Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschrift des § 63 SGB 10 über die Erstattung von Kosten im Vorverfahren findet in der kassenärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung Anwendung, soweit Abweichendes nicht bestimmt ist.
2. Zur Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten.
Normenkette
SGB 10 § 63 Abs 1 S 1; VwVfG § 80 Abs 2; RVO § 368n Abs 5 S 3; EKV-Z §§ 13, 17; SGB 10 § 63 Abs 2; SGB 10 § 63 Abs 3 S 2
Verfahrensgang
SG Münster (Entscheidung vom 27.01.1987; Aktenzeichen S 12 Ka 67/82) |
Tatbestand
In diesem Rechtsstreit geht es um die Anwendung des § 63 des Sozialgesetzbuches - Zehntes Buch - (SGB X) in einem Prüfungsverfahren nach den §§ 13 ff des Ersatzkassenvertrages-Zahnärzte (EKV-Z).
Der Kläger ist als Vertragszahnarzt an der Versorgung der bei den Ersatzkassen Versicherten und ihrer anspruchsberechtigten Familienangehörigen beteiligt. Seine das Quartal IV/1980 betreffende Honorarabrechnung nach dem Gebührentarif A (Anlage 1 des EKV-Z) wurde von dem für seinen Niederlassungsort zuständigen Ortsausschuß des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) beanstandet. Der bei der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) gebildete VdAK-Prüfungsausschuß erkannte jedoch die Abrechnung uneingeschränkt an. Gegen die Anerkennung wandte sich die Barmer Ersatzkasse (BEK), die Beigeladene zu 1). Sie machte geltend, die im einzelnen bezeichneten Leistungen seien nicht nach Gebührentarif A, sondern, wenn überhaupt, nach Gebührentarif D (Anlage 14 des EKV-Z) abzurechnen. Aus den von ihr bereits früher vorgetragenen Gründen werde jedoch die Abrechnung der gesamten Kosten in Höhe von 435,84 DM abgelehnt. Sollte über ihren Antrag auf Beseitigung der offenbaren Unrichtigkeit nicht verwaltungsmäßig entschieden werden können, so erhebe sie hiermit Widerspruch nach § 17 Ziffer 1 EKV-Z.
Der Kläger beauftragte einen Rechtsanwalt, seinen späteren Prozeßbevollmächtigten, mit der Wahrnehmung seiner Rechte. Dieser beantragte, den Widerspruch zurückzuweisen und eine Kostenentscheidung nach § 63 SGB X zu treffen.
Nach mündlicher Verhandlung beschloß der Prüfungsausschuß, daß dem Widerspruch abgeholfen werde; dem Kläger werde der Hinweis erteilt, künftig seine Leistungen über das den entsprechenden Gebührentarifen zugehörige Formular abzurechnen. Eine Kostenentscheidung nach § 63 SGB X traf er nicht, weil als Vorverfahren iS des SGB und des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erst das Verfahren vor dem Prüfungsbeschwerdeausschuß anzusehen sei. Im übrigen führte er aus: Die von der BEK (in erster Linie) begehrte Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit sei nicht möglich, denn es liege keine fehlerhafte Anwendung des Rechensystems vor. Bestünden Zweifel an der Abrechnungsfähigkeit einer Leistung, so handele es sich im weiteren Sinne um eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Es sei deshalb auf den Widerspruch der BEK nach § 17 Ziffer 1 EKV-Z zu entscheiden. Die diagnostischen kieferorthopädischen Leistungen könnten in Ausnahmefällen durchaus über den Behandlungsausweis nach dem Gebührentarif A abgerechnet werden. Ein solcher Ausnahmefall liege hier vor. Außerdem habe der Vertragszahnarzt einen Anspruch auf Honorierung erbrachter diagnostischer Leistungen. Es werde jedoch für erforderlich gehalten, den Kläger darauf hinzuweisen, erbrachte Leistungen über das entsprechende Abrechnungsformular des jeweiligen Gebührentarifs abzurechnen. Die Widerspruchsführerin sehe diese Entscheidung als Abhilfe ihres Widerspruchs an (Beschluß vom 3. Juni 1981/Bescheid vom 2. November 1981).
Der Kläger erhob Widerspruch, soweit der Bescheid des Prüfungsausschusses keine Kostengrundentscheidung nach § 63 SGB X enthält. Er habe im Widerspruchsverfahren obsiegt, so daß ihm seine notwendigen Aufwendungen einschließlich diejenigen für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zu erstatten seien. Der Prüfungsbeschwerdeausschuß gab dem Widerspruch nicht statt. Er teilte die Auffassung des Prüfungsausschusses. Er wies ergänzend darauf hin, daß ein den Kläger belastender Verwaltungsakt nicht ergangen sei. Ferner machte er geltend, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten sei nicht notwendig gewesen, denn der Kläger hätte die im Widerspruch aufgeworfenen Fragen zur Abrechnung der genannten Leistungen selbst klären können (Beschluß vom 13. Januar 1982/Bescheid vom 4. März 1982).
Vor dem Sozialgericht (SG) vertrat der Kläger die Ansicht, daß ihm, obwohl er nicht Widerspruchsführer gewesen sei, seine notwendigen Aufwendungen im Vorverfahren in analoger Anwendung des § 63 Abs 1 SGB X erstattet werden müßten, denn er sei notwendiger Beteiligter des Widerspruchsverfahrens gewesen und dem Begehren des Widerspruchsführers sei nicht stattgegeben worden. Außerdem sei auszusprechen, daß die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren notwendig gewesen sei. Dies entspreche allgemeinen Rechtsgrundsätzen und der ständigen Rechtsprechung der SGe bereits vor Erlaß des § 63 SGB X. Die neue gesetzliche Regelung habe die Rechtslage nicht verschlechtert, sondern insofern verbessert, als es auch im isolierten Vorverfahren zu einer Kostenerstattung kommen könne.
Die beklagte KZÄV und die beigeladene BEK nahmen Bezug auf die Begründung des Bescheids des Prüfungsbeschwerdeausschusses. Einer analogen Anwendung des § 63 Abs 1 SGB X widersprachen sie. Die BEK wies ferner ausdrücklich darauf hin, daß auch nach ihrer Ansicht die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nicht notwendig gewesen sei.
Das SG hat die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verpflichtet, die Kosten des Klägers für das Widerspruchsverfahren einschließlich der Kosten der Zuziehung eines Rechtsanwalts der Beigeladenen zu 1) aufzuerlegen. Zur Begründung verweist es auf die Entscheidung des Senats vom 11. Dezember 1985 - 6 RKa 35/84 -. Trotz eigener gegenteiliger Entscheidung habe es im Hinblick auf die dem Bundessozialgericht (BSG) zugewiesenen Aufgabe die Entscheidung des Senats anzuwenden. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts sei - unstreitig - notwendig gewesen, da es sich um die Entscheidung schwieriger verfahrens- und abrechnungsrechtlicher Fragen gehandelt habe. Der Sachverhalt weise gegenüber dem vom Senat entschiedenen Fall keine Besonderheiten auf, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigten. Das Vorverfahren beginne gemäß § 83 SGG mit der Erhebung des Widerspruchs.
Die beiden Beigeladenen haben gegen das Urteil die zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie verneinen die Anwendbarkeit des § 63 SGB X. Das vom SG herangezogene Urteil des Senats sei in einem Fall aus dem Bereich des Zulassungsrechts ergangen. Dagegen habe der Senat im selben Urteil und in einem Urteil vom selben Tag in der Sache 6 RKa 30/84 Zweifel hinsichtlich der Anwendbarkeit der Vorschrift im Rahmen der Prüfung und Überwachung der Wirtschaftlichkeit geäußert.
Die Beigeladene zu 1) beanstandet ferner, das SG habe es zudem unterlassen, die Voraussetzungen des § 63 SGB X im einzelnen zu prüfen. Insbesondere habe das SG keine Ausführungen dazu gemacht, ob und inwieweit der Widerspruch "erfolgreich" iS des § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X gewesen sei. Schließlich sei das SG zu Unrecht von einer unstreitigen Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts ausgegangen. Sie habe vor dem SG ausdrücklich die Notwendigkeit bestritten.
Der Beigeladene zu 2) verweist vor allem darauf, daß nach § 368n Abs 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) die Vertragsparteien das Verfahren zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit und vor den Ausschüssen weitgehend selbst gestalteten. Eine starke Bindung an das Vorverfahren iS der Sozialgerichtsbarkeit wie in § 368c Abs 2 Nr 7 RVO sei hier nicht vorgesehen. Den Vertragsparteien sei es danach auch überlassen, die Kostenerstattung im Prüfungsverfahren nach eigenen Maßstäben zu regeln. Die das Widerspruchsverfahren regelnde Vorschrift des § 17 EKV-Z enthalte keine Kostenerstattungsregelung. Daraus dürfe nicht geschlossen werden, daß die Kostenerstattung entsprechend § 63 SGB X zu bejahen sei. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, daß es sich bei § 17 EKV-Z um eine vollständige und abschließende Regelung handele. Ein Kostenerstattungsanspruch wäre daher nur gegeben, wenn ihn die Vertragsparteien positiv vereinbart hätten. § 63 SGB X könne nicht als höherrangiges Recht gegenüber § 368n RVO bzw gleichwertigen Regelungen im Ersatzkassenbereich angesehen werden.
Die Beigeladenen beantragen, das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27. Januar 1987 - S 12 Ka 67/82 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und die Beklagte beantragen, die Revisionen zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Kläger weist ferner darauf hin, aus der ausdrücklichen Bestimmung des § 15 Nr 11 EKV-Ärzte ergebe sich, daß die Vertragsparteien einen Ausschluß der Kostenerstattung im Widerspruchsverfahren für erforderlich hielten. Die verfahrensrechtlichen Rügen seien im Rahmen der Sprungrevision unbeachtlich (§ 161 Abs 4 SGG).
Die Beklagte vertritt die Auffassung, daß nach richtiger Interpretation der Urteile des Senats vom 11. Dezember 1985 eine Kostenerstattung gemäß § 63 SGB X sowohl im Verfahren vor den Zulassungsinstanzen als auch im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung gegeben sei. Da der Ausschluß der Kostenerstattung die Ausnahme darstelle, bedürfe es für ihn einer ausdrücklichen Regelung. Ein solcher Ausschluß sei im EKV-Z nicht vorgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevisionen der Beigeladenen haben insofern Erfolg, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Streitsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen ist. Die Revisionskläger wenden sich zwar zu Unrecht gegen die analoge Anwendung des § 63 SGB X, sie rügen jedoch begründet eine fehlerhafte Anwendung dieser Vorschrift. Aufgrund der bisherigen Tatsachenfeststellungen kann noch nicht abschließend entschieden werden, ob und inwieweit der Klage bei fehlerfreier Anwendung der Vorschrift stattzugeben ist.
§ 63 SGB X regelt die Erstattung von Kosten im Vorverfahren. Für den vorliegenden Fall sind insbesondere die Bestimmungen von Bedeutung, daß der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist (Abs 1 Satz 1), und daß die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig sind, wenn, worüber in der Kostenentscheidung zu befinden ist, die Zuziehung des Rechtsanwalts notwendig war (Abs 2 und Abs 3 Satz 2).
Diese Vorschrift gilt grundsätzlich auch für die kassen- und vertragsärztliche Versorgung, denn bei dieser handelt es sich um ein Teilgebiet der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 1 Abs 1 Satz 1 SGB X iVm §§ 1 ff, 21 SGB I und dem Zweiten Buch der RVO, insbesondere den §§ 368 ff RVO sowie den §§ 504 ff RVO und den Ersatzkassenverträgen für Ärzte und Zahnärzte). Die Vorschrift findet analoge Anwendung, wenn nicht der Widerspruchsführer, sondern ein anderer Verfahrensbeteiligter - wie hier der dem Widerspruch der BEK entgegentretende Kläger - mit seinem Rechtsbegehren im Widerspruchsverfahren Erfolg hat (Urteil des Senats vom 11. Dezember 1985 - 6 RKa 35/84 - BSGE 59, 216 = SozR 1300 § 63 SGB X Nr 7). Der Senat hat sich in dieser Entscheidung mit abweichenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) befaßt. Das BVerwG hat seine Rechtsprechung in einem Urteil vom 22. Mai 1986 bestätigt (Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr 22). Der Senat sieht sich durch die Rechtsprechung des BVerwG zu § 80 VwVfG nicht gehindert, zu § 63 SGB X in einem anderen Sinne zu entscheiden. Da die Kostenregelungen in der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und dem SGG nicht übereinstimmen, müssen auch die Kostenregelungen für das dem gerichtlichen Verfahren vorgeschaltete Widerspruchsverfahren nicht inhaltsgleich ausgelegt werden.
Die Anwendung des § 63 SGB X ist hier nicht deshalb ausgeschlossen, weil für die kassenärztliche Versorgung - entsprechend für die kassenzahnärztliche Versorgung (§ 368 Abs 1 Satz 4 RVO) - ausdrücklich vorgeschrieben ist, daß die Vertragsparteien des Gesamtvertrages das Verfahren zur Überwachung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit sowie das Verfahren vor den Ausschüssen vereinbaren (§ 368n Abs 5 Satz 3 RVO); im Ersatzkassenbereich ist der Regelungsrahmen der Vertragsparteien jedenfalls nicht enger gezogen (§ 525c RVO). Daraus ergibt sich aber nur die Möglichkeit der Vertragsparteien, eine von § 63 SGB X abweichende Regelung zu vereinbaren (§ 37 SGB I). Soweit dem Vertragsrecht, wie im vorliegenden Fall dem das Widerspruchsverfahren regelnden § 17 EKV-Z in bezug auf die Vorverfahrenskosten, keine Regelung zu entnehmen ist, finden die allgemeinen Grundsätze und Vorschriften des Verwaltungsverfahrens Anwendung.
Es ist allerdings einzuräumen, daß die Wortfassung des § 368n Abs 5 Satz 3 RVO auch die Auslegung erlaubt, die für das Prüfungsverfahren maßgeblichen Regelungen seien ausschließlich den vertraglichen Vereinbarungen zu entnehmen und ein Rückgriff auf allgemeines Verfahrensrecht sei ausgeschlossen. Eine solche Auslegung kann auf § 368c Abs 2 Nr 7 RVO verweisen. Dort ist dem Verordnungsgeber aufgetragen, das Verfahren vor den Zulassungsausschüssen "entsprechend den Grundsätzen des Vorverfahrens in der Sozialgerichtsbarkeit" zu regeln. § 368n Abs 5 Satz 3 RVO enthält eine solche Vorgabe nicht. Die Berufung der BEK auf diese unterschiedliche Ausgestaltung der Ermächtigungsnormen entbehrt nicht jeglicher Berechtigung. Die Frage, ob § 368n Abs 5 Satz 3 RVO die Vorschriften des SGB X ganz verdrängt oder nur, soweit Abweichendes vereinbart worden ist, wird im Schrifttum unterschiedlich beurteilt (vgl Schirmer, KrV 1983, 49; Schnapp, SGb, 1985, 89; Jahn, SGB X, Komm, Stand: September 1986, § 63 RdNr 2; Sabel, SGB, Stand: Juni 1984, § 63 Anm 5 und 7). Der Senat hat diese Frage zunächst offengelassen (Urteil vom 11. Dezember 1985 - 6 RKa 30/84 -). Er beantwortet sie nun im letzteren Sinne. Er läßt sich dabei von der Erwägung leiten, daß der Gesetzgeber die Vertragsparteien in ihrer Gestaltungsfreiheit nicht beschränken, aber ihnen sicherlich ebensowenig verwehren wollte, bei ihren Vereinbarungen von allgemeinen Grundsätzen und Vorschriften des Verwaltungsverfahrens auszugehen.
Dieser Auffassung steht die Stellungnahme des 11. Ausschusses des Deutschen Bundestages zu § 61 des SGB X-Entwurfs (= § 63 SGB X) nicht entgegen. Wenn dort betont wird, "zum Kassenarztrecht ist auf § 368n Abs 5 Satz 3 RVO hinzuweisen, der ... als Sondervorschrift erhalten bleibt" (BT-Drucks 8/4022 S 83), so ergibt sich daraus nicht, daß die Vertragsparteien eine in jeder Hinsicht abschließende Regelung treffen müssen. Offenbar sind auch die Parteien des EKV-Ärzte davon ausgegangen, daß § 63 SGB X nicht von vornherein im Verfahren vor den Prüfungsausschüssen ausgeschlossen ist, sondern lediglich von einer abweichenden Regelung verdrängt wird. Es hätte sonst nicht des § 15 Nr 11 EKV-Ärzte bedurft, der für den vertragsärztlichen Bereich die Erstattung von Vorverfahrenskosten ausdrücklich ausschließt. Da die Parteien des EKV-Z eine solche Regelung nicht getroffen haben, liegt die Annahme nahe, daß § 63 SGB X nicht ausgeschlossen werden sollte oder die Vertragsparteien sich über einen solchen Ausschluß nicht verständigen konnten. Auch im kassenärztlichen Bereich ist der Ausschluß, soweit gewollt, ausdrücklich vereinbart worden (vgl § 18 der Prüfungsvereinbarung Westfalen-Lippe, § 21 Abs 5 der Prüfungsvereinbarung Nordrhein). Schließlich weist eine Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) in diese Richtung. Nachdem die Justitiare der Ortskrankenkassen bei ihrer Besprechung am 27. August 1981 die Auffassung vertreten hatten, § 63 SGB X werde durch die in § 368n Abs 5 RVO enthaltene Sonderregelung verdrängt, kommt der BMA in seinem Schreiben vom 27. Januar 1982 - IVa 7-49915-63/3 - zu dem Ergebnis, § 368n Abs 5 Satz 3 RVO ermächtige zu abweichenden Regelungen und es sei daher zulässig - jedenfalls soweit es die Frage der Kostenerstattung angeht -, von Bestimmungen des SGB X abweichende Verfahrensregelungen zu vereinbaren (zitiert nach Sabel aaO). Die hier vertretene Auffassung gilt auch für solche vertragliche Regelungen, die schon vor Inkrafttreten des SGB X getroffen worden sind. § 63 SGB X hat mit seinem Inkrafttreten das vorgefundene Recht verändert. Soweit Vertragsparteien diese Regelungen nicht gelten lassen wollen, müssen sie entsprechende Vereinbarungen treffen. Wenn sie das unterlassen oder sie sich nicht einigen können, gelten die allgemeinen Regelungen.
Dem SG ist ferner darin beizupflichten, daß auch im Verfahren vor den kassen- und vertragsärztlichen Prüfungsausschüssen das Widerspruchsverfahren iS des § 63 SGB X mit der Einlegung des Widerspruchs bzw des gleichgestellten Rechtsbehelfs gilt. Auf die Vorschrift des SGG, die das ausdrücklich bestimmt (§ 83), wird zwar weder im § 368n Abs 5 RVO noch in dem hier maßgeblichen § 17 EKV-Z verwiesen. Bei der Vorschrift des SGG handelt es sich aber um einen allgemeinen Grundsatz des Verfahrensrechts. Eine von diesem Grundsatz abweichende Regelung ist nicht darin zu sehen, daß § 17 EKV-Z ein besonderes Abhilfeverfahren vorschreibt. § 63 SGB X gilt auch dann, wenn über den Widerspruch bereits im Abhilfeverfahren entschieden wird (vgl § 72 VWGO; Schroeder-Printzen, SGB X, Komm, § 63 Anm 12). Das in § 13 Abs 2 EKV-Z geregelte Abhilfeverfahren ist jedoch, worauf noch zurückzukommen sein wird, von Bedeutung für die auch hier umstrittene Frage, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.
Nicht beachtet hat das SG bei seiner Entscheidung, daß dem im Widerspruchsverfahren erfolgreichen Beteiligten Kosten nur insoweit zu erstatten sind, als sein Rechtsbegehren erfolgreich war. Im angefochtenen Urteil sind die Kosten des Klägers im Vorverfahren der BEK in vollem Umfang auferlegt worden, obwohl diese mit ihrem Widerspruch einen gewissen Erfolg erzielt hatte. Dem Kläger ist durch den im Abhilfeverfahren erteilten Bescheid, den die BEK als Abhilfe ihres Widerspruchs angesehen haben soll, der Hinweis erteilt worden, seine Leistungen künftig über das den entsprechenden Gebührentarifen zugehörige Formular abzurechnen. Damit ist zumindest fraglich, ob der Kläger mit seinem dem Widerspruch entgegentretenden Begehren in vollem Umfang erfolgreich war. Das SG hätte sich mit dieser Frage befassen müssen. Die Rüge der BEK, das SG habe es unterlassen, die Voraussetzungen des § 63 SGB X zu prüfen, ist jedenfalls insoweit berechtigt.
Vor allem aber beanstanden die Revisionskläger zu Recht die Entscheidung des SG, daß die BEK auch die Kosten des Klägers für die Tätigkeit eines Anwalts im Vorverfahren zu tragen hat. Die Begründung dieser Entscheidung läßt erkennen, daß das SG die gesetzliche Voraussetzung der Erstattungsfähigkeit, die Notwendigkeit der Zuziehung des Bevollmächtigten, verkannt hat. Nach der Rechtsprechung des BVerwG zu § 80 Abs 2 VwVfG, der mit § 63 Abs 2 SGB X übereinstimmt, ist die Frage, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren notwendig war, vom Standpunkt einer verständigen Person aus zu beurteilen. Maßstab ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sach- und Rechtslage eines Rechtsanwalts bedient hätte (BVerwGE 61, 100, 102; Buchholz 316, § 80 Nr 11 und 13). Wie das BVerwG weiter annimmt - wofür die unterschiedlichen Regelungen für das Gerichtsverfahren einerseits und für das Vorverfahren andererseits sprächen (§ 162 Abs 2 Satz 1 VwGO bzw § 162 Abs 2 Satz 2 VwGO und § 80 Abs 2 und Abs 3 Satz 2 VwVfG) -, gehe der Gesetzgeber davon aus, daß im Vorverfahren eine Bevollmächtigung Dritter, insbesondere eines Anwalts nicht üblich und in der Regel auch nicht notwendig sei; vielmehr werde zunächst das unmittelbare Gespräch zwischen der Behörde und dem Betroffenen persönlich als zweckmäßig angesehen (BVerwGE 61, 100, 101). Dieser Auffassung wird zwar nicht allgemein und uneingeschränkt zugestimmt. Maßgebende Vertreter des Schrifttums nehmen an, der Bürger sei nur in Ausnahmefällen in der Lage, seine Rechte gegenüber der Verwaltung ausreichend zu wahren; die Zuziehung eines Rechtsanwalts werde deshalb in der Regel notwendig sein (vgl Kopp, VwVfG mit Erläuterungen, 4. Aufl, § 80 RdNr 30; Schroeder-Printzen aaO § 63 Anm 8 ff; Hauck/Haines, SGB, Komm, Stand: 1. Februar 1987, § 63 RdNr 8). Dieses Schrifttum stimmt aber mit dem BVerwG insoweit überein, als es darauf abstellt, wozu der Bürger in der Lage ist, also was ihm zugemutet werden kann. Dementsprechend ist die Zuziehung eines Bevollmächtigten dann als notwendig anzusehen, wenn es der Partei nach den jeweils gegebenen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, das Verfahren selbst zu führen (vgl BVerwG Buchholz aaO Nrn 13, 15 und 18 sowie BVerwG vom 13. Februar 1987 - 8 C 35/85 - NVwZ 1987, 883).
Hinsichtlich der Prüfung der Abrechnung und der Behandlungsweise eines Kassen- und Vertragsarztes im allgemeinen und hinsichtlich des in den §§ 13 ff EKV-Z vereinbarten Prüfungsverfahrens im besonderen ergibt sich, daß jedenfalls im ersten Abschnitt des Widerspruchsverfahrens, in dem Abhilfeverfahren vor dem Prüfungsausschuß nach § 17 Abs 2 EKV-Z, die Zuziehung eines Rechtsanwalts grundsätzlich nicht notwendig ist. Die Kassen- und Vertragsärzte sind über die Art und Weise der Abrechnung ihrer Leistungen und über das Gebot der wirtschaftlichen Behandlungsweise durch Lehrgänge und schriftliche Informationen ihrer Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) umfassend aufgeklärt. Sie sind ferner aufgrund ihrer medizinischen Fachkenntnisse für die im Prüfungsverfahren zu erörternden Fachfragen kompetent. Schließlich sind sie am besten in der Lage, die Besonderheiten ihrer Praxis darzulegen. Bei Meinungsverschiedenheiten und Beanstandungen, die Gegenstand eines Prüfungsverfahrens sein können, bietet sich daher in erster Linie ein unmittelbares Gespräch zwischen dem betroffenen Arzt und seiner KÄV bzw dem bei dieser errichteten Prüfungsausschuß an. Dem trägt die Vorschrift des § 17 Abs 2 EKV-Z Rechnung, indem sie für den Fall des Widerspruchs gegen eine Entscheidung des Prüfungsausschusses vorschreibt, daß im Rahmen des Abhilfeverfahrens eine Sitzung anzuberaumen ist, zu der die Betroffenen zu laden sind. Diese Besonderheiten sind von wesentlicher Bedeutung für die Beurteilung der Frage, ob dem Arzt zuzumuten ist, das Verfahren selbst zu führen. Sie lassen den Schluß zu, daß die Zuziehung eines Rechtsanwalts jedenfalls im Abhilfeverfahren grundsätzlich noch nicht notwendig ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt.
Das SG hat diese rechtlichen Aspekte nicht berücksichtigt. Seine Entscheidung kann deshalb nicht bestätigt werden. Mangels der erforderlichen Tatsachenfeststellungen kann weder angenommen noch ausgeschlossen werden, daß besondere Umstände vorliegen, die die Zuziehung eines Rechtsanwalts schon in dem nach § 17 Abs 2 EKV-Z durchzuführenden Abhilfeverfahren rechtfertigten. Es ist daher von der in § 170 Abs 2 Satz 2 SGG vorgesehenen Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch zu machen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen