Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 12.04.1956) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. April 1956 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
I
Der Ehemann der Klägerin unterhält seit 1950 in der Innenstadt von E. eine Praxis als Augenarzt. Er wohnt mit seiner Familie in K. Die Klägerin ist ebenfalls Ärztin, auf augenärztlichem Gebiet hatte sie allerdings nur eine halbjährige Spezialausbildung erhalten, war also in der Zeit, für die der Sachverhalt zu beurteilen ist, nicht Augenfachärztin, Nach Ihrer Eheschließung war sie zunächst ausschließlich als Hausfrau tätig. Im Jahre; 1951 übernahm sie zur finanziellen Unterstützung ihres Ehemannes, der beim Aufbau von Praxis und Wohnung auf Kredite angewiesen war, nacheinander kurzfristige Vertretungen von vier Augenärzten in L. D., M. und L.. Im Dezember 1951 erkrankte der Ehemann der Klägerin an exsudativer Pleuritis (Brustfellentzündung) und war nicht mehr imstande, seine Praxis auszuüben. Um die Kosten für einen fachlich ausgebildeten Vertreter zu sparen, übernahm die Klägerin die Praxisvertretung. Ihr Ehemann teilte der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung O. am 18. April 1952 mit er trage im Hinblick auf die Fachkenntnisse und die außerordentliche Gewissenhaftigkeit der Klägerin keine Bedenken, die Vertretung von ihr durchführen zu lassen, zumal da die Praxis vorwiegend Brillenfälle und leichtere Erkrankungen aufweise und Essener Kollegen sich bereit erklärt hätten, beim Auftreten unklarer Fälle konsiliarisch tätig zu werden. Am 15. September 1952 erkrankte die Klägerin an Kinderlähmung, die – wie die Beklagte zugibt – auf Ansteckung durch Patienten zurückzuführen ist, Entschädigungsansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 24. Februar 1954 mit der Begründung ab, die Klägerin sei als Vertreterin ihres Ehemannes freiberuflich tätig und deshalb nach § 541 Nr. 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht versichere gewesen.
Mit der hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin vorgebracht: Sie sei als Vertreterin ihres erkrankten Ehemannes nicht selbständig gewesen, habe vielmehr nur „Nothilfe” geleistet. Dabei habe sie in erheblichem Maße den Rat ihres Ehemannes und anderer Essener Fachärzte in Anspruch nehmen müssen. Allabendlich habe sie ihrem Ehemann über die Fälle berichtet. Ihr Ehemann habe, um als Berater verfügbar zu bleiben, seine eigene Heilstättenbehandlung bis zum Ende ihrer Tätigkeit in der Praxis hinausgeschoben. Durch ihre langjährige Tätigkeit als Hausfrau habe sie den Beruf einer Ärztin praktisch aufgegeben und zähle daher nicht zu dem Personenkreis, der nach § 541 Nr. 5 RVO vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sei. Auch bei den vorausgegangenen vier Vertretungen sei sie nicht wie ein freiberuflicher Arzt tätig geworden.
Das Sozialgericht (SG.) Düsseldorf ist der Auffassung der Beklagten, daß die Klägerin freiberuflich tätig und deshalb nicht versichert gewesen sei, beigetreten. Es hat durch Urteil vom 15. September 1955 die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG.) hat in seinem Urteil vom 12. April 1956 im wesentlichen ausgeführt: Ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 537 Nr. 1 RVO habe nicht bestanden. Dem Vorbringen der Klägerin sei nicht zu entnehmen, daß sie bei ihrer Tätigkeit den Weisungen und der Überwachung durch ihren Ehemann unterlegen habe. Die Klägerin habe vielmehr selbständig und eigenverantwortlich gehandelt, wie es dem Wesen des ärztlichen Berufes entspreche. Obwohl sie nicht Fachärztin gewesen sei, habe es in ihrer Entscheidung gestanden, welche ärztlichen Anordnungen sie nach der Diagnose habe treffen wollen. Es sei unerheblich, daß sie in höherem Maße als es der allgemeinen Gepflogenheit unter Ärzten entspreche, den Rat ihres Ehemannes oder anderer Ärzte eingeholt oder auch in schwierigen Fällen Patienten möglicherweise nicht selbst weiterbehandelt und sich chirurgischer Eingriffe enthalten habe. Denn die Entscheidung, ob und in welcher Form ein solcher Rat erforderlich gewesen sei oder ob ihre eigenen Fachkenntnisse zur weiteren Behandlung ausgereicht hätten, habe in ihrem eigenen ärztlichen Ermessen gestanden. Für die Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit sei auch nicht entscheidend, ob die Klägerin nach ihrer Fähigkeit und Ausbildung in der Lage war, die Praxis ordnungsgemäß zu verwalten. Abgesehen davon lasse das Schreiben ihres Ehemannes an die Kassenärztliche Vereinigung erkennen, daß er sie für fähig gehalten habe, eine Fachpraxis in der üblichen Weise als Vertreterin auszuüben. In diesem Schreiben sei im übrigen darauf hingewiesen worden, daß es üblich sei, Ärzte ohne abgeschlossene Fachausbildung auch zu Vertretern von Fachärzten zu bestellen. Daraus ergebe sich, daß Nichtfachärzte als Vertreter in Fachpraxen tätig würden, deren Inhaber unter Umständen nicht einmal zur Erteilung von Ratschlägen verfügbar seien. Dort könnten Zweifel an der persönlichen Unabhängigkeit des Vertreters von vornherein nicht auf tauchen. Eine vom Normalfall abweichende Beurteilung sei nicht aus dem Umstand herzuleiten, daß im Falle der Klägerin der Ehemann Praxisinhaber gewesen sei und in schwierigen Fällen Rat erteilt habe. Versicherungsschutz bestehe auch nicht nach § 537 Nr. 2 RVO, da der Ausnahmefall des § 541 Nr. 5 RVO gegeben sei. Die Klägerin sei, da sie wie der Praxisinhaber eine persönlich unabhängige Stellung eingenommen habe, freiberuflich tätig gewesen. Unerheblich sei, daß die Klägerin den ärztlichen Beruf längere Zeit hindurch nicht ausgeübt habe. Zwar sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß die in § 541 Nr. 5 RVO aufgeführten Personen in der Regel selbst für Versicherungsschutz sorgen könnten und gesorgt haben. Das schließe aber die Anwendung auf nur im Einzelfall freiberuflich tätig werdende Ärzte nicht aus.
Das LSG. hat die Revision zugelassen. Das Urteil ist der Klägerin am 16. Mai 1956 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 5. Juni 1956 Revision eingelegt und diese am 21. Juni 1956 begründet.
Die Revision rügt Verletzung der §§ 537 Nr. 1 und 541 Nr. 5 RVO. Hierzu führt sie aus: Wenn das LSG. die der Klägerin auferlegten Beschränkungen in der Ausübung der Praxis, insbesondere das Verbot, Operationen durchzuführen und schwierige Fälle zu behandeln, sowie die Weisung, allabendlich die Ratschläge ihres Ehemannes einzuholen, richtig gewürdigt hätte, wäre es zur Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses gekommen. § 541 Nr. 5 RVO treffe auf die Klägerin nicht zu, weil sie nicht als freiberufliche Ärztin, sondern als Ehefrau des Praxisinhabers, der einen anderen Vertreter nicht hätte entlohnen können, tätig geworden sei. Die Klägerin habe keinen Arbeitsvertrag abgeschlossen und kein Entgelt erhalten; lediglich aus steuerlichen Gründen sei eine Entlohnung von täglich 25,– DM deklariert worden.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen der Kinderlähmung Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich im wesentlichen auf die Begründung des angefochtenen Urteils.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–), sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, also zulässig. Sie hatte jedoch keinen Erfolg.
Nach § 537 Nr. 2 RVO stehen zwar grundsätzlich alle im Gesundheitswesen Tätigen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, eine Sonderregelung gilt jedoch nach § 541 Nr. 5 RVO u. a. für Ärzte; diese sind bei ihrer freiberuflichen Tätigkeit versicherungsfrei. Der Entschädigungsanspruch der an Kinderlähmung erkrankten Klägerin wäre daher nur begründet, wenn sie in der augenärztllichen Praxis ihres Ehemannes auf Grund eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt (§ 537 Nr. 1 RVO) oder aus einem anderen Grunde nicht freiberuflich tätig gewesen wäre.
Das LSG. hat aus den getroffenen Feststellungen mit Recht gefolgert, daß ein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 537 Nr. 1 RVO zwischen dem Ehemann der Klägerin als dem Praxisinhaber und der Klägerin als seiner Vertreterin nicht vorlag. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind die im Unternehmen mittätigen Ehegatten des Unternehmers diesem hinsichtlich des Versicherungsschutzes grundsätzlich gleichgestellt. So umfaßt die kraft Gesetzes bestehende Versicherung für Hausgewerbetreibende, landwirtschaftliche Unternehmer und Kleinunternehmer der Seefischerei (§ 537 Nr. 7, 8 und 9 RVO) auch die mittätigen Ehegatten. Auch die Berechtigung der Berufsgenossenschaft, durch die Satzung die Unternehmer einer Pflichtversicherung zu unterwerfen, gilt in gleicher Weise für mittätige Ehegatten (§ 538 RVO). Schließlich haben das Recht zur freiwilligen Versicherung (§ 539 RVO) nicht nur die Unternehmer selbst, sondern auch ihre im Unternehmen mittätigen Ehegatten. Schon diese Regelungen lassen es zweifelhaft erscheinen, ob in der gesetzlichen Unfallversicherung überhaupt Raum für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Unternehmer und seinem im Unternehmen mittätigen Ehegatten ist. Dies gilt um so mehr, als auch auf dem Gebiet des Arbeitsrechts ein Arbeitsverhältnis zwischen Ehegatten nur ausnahmsweise und nur unter besonderen Voraussetzungen angenommen wird (vgl. Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 6. Aufl., Bd. 1 S. 47, und Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl., Bd. 1 S. 95 ff.). Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits kommt es jedoch auf die Beantwortung dieser Frage nicht an; es kann auch dahingestellt bleiben, ob § 159 RVO, wonach die Beschäftigung eines Ehegatten durch den anderen grundsätzlich keine Versicherungspflicht begründet, noch gilt. Einer Entscheidung dieser Fragen bedurfte es nicht, weil der vom LSG. festgestellte Sachverhalt die Annahme eines durch das Merkmal der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit gekennzeichneten Arbeitsverhältnisses (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, 2. Aufl., § 537 Anm. 10) nicht rechtfertigt. Wie die Revision selbst vorträgt, ist zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann kein Arbeitsvertrag abgeschlossen worden. Allerdings könnte auch ohne einen solchen ein Arbeitsverhältnis vorliegen, wenn nach der tatsächlichen Gestaltung der Vertretung die Klägerin insbesondere in persönlicher Abhängigkeit von ihrem Ehemann tätig geworden wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Stellung der Klägerin entsprach der eines selbstverantwortlich handelnden Arztvertreters, der in der ärztlichen Behandlung der Patienten nicht der Überwachung und den Weisungen des Praxisinhabers unterlag, sondern frei entscheiden konnte. Die Eigenverantwortlichkeit in der Krankenbehandlung bedeutet für sich allein allerdings noch kein entscheidendes Merkmal für persönliche Unabhängigkeit. Denn ein derartiges Recht kann beispielsweise auch dem Chefarzt eines Krankenhauses oder einer Krankenhausabteilung, der in der Regel nicht selbständig tätig wird, sondern als Angestellter in leitender Stellung anzusehen ist, vertraglich eingeräumt sein. Ein solcher Arzt unterliegt jedoch hinsichtlich der Einteilung und Ausführung seiner Arbeiten bestimmten Verpflichtungen und Weisungen. Er muß z. B. pünktlich im Dienst sein, ist zur Behandlung aller Kranken seiner Station verpflichtet und trägt das Risiko, daß im Falle von Pflichtverletzungen sein Arbeitsverhältnis gekündigt wird. In ein solches System von Verpflichtungen war die Klägerin nicht eingespannt. Vor allem konnte sie frei darüber entscheiden, welche Behandlungsfälle sie übernehmen wollte. Es kam auch nach Lage der Dinge keine „Kündigung” für den Fall in Betracht, daß die Klägerin wegen ihrer Inanspruchnahme als Hausfrau oder aus sonstigen Gründen die Sprechstunden nur unpünktlich oder unregelmäßig wahrgenommen hätte; denn nach dem Vorbringen der Revision war der Ehemann der Klägerin aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, einen anderen Vertreter, der hätte entlohnt werden müssen, mit der Weiterführung der Praxis zu beauftragen. Demgegenüber wurde die Selbständigkeit der Klägerin nicht dadurch in Frage gestellt, daß sie sich in organisatorischer Hinsicht insofern in die unter dem Namen ihres Ehemannes geführte Praxis einordnete, als sie sich – was unterstellt werden kann – an die festgelegten Sprechstunden hielt, sich der vorhandenen Hilfskräfte und Geräte bediente und im Namen und für Rechnung des Praxisinhabers mit der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnete.
Diese Äußerlichkeiten begründeten kein Abhängigkeitsverhältnis der Klägerin zu dem Praxisinhaber. Vor allem ist es kein unabdingbares Begriffsmerkmal selbständiger Tätigkeit, daß sie für Rechnung des Tätigen ausgeführt wird, Dies gilt für den zu entscheidenden Fall um so mehr, als die Einkünfte aus der von der Klägerin weitergeführten Praxis beiden Ehegatten zugute kamen. Tatsächlich unterschied sich die Tätigkeit der Klägerin von der früheren Tätigkeit ihres Ehemannes nur dadurch, daß sie – wie das LSG. für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG) festgestellt hat sich operativer Eingriffe zu enthalten hatte, in schwierigen Fällen die Patienten nicht weiterbehandeln durfte und weitgehend den Rat ihres Ehemannes oder Essener Fachkollegen in Anspruch nehmen sollte. Diese besonderen Weisungen begründeten jedoch keine persönliche Abhängigkeit der Klägerin von ihrem Ehemann. Die Anweisung, sich operativer Eingriffe zu enthalten, war durch die nicht abgeschlossene Fachausbildung der Klägerin zu erklären und bedeutete, daß dieses – im übrigen nach den Erklärungen des Ehemannes der Klägerin gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung umfänglich nicht ins Gewicht fallende – Teilgebiet der Praxis von der Übertragung an die Klägerin ausgenommen worden war. Auf dem ihr übertragenen Gebiet der leichteren Augenerkrankungen und der Brillenfälle lag in der Weisung, erforderlichenfalls die Behandlung einzustellen oder kollegialen Rat einzuholen, insofern keine Beeinträchtigung der ärztlichen Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit, als die Beurteilung, ob ihre eigenen Fachkenntnisse zur weiteren Behandlung eines Patienten ausreichten, dem ärztlichen Ermessen der Klägerin selbst überlassen war. Zudem hat das LSG. mit Recht darauf hingewiesen, daß die Einholung von kollegialen Ratschlägen der ärztlichen Gepflogenheit entspricht und die Selbständigkeit des ratsuchenden Arztes nicht berührt. Dies gilt auch für den Fall, daß die Klägerin in höherem Maße als üblich sich des Rates ihres Ehemannes oder anderer Augenärzte bedient haben mochte. Endlich steht der Selbständigkeit der Klägerin nicht entgegen, daß sie im Jahre 1952 noch keine abgeschlossene augenärztliche Fachausbildung hatte. Abgesehen davon, daß sie schon vorher vier Augenärzte in der üblichen Weise vertreten hatte, läßt sich auch dem Schreiben ihres Ehemannes an die Kassenärztliche Vereinigung entnehmen, daß gegen ihre Tätigkeit als Praxisvertreterin keine Bedenken bestanden und daß die Vertretung eines Facharztes durch einen Arzt ohne abgeschlossene Fachausbildung üblich ist.
Nach alledem liegen nach der Auffassung des Senats keine Umstände vor, die es gerechtfertigt erscheinen ließen, die Klägerin in der Ausübung der augenärztlichen Praxis ihres Ehemannes als persönlich abhängige und somit auf Grund eines Arbeitsverhältnisses Beschäftigte anzusehen.
Dementsprechend hat auch der 3. Senat des Bundessozialgerichts (BSG,) in einem Urteil vom 27. Mai 1959 entschieden, daß der Vertreter eines niedergelassenen Arztes grundsätzlich nicht dem für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis wesentlichen Direktionsrecht des Praxisinhabers unterliege und deshalb in der Regel nicht in der Krankenversicherung versicherungspflichtig sei (BSG, 10 S. 41). Diese Rechtsprechung zu § 165 RVO deckt sich mit der herrschenden Auffassung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, vor allem derjenigen der Landessozialgerichte (vgl. LSG. Nordrhein-Westfalen, WzS. 1955 S. 159; LSG, Berlin, „Ärztliche Mitteilungen” [ÄM] 1955 S. 593; LSG. Hamburg, ÄM, 1956 S. 158 = Breithaupt 1956 S. 332; Hess. LSG., ÄM. 1956 S. 367 = „Der Betriebsberater” 1956 S. 405; LSG. Schleswig, Blätter für Steuerrecht, Arbeitsrecht und Sozialversicherung 1957 S. 381). In ähnlicher Weise wird in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in Fortführung der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs der Vertreter eines freiberuflich tätigen Arztes in der Regel als selbständig und daher einkommensteuerpflichtig angesehen (Bundessteuerblatt 1953 Teil III S. 142).
Ist die Klägerin somit in der Ausübung der augenärztlichen Praxis ihres Ehemannes nicht als abhängig Beschäftigte, sondern selbständig tätig geworden, so sind auch die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit nach § 541 Nr. 5 RVO gegeben. Nach der Auffassung des Senats bedeutet nämlich freiberufliche Tätigkeit das gleiche wie selbständige Tätigkeit (so offenbar auch Lauterbach a.a.O. § 537 Anm. 17). Für diese Gleichstellung spricht auch, daß in § 540 Nr. 4 des Entwurfs des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Drucksache 758) der Begriff „freiberufliche Tätigkeit” durch den Begriff „selbständige berufliche Tätigkeit” ersetzt wurde, ohne daß damit mehr als eine Klarstellung beabsichtigt war (vgl. Begründung zu § 540 Nr. 4, Drucksache 758 S. 52).
Den Ausführungen der Revision, von freiberuflicher Tätigkeit könne bei der Klägerin nicht gesprochen werden, weil sie in erster Linie Hausfrau und nur deswegen in ihrem ärztlichen Beruf tätig geworden sei, weil ein Notstand der Familie sie dazu gezwungen habe, vermochte der Senat nicht zu folgen. Auf die Beweggründe, welche die Klägerin zur Aufnahme ihrer Tätigkeit veranlaßt haben, kommt es nicht an. Entscheidend ist, daß sie den erlernten Arztberuf nicht in persönlicher Abhängigkeit von einem Vorgesetzten oder Unternehmer, sondern selbständig und in der bei freipraktizierenden Ärzten üblichen Weise – wenn auch nach ihrer anfänglichen Vorstellung nur vorübergehend – ausgeübt hat. Im übrigen hat sie damit denselben Zweck verfolgt wie der Praxisinhaber, nämlich die Praxis aufrechtzuerhalten und dadurch die Existenz der Familie zu sichern.
Schließlich ist dem LSG. auch darin beizupflichten, daß sich aus den Erwägungen, die den Gesetzgeber veranlaßt haben, den Personenkreis des § 541 Nr. 5 RVO für versicherungsfrei zu erklären, nichts für den Rechtsstandpunkt der Revision herleiten läßt. Die gesetzgebenden Organe hielten die Regelung des § 541 Nr. 5 RVO für gerechtfertigt, weil den angeführten Personengruppen im allgemeinen andere Schutz und Sicherungsmöglichkeiten in angemessenem Umfang zur Verfügung stehen (vgl. Jantz, AN. 1942 S. 209). Daraus läßt sich nicht folgern, daß ein approbierter Arzt, der nur vorübergehend und dazu noch unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten freiberuflich tätig wird und aus diesen Gründen davon absieht, sich durch Abschluß eines Privatversicherungsvertrages gegen die Gefahren der Berufsausübung zu sichern, von der gesetzlich festgelegten Versicherungsfreiheit ausgenommen wäre.
Ein Versicherungsschutz für die Klägerin kann auch nicht – was das LSG. nicht geprüft hat – aus § 537 Nr. 10 in Verbindung mit Nr. 1 RVO hergeleitet werden. Die Klägerin ist in der Praxis ihres Ehemannes nicht „wie” ein in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis Tätiger, sondern anstelle ihres Ehemannes, also „wie” der Praxisinhaber selbst oder ein anderer selbständiger Praxisvertreter tätig geworden. Ob nach § 537 Nr. 10 in Verbindung mit § 537 Nrn. 8, 9, §§ 538, 539 RVO ein Versicherungsschutz für Personen begründet werden kann, die „wie” ein Unternehmer tätig werden, bedurfte nicht der Prüfung, weil die als „Unternehmer” einer Arztpraxis tätigen Ärzte durch § 541 Nr. 5 RVO vom Versicherungsschutz ausgenommen sind.
Die Revision mußte hiernach als unbegründet zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten ergeht in Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen