren entsprechend anwendbaren § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, über ihn kraft Klage zu entscheiden und diese Klage unbegründet ist. Dies trifft hinsichtlich der prozessualen Behandlung des Bescheides vom 1. März 1984 zu. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (erstmals in BSGE 47, 168, 170 f = SozR 1500 § 96 Nr 13 S 20 f; zu den nachfolgenden Entscheidungen vgl Urteil des erkennenden Senats in BSG SozR 1500 § 77 Nr 61 S 57 f mwN) wird, jedenfalls soweit dies nicht dem ausdrücklich erklärten Willen der Beteiligten widerspricht, ein Rentenbescheid, der während eines Vormerkungs-, Herstellungs- oder Wiederherstellungsverfahrens erlassen worden ist, regelmäßig Gegenstand des deswegen anhängigen Rechtsstreits. Wird ein gemäß § 96 Abs 1 SGG in das Verfahren einbezogener Bescheid erst während der Anhängigkeit des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz erlassen, so hat das Berufungsgericht über diesen neuen Bescheid als erste Instanz kraft Klage zu entscheiden (seit BSGE 18, 231, 234 f = SozR Nr 17 zu § 96 SGG ständige Rechtsprechung; vgl etwa BSG SozR 1500 § 146 Nr 14 S 29 mit zahlreichen Nachweisen). Beides hat das LSG ausweislich der Gründe des angefochtenen Urteils zutreffend erkannt.
Es hat dieser Erkenntnis indes insofern nicht Rechnung getragen, als es im Tenor seines Urteil vom 29. August 1985 nicht ausdrücklich die Klage gegen den Bescheid vom 1. März 1984 abgewiesen hat. Das ist, wie sich aus dem Widerspruch dieser Unterlassung zu den Ausführungen in den Urteilsgründen ergibt, ein ersichtlich technisches Versehen bei dem Ausdruck des wirklich Gewollten und nicht ein Fehler in der Willensbildung. Diese Unrichtigkeit ist offenbar. Sie wird - auch einem verständigen Dritten - allein aufgrund der Lektüre des angefochtenen Urteils erkennbar, ohne daß es der - an sich zulässigen (vgl BSGE 46, 34, 39) - Heranziehung weiterer Umstände zur Ermittlung der vom LSG gewollten Entscheidung bedarf.
Der Senat ist von sich aus zur Berichtigung dieser offenbaren Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils befugt. Offenbare Unrichtigkeiten können von der höheren Instanz berichtigt werden, solange ein Rechtsstreit vor ihr schwebt und solange sie mit der Sache befaßt ist (BSGE 11, 146, 148). Das gilt auch für das Revisionsgericht, sofern für die Berichtigung neue tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind. Unter dieser Voraussetzung ist die Berichtigung eines angefochtenen vorinstanzlichen Urteils im Rahmen der Entscheidung über das Rechtsmittel vorzunehmen (BSGE 46, 34, 40 = SozR 1500 § 138 Nr 3 S 2). Tatsächliche Feststellungen zur Ermittlung der aufgezeigten offenbaren Unrichtigkeit im Urteil des LSG vom 29. August 1985 sind nicht erforderlich. Der Senat hat somit die Berichtigung dieses Urteils im Rahmen der Entscheidung über die Revision der Klägerin vornehmen dürfen und vorgenommen.
Die durch Zulassung statthafte Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
Der von der Klägerin erhobenen Rüge einer Verletzung der § 13 Abs 1 und § 14 Abs 1 SGG anläßlich der Berufung der am angefochtenen Urteil beteiligten ehrenamtlichen Richter Sch. und E. kann der erkennende Senat nicht sachlich nachgehen. Diese Rüge ist der Klägerin verwehrt.
Das folgt allerdings nicht aus dem nach § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbaren (vgl BSGE 4, 60, 64; 51, 58, 59 = SozR 2200 § 368h Nr 3 S 3) § 295 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Danach kann die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozeßhandlung betreffenden Vorschrift nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die aufgrund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein mußte (Abs 1). Die vorstehende Bestimmung ist nicht anzuwenden, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung eine Partei nicht wirksam verzichten kann (Abs 2).
Die Voraussetzungen des § 295 Abs 1 ZPO sind aus zwei Gründen nicht erfüllt. Einmal hat die Klägerin nicht iS dieser Vorschrift auf die Befolgung der § 13 Abs 1, § 14 Abs 1 SGG und damit auf die Mitwirkung ordnungsgemäß berufener ehrenamtlicher Richter verzichtet. Zwar hat sie auf die Verfügung des Vorsitzenden des beim LSG zuständigen Senats vom 13. August 1985 mitgeteilt, gegen die beabsichtigte Verfahrensweise bestünden keine Bedenken, und ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem LSG am 29. August 1985 auch dort Einwendungen gegen die Besetzung des entscheidenden Senats nicht erhoben. Dieses Verhalten der Klägerin ist jedoch nicht als Verzicht iS des § 295 Abs 1 ZPO zu werten. Es liegt insgesamt in der Zeit vor der Beratung und Verkündung des unter Mitwirkung der nach Ansicht der Klägerin fehlerhaft berufenen ehrenamtlichen Richter ergangenen Urteils. Ein Verzicht kann hingegen nur nachträglich im Anschluß an den Verfahrensverstoß erklärt werden (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 45. Aufl 1987, § 295, Anm 2B; Zöller-Stephan, Zivilprozeßordnung, 15. Aufl 1987, § 295, Rdn 1). Zum anderen ist vorliegend die Anwendung des § 295 Abs 1 ZPO durch Abs 2 der Vorschrift ausgeschlossen. Wären entsprechend der Ansicht der Klägerin die ehrenamtlichen Richter, welche bei dem angefochtenen Urteil mitgewirkt haben, unter Verletzung der § 13 Abs 1, § 14 Abs 1 SGG und somit nicht ordnungsgemäß berufen worden, so wäre der entscheidende Senat des LSG nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen und dadurch der unbedingte Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 551 Nr 1 ZPO) gegeben. Auf die Befolgung der für eine vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen kann iS des § 295 Abs 2 ZPO nicht wirksam verzichtet werden (vgl BVerwG Buchholz 310 § 138 Ziff 1 Nr 20 mwN; BAG MDR 1984, 347).
Die Rüge einer Verletzung der § 13 Abs 1, § 14 Abs 1 SGG ist der Klägerin indes nach dem Grundsatz von Treu und Glauben versagt.
Der insbesondere in § 242 BGB normierte Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht die gesamte Rechtsordnung. Es gilt auch für das Verfahrensrecht und dort insbesondere im Prozeßverfahren (BGHZ 43, 289, 292; 48, 351, 354; aus dem Schrifttum vgl ua Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, Einl III 6 A; Stein-Jonas/Schumann, Zivilprozeßordnung, 20. Aufl 1984, Einl IV D; Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl 1986, § 2 IV, S 11 f, und § 65 VII, S 390 f; Soergel-Teichmann, Bürgerliches Gesetzbuch, Band 2/1, Stand 1986, § 242, Rdn 83 f). Die Heranziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Prozeßrecht kann dazu führen, daß über die bereits im Gesetz (zB in § 295 ZPO) vorgesehenen Möglichkeiten hinaus eine Verwirkung prozessualer Rechte eintritt, wenn eine Prozeßhandlung im Einzelfall vorwerfbar rechtsmißbräuchlich ist (so Zöller-Stephan, aaO, Rdn 13 vor § 128). Eine der Ausprägungen des Grundsatzes von Treu und Glauben ist das Verbot widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium"). Dieses Verbot kann auch im Verfahrensrecht Geltung beanspruchen und bewirken, daß die in einem unlösbaren Widerspruch zu seinem früheren Verhalten stehende Prozeßhandlung eines Beteiligten wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unbeachtlich ist (BGHZ 50, 191, 196; zum Verbot widersprüchlichen Verhaltens im Prozeßrecht eingehend Soergel-Teichmann, aaO, Rdn 90 und 91; Stein-Jonas/Schumann, aaO, Rdn 251 bis 253; zum Ausschluß einer Revisionsrüge wegen Widerspruchs zum früheren Verhalten des Revisionsklägers vgl BSG SozR 1300 § 105 Nr 1 S 6).
Das muß im vorliegenden Rechtsstreit für die von der Klägerin erhobene Rüge einer Verletzung der § 13 Abs 1, § 14 Abs 1 SGG gelten. Die Klägerin ist durch die Verfügung des Vorsitzenden des entscheidenden Senats des LSG vom 13. August 1985 eingehend auf die Bedenken gegen die vor dem 1. April 1985 im Lande Hessen geübte Praxis der Berufung der ehrenamtlichen Richter im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit hingewiesen worden und hat unter Einräumung einer nach Sachlage angemessenen Frist Gelegenheit zur Äußerung erhalten. Sie hat von dieser Gelegenheit Gebrauch gemacht und in ihrem Schriftsatz vom 23. August 1985 ausdrücklich erklärt, gegen die beabsichtigte Verfahrensweise - dh eine Entscheidung des LSG unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter Sch. und E. - bestünden ihrerseits keine Bedenken. Das LSG hat daraufhin in seinem Beschluß vom 28. August 1985 entschieden, daß die beiden ehrenamtlichen Richter an der Mitwirkung bei der Endentscheidung im vorliegenden Verfahren nicht gehindert seien. Dieser Beschluß ist ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 29. August 1985 vom Vorsitzenden des entscheidenden Senats des LSG verkündet worden. Auch nunmehr hat die Klägerin durch ihren im Termin anwesenden Prozeßbevollmächtigten Einwendungen gegen die Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter Sch. und E. nicht erhoben. Sie hat vielmehr zur Sache verhandelt und einen Sachantrag gestellt. Erstmals in ihrer Revisionsbegründung hat sie die Rüge einer dem § 13 Abs 1, § 14 Abs 1 SGG widersprechenden Berufung der beteiligten ehrenamtlichen Richter erhoben. Dieser Vorgang stellt sich nach seinem objektiven Ablauf so dar, als habe die Klägerin bewußt und gezielt den nach ihrer nunmehrigen Ansicht vorliegenden Mangel des Berufungsverfahrens hingenommen und nicht schon vor dem LSG geltend gemacht, um erst die Revision auf diesen Mangel stützen und ihr damit zum Erfolg verhelfen zu können. Dies steht jedoch in striktem Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten während des Berufungsverfahrens und muß wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben zum Ausschluß der Rüge einer Verletzung der § 13 Abs 1, § 14 Abs 1 SGG führen (zur Unzulässigkeit der bewußten Herbeiführung eines Verfahrensmangels durch das erstinstanzliche Gericht zwecks Eröffnung des Berufungsrechtszuges vgl Urteil des BSG vom 20. Mai 1987 - 10 RKg 11/86 -).
Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin mit dieser Rüge letztlich eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Senats des LSG geltend macht und eine solche nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts einen unbedingten Revisionsgrund iS des § 202 SGG iVm § 551 Nr 1 ZPO darstellt. Verfahrensfehler, welche einen unbedingten Revisionsgrund bilden, sind nicht gleichbedeutend mit von Amts wegen und damit auch ohne entsprechende Rüge eines Beteiligten zu berücksichtigenden Verfahrensmängeln. Bei einer zulässigen Revision hat das Revisionsgericht vor einer Entscheidung über die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen des streitigen Anspruchs zu prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, von denen die Wirksamkeit des Verfahrens als Ganzes abhängt, und dabei auch ohne eine entsprechende Rüge der Beteiligten von Amts wegen insbesondere solche Mängel zu berücksichtigen, die sich aus dem Fehlen der unverzichtbaren Prozeßvoraussetzungen ergeben (BSG SozR 1500 § 150 Nr 18 S 34; 2200 § 1251 Nr 114 S 313 f). Die Rüge eines solchen Mangels kann ipso iure nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, weil er bereits von Amts wegen zu berücksichtigen und somit eine entsprechende Rüge seitens der Beteiligten überhaupt nicht erforderlich ist. Für die Geltendmachung des unbedingten Revisionsgrundes einer infolge fehlerhafter Berufung der ehrenamtlichen Richter nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts gilt dies aber nicht. Zwar hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 5. Juli 1978 (BSGE 47, 13, 15 f = SozR 1750 § 551 Nr 7 S 4) im Anschluß an das Urteil des 3. Senats des BSG vom 13. Juli 1977 (BSGE 44, 133, 135 = SozR 1500 § 31 Nr 1 S 3) für den Fall der Entscheidung durch einen nach der Geschäftsverteilung nicht zuständigen Spruchkörper ausgesprochen, eine solche Entscheidung könne einen unbedingten Revisionsgrund iS des § 551 Nr 1 ZPO bilden, der bei einer zulässigen Revision von Amts wegen zu berücksichtigen sei. Ob daran festgehalten werden kann, bedarf hier nicht der Erörterung. Das angefochtene Urteil ist von dem nach der Geschäftsverteilung des LSG zuständigen Spruchkörper erlassen worden. Streitig ist lediglich die Frage der vorschriftsmäßigen Besetzung dieses Spruchkörpers. Der Mangel einer nicht vorschriftsgemäßen Besetzung des Gerichts gehört jedenfalls nicht zu den von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensfehlern. Das entspricht für den Zivilprozeß allgemeiner Auffassung (vgl BGHZ 2, 278, 279 f; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 551, Anm 1; Thomas-Putzo, Zivilprozeßordnung, 14. Aufl 1986, § 551, Anm 1; Zöller-Schneider, aaO, § 551, Anm 1) und ist ebenso für das sozialgerichtliche Revisionsverfahren wiederholt entschieden worden (vgl BSGE 57, 15, 17 = SozR 1500 § 31 Nr 3 S 6 mit eingehenden Nachweisen). Die Rüge einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des mit der Sache befaßten Senats des LSG muß demnach unter Wahrung der dafür vorgeschriebenen Frist und Form (§ 164 Abs 2 SGG) ausdrücklich erhoben werden. Dann aber kann die Erhebung dieser Rüge auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben insbesondere in seiner Ausprägung als Verbot widersprüchlichen Verhaltens ausgeschlossen sein. Das ist aus den bereits erörterten Gründen vorliegend der Fall.
Die von der Klägerin schließlich erhobene Rüge einer Verletzung der Denkgesetze entspricht nicht den Formerfordernissen einer ordnungsgemäßen Verfahrensrüge. Hierfür ist erforderlich, die Gedankenkette des LSG, die zu der ablehnenden Entscheidung geführt hat, unter Angabe der Fundstellen in dem angefochtenen Urteil vollständig wiederzugeben und genau auszuführen, an welcher Stelle und wodurch sich die Gedankenführung des Gerichts zu allgemeinen Denkgesetzen in Widerspruch setzt (BSG SozR Nr 47 zu § 164 SGG; BSGE 48, 228, 230 = SozR 2200 § 548 Nr 46 S 122). Denkgesetze sind nicht schon bei jeder unrichtigen Schlußfolgerung, sondern nur dann verletzt, wenn aus dem festgestellten Sachverhalt denkmöglich nur eine einzige Schlußfolgerung gezogen werden kann. Sind hingegen mehrere verschiedene Schlußfolgerungen denkbar, und hält das Tatsachengericht eine von ihnen für die richtige oder auch nur wahrscheinlich richtige, so liegt nicht ein Verstoß gegen Denkgesetze, sondern eine denkgesetzlich zulässige Beweiswürdigung vor (vgl BSG SozSich 1985, 346; Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl 1986, § 108, Rdn 8; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 3. Aufl 1987, § 128, Rdn 12 mwN).
Eine Verletzung der Denkgesetze in diesem Sinne hat die Klägerin nicht formgerecht gerügt. Sie erblickt eine solche Verletzung darin, daß das LSG den Begriff des "Taschengeldes" so gewertet habe, wie es dem § 110 BGB entspreche, und dabei außer acht gelassen habe, daß mit diesem Begriff nur der bare Teil des Einkommens zu bezeichnen sei, welches sie (Klägerin) neben anderen Leistungen für ihre Arbeit in der elterlichen Landwirtschaft erhalten habe. Indes hat sie mit diesem Vorbringen keine Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, daß die vom LSG aus dem festgestellten Sachverhalt gezogene Schlußfolgerung, sie (Klägerin) habe während ihrer Tätigkeit im Landwirtschaftsbetrieb der Eltern lediglich einen zur Befriedigung geringfügiger Lebensbedürfnisse bestimmten Geldbetrag erhalten, denkgesetzlich ausgeschlossen und allein die Schlußfolgerung denkmöglich ist, daß sie während dieser Zeit Arbeitsentgelt bezogen und damit in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Die Klägerin selbst schließt die erstgenannte Möglichkeit nicht aus und ist lediglich der Ansicht, es bedürfe insofern einer Verwertung der weiteren Beweisangebote.
Die Revision der Klägerin erweist sich nach alledem als unbegründet und ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen